Vergleich der Steuern in Europa Wie Kapital in der Schweiz belastet wird. In der Schweiz sind die Unternehmenssteuern im europäischen Vergleich relativ tief. Doch insgesamt wird das Kapital laut einer neuen Berechnung nur leicht weniger belastet als im EU-Durchschnitt. NZZ 12.5.2015 Die Unternehmenssteuern sind in der Schweiz niedriger als in vielen anderen Ländern Europas. Laut einer Berechnung der Denkfabrik Avenir Suisse machten 2012 die entrichteten Steuern 13,5% der ausgewiesenen Gewinne aus. Nur in einigen osteuropäischen Staaten sowie in den Niederlanden und Luxemburg ist die effektive durchschnittliche Steuerbelastung für Unternehmen tiefer als in der Schweiz (siehe Grafik). Realistisches Vergleichsbild Avenir Suisse hat den Steuersatz nach einer von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, entwickelten Methode berechnet. Auf Grundlage der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden dabei auch unterschiedliche Abschreibungsmöglichkeiten oder Steuerabzüge berücksichtigt. Damit entsteht ein realistischeres Bild, als wenn nur die ordentlichen Steuersätze der einzelnen Staaten verglichen werden. Das Kapitaleinkommen der Schweizer Haushalte wird laut dieser Berechnung mit 26,5% besteuert. Dabei fallen mit der Einkommenssteuer, der Vermögens- und allenfalls der Erbschaftssteuer mehrere Steuerarten an. Unter Einbezug der tieferen Besteuerung bei den Unternehmen sinkt der Gesamtsteuersatz auf 20,6% (berechnet als Verhältnis aller Kapitalsteuern zu den Kapitalerträgen). Zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt beträgt 23,1%. Bei einer Annahme der Erbschaftssteuerinitiative schätzt die Denkfabrik allerdings, dass die effektive Belastung auf 22,8% steigen könnte und das Kapital damit hierzulande höher besteuert würde als etwa in Deutschland. Die Erbschaftssteuerinitiative, die Mitte Juni zur Abstimmung gelangt, will das Kapital steuerlich mehr belasten. Sie hat die ungleiche Verteilung der Vermögen in der Schweiz im Visier. Mit einem Gini-Index von 0,85 ist das steuerbare Reinvermögen in der Schweiz so ungleich verteilt wie nirgendwo sonst in Europa und auch in den meisten übrigen Staaten der Welt. Doch der Gini-Index (bei einem Wert von 1 verfügt eine Person über das gesamte Vermögen, bei einem Wert von 0 sind alle Vermögen gleich) als gängiges Mass, um die Vermögensverteilung in einem Land zu messen, ist auch kritisch zu hinterfragen. In Staaten mit stark ausgebauten Sozialwerken müssen beispielsweise Ärmere wegen dieser Absicherung viel weniger Vermögen bilden als in Ländern, die kaum ein soziales Netz kennen. Die Crux mit der Ungleichheit Hinzu kommt, dass das zugrunde gelegte steuerbare Reinvermögen nicht dem tatsächlichen Vermögen entspricht. So werden in der Schweiz gewisse Vermögensteile wie Ansprüche aus der zweiten und dritten Säule in der Statistik nicht erfasst oder – wie etwa der Sparteil bei rückkaufbaren Lebensversicherungen – nur teilweise einbezogen. Immobilien fliessen gemäss kantonalem Steuerwert und nicht nach dem in der Regel viel höheren Verkehrswert in die Statistik ein. Und schliesslich wird nicht jeder Besitz deklariert. Avenir Suisse verweist im Zusammenhang mit dem Gini-Index auf die egalitärer verteilten, aber nicht steuerbaren Vermögen wie die Berufsvorsorge oder das Sozialvermögen (AHV/EL). In Deutschland beispielsweise sinkt der Gini-Index laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) von 0,8 auf 0,6, sobald die Rentenversicherung zum Vermögen gezählt wird. Noch ausgeprägter ist der Unterschied in Österreich: Wird das Sozialvermögen berücksichtigt, sinkt der Gini-Index von 0,69 auf 0,40.