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Thomas Schaffner
Medienwirkungsforschung
Rte. de Villars 19
Zusammenfassung
1700 Fribourg
28.10.04: Persuasionsforschung / Selektivität
J. Trebbe
WS 04/05
Uni Fribourg
Persuasion (Fischer Lexikon, s. 407 ff.)
Die Persuasionsforschung stellt grundsätzlich die Frage, inwiefern z.B. Kampagnen tatsächlich via
Massenmedien Persuasion (Kunst der Überredung) sprich. Wirkung erzielen und von welchen Kriterien das Entstehen der Persuasionswirkung abhängt. Dies ist eigentlich der Kern der Medienforschung,
da über die Massenmedien sehr viele Menschen erreicht und überredet werden können.
Persuasion bezieht sich auf Situationen, in denen Verhalten durch symbolische Transaktionen, also
Botschaften, modifiziert wird. Es können drei Bedingungen der Persuasion unterschieden werden:
1.
Persuasion, die eine neue Einstellung oder Verhaltensweise formt. Voraussetzung: Individuen
besitzen noch keine etablierte Verhaltensweise. Trotzdem können sie auf vorangegangene Erfahrungen zurückgreifen. Oft können persuasive Botschaften ihre Wirkung entfalten, weil die
intendierten Verhaltensweisen neuartig sind und nicht auf etablierte Verhaltensmuster treffen.
2.
Persuasion, die bei Individuen bereits vorhandene Ansichten, Einstellungen und Verhaltensweisen verstärkt. Hier enger Zusammenhang der Verstärkungsfunktion persuasiver Botschaften mit der selektiven Wahrnehmung der Individuen (Individuen nehmen nur die Botschaften
wahr, welchen gegenüber sie so oder so schon positiv eingestellt waren. Theorie der kognitiven Dissonanz). D.h. die Medien ändern Einstellungen nicht, sie verstärken sie nur (Verstärkerhypothese). So werden auch Informationen, die kongruent zu den jeweiligen Ansichten
sind, besser erinnert.
3.
Persuasion, die Ansichten Einstellungen und Verhaltensweisen verändert. In den meisten
Fällen legen es persuasive Botschaften darauf an, Verhaltensweisen von Individuen zu verändern (Wähler sollen andere Partei wählen etc.).
Neue wissenschaftliche Rhetorik (Yale-Studien, traditionelle Persuasionsforschung, Fischer, s.
412ff)
In zahlreichen Experimenten wurde hier untersucht, ob und wie unterschiedliche Quellen- und Botschaftsmerkmale die Einstellungen der Rezipienten beeinflussen. In diesen Studien standen vor allem
persuasive Botschaften im Vordergrund, die sich auf Propaganda im zweiten Weltkrieg bezogen.
4.11.04: Two Step-Flow of Communication / Meinungsführer
Sozialer Einfluss innerhalb sozialer Gruppen ist nicht gleich verteilt, es existieren strategische Positionen und Rollen für Kommunikation und Einfluss. Eine besondere Rolle besitzen sie sogenannten Meinungsführer, welche andere Personen in ihrem Umfeld beeinflussen. Meinungsführer besitzen bei
bestimmten Themen ein grösseres Wissen als andere, deshalb sind die Einflüsse der Meinungsführer
meist auf ein bestimmtes Interessengebiet beschränkt. Durch dieses Mehrwissen wurde den Meinungsführern eine besondere Rolle im Massenkommunikationsprozess zugeschrieben. An der
Schnittstelle zw. Massenkommunikation und interpersonaler Kommunikation üben Meinungsführer
zwei Funktionen aus:
1.
Eine Relais- und Informationsfunktion, wie sie in der Hypothese des Two-Step-Flow beschrieben wird (Ideas often flow fom radio and print to the opinion leaders and from them to the less
active sections of the population)
2.
Eine Verstärker- oder Beeinflussungsfunktion, d.h. Meinungsführer beeinflussen auf der zweiten Stufe die kommunikativ weniger aktiven Personen in ihrer sozialen Umgebung, weil sie
nicht nur besser informiert (kompetenter) sondern auch in den jeweiligen sozialen Gruppen
besser integriert sind.
Meinungsführer sind besonders kontaktfreudig, eine Wesentliche Voraussetzung um andere zu beeinflussen. Deshalb sind sie geradezu ein strategisches Element bei der Formierung von Gruppenmeinungen. Ihnen ist bewusster, was die anderen Gruppenmitglieder denken; sie vermitteln zwischen
ihnen und repräsentieren so etwas wie die typische Gruppenmeinung.
Kritik: Informationsfluss und Beeinflussung werden nicht voneinander getrennt.
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Thomas Schaffner
Medienwirkungsforschung
Rte. de Villars 19
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1700 Fribourg
11.11.04: Uses-and-Gratifications Approach
J. Trebbe
WS 04/05
Uni Fribourg
Der Nutzenansatz basiert auf der Konzeption von Medienzuwendung als aktives, sinnorientiertes
Handeln. Dahinter steht die Überlegung, dass sich die Menschen den Medien nur zuwenden, wenn
diese von Relevanz für die Befriedigung kommunikationsbezogener Bedürfnisse Bedürfnisse bzw. für
die Lösung von Problemen sind. Nicht die Medien bewirken also etwas beim Rezipienten, sondern der
Rezipient benutzt die Medien funktionsprientiert. Die Bedeutung der Medien ist also einerseits abhängig von den vorhandenen funktionalen Alternativen (z.B Defizit an realen Interaktionsmöglichkeiten)
und andererseits von der persönlichen Fähigkeit, Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. Extrovertiertheit
einer Person).
Kritik: Aus kulturkritischer Perspektive werden ungenügend geklärte Grundkonzepte wie Bedürfnissbegriff (Herleitung und Bewusstheit von Bedürfnissen?) sowie Publikumsaktivität (welche Dimensionen?) bemängelt und auf die Gefahr des Tautologieschlusses (Mediennutzung beweist Bedürfnisse
und Bedarf legitimiert deshalb die Angebote) hingewiesen. Aber ebenso wird moniert, dass das Medienangebot selbst eine Nachfrage schaffe und Bedürfnisse durch Medienmarketing künstlich erzeugt
würden. Kritisiert wird auch, dass in vielen empirischen Studien die konkreten Medieninhalte kaum
berücksichtigt werden und so keine Aussagen über die Qualität der effektiven Bedürfnisbefriedigung
gemacht werden könne. Diesem Einwand wird in neueren Studien durch die Unterscheidung zwischen „gratifications sought“ als gesuchte und „gratifications obtained“ als tatsächlich erhaltene Gratifikationen Rechnung getragen, wobei bezüglich der Ansprüche an die Medien weiter unterschieden
wird zwischen medienbezogenen Erwartungen einerseits und deren Bewertung als persönlicher Wichtigkeit andererseits.
18.11.04: Agenda-Setting-Theorie
Bevor man Meinungen und Einstellungen durch die Medien beeinflussen bzw. ändern kann, muss der
Meinungs- bzw. Einstellungsgegenstand vermittelt werden. Die Medien bestimmen also nicht nur darüber, wie wir über ein Problem oder Thema denken, sondern sie nehmen vorgängig Einfluss darauf,
worüber Menschen überhaupt nachdenken.
Medien reduzieren in ihrer Berichterstattung die Vielfalt möglicher Ereignisse der Welt durch Gatekeeping-Prozesse und auf Grund von Nachrichtenfaktoren: Über bestimmte Themen wird zu einem gewissen Zeitpunkt viel, über andere wenig berichtet. Medien konstruieren so eine öffentliche Agenda
als Medienrealität. Diese Kann durch Inhaltsanalysen empirisch festgestellt werden. Die AgendaSetting-Theorie behauptet nun bezüglich der Medienwirkungen, dass die Rezipienten diese MedienAgenda als soziale Wirklichkeit übernehmen: Themen, über die viel berichtet wird, werden vom Publikum als dringliche Themen wahrgenommen.
Hier stellt sich nun die Frage, unter welchen Bedingungen Agenda-Setting-Effektte besonders gross
sind oder eben nicht. Themenbezogen kann man sagen dass die „Sichtbarkeit“ eines Themas eine
Rolle spielt. So haben wenig sichtbare Probleme (z.B. Kriminalität) einen grösseren Effekt als persönlich erfahbare Probleme (Inflation). Nationale Themen haben ebenfalls grössere Effekte als lokale. Im
Vergleich zwischen Tageszeitungen und TV besitzen Tageszeitungen v.a. im Bereich Politik stärkere
Effekte, das Fernsehen hingegen schneidet bei nationalen und internationalen Themen besser ab.
Rezipienten: Agenda-Setting-Effekte sind bei Personen gross, die ein Bedürfnis nach Orientierung
haben und/oder Medien intensiv nutzen.
Es gibt unterscheidbare Konstellationen im Zeitverlauf:
1.
2.
3.
4.
5.
Kumulationsmodell:
Schwellenmodell:
lineare Beziehung zwischen Berichterstattung und Wirkung
minimale Berichterstattung ist notwendig, damit überhaupt ein Effekt
eintritt
Beschleunigungsmodell:bei zunehmender Berichterstattung resultiert eine überproportionale
Effektzunahme
Trägheitsmodell:
nach einem bestimmten Ausmass der Berichterstattung gehen die
Effekte
zurück
Echomodell:
Obwohl die Berichterstattung ab einem bestimmten Zeitpunkt stark
absinkt, bleiben die Agenda-Effekte weiter bestehen
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Priming:
Damit sind indirekte Effekte auf der affektiven Ebene gemeint, welche zusätzlich erzeugt werden. Beispiel: Je nach Wahlkampfagenda (z.B. Wettbewerb vs. Soziale Sicherheit) wird das Image eines Kandidaten unterschiedlich wahrgenommen. Bestimmte Dimensionen des Kandidaten-Images treten stärker in den Vordergrund, während
andere eine geringere Bedeutung haben.
25.11.04: Massenmedien und Wahlen
Wahlkämpfe sind Kommunikationsereignisse, in denen sich die politische Kommunikation verdichtet.
Sie stellen Handlungssyteme aus Parteien, Medien und Wählern dar, die jeweils spezifische Beziehungen untereinander aufweisen. Alle diese Akteure und Gruppen haben „in den letzten Jahren strukturelle Veränderungen durchlaufen, von denen angenommen erden kann, dass sie dass Kommunikationsverhalten der jeweils anderen Akteure beeinflussen“.
Diese Veränderungen sind in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Amerikanisierung“ diskutiert
worden. Merkmale einer „Amerikanisierung“ sind: Personalisierung der Kampagne, Wahlkampf als
Kandidaten-Wettstreit, Angriffswahlkampf, Professionalisierung, Marketing-Ansatz sowie Ereignis- und
Themenmanagement.
Der Ansatz der Modernisierung hingegen geht davon aus, dass die genannten Veränderungen v.a.
auf endogene Ursachen zurückzuführen und damit Konsequenzen eines anhaltenden gesellschaftlichen Strukturwandels sind, der auf deren funktionalen Differenzierung beruht.
Im Hinblick aufs Ereignis- und Themenmanagement können vier Typen unterschieden werden:
1.
2.
3.
4.
Genuine Ereignisse:
Sind durch Funktionalität im politischen Entscheidungsprozess
charakterisiert.
Mediatisierte Ereignisse: Sind kommunikationsstrategisch ausgerichtet, z.B. Parteitage, die
zwar im politischen Entscheidungsprozess eine wichtige Funktion haben, deren Verlauf aber rauf die Medienberichterstattung hin ausgerichtet wird.
Pseudoereignisse:
Sind gekennzeichnet durch eine Politikdarstellung ohne Politikher
stellung und werden von politischen Akteuren ausschliesslich herbeigeführt, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen und
Berichterstattung zu stimulieren. Beispiele hierfür sind Pressekonferenzen oder Stellungnahmen politischer Akteure, Demonstrationen,
Kundgebungen oder „Aktionen“.
Medieninszenierte Er.: Sind solche Ereignisse, die von den Medien selbst geschaffen wer
den. Hierzu zählen z.B. Reaktionen von Medien auf Berichte anderer
Medien oder auch Interviews und Gespräche mit politschien Akteuren.
02.12.04: Schweigespirale
Die soziale Natur des Menschen veranlasst diesen, seine Umwelt, d.h. auch die Medienumwelt, ständig zu beobachten, und zwar insbesondere bezüglich der vorherrschenden öffentlichen Meinung. Gefragt wird z.B. „Welche Partei wird die Wahlen gewinnen?“ Besteht Konsonanz zwischen eigener und
perzipierter Mehrheitsmeinung, kann die eigene Meinung öffentlich geäussert werden, ohne Gefahr,
dich sozial zu isolieren. Bei Dissonanz wird geschwiegen, was eine sogenannte Schweigespirale in
Gang setzen kann: Immer mehr Schweigen, was die Mehrheitsposition stärkt.
Die Wirksamkeits eines Mediums ist umso stärker, je weniger es den schützenden Mechanismus der
selektiven Wahrnehmung zulässt. Das Fernsehen kann dann eine starke Wirkung erzeugen, wenn es
konsonant, kumulativ und eben öffentlich sichtbar eine so genannte „dominante Meinung“ verbreitet,
z.B. über die Wahlchancen einer Partei. Die Folge ist, dass die vermeintliche Minoritätsgruppe sich
selbst als Minderheit perzipiert und schweigt, d.h. ihre Meinung nicht mehr öffentlich äussert, was die
Schweigespirale in Gang setzt.
Kritik: Es erstaunt nicht, dass es insbesondere in Deutschland zu politischen Kontroversen um die
Theorie der Schweigespirale gekommen ist und die These vom wahlentscheidenden Einfluss des
Fernsehens umstritten geblieben ist. Kritisiert wurde insbesondere die quasi anthropologische Annahme, aus Isolationsfurcht würden Menschen nicht zu ihrer Meinung stehen. Nach Gerhards gibt es
jedoch neben den 3.5% der so genannten Anpasser auch 5% Missionare und ebenso Menschen, die
in allen Situationen ihre Meinung öffentlich äussern (39%) oder verschweigen (31%).
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09.12.04: Kultivierungshypothese
Medienwirkungsforschung
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J. Trebbe
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Uni Fribourg
Quantitative Inhaltsanalysen zeigen, dass das Fernsehen bestimmte Bilder von der Welt (primäre
Realität) konsonant, immer wieder stereotyp in ähnlich verzerrter Weise, wie z.B. Fernsehgewalt, Darstellung von Minoritäten, Familienbilder, Geschlechtsrollen-Stereotype etc., vermittelt.
George Gerbner von der Annenberg School of Communications führte seit Ende der 1960er Jahre
nicht nur Inhaltsanalysen zum Ausmass der TV-Gewalt durch (operationalisiert als „Violence-Index“),
sondern verglich diese auch mit Publikumsbefragungen zur Wahrnehmung der Gewalt im Alltag. Diese Studien zeigten, dass Vielseher ihre Umwelt im Vergleich zu Wenigsehern quasi durch eine „TVBrille“ verzerrt in Richtung der im Fernsehen dargestellten Realität wahrnehmen. So perzipieren Vielseher ihre Umwelt auch gewalttätiger und sind dementsprechend auch ängstlicher als Wenigseher.
Die Weltsichten der Vielseher sind homogener: Das Fernsehen fungiert als Mainstream-Medium.
Kritik: Kritisiert wird aus methodischer Perspektive, dass Gerbner den Begriff „Viel- bzw. Wenigseher“
unterschiedlich operationalisierte und in den meisten Fällen nur korrelative Querschnittstudien durchgeführt hat. Die Richtung des Einflusses bleibt dementsprechend ungeklärt: Führt habitualisiertes
Verhalten zu verzerrter Wahrnehmung der Umwelt oder ist das Vielsehen u.U. ein Persönlichkeitssyndrom ängstlicher Menschen? Auch wird kritisiert, dass dem Einfluss von Dritt-Faktoren, wie z.B
Wohngegend oder Geschlecht, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Zudem wird davon
ausgegangen, dass sowohl die TV-Realität als auch deren Nutzung homogen sind und dass darum
die Inhalte durch die Zuschauer auf ähnliche Weise verstanden und nicht uminterpretiert werden.
Aus theoretischer Perspektive hat Gerbner als Konsequenz solcher Kritik das Kultivierungs-Modell
durch die beiden Prozesse „Mainstreaming“ und „Resonance“ zu differenzieren versucht: Mainstreaming liegt dann vor, wenn das Fernsehen die Ansichten von abweichenden Gruppen auf die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung hin anpasst, d.h. bei Wenigsehern liegen die Meinungen auseinander
(Heterogenität), während sie bei Vielsehern homogen sind. Resonance meint, dass das Fernsehen
eine Verstärkung der Ansichten vorab bei jenen Gruppen bewirkt, die sich zu Recht betroffen fühlen,
z.B. Frauen oder Bewohner von Grossstädten durch Gewalt. Kritisiert wird, dass dadurch jedes empirische Forschungsresultat im Nachhinein entweder als Mainstreaming oder als Resonance interpretiert werden könne, mithin die Kultivierungstheorie gar nicht mehr falsifizierbar sei.
Zusammenfassend betrachtet liegen mittlerweile viele empirische Studien aus unterschiedlichen Ländern und zu verschiedensten Themen vor, welche Kultivierungsphänomene dokumentieren, allerdings
eher auf einem geringen Niveau. Als mediatisierende Faktoren machen sich die gesehenen Programmgenres, die Sehmotive der Zuschauer, die Einschätzung der Wirklichkeitsnähe der gesehenen
Programme, aber auch Persönlichkeitsaspekte wie Alter, Geschlecht oder Ängstlichkeit bemerkbar.
16.12.04: Wissensklufthypothese
Die Wissenskluft- bzw. „Knowledge-Gap“-Hypothese basiert auf der Einsicht, dass der Wissensstand
z.B. bei Wahlen und Abstimmungen oft sehr tief ist, obwohl die meisten Leute die Massenmedien
intensiv nutzen. Mehr Information allein genügt also nicht, sondern führt tendenziell eher dazu, dass
sich die Klüfte zwischen den schlecht und den gut Informierten verstärken.
Ausgangshypothese: „Wenn der Informationsfluss in einem Sozialsystem wächst, tendieren die Bevölkerungssegmente mit höherem sozioökonomischen Status und/oder höherer formaler Bildung zu
einer rascheren Aneignung dieser Information als die status- und bildungsniedrigeren Segmente,
sodass die Wissenskluft zwischen diesen Segmenten tendenziell zu- statt abnimmt“.
Zur Begründung der Ausgangshypothese verwiesen die Autoren auf folgende Faktoren und Prozesse:
Die Medien wirken als Trend-verstärker, weil 1. die besser Gebildeten vermehrt die Informationsreichen Print-Medien nutzen, sie 2. schneller lernen, 3. über mehr themenspezifisches Vorwissen, aber
auch über eine bessere Medienkompetenz verfügen und sie 4. stärker an politischer Information interessiert sind. Darüber hinaus erhalten sie 5. mehr relevante Informationen über soziale Netzwerke. Im
Gegensatz dazu nutzen die weniger Gebildeten vorab das Informationsärmere TV, haben weniger
Vorwissen und ihr Interesse ist geringer. Diese Faktoren führen dazu, dass sich im Wahlkampf oder
bei Abstimmungen die Information ungleichmässig ausbreitet. Oder Informationskampagnen erreichen
oft nur jene, die eigentlich schon informiert sind.
Kritik: Die Wissenskluft-Hypothese ist in verschiedener Hinsicht kritisiert worden: Bezüglich des Wissensbegriffs wird z.T. zu stark mit „Schulbuchwissen“ gearbeitet, was Personen mit einem Mittelschichthintergrund begünstigt. Ein solches Wissen ist u.U. für Personen aus der Unterschicht aber
wenig relevant. Die klassische Wissenskluft-Hypothese ist aus einer Defizit-Perspektive formuliert
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worden. Im Unterschied dazu kann aus einer Differenz-Perspektive argumentiert werden, dass Personen mit tiefem sozio-ökonomischen Status bzw. tiefem Bildungsstatus nicht generell benachteiligt
sind, sondern nur in bestimmten Situationen weniger motiviert sind, sich die medienvermittelte Information anzueignen. In der Ausgangshypothese wurde nicht differenziert zwischen Wissensklüften, die
das Resultat einer ungleichen Mediennutzung sind, und solchen, die dadurch entstehen, dass im Rezeptionsprozess selbst die Informationsverarbeitung und –aufnahme bildungsspezifisch je unteschiedlich intensiv ist.
Sowohl diese theoretischen Überlegungen als auch empirische Forschungen haben zu einer Differenzierung der Wissenskluft-Perspektive geführt, und zwar einerseits in eine mehr psychologische, andererseits in eine mehr soziologische Richtung.
Dazu konnte nachgewiesen werden, dass es Mechanismen gibt, die auf der Makroebene des Medienund Gesellschaftssystems zu einer Homogenisierung des Wissens, d.h. zu einer Einebnung der Wissensklüfte führen können: sozialer Konflikt. In sozialen Systemen, wo die Berichterstattung bezüglich
eines Themas konflikthaltiger ist und die Meinungen polarisierend sind, ist die Wissensverteilung homogener im Vergleich zu wenig kontroversen Themen. Und auf der psychologischen Mikroebene
konnte gezeigt werden, dass die perzipierte Problemrelevanz und das Themeninteresse Im Zeitablauf
zu einem Ausgleich des Wissens führen können und bestehende Bildungsnachteile teilweise kompensiert werden. Dies gilt ebenfalls für die Nutzung von interpersonalen Quellen und Printmedien, sofern
diese durch die benachteiligten Segmente genutzt werden.
13.01.04: Schema-Theorie
Neuere schematheoretische Modelle des Textverstehens zeigen, dass negative Selektion als Vermeiden bezüglich Wahrnehmung, Interpretation und Behalten oder Vergessen nur beschränkte Erklärungskraft besitzt. Darüber hinaus spielen aktive selektive Prozesse der Elaboration aufgrund vorhandener Schemata eine wichtige Rolle: Die Bedeutung eines Textes oder z.B. eines Fernsehnachrichtenbeitrags muss erschlossen werden, und zwar ausgehend vom Vorverständnis und den Wortkonzepten des Rezipienten. Dabei spielen auch Konnotationen als emotionale Wortassoziationen eine
wichtige Rolle. Informationsverarbeitung ist somit in der schematheoretischen Perspektive wesentlich
ein aktiver und konstruktiver Prozess der Sinnkonstitution.
20.01.04: Cultural Studies
Diese relativ heterogene Denkschule befasst sich auf der Basis von literaturwissenschaftlichen, linguistischen und semiotischen Instrumenten vorab mit populärkulturellen Texten. Untersucht wird einerseits, welche Ideologien Texte transportieren und wie dadurch gesellschaftliche Machtverhältnisse
tradiert werden. Andererseits interessiert, wie Rezipienten mit populärkulturellen Texten umgehen:
Übernehmen sie die in einem Text enthaltene Bedeutung tatsächlich oder sind auch alternative Interpretationen möglich?
Kultur wird in den Cultural Studies als „practice of everyday living“ verstanden. Damit soll eine Neudefinition erreicht werden, welche die Trennung von Hochkultur und Trivialkultur aufhebt. Als bedeutsam
zur Analyse der Konstruktion von Bedeutung und Gemeinschaft wird alles betrachtet, was von Menschen dazu eingesetzt wird, sei es Bestandteil einer Elite-, Volks- oder Populärkultur. Alle Errungenschaften der menschlichen Gesellschaft, ob Waren des alltäglichen Gebrauchs oder reine Symbole,
können als Text verstanden werden, der gelesen und interpretiert werden kann, der etwas aussagt
über die Ideale, Sehsüchte, Ängste, Machtverhältnisse oder die Rollenbilder einer Gesellschaft oder
Gruppe. So analysiert Fiske die Bedeutung der Jeans für die amerikanische (und schliesslich globale)
Gesellschaft als ein Symbol für eine klassenlose Gesellschaft, für Freiheit, Sportlichkeit, geschlechterverbindend und zugleich einsetzbar zur Betonung männlicher und weiblicher Rollenmerkmale. In derselben Weise wurden Medienangebote und ihre Fankulturen untersucht, oft gerade solche, die aus
einer elitären Perspektive als trivial bezeichnet werden und daher in anderen Forschungstraditionen
einer ernsthaften wissenschaftlichen Analyse gar nicht würdig erscheinen.
Morley untersuchte die englische TV-Sendung „Nationwide“ und unterschied dabei zwischen drei
möglichen Leseweisen von Medientexten:
-
„preferred reading“: so wie es aufgrund der Hinweise im Text am Naheliegensten erscheint
„negotiated reading“: die Interpretation als Integration und Kompromiss zwischen vorgezeichneten und eigenwillig eingebrachten Ideen
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WS 04/05
1700 Fribourg
Uni Fribourg
„oppositional reading“: die Interpretation löst sich völlig von den Intentionen des Kommunikators und konstruiert möglicherweise das genaue Gegenteil dessen, was beabsichtigt
war.
Diese Begriffe beziehen sich zum einen auf das Verhältnis von Textbedeutung aus der Sicht von
Kommunikator vs. Rezipient, zum anderen auf unterschiedliche Interpretationsstile zwischen verschiedenen Individuen, Gruppen oder Gesellschaften. Beispielsweise können soziodemographische
Variablen wie Geschlecht, Alter, soziale Schicht jeweils unterschiedliche Formen des Decodierens von
Bedeutung nahe legen. Dies wird deutlich, wenn man Diskurse zur Frage „unerwünschter“ Medieninhalte betrachtet, wie z.B. zu Gewaltdarstellungen oder sexuellen Darstellungen.
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