Ergebnis der Arbeitsgruppe 1 Flächendeckender Ausbau von Hilfen und Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. in psychischen Krisen (Punkt 3 des Zweiten Eckpunkteentwurfs vom 2. April 2015) Ziele sind die weitere Verbesserung der Versorgung und der vorausgehenden Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in psychischen Krisen durch Ausbau und Weiterentwicklung vorhandener Strukturen und Ressourcen mit dem Ziel der möglichst umfassenden Vermeidung einer Unterbringung. Derzeit nimmt Bayern – im negativen Sinne- einen Spitzenplatz sowohl bei der Anzahl der Unterbringungen wie bei der Anzahl von Suiziden ein. Es besteht dringender Handlungsbedarf für den Landesgesetzgeber. Jeder Mensch in Bayern, gleich welchen Alters, hat das Recht, bei Bedarf Hilfe zu erhalten. Zu diesem Recht gehört auch, dass ihm die Informationen über Hilfemöglichkeiten in angemessener Form zur Verfügung gestellt werden. Leitbild für die Versorgung soll sein: die in den Grundsätzen zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern genannten Leitlinien • die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die UN-Kinderrechtskonvention • Gewährleistung gleicher Zugangsmöglichkeiten zur Versorgung in allen Teilen Bayerns, unter besonderer Berücksichtigung auch des ländlichen Raumes Eckpunkte: 3.1. Regelversorgung Die Empfehlungen der „Grundsätze zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern“ sind mit einer größeren Verbindlichkeit zu versehen, ihre Umsetzung ist sicherzustellen, noch offene Finanzierungsfragen sind zu klären. Insbesondere die Forderungen nach einer Psychiatrieplanung und einer Psychiatrieberichterstattung sind umzusetzen (Schnittstelle zur AG 5). Die „Grundsätze“ sind darüber hinaus im Sinne der UN-Konventionen fortzuschreiben. Es ist zu überprüfen, was noch fehlt, um von einem flächendeckenden Netz an Hilfen und von verlässlichen Strukturen im ganzen Land sprechen zu können, entsprechende Abhilfe ist zu schaffen. Das Hilfesystem soll auch präventive und nachsorgende Angebote beinhalten. Die Rolle der Angehörigen als „Leistungserbringer“ und ihr Unterstützungsbedarf ist zu berücksichtigen. Die Staatsregierung verpflichtet sich, im Rahmen der Psychiatrieberichterstattung regelmäßig die Fortschritte bei der Umsetzung und der Fortschreibung der „Grundsätze zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bayern“ und die eingeleiteten Maßnahmen zur Berichterstattung festzustellen und dem Landtag darüber zu berichten (Schnittstelle AG 5). Der Abgleich von Ist und Soll erfolgt auch regional. Auf die verbindliche Vernetzung und Kooperation der Akteure (auch über die Sektoren und die Grenzen der Sozialgesetzbücher hinweg) ist hinzuwirken, Zuständigkeiten sind eindeutig und transparent festzulegen: 1 Ergebnis der Arbeitsgruppe 1 Flächendeckender Ausbau von Hilfen und Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. in psychischen Krisen (Punkt 3 des Zweiten Eckpunkteentwurfs vom 2. April 2015) • Regionale Steuerungsverbünde / Psychosoziale Arbeitsgemeinschaften (PSAGen) sollen verpflichtend überall vorhanden und in regionale Bedarfsermittlungen eingebunden sein. • Ressourcen sollen zur Verfügung gestellt werden zur Koordination und Vernetzung der Hilfen auf regionaler Ebene, z.B. zur Geschäftsführung und Teilnahme an Regionalen Steuerungsverbünden. Die Kostenträger stellen durch Pauschalfinanzierung die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen für flächendeckende, niederschwellige psychosoziale Versorgung bereit. Dabei gilt es, nicht nur Institutionen festzuschreiben, sondern auch Funktionen (z.B. Beratung, tagesstrukturierende Angebote, aufsuchende Hilfen, Krisenversorgung) zu beschreiben. Festzuschreiben ist eine verbindliche Finanzierung der Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi), der Gerontopsychiatrischen Dienste / Fachkräfte, der Psychosozialen Beratungsstellen (PSB), der Beratungsangebote des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und von Angeboten im Bereich der Jugendhilfe. Es ist darauf hinzuwirken, dass die im SGB V-Bereich gesetzlich beschriebenen Angebote bedarfsgerecht realisiert werden (ambulante psychiatrische Pflege, Soziotherapie, Hometreatment). 3.2. Krisenversorgung Ziel der Krisenversorgung ist es, psychische Krisensituationen ambulant aufzufangen, stationäre Behandlungen möglichst zu vermeiden und ggf. notwendige stationäre Behandlungen einzuleiten. Die Krisenversorgung soll dazu beitragen, Unterbringungen in stationäre psychiatrische Einrichtungen und Zwangsmaßnahmen abzuwenden sowie Suizide zu verhindern. Zielgruppen sind Erwachsene, Kinder und Jugendliche in akuten psychischen Krisen, die aus eigener Kraft nicht mehr zu bewältigen sind sowie deren Angehörige bzw. deren soziales Umfeld. Kein Ausschluss bestimmter Gruppen. Es gilt ein subjektiver Krisenbegriff. Die Akteure der Regelversorgung (niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten, Kliniken, Beratungsstellen) übernehmen bereits jetzt einen großen Teil der Krisenversorgung. Auch die Polizei übernimmt Aufgaben in Krisensituationen. Ergänzend notwendig ist die flächendeckende Einrichtung von „Krisendiensten“ (= Krisennetzwerk von kooperierenden Leistungserbringern bzw. Akteuren einer Region) o Erreichbarkeit an allen Tagen, rund um die Uhr o bekannte, einheitliche Nummer (mögliche Hilfen müssen bekannt sein und bekannt gemacht werden) o Hilfen im Vorfeld von und Mitwirkung bei Unterbringung (Krisendienst /Krisennetzwerk als verpflichtendes Strukturelement bei der Unterbringung) (Schnittstelle AG 4) o professionelle Struktur (Fachkräfte mit Kompetenz in Krisenintervention) o Niederschwelligkeit, einfache Zugangsmöglichkeit 2 Kommentar [L1]: Konsens: Ressourcen sind notwendig, Dissens bzgl. Notwendigkeit von regionalen „Psychiatriekoordinatoren“ Kommentar [L2]: Hinweis der Kassenvertreter: keine Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers Ergebnis der Arbeitsgruppe 1 Flächendeckender Ausbau von Hilfen und Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. in psychischen Krisen (Punkt 3 des Zweiten Eckpunkteentwurfs vom 2. April 2015) Notwendige Funktionen, Strukturelemente (i.S. eines differenzierten Angebots): o Kontakt- und Vermittlungsstelle / Leitstelle Erstkontaktstelle Vermittlung und Koordination der Hilfen (Screening: Wo ist welche Hilfe notwendig, wo ist aufsuchende Hilfe notwendig?) telefonische Krisenintervention eine Kontakt- und Vermittlungsstelle / Leitstelle pro Region (mindestens eine pro Bezirk ) o Aufsuchende Leistungen = Geh-Struktur, um Krisen vor Ort entschärfen zu können (mobiles Team, flächendeckend , mehrere Stellen bzw. „Stützpunkte“ pro Bezirk notwendig) o Komm-Struktur = Hilfesuchende können das Hilfeangebot (Beratungsstelle) aufsuchen – gegebenenfalls Erweiterung der vorhandenen Angebote o Rückzugsräume = Räumlichkeit, in der der Hilfesuchende, wenn ein Verbleiben in der eigenen Wohnung nicht möglich, eine Klinikbehandlung aber nicht notwendig ist, einige Stunden verbringen kann, mit dem Ziel, eine freiwillige Behandlung einzuleiten bzw. die Krise abzumildern. Kann an die Beratungsstelle (Komm-Struktur) oder andere Einrichtungen angeschlossen sein. o Krisenbetten: Innerhalb der AG gibt es hierzu unterschiedliche Auffassungen (Dissens), insbesondere bzgl. Länge des Aufenthaltes, auch wegen Kostenbedarf einer solchen Versorgung; evtl. als spätere Ausbaustufe. Zu beachten sind die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen. Regionale Lösungen, Netzwerkmodell und Einbindung der Regelversorgung In regionalen Netzwerken sind bereits vorhandene Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen, regional vorhandene Versorgungslücken sind zu schließen. Die konkrete Ausgestaltung der Krisenversorgung, speziell auch die konkrete Einbindung des Regelversorgungssystems (z.B. Jugendhilfe (SGB VIII), Eingliederungshilfe (SGB XII), ärztliche / psychotherapeutische Versorgungsmöglichkeit (SGB V) ist in der jeweiligen Region zu erarbeiten. Notwendig ist eine systematische, verbindliche Kooperation von Krisendienst / Krisennetzwerk und Polizei bzw. weiteren beteiligten Behörden. Regionale Kooperationsvereinbarungen zur Regelung, wie z.B. bei (drohender) Unterbringung vorzugehen ist, sind abzuschließen (Schnittstelle AG 4, sowie Schnittstelle AG 2: Schulungen von u.a. Polizei). Empfehlung: Die Verantwortung für Einführung / Finden einer regionalen Lösung (Netzwerkkoordination) im Sinne einer Hinwirkungsverpflichtung soll bei den Bezirken liegen. Für die AG 1 / Protokoll und Moderation Dagmar Brüggen und Anna Magin 3 Kommentar [MA3]: Für Kinder und Jugendliche bestehen bereits auf kommunaler Ebene Unterstützungsmöglichkeiten, die davon nicht eingeschränkt werden sollen. - Nutzung bestehender Strukturen! Kommentar [MA4]: Auch ärztlicher Bereitschaftsdienst, Rettungsdienst, Portalpraxen