Pädiatrische Neuroonkologie (PNO)

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Pädiatrische Neuroonkologie (P N O)
Prof. Dr. Dr. med. Michael C. Frühwald
Dr. rer. nat. Jörg Mühlisch, Chemiker
Dipl. Humanbiologin Sabrina Schlosser, Doktorandin
Dipl. Biologin Anja Groenhagen, Doktorandin
Birgit Lechtape, MTA
Ursula Warthorst, MTA
Tumoren des Zentralnervensystems sind die häufigsten soliden Tumoren bei Kindern und
Jugendlichen. Bestimmte Risikogruppen sind nur in Ausnahmefällen heilbar. Zudem leiden
viele Kinder und Jugendliche an den Folgen der Tumorerkrankung, aber auch der invasiven
Behandlung inklusive Neurochirurgie, Radiotherapie und Chemotherapie.
Die Arbeitsgruppe für pädiatrische Neuroonkologie (PNO) beschäftigt sich mit Mechanismen,
die zur Entstehung von ZNS-Tumoren beitragen. Der Schwerpunkt liegt auf der
Untersuchung epigenetischer Veränderungen in bösartigen ZNS-Tumoren wie z.B.
Medulloblastomen, sPNET, Ependymomen und Rhabdoidtumoren (AT/RT). Ziel ist es,
Mechanismen
der
Tumorentstehung
besser
zu
verstehen
und
bestehende
Therapiestrategien zu verbessern bzw. neue aufzudecken.
Neben genetischen Abweichungen, Änderungen des Gencodes die für die Tumorenstehung
verantwortlich sind, werden zunehmend epigenetische Störungen mit der Tumorentstehung
in Zusammenhang gebracht. Die Epigenetik beschäftigt sich mit der Übersetzung der in der
DNA festgelegten (kodierten) Information, d.h. wie und warum werden bestimmte Gene anund abgeschaltet. Grundlegend für das Verständnis epigenetischer Mechanismen ist die
Verpackung und Organisation der Erbsubstanz.
Im menschlichen Genom findet man zwei Zustände des Chromatins. Euchromatin ist
transkriptionell
aktives
Chromatin,
das
leicht
abgelesen
werden
kann,
während
Heterochromatin „stillgelegte“ DNA Bereiche mit dicht gepackten Nukleosomen beschreibt,
die beispielsweise in der Zentromer Region, Telomeren oder auf dem inaktiven XChromosom zu finden sind. Das Verhältnis von Euchromatin zu Heterochromatin garantiert
die Erhaltung bestimmter Expressionsmuster und deren Aufrechterhaltung in folgenden
Zellgenerationen. Die Antwort auf regulatorische Signale beinhaltet eine Veränderung der
Chromatinstruktur und wird durch epigenetische Mechanismen (Chromatin remodellierende
Komplexe, Histonmodifikationen, DNA-Methylierung, kleine nicht codierende RNAs)
umgesetzt. Epigentische Phänomene sind reversibel und bieten einen vielversprechenden
Ansatz für die Behandlung von Erkrankungen, wie z.B. Krebserkrankungen.
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1) Epigenetische Inaktivierung wachstumsregulierender Gene in
bösartigen ZNS-Tumoren des Kindesalters
Grundlage des Projektes ist die epigenetische Regulation der Genexpression, speziell durch
Methylierung von DNA. Epigenetische Modifikationen kontrollieren als eine Art „Schalter“ die
Ausprägung der Erbanlagen und sind unabdingbar für die geregelte Entwicklung und
Funktion des menschlichen Organismus. Abweichende Methylierungsmuster, d.h. ein
genomweiter Verlust von DNA-Methylierung sowie eine Anreicherung in regulatorischen
Genabschnitten,
sind
häufig
in
Tumorzellen
zu
finden.
In
der
Folge
werden
Tumorsuppressorgene, Reparatur- und Schutzmechanismen der Zelle inaktiviert sowie
Gene, die das Tumorwachstum begünstigen, aktiviert.
Durch genomweite Methylierungsuntersuchungen mittels RLGS (Restriction Landmark
Genomic Scanning) wurde eine Reihe von hypermethylierten DNA-Sequenzen aufgedeckt.
Diesen wurden mit Hilfe einer speziellen Genbank bekannte Gene zugeordnet. Die
epigenetische Regulation sowie Bedeutung dieser Gene für das Wachstum und die
Ausbreitung von Hirntumoren werden im Rahmen des Projektes detailliert untersucht.
Die Aufdeckung aberranter Methylierungsmuster in Krebszellen hat in der Verwendung als
prognostischer Marker klinische Bedeutung. Die Methylierung bestimmter Gene (z.B. das
Reparaturgen O6-MGMT) kann beispielsweise mit dem Therapie-Ansprechen von Patienten
korrelieren.
Abb.1: Ein besseres Verständins der Biologie und Wachstumsprozesse von Hirntumoren
von Kindern und Jugendlichen ist notwendig, um bestehende Therapien zu optimieren bzw.
neue Behandlungsstrategien aufzudecken.
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Abb. 2.: CpG-Inseln in der Promoter-Region von Genen sind in gesunden Zellen in der
Regel nicht methyliert, in Krebszellen dagegen oft abweichend methyliert. Dies kann in
Wechselwirkung
mit
weiteren
epigenetischen
Regualtionsmechanismen,
wie
Histonmodifikationen, zum Abschalten des betroffenen Gens führen.
Abb. 3 Restriction Landmark Genomic Scanning (RLGS) ermöglicht genomweite
Methylierungsuntersuchungen und somit den Vergleich von Methylierungsmustern in
gesunden und entarteten Zellen.
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2) Folate und deren Inhibitoren in der Kinderheilkunde
Methotrexat (MTX) wird seit Jahrzehnten in der Therapie maligner Erkrankungen verwendet.
Eingriffe in den Folatstoffwechsel durch MTX sind ein unverzichtbarer Bestandteil der
Behandlung
von
Mammakarzinomen
Kindern
mit
(Brustkrebs),
akuten
lymphatischen
Non-Hodgkin-Lymphomen
Leukämien
(NHL),
(Blutkrebs),
Knochentumoren
(Osteosarkomen) und Hirntumoren. Pemetrexed (PMX) wird seit 2004 sowohl in der
Monotherapie als auch in Kombination eingesetzt. Es findet Anwendung beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) und beim malignen Pleuramesotheliom (MPM).
Methylgruppen werden in der DNA zum einen bei der Biosynthese des Bausteins Thymin
benötigt, zum anderen werden Methylgruppen an Cytosin-Reste in CpG-Dinukleotiden
(CpGs) gebunden.
Ein ausgeprägter Folatemangel führt zu einem Synthese-Stopp von DNA, RNA und
Proteinen, was einen Zellzyklus-Arrest und schließlich das Absterben der entsprechenden
Zellen zur Folge hat. Dies betrifft besonders sich schnell teilende Zellen wie Stammzellen
des Knochenmarks und Leukozyten, aber auch Tumorzellen.
In der Krebstherapie nutzt man Hemmstoffe der am Folatzyklus beteiligten Enzyme, um
durch den entstehenden Folatmangel das Wachstum der Zellen zu hemmen. Eine genaue
Therapiesteuerung ist von besonderer Bedeutung für den Therapieerfolg. Um Wirkungen
und Nebenwirkungen der Behandlung besser zu verstehen und zu optimieren, prüfen wir die
Auswirkung der Medikation auf Körper und Zelle, auf DNA Methylierung, Genexpression und
DNA Stabilität.
Abbildung
4:
Strukturformeln der beiden Antifolate Methotrexat (oben) und Pemetrexed (unten)
4
Abb. 3: Vereinfachtes Schema des Folatzyklus.
Der Folatstoffwechsel spielt eine wichtige Rolle für Zellwachstum und DNA Methylierung.
Methotrexat (MTX) hemmt hauptsächlich die Dihydrofolatreduktase (DHFR), welche die
Umsetzung von Dihydrofolsäure zu Tetrahydrofolsäure katalysiert. Pemetrexed (PMX)
inhibiert
darüber
hinaus
die
ebenfalls
am
Folatstoffwechsel
beteiligten
Enzyme
Thymidylatsynthase (TS) und Glycinamidribonukleotidformyltransferase (GARFT).
Bestimmung von Methotrexat und seinen Stoffwechselprodukten
Methotrexat wird neben der niedrig dosierten oralen Gabe auch intravenös in Form von
Hochdosis-MTX in den Blutkreislauf gegeben. Zudem erfolgt durch intrathekale oder
intraventrikuläre auch eine direkte Gabe in die Gehirnflüssigkeit (Liquor), um Metastasen in
diesem Bereich zu vermeiden.
Der Einsatz erfolgt bei Hochdosis-Methotrexatbehandlung in fein dosiertem Wechselspiel
zwischen Behandlung und zeitgerechtem Gegensteuern mit Leukovorin zur Vermeidung
fataler Nebenwirkungen. Um die Notwendigkeit dieser für den Patienten unangenehmen
Prozedur zu prüfen haben wir in einem ersten Schritt die Pharmakokinetik von MTX im
Liquorraum untersucht. Zur Bestimmung der Konzentration des MTX und seiner
Stoffwechselprodukte
im
Liquor,
wurde
eine
Methode
basierend
auf
Hochdruckflüssigkeitschomatographie (HPLC) und Massenspektrometrie (MS) etabliert.
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Die Quantifizierung von MTX und zweier seiner Stoffwechselprodukte im Liquor nach Gabe
von hochdosiertem MTX zeigt, ob wirksame Konzentrationen des Antifolats nach
intravenöser Gabe die Hirnflüssigkeit ohne intrathekale Gabe erreicht haben.
Mit einer Computersoftware wird zudem die Verteilung des MTX im Körper nach HochdosisGabe und zusätzlichem intrathekalem MTX modelliert, um die Verteilung zwischen Blut und
Liquor zwischen einzelnen Patienten besser zu charaktisieren. Ziel ist es die Therapie für
den Patienten individuell anzupassen.
Bestimmung genetischer und epigenetischer Effekte der Behandlung mit Antifolaten
Im Zellkulturmodell können wir durch Methotrexat und andere Inhibitoren von Enzymen
gezielt in den Folatstoffwechsel eingreifen und Änderungen der Konzentrationen der Folate,
der epigenetische Regulation und der genetische Stabilität untersuchen.
Durch genetische und epigenetische Untersuchung werden Veränderungen mit auftretenden
DNA Schäden und Änderungen des Methylierungsstatus korreliert. Von den Untersuchungen
erhoffen wir uns ein detailliertes Verständnis der Wirkweise von Medikamenten, die
modulatorische Effekte auf Folatstoffwechsel, DNA-Methylierung und Genexpression zeigen,
was zur Optimierung bestehender Therapien mit diesen Medikamenten beitragen wird.
3) O6-MGMT als Stratifizierungsmarker für bösartige ZNS-Tumoren bei
Kindern und Jugendlichen
Abweichende Methylierung des DNA-Reparaturgens MGMT ist ein Surrogatmarker für das
Ansprechen von Glioblastomen erwachsener Patienten auf eine Therapie mit alkylierenden
Substanzen. Unsere Analysen von hochgradigen Gliomen, die im Zuge der HIT-GBM-Studie
archiviert wurden, zeigen in dieselbe Richtung. Im Rahmen dieses Projektes solle der
funktionelle Zusammenhang zwischen abweichender Methylierung und Genausprägung
untersucht
werden.
Hierzu
werden
verschiedene
Methoden
angewandt
(z.B.
Capillarelektrophoerese). Ziel ist es zu charakterisieren, ob Methylierung durch eine
entsprechende Enzymaktivität funktionell mit der Reparatur der durch TMZ verursachten
Alkylierungsschäden korreliert oder ob es sich bei der Methylierung um einen
Surrogatmarker handelt, der eine noch ungeklärte, aber für die Behandlung positive
Veränderung in der Zelle anzeigt.
4) Epigenetische Mechanismen als therapeutische Zielstrukturen
Während genetische Läsionen wie z.B. Basenpaarmutationen therapeutisch nicht zu
beeinflußen sind, können epigenetische Mechanismen durch eine Reihe von chemischen
Substanzen manipuliert werden. Gemeinsames Prinzip ist die Hemmung regulatorischer
Enzyme.
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Hauptsächliche Zielenzyme sind zum einen die Familie der DNA Methyltransferasen
(DNMTs) zum anderen Histondeazetylasen (HDAC).
Die am besten untersuchten Substanzen sind die DNMTase-Inhibitoren 5-azacytidin
(VidAZA©) und 5-aza-2’deoxycytidin (Decitabine©). Sowohl Substanzen aus der Gruppe der
DNMTase-Inhibitoren als auch Histondeazetylaseinhibitoren (HDI) befinden sich in Phase I
und II Studien.
Im
Rahmen unserer Analysen untersuchen wir
die Wirkung von
verschiedenen
Histondeazetylaseinhibitoren auf Zelllinien von Rhabdoidtumoren, Medulloblastomen und von
Neuroblastomen.
In
standardisierten
MTT-Proliferations-Assays
werden
Hemmkonzentrationen (GI50) bestimmt. Die Expression von epigenetisch inaktivierten Loci
wird mittels RT-PCR evaluiert.
Alle bislang getesteten Substanzen hemmten effektiv das Wachstum der Zellen in Kultur.
Effektivster HDI mit einer GI50 im nanomolaren Bereich war Trichostatin A. Konzentrationen
im millimolaren Bereich mussten für Valproinsäure aufgewendet werden um einen
entsprechenden Effekt zu erreichen. Durch Behandlung mit HDI konnte die epigenetisch
inaktivierte Transkription der Gene CASP8 und RASSF1A in mehreren Zelllinien reaktiviert
werden.
Diese Daten veranlassen uns dazu die Bedeutung epigenetisch aktiver Substanzen für
Hochrisiko-Tumoren des ZNS im Kindeslater weiter en detail zu analysieren.
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Publikationen
Schlosser S., Wagner S., Mühlisch J., Hasselblatt M., Gerß J., Jürgens H., Wolff J.E.A., Frühwald
M.C.: “MGMT as a potential stratification marker in relapsed high grade glioma of children – The HITGBM experience.”, submitted to Pediatric Blood and Cancer, 2009
Goedecke S., Schlosser S., Mühlisch J., Hempel, G., Frühwald M.C., Wünsch B.: „Determination of
DNA Methylation by COBRA: A Comparative Study of Capillary Gel Electrophoresis with LIF
Detection and Conventional Gel Electrophoresis.”,
Electrophoresis, 2009, accepted
Goedecke S., Schlosser S., Mühlisch J., Hempel G., Frühwald M.C., Wünsch B.: Accurate
quantification of DNA methylation of DRD4 applying capillary gel electrophoresis with LIF detection.”,
Electrophoresis, 2009, 30, 1412 – 1417
Hasselblatt M., Mühlisch J., Wrede B., Kallinger B., Jeibmann A., Peters O., Kutluk T., Wolff J.E.,
Paulus W., Frühwald M.C.: „Aberrant MGMT (O6-methylguanine-DNA methyltransferase) promoter
methylation in choroid plexus tumors.“ J Neurooncol 2009 91:151-5.
Frühwald M.C. und Witt O.: „The
2008;220:333-41.
epigenetics of cancer in children.“ Klin Pädiatr
Furchert, S.E., Lanvers-Kaminsky, C., Jürgens, H., Jung; M., Loidl, A. und Frühwald, M.C.: “Inhibitors
of histone deacetylases as potential therapeutic tools for high-risk embryonal tumors of the nervous
system of childhood.” Int J Cancer 2007;120:1787-1794
Mühlisch, J., T. Bajanowski, et al.. "Frequent but borderline methylation of p16 (INK4a) and TIMP3 in
medulloblastoma and sPNET revealed by quantitative analyses." J Neurooncol 2007: 83: 17-29.
Mühlisch, J., A. Schwering, et al.. "Epigenetic repression of RASSF1A but not CASP8 in supratentorial
PNET (sPNET) and atypical teratoid/rhabdoid tumors (AT/RT) of childhood." Oncogene. 2006:25:
1111-7.
Schlosser S. and Frühwald M.C.: “Epigenetic Mechanisms in the Development of Malignancies of the
Central Nervous System (CNS)”, In Trends in Brain Cancer Research, Volume 28; Chapter VI, pp.
193-251; Novaeditorial Publishers, San Francisco, 2006
Frühwald M.C., Wirth S., Schneppenheim R., Siebert R., Hasselblatt, M., Köhler, G., Jürgens H.,
Vormoor J.: “Non-linkage of familial rhabdoid tumors to SMARCB1 implies a second locus for the
rhabdoid tumor predisposition syndrome “ Pediatric Blood and Cancer 2006;7:273-278
Frühwald M.C., Rickert C., O'Dorisio M.S., Warmuth-Metz M., Schneider P., Kühl J., Paulus W.,
Jürgens H., Müller H.L.: “Somatostatin receptor subtype 2 (sst2) is expressed by supratentorial
primitive neuroectodermal tumors (sPNETs) of childhood and can be targeted for somatostatin
receptor imaging (SRI).“ Clin Cancer Res 2004;10:2997-3006
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Aktuelle Projektförderung:
Cora Lobscheid-Stiftung,
Sonja Wasowicz-Stfitung,
CD-Stfitung
Alle
im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft
DSZ – Deutsches Stiftungszentrum
Barkhoveallee 1
/ Postfach 16 44 60
45239 Essen
/ 45224 Essen
www.stiften-wirkt.de
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