LEBEN | MM51, 14.12.2015 | 95 Mit vereinten Kräften: Fünf Personen sind nötig, um Ulan betäuben und behandeln zu können. Tipps Vorsicht bei grossen Tieren Die Untersuchung und Behandlung grosser Tiere ist immer eine besondere Herausforderung, denn sie lassen sich nicht so einfach ruhigstellen. Die Kraft dieser Tiere Zootierärztin Dieser Stier hält auf Trab Ulan, der junge Yak, gibt Anlass zur Sorge: Er blutet. Handelt es sich lediglich um eine harmlose Schramme – oder leidet der Stier an einer gefährlichen inneren Verletzung? Text: Karin Federer Bilder: Walter Zoo M Karin Federer (29) ist Tierärztin und berichtet regelmässig aus dem Walter-Zoo in Gossau SG. it seinen sieben Monaten steckt Ulan mitten in der Pubertät. Er lotet seine Grenzen aus, wo er nur kann. Als ich von den Tierpflegern Bilder von einer Blutung und einer Schwellung an seinem After bekomme, denke ich zuerst an eine harmlose Verletzung. Möglicherweise war er etwas zu wild und hat von seiner Mutter als Abmahnung einen Hornstoss erhalten. Allerdings setzen Yaks, wie Kühe und Ziegen, ihre Hörner in der Regel so wohl­ dosiert ein, dass es nicht zu Verletzungen kommt. Ich überlege mir andere Ursachen: eine schwere Ver­ stopfung, schlimmer Durch­ fall, Parasitenbefall oder gar eine innere Verletzung? Es könnte sehr ernst sein. Darum kontaktiere ich eine befreundete Nutztierärztin und trommle die kräftigsten Zoomitarbeiter zusammen. Es braucht drei Tierpfleger, um den 150 Kilo schweren Stier fixieren zu können für eine örtliche Betäubung über das Rückenmark. Gefahr geht von den spitzen Hörnern aus Ulan ist zwar sehr stark, aber glücklicherweise ist er den Umgang mit Menschen gewohnt und lässt die Proze­ dur ruhig über sich ergehen. Trotzdem müssen wir uns vor seinen spitzen Hörnern in Acht nehmen. Alles ver­ läuft gut. Wir finden keine schlimme Verletzung, aber ein Teil des Enddarms ist vorgefallen. Der ausgestülpte Abschnitt lässt sich wieder zurückverlagern. Den Anus verschliessen wir mittels Tabaksbeutelnaht. Das ist der kritische Teil: Wenn die Naht zu locker ist, kann der Darm erneut vorfallen. Ist sie zu eng, kann das Tier keinen Kot mehr absetzen. Leider stelle ich am nächsten Tag fest, dass genau Letzteres eingetreten ist. Ich mobilisiere also noch einmal drei Tierpfleger, und wir lockern die Naht. Es scheint nicht mehr zu bluten, die Schwellung ist zurückgegangen. Bald setzt Ulan auch wieder Kot ab. Jetzt gilt es zu warten und zu hoffen, dass die Darm­ schleimhaut sich erholt und nicht wieder vorfällt. Wir haben Glück: Ulan erholt sich gut und springt kurze Zeit später bereits wieder ausgelassen auf der Weide herum. MM sollte man nicht unterschätzen, selbst wenn sie noch jung oder aufgrund einer Krankheit geschwächt sind. In solchen Situa­ tionen ist es sehr nützlich, wenn die Tiere den Umgang mit Menschen gewohnt sind. Medizinische Untersuchungen oder einfache Behandlungen lassen sich auch im Rahmen der täglichen Arbeit gut üben. Das hilft, in Notsituationen den Stress bei Tier und Mensch in Grenzen zu halten. Trotzdem kann es vorkommen, dass eine medikamentöse Beruhigung, eine örtliche Betäubung oder gar eine Narkose notwendig ist. Dies muss die Tierärztin von Fall zu Fall entscheiden.