Otto, der „schöne Erzherzog“

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Otto, der „schöne
Erzherzog“
Erzherzog Otto, genannt „Bolla“, gilt als einer der
skandalumwittertsten Habsburger. Dabei begann sein
Leben wie eine klassische Habsburger-Biografie: Otto
entstammte einem streng katholischen Elternhaus und
durchlief eine typische Offizierslaufbahn, wie es für
nachgeborene Söhne des Dynastie vorgesehen war.
Otto kam am 21. April 1865 in Graz als zweiter Sohn von
Erzherzog Karl Ludwig, einem Bruder Kaiser Franz Josephs,
und dessen zweiter Gemahlin Maria Annunziata von BourbonSizilien zur Welt. Als Kind kränklich, wurde der Erzherzog von
seiner Umgebung verwöhnt und umsorgt.
Der Prinz wird als freundlich und herzlich beschrieben, ganz im
Gegensatz zu seinem verschlossenen älteren Bruder Franz
Ferdinand, der Zeit seines Lebens auf den Jüngeren
eifersüchtig war. Begabt, liebenswert und lebenslustig
entwickelte sich der Erzherzog zu einem überaus gut
aussehenden Mann.
Auch bei seiner Eheschließung fügte er sich in die Vorgaben
des Hofes und heiratete im Jahre 1886 Maria Josefa (1867–
1944), die Tochter des späteren sächsischen Königs Georg und
der Infantin Maria Anna von Portugal. Die Braut galt als überaus
fromme und den Konventionen des Hofes angepasste Frau.
Aus der Ehe mit Maria Josefa stammten der spätere Kaiser Karl
(1887–1922) sowie ein weiterer Sohn Maximilian Eugen (1895–
1952). Der jüngere Bruder des letzten Kaisers begann
zunächst eine Offizierslaufbahn in der k. u. k. Armee und lebte
nach dem Untergang der Monarchie in der Schweiz und in
Deutschland, wo er als Jurist tätig war. Seine Nachkommen
leben in Deutschland.
Der Erzherzog sorgte jedoch wegen seiner zahlreichen
außerehelichen Beziehungen und seines ausschweifenden
Lebensstils für Skandale, die in der Öffentlichkeit, aber auch in
der Kaiserfamilie große Entrüstung hervorriefen.
In das Reich der gern tradierten Anekdoten ging ein Vorfall ein,
als Otto während einer Orgie im Hotel Sacher nackt und nur mit
seinem Säbel und dem Orden des Goldenen Vlieses bekleidet
durch die Korridore torkelte und der Frau des britischen
Botschafters in die Arme lief, was ein diplomatisches Nachspiel
haben sollte.
Ein weiterer Skandal führte sogar zu einer Anfrage im
Reichsrat: Einige hohe Herren, Mitglieder des Erzhauses, deren
Namen nicht genannt wurden – es war jedoch ein offenes
Geheimnis, dass sich Otto darunter befunden hatte – sollen bei
einem Ausritt auf einen Leichenzug getroffen und vor lauter
Übermut im Galopp über den Sarg gesprungen sein. Der
sozialdemokratische Abgeordnete, der die Anfrage einbrachte,
wurde wenige Tage darauf von einem Schlägertrupp
brutal zusammengeschlagen.
Dies war umso peinlicher, als Otto in der Thronfolge sehr weit
oben stand. Nach dem Selbstmord von Kronprinz Rudolf war
nur mehr sein älterer Bruder Franz Ferdinand vor ihm gereiht.
Dieser litt jedoch an einer tuberkulösen Lungenerkrankung,
sodass sein angeschlagener Gesundheitszustand eine Eignung
als Regent fraglich erscheinen ließ. Otto, dem man als
standesgemäßen Wohnsitz das Augartenpalais in Wien
zugeteilt hatte, wurde vermehrt für Repräsentationsaufgaben
herangezogen, was sein Bruder als Zurücksetzung empfand
und ihn mit großer Eifersucht erfüllte.
Die Ehe des Erzherzogs war von der Ungleichheit der
Charaktere der Eheleute überschattet. Maria Josefa fand
Rückhalt in ihrer tiefen Religiosität und überwand so die
Demütigungen rund um die Skandale ihres Gatten. Otto machte
seiner Frau das Leben wahrlich zur Hölle: So konnte er nach
einer durchzechten Nacht erst im letzten Moment davon
abgehalten werden, in das Schlafzimmer seiner Gattin
einzudringen, um seinen ebenfalls sturzbetrunkenen
Offizierskollegen „eine Nonne“ zeigen zu können. Die Ehe war
zuletzt nur mehr pro forma aufrecht, da eine Scheidung nicht
möglich war. Die Eheleute hatten kaum Kontakt zueinander.
Otto war ein Lebemann, der unzählige außereheliche
Beziehungen hatte. Neben seinen ehelichen Kindern hatte er
auch einige uneheliche Nachkommen, von denen er manche
offiziell anerkannte und ihnen somit eine Grundversorgung
zukommen ließ. Ein Sohn stammte aus der Beziehung mit der
Ballettänzerin Marie Schleinzer sowie eine Tochter aus der
langjährigen Liaison mit der Sängerin Louise Robinson.
Bei seinen sexuellen Eskapaden infizierte er sich mit der
Syphilis. In Ermangelung einer wirksamen medikamentösen
Behandlung bedeutete dies damals ein langes qualvolles
Siechtum. Die Folgen der Infektion waren bei Otto derart
massiv, dass er aus der Öffentlichkeit verschwand: Seine Nase
war deformiert und musste mit einer Prothese aus Kautschuk
ersetzt werden. Sein Kehlkopf zersetzte sich, was äußerst
schmerzhaft und durch die Geruchsentwicklung des
verfaulenden Gewebes ekelerregend war. Otto verbrachte
seine letzten Lebensjahre in Abgeschiedenheit in einer Döblinger
Villa, gepflegt von „Schwester Martha“, hinter der sich seine
letzte Geliebte, die Operettensängerin Louise Robinson,
verbarg, die ihm bis zuletzt die Treue hielt. Nur seine
Stiefmutter Erzherzogin Maria Theresia, die ihn regelmäßig
besuchte, hielt den Kontakt zum Haus Habsburg aufrecht.
Der erst 41jährige Otto wurde von seinem Leiden am 1.
November 1906 erlöst. Sein Leichnam ist in der Wiener
Kapuzinergruft begraben.
Seine Witwe Maria Josefa trat erst nach dem Tod des
ungeliebten Gatten aus dessen Schatten heraus und überlebte
ihn um etliche Jahre. Nach der Thronbesteigung ihres ältesten
Sohnes Karl ging sie in der Rolle der stolzen Kaisermutter auf,
engagierte sich während des Ersten Weltkrieges in der Pflege
von Verwundeten und folgte schließlich ihrem Sohn ins Exil.
Autor
Martin Mutschlechner
Literatur
Bankl, Hans: Die kranken Habsburger. Befunde und
Befindlichkeiten einer Dynastie,Wien 2001
Dickinger, Christian: Habsburgs schwarze Schafe: Über Wüstlinge,
Schwachköpfe, Rebellen und andere Prinzen, Wien 2000
Hamann, Brigitte (Hg.): Die Habsburger. Ein biographisches
Lexikon, Wien 1988
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