ZIIR 2016/2 159 AUFSÄTZE Onlinewerbung im Licht des E-Commerce – ein Überblick Auch Werbung, die sich moderner Kommunikationsmedien und Dienste bedient, unterliegt bestimmten rechtlichen Rahmenbedingungen. Dem „rechtsfreien Raum“ des Internet in Bezug auf Onlinewerbung entgegenwirkend, wurden in Umsetzung der „RL 200/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr“ im dritten Abschnitt des ECG den stetig wachsenden Herausforderungen und bestehenden Eigenheiten des „online advertising“ gerecht werdende Bestimmungen geschaffen. Deskriptoren: Onlinewerbung, E-Commerce, kommerzielle Kommunikation. Normen: §§ 5 ff ECG, § 107 TKG, § 864a ABGB. Von Lukas-Sebastian Swoboda 1. Begriff der Onlinewerbung Jeden Anfang der rechtlichen Beurteilung einer werberechtlichen Problematik im Online-Bereich bildet zunächst die Frage, was der Begriff der Online-Werbung eigentlich umfasst. Online-Werbung stellt einen Fall des vom ECG von der „RL 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr“ (E-Commerce-RL) übernommenen und im Sinne der Legaldefinition des § 3 Z 6 ECG zu verstehenden Begriffs der kommerziellen Kommunikation dar. Darunter fallen „Werbung und andere Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes eines Unternehmens dienen“. Vom kommerziellen Kommunikationsbegriff ex lege ausgenommen sind Angaben, die ähnlich einem Domain-Namen oder einer elektronischen Postadresse, einen Direktzugang zur Tätigkeit eines Unternehmens ermöglichen, ebenso wie unabhängige und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemachte Angaben über Waren, Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens (§ 3 Z 6 ECG). 2. „Pull Werbung“ und „Push Werbung“ Sind Werbeinhalte auf Websites abrufbar, so handelt es sich regelmäßig um „Pull Werbung“. Dem stehen sogenannte „Push Werbungen“ (zB Werbung per E-Mail) gegenüber. Während bei Pull-Inhalten der Nutzer die von ihm gewünschten Informationen direkt ansteuert und der 1 2 Näheres dazu Zib, Aktuelle Rechtsfragen bei Internet-Werbung und Internet Domain-Namen, VR 2001, 35. Zur Frage der erforderlichen Qualität einer Zustimmung Seidelberger in Brenn (Hrsg), Kurzkommentar zum ECG (2002) 61; Zugriff sohin aktiv vom Nutzer ausgeht, geht bei PushInhalten der Werbende aktiv auf den Empfänger zu, der zumeist keine andere Wahl hat, als mit dem Werbenden in Kontakt zu treten. Dem aufzwingenden, bisweilen aufdrängenden Wesen von Push-Inhalten und der damit einhergehenden Überforderung des Kunden Rechnung tragend, unterliegt die Zulässigkeit von Push-Werbung strengeren rechtlichen Voraussetzungen als jene Werbeinhalte, welche mittels Pull Strategie kommuniziert werden. 2.1. Zulässigkeit von Push Werbung (§107 TKG) Unter elektronischer Post iSd § 107 des TelekommunikationsG 2003 ist jegliche Kontaktaufnahme mit Dritten auf elektronischem Wege (insbesondere E-Mail und SMS) zu verstehen. Die Zusendung eines E-Mails ist ohne vorhergehende Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn • die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt, oder • an mehr als 50 Empfänger adressiert ist. Die im TKG normierte lex specialis des § 107 TKG sieht insofern das Erfordernis einer vorhergehenden und jederzeit widerrufbaren Zustimmung des Empfängers zum Empfang von E-Mails zu Werbezwecken und Massenmails vor.1 Die Qualität der geforderten Zustimmung wurde in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Unter Heranziehung bisheriger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den Erfordernissen gültiger Willenserklärungen, wird die Möglichkeit zur konkludenten Zustimmung zum Erhalt von Werbemails bei einer ständigen Geschäftsrespektive Kundenbeziehung wohl zu bejahen sein. Ein Verweis in den AGB, wonach Werbemails an den Unterfertigenden übermittelt werden, wird im Hinblick auf die in § 864a ABGB normierte „Geltungskontrolle“, wonach Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in AGBs nicht Vertragsbestandteil werden, nicht ausreichen.2 ähnliche Herangehensweise Zankl, Kommentar zum E-Commerce Gesetz2 (2016) § 7 Rz 129. 160 AUFSÄTZE 2.1.1. Ausnahmen von der Zustimmung (§ 107 Abs 3 TKG) Keiner vorhergehenden Zustimmung für die Zusendung von E-Mails bedarf es bei kumulativem Vorliegen folgender Voraussetzungen: • Der Absender hat die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat, • das E-Mail zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt, • dem Empfänger der Nachricht klar und deutlich die Möglichkeit eingeräumt wurde, eine solche Nutzung der Kontaktinformationen bei der Erhebung selbiger und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und • der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die „Robinson-Liste“3 nach § 7 Abs 2 ECG, abgelehnt hat. 2.1.2. Folgen der Missachtung Die Zuwiderhandlung durch unerbetene Zusendung von E-Mails zu Werbezwecken ist nicht nur als unlauterer Rechtsbruch iSd § 1 UWG einzustufen und stellt somit einen Verstoß gegen die Lauterkeitsbestimmungen dar,4 sondern zieht auch die Verhängung einer Verwaltungsstrafe iHv bis zu EUR 37.000,– (§ 109 Abs 3 Z 20 TKG) nach sich. ZIIR 2016/2 • die Bestimmungen des § 6 Abs 1 E-Commerce-Gesetz verletzt werden, • der Empfänger aufgefordert wird, Websites zu besuchen, die gegen die genannte Bestimmung verstoßen, oder • keine authentische Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann.6 Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Gestaltung von Werbung als Newsletter7 ebenso wie die Aufmachung als Nachrichten, die über eine Nachrichtenfunktion eines Social Networks8 übermittelt oder direkt auf die Pinnwand eines Nutzers gepostet werden, ebenfalls als – unzulässige – Direktwerbung zu werten sind. 2.2.1. Folgen der Missachtung Obwohl die Nichtbeachtung der „Robinson-Liste“ im Strafkatalog des § 26 ECG nicht genannt wird, stellt diese zumeist eine zu ahndende Verwaltungsübertretung nach §§ 107, 109 TKG dar. UU kann die Missachtung jedoch als Schutzgesetzverletzung (§ 1311 ABGB) gedeutet werden und somit zum Schadenersatz verpflichten, wenn bspw als Folge der unzulässigen Werbemails der elektronische Posteingang voll oder überlastet ist und hierdurch die Möglichkeit eines Geschäftsabschlusses genommen wird.9 In der Nichtbeachtung ist aber jedenfalls ein unlauterer Rechtsbruch iSd § 1 UWG zu sehen.10 3. Informationspflichten nach § 6 ECG 2.2. „Robinson-Liste“ Soweit vom Kunden keine Eintragung in die – auf Verbraucher und Unternehmer anzuwendende – „Robinson-Liste“ vorgenommen wurde,5 entspricht die Zusendung von Werbemails an eigene Kunden den Voraussetzungen der Onlinewerbung und ist somit grundsätzlich erlaubt. Unabhängig von einer Eintragung ist gemäß § 107 Abs 5 TKG die Zusendung elektronischer Post zum Zwecke der Direktwerbung jedenfalls unzulässig, wenn • die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird, Den – dem allgemeinen Werberecht ohnehin immanenten – Offenkundigkeitsgrundsatz erweiternd, haben Diensteanbieter im Falle von Onlinewerbungen und andere Ausprägungen kommerzieller Kommunikation, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen dafür Sorge zu tragen, dass • diese als kommerzielle Kommunikation klar und eindeutig erkennbar ist und • den dahinterstehende Auftraggeber, • Angebote zur Absatzförderung wie Zugaben oder Geschenke sowie • Preisausschreibungen und Gewinnspiele als solche klar und eindeutig erkennen lässt. 3 8 4 5 6 7 Eine von der Telekom-Regulierungsbehörde (RTR) seit 1. Jänner 2002 gemäß § 7 des E-Commerce-Gesetzes geführte Liste, in die sich all jene kostenlos eintragen können, die keine Werbemails wünschen (Anm). Vgl grundsätzlich Zib in Krejci, Unternehmensrecht4 (2008) 284. Kraft, Der neue § 107 TKG – Verbesserter Schutz vor unerbetenen Werbemails? ecolex 2006, 252. Zankl, Kommentar zum E-Commerce Gesetz2 (2016) § 7 Rz 128. OGH 7 Ob 168/09w, EvBl 2010, 178. Kusznier/Liebel, Direktwerbung in Sozialen Netzwerken, ecolex 2011, 831. 9 Zankl, Kommentar zum E-Commerce Gesetz2 (2016) § 7 Rz 133. 10 Handig, Sind unerbetene Werbeanrufe und E-Mails noch unlauter? ÖBl 2008/13. ZIIR 2016/2 AUFSÄTZE Eine kommerzielle Kommunikation ist dann klar und eindeutig erkennbar, wenn sie vom übrigen Inhalt des Dienstes abgegrenzt ist. Eine Abgrenzung kann grafisch erfolgen, durch Trennung der Werbung vom redaktionellen Teil oder durch entsprechende Texthinweise wie „Werbung“ und „Anzeige“.11 Der Auftraggeber muss nicht im vollen Umfang des § 5 ECG erkennbar sein. Vielmehr reicht es aus, wenn der vollständige Name des Auftraggebers angeführt wird. Anschrift, E-Mail-Adresse, Firmenbuchnummer oder ein Link über den die Informationen des § 5 ECG aufrufbar sind, muss mangels gesetzlicher Anordnung nicht angeführt werden.12,13 Für die Beurteilung der Zulässigkeit von Preisausschreibungen und Gewinnspielen ist die Bestimmung des § 9a UWG heranzuziehen.14 161 Werbung oder Anzeige zu sorgen. Die Verantwortlichkeit für Links ist mit jener des Host-Providers zu vergleichen. Ein Dienstanbieter, der mit einem Link einen Zugang zu fremden Informationen eröffnet, ist nur haftbar, wenn er von der Rechtswidrigkeit dessen Inhalts tatsächlich wusste und nicht unverzüglich Handlungen vornimmt, um die Verlinkung zu entfernen.18 Achtsamkeit ist außerdem bei der Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Werke (zB Grafiken, Fotos, Filme uä) geboten. In solchen Fällen kann ein Verstoß gegen das UrhG vorliegen. 5.2. „Banner-Werbung“ 5. Besondere Werbeformen im Überblick17 Die wohl am weitesten verbreitete Form der Onlinewerbung auf Websites stellt die Bannerwerbung dar. Die Werbung wird zumeist als Grafik- oder Animationsdatei in eine Webseite eingespeist und verweist mittels Hyperlink (siehe 5.1.) auf die Website des Werbenden. Auch bei Banner-Werbungen ist auf die entsprechende Kennzeichnung als Werbung zu achten. Sollte es sich um einen offensichtlichen Wettbewerbsverstoß handeln, so wird der Inhaber für die auf seiner Seite geschalteten Banner – gleich einem Mittäter – wettbewerbsrechtlich haftbar. Als Host-Provider trifft diesen hinzukommend eine Haftung nach § 16 ECG, wenn er tatsächliche Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des verlinkten Inhalts hatte und nicht unverzüglich tätig wurde um die Einschaltung zu entfernen bzw den Zugang zu sperren.19 5.1. „Hyperlinks“ 5.3. „Interstitials“ und „Pop-ups“ Hyperlinks stellen elektronische Verweise dar, die einen Sprung zu einem anderen elektronischen Dokument bzw einer Website oder an eine andere Stelle innerhalb desselben Dokuments bzw derselben Website ermöglichen. Werden Hyperlinks mit einem Werbebanner verknüpft oder kommt ein Hyperlink als Werbeform in einem fortlaufenden Text vor, ist grundsätzlich für eine entsprechend klare und eindeutige Kennzeichnung als Im Unterschied zu Pop-ups, die sich in einem eigenen Fenster öffnen („aufpoppen“), handelt es sich bei Interstitials um sogenannte Unterbrechungswerbungen, welche automatisch vor die jeweils aufgerufene Seite geschaltet werden. Durch Zeitablauf oder mittels Aktion gelangt man letztendlich auf die gewünschte Seite. Haftungsrechtlich gilt bereits oben Angeführtes sinngemäß. 11 EB zur RV 817 zum Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt (E-Commerce-Gesetz – ECG) und das Signaturgesetz sowie die Zivilprozessordnung geändert werden; Burgstaller/Minichmayr, E-Commerce-Recht2 (2011) 24. 12 Zankl, Kommentar zum E-Commerce Gesetz2 (2016) § 6 Rz 120. 13 Die RV spricht demgegenüber von einem elektronischen Verweis auf die Dienste des Auftraggebers (Anm). 14 Ergibt sich aus der Formulierung des § 6 Abs 2 ECG sowie aus der EB zur RV 817 (Anm). 15 RL 2000/31/EG überbestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 8. Juni 2000. 16 EB zur RV 817; Zankl, Kommentar zum E-Commerce Gesetz2 (2016) § 8 Rz 137. 17 Seidelberger in Brenn (Hrsg), Kurzkommentar zum ECG 66 ff. 18 Zib in Krejci, Unternehmensrecht4 (2008) 285. 19 Zur Haftung des Host-Providers Zib in Krejci, Unternehmensrecht4 (2008) 285. 4. Erleichterung für Angehörige geregelter Berufe Die Sonderbestimmung des § 8 ECG findet auf Personen iSd Art 2 lit g der RL15 Anwendung. Dies sind ua auf Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Steuerberater, Patentanwälte uvm; kurz jene Dienstanbieter, die berufsrechtlichen Vorschriften unterliegen.16 Findet sich in den einschlägigen Berufsvorschriften kein Verbot der kommerziellen Kommunikation iSd § 3 Z 6 ECG, kann diese auch grundsätzlich elektronisch erfolgen. Die Einhaltung etwaiger bestehender wettbewerbsrechtlicher Vorschriften bleibt hiervon freilich unberührt.