Folien 2016

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Prolog: Ist Sprache objektiv?
Farben und Sprache
Fallbeispiel: Die Bezeichnungen für Farben
sind in verschiedenen Sprachen verschieden.
Vor allem der Bereich Blau und Grün wird
unterschiedlich benannt. Entspricht das
einer unterschiedlichen Wahrnehmung?
Welches Blau ist anders?
„goluboy“
„siniy“
Test: Die Geschwindigkeit beim Lösen der
nebenstehenden Aufgabe ist bei russischsprachigen Testpersonen viel höher als bei
englischsprachigen. Warum? im Russischen
gibt es zwei Worte für hell- und dunkelblau.
Prolog: Ist Sprache objektiv?
Farben und Sprache
Whorf-Sapir-Hypothese: Die sprachliche
Darstellung prägt unsere Wahrnehmung. Wir
nehmen das wahr, was wir benennen
können.
Folgerung:
Unterschiedliche
Sprachen
erzeugen unterschiedliche Wahrnehmungen
Edward Sapir
Benjamin Whorf
Frage: Könnte es aber nicht auch umgekehrt
sein?
Prolog: Ist Sprache objektiv?
Farben und Sprache
„blün“-Sprachen: viele tropische Sprachen
unterscheiden nicht zwischen „blau“ und
„grün“.
Hypothese 1: durch die starke UV-Strahlung
werden die S-Zäpfchen beschädigt.
青い
青い
„aoi“
緑 „midori“
In Japan geht man bei
„Blau“ über die Ampel
Untersuchung in Japan: nur bei ¼ der
Bevölkerung findet man eine S-Schwäche, die
anderen zeigen dasselbe Muster an Aktivität
wie die Europäer.
Hypothese 2: wenn ¼ der Menschen
Kategorien nicht korrekt unterscheiden
können, wird die Kommunikation zweideutig.
Was denken Sie: Ist
japanische Biologie
anders als deutsche?
Modellbildung und Ethik in der Biologie
A: Werkzeuge: Wie wir reden und warum das wichtig ist
1: Leben, Gen, Art, Organismus – nicht Dinge, sondern Aktivitäten/Prozesse
2: Beschreiben, Erklären, Auffordern – der Zweck einer Rede ist entscheidend!
3: Information, Signal, Bedeutung – „objektiv“ (ohne „ich“ und „Du“) gibt es nicht!
B: Handwerkskunst: Wie „Wissenschaft“ arbeitet und warum das wichtig ist
4: Sehen, Beobachten, Experimentieren – funktionaler Kontext und Erkenntnis
5: Bild, Modell, Überprüfung – der Dreischritt der Wissenschaft
6: Erklärung und die Kunst der Reduktion
C: Auf DICH gestellt: Warum „Ethik“ nicht mit dem Rechner geht
7: Naturalistischer Fehlschluss: Beispiel Eugenik
8: Können wir „Ethik“ rechnen: Soziobiologie und Spieltheorie
9: Auf was können wir „Ethik“ dann bauen? Nutzen versus Verantwortung
10: Der Weg ist das Ziel – „Ethik“ ist kein Ding, sondern eine Aktivität
11: Gretchenfrage – können „wir“ überhaupt entscheiden?
12: Aus dem biologischen Alltag: Tierversuche
Information und Signal
Einstieg: Was ist „Information“?
Was die Informatik sagt
Gemäß der Formel von Shannon
läßt sich der Informationsgehalt
ermitteln.
Der Informationsgehalt steigt
mit der Zahl der möglichen
Zustände eines Systems.
I(px)= loga(1/px) = -loga(px)
ABER: hilft uns dies beim
Verständnis von „Information“?
Information und Signal
Einstieg: Was ist „Information“?
Eine Informationsmenge ist offenbar weder eine Materiemenge noch eine Energiemenge; andernfalls könnten
winzige Chips im Computer wohl nicht Träger sehr großer Information sein. Information ist aber auch nicht
einfach das, was wir subjektiv wissen. Die Chips im Computer, die DNS im Chromosom enthalten ihre
Information objektiv, einerlei, was ein Mensch gerade davon weiß. Im Rahmen des in der Naturwissenschaft
verbreiteten cartesischen Dualismus fragte man, ob Information Materie oder Bewusstsein sei, und erhielt die
zutreffende Antwort: keines von beiden. Manche Autoren bezeichneten sie dann als „eine dritte Art der
Realität“.
(Weizsäcker 1985:166f)
Erfreulicherweise scheint es in der Tat ein grundlegendes Merkmal biologischer Informationsverarbeitung zu
sein, daß solche universalen Prinzipien existieren. Diese Prinzipien finden sich bei den unterschiedlichsten
Spezies realisiert, sie treten auf allen Organisationsstufen auf – in hochkomplexen Organismen wie dem
Menschen genauso wie in primitiven Einzellern – und sie lassen sich selbst bei Pflanzen beobachten, die
ebenfalls mit Hilfe elementarer ‚Sinnessysteme’ auf Umweltparameter, Schädlinge oder Nachbarpflanzen
reagieren können.
(Kollo, C. et al. 1999: 36)
Information und Signal
Einstieg: Was ist „Information“?
Der Wissensgewinn, den das Genom durch sein Probieren und Beibehalten des am besten Passenden erzielt,
hat die (...) Folge, daß im lebenden System eine Abbildung der realen Außenwelt entsteht. Donald MacKay hat
für diese Art des “Wissens“ den Terminus “abbildende Information“ geprägt.
(Lorenz 1973:39)
"Information ist Information, weder Materie noch Energie. Kein Materialismus, der dies nicht berücksichtigt,
kann heute überleben.“
(Norbert Wiener)
Fazit: All diese Varianten von „Information“ haben
mit der Shannonschen Definition nicht viel zu tun!
Information und Signal
Einstieg: Was ist „Information“?
Informationen brauchen Wissen
Etwas wird nur Information, wenn Wissen
vorliegt, das weitergegeben werden kann.
Wenn jemand einen anderen über etwas
informiert, dann ist das Resultat, dass der
Empfänger nun über Informationen
verfügt.
Bühler, K. (1934)
Diese Information kann er in seinem
Handeln nutzen. Es „entsteht“ neue
Information, die er weitergeben kann.
Informieren geht aber nur, wenn beide
wissen, wie sie mit dem Wissen umgehen
sollen. Information ist nicht für alle
dasselbe.
Information und Signal
Einstieg: Ist Information objektiv oder subjektiv – oder beides?
Informationen brauchen Wissen
1. Informationen hängen von der Art ab, in der
Daten verarbeitet werden. Daten sind damit
„potentielle“ Information.
3. Was Daten sind (potentielle Information) ist
damit einerseits subjektiv – sie hängen vom
Kontext der Verarbeitung ab.
5. Wir können uns aber verständigen und
festlegen, in welchen Kontexten welche Daten
verwendet werden soll. Also sind Informationen
„intersubjektiv“.
2. Damit ich weiß, wie ich die Daten verarbeiten
soll – also Informationen gewinnen – brauche ich
ein Wissen über die Verwendung der Daten.
4. Andererseits sind Daten objektiv, denn es
können beliebige Sachverhalte als Daten
bestimmt und zu Informationen werden und zwar für alle gleich, wenn sie das nötige
Wissen haben.
Information und Signal
Einstieg: Was ist ein Signal? Ein Informationsträger – aber für wen?
Fallbeispiel: Mimikry von Warnsignalen.
Schwarzgelb zeigt oft an „Ich bin giftig!“
Vorteil des Warnsignals für die Wespe: Ein
Vogel versucht erst gar nicht, anzugreifen,
was Verletzungen der Wespe vermeidet.
Vorteil des Warnsignals für den Vogel: Er vermeidet es, gestochen zu werden.
Der Selektionsvorteil des Warnsignals ist nur
gegeben, wenn beide Seiten mitspielen!
Wenn zuviele Nachahmer auftreten, geht
der Vorteil der Warnfärbung verloren.
Information und Signal
Einstieg: Was ist ein Signal?
Karl Bühler (1879-1963)
Noch einmal Karl Bühler
Signale sind Zeichen (Z) eines Kommunikationsprozesses.
Ihre Bedeutung entsteht aus einer
Vereinbarung zwischen Sender und
Empfänger über einen Sachverhalt
„Wenn ich dreimal pfeife, ist die Luft rein
und Du kannst rauskommen“
Ohne diese Vereinbarung sind die drei
Pfiffe ohne Bedeutung!
Information und Signal
Einstieg: Was ist ein Signal?
Signale brauchen einen Code
Etwas wird nur ein Zeichen (Signal), wenn
Sender und Empfänger vorher eine
Vereinbarung getroffen haben.
Je präziser die Vereinbarung, umso präziser
die Bedeutung des Zeichens
Diese Vereinbarung führt zu einer
Anleitung, wie das Zeichen vom Empfänger
verstanden werden sollte.
Der 1799 in Ägypten entdeckte dreisprachige
Stein von Rosetta lieferte den Code zur
Entschlüsselung der Hieroglyphen.
Diese Zuordnung Zeichen-Bedeutung
nennt man Code.
Information und Signal
Sprache als Abbildung
Wittgenstein
Tractatus Logico-Philosophicus (1921): „Alle
Philosophie ist Sprachkritik“.
Sprache als Abbildung:
Ding
Namen
„Wenn die Anordnung von Namen im
Zeichen eines Satzes die gleiche Struktur
aufweist wie die Anordnung der von den
Namen vertretenen Gegenständen in der
Wirklichkeit, also denselben „Sachverhalt“
darstellt, wird ein Satz dadurch wahr. Bilden
die Dinge in Wirklichkeit einen anderen
Sachverhalt als ihre Namen im Satzzeichen,
wird ein Satz dadurch falsch.“
Information und Signal
Sprache als Abbildung
Im Code liegt der Hase im Pfeffer
„Hose“
„hose“
Sprache beinhaltet eigentlich eine doppelte
Abbildung:
• Sender von Ding zu Zeichen
• Empfänger von Zeichen zu Ding
Wir tun immer so, als ob die Abbildung
bijektiv wäre. Aber das ist sie eigentlich nie.
Wissenschaftliche
Sprache
erfordert
besondere Sorgfalt bei der Definition der
Abbildungen (Begriffe immer klären!).
Information und Signal
„Objektivität“ gibt es nicht – aber Intersubjektivität
Wieso verstehen wir uns überhaupt?
Die Codes von Sender und Empfänger sind
in der Regel nicht gleich.
Die Abbildung Ding – Zeichen ist also nicht
bijektiv. Unsere Kommunikation ist also
voller Mißverständnisse.
Trotzdem
können
wir
miteinander
kommunizieren und verstehen uns (jedenfalls glauben wir das…). Wie geht das?
Information und Signal
„Codes“ in der Natur - wie muss man sich das vorstellen?
Genetischer Code
Der Genetische Code ist die Anweisung,
wie die Reihenfolge von Nukleotiden in
eine Reihenfolge von Aminosäuren
umzusetzen ist.
Die stoffliche Ausprägung des Codes sind
die verschiedenen Arten von tRNS.
Aber: die tRNS ist nicht der Code, sie ist nur
derjenige, der ihn ausführt. Der Code
besteht in dem komplexen Vorgang der
Proteinbiosynthese, ist also kein Ding,
sondern ein Vorgang!
Information und Signal
„Codes“ in der Natur - wie muss man sich das vorstellen?
Neuronaler Code
Der neuronale Code besteht z.T. aus
elektrischen Signalen, als auch aus
chemischen.
Damit die Verarbeitung im Gehirn
funktioniert, ist die Anordnung der Leiter-,
Schalt- und Rechenelemente wichtig.
Hagmann et al. (2008) Network representation of brain
connectivity. PloS Biol 6, e159
Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Network_representat
ion_of_brain_connectivity.JPG#/media/File:Network_represen
tation_of_brain_connectivity.JPG
Aber: Das Gehirn ist nicht ein neuronales
Netze – es wird aber bei vielen
Verhaltensweisen
so
genutzt.
Die
Informationsverarbeitung
ist also kein
Ding, sondern ein raum-zeitlich-strukturell
komplexer Vorgang!
Information und Signal
„Codes“ in der Natur - wie muss man sich das vorstellen?
Degenerierte Codes
Ein idealer Code ist in beiden Richtungen
eindeutig. Zeichen = Bedeutung.
Photinus Männchen nach
erfolgreicher Decodierung
Das kommt in der Realität nie vor, weil
Empfänger und Sender nämlich immer
verschieden sind (Anmerkung: wären sie
identisch, bräuchte man keinen Code…).
Bedeutung eines Zeichens also beim Sender
immer ein wenig anders als beim
Empfänger.
„Dumm gloffa…“ Weibchen von Photuris
frisst Männchen von Photinus
Je genauer der Code, umso präziser die
Kommunikation
Information und Signal
„Codes“ in der Natur – wie muss man sich das vorstellen?
Warum unsere Codes überlappen
Der Homo erectus, der andere Codes nicht
kapierte, war bald ein toter Homo erectus.
Seine Gene trugen nicht zur Abstammungslinie des heutigen Menschen bei…
Während der Evolution wurde also unsere
Fähigkeit, andere Codes zu entschlüsseln
positiv selektiert. Es gibt daher einen
großen Überlappungsbereich.
Diese Überlappung ist Intersubjektivität.
Mehr bekommen wir nicht. Aber immerhin.
Intermezzo: Denken Sie mal nach!
Wenn die Codes individuell sind – wie kann wissenschaftliche Logik dann global sein?
A
Weil abweichende Codes unlogisch sind
B
Weil Logik die Kommunikation erleichtert
C
Weil Logik in unseren Genen verdrahtet ist
D
Weil unlogische Codes mit der Realität kollidieren
Take-home: Was erwarten wir von Ihnen
Begriffe, die Sie kennen, erklären und verinnerlichen sollten
•
•
•
•
•
Signal, Zeichen, Code, Daten
Information, Wissen, Informationsgehalt
Bühlersches Organonmodell
Abbildung, bijektiv
Objektivität, Intersubjektivität
Konzepte, die Sie kennen, erklären und verinnerlichen sollten
•
•
•
•
•
Den Unterschied zwischen Informationsgehalt und Information erläutern können
Anhand des Bühlerschen Modells erklären können, was ein Signal ist
Am Beispiel des genetischen Codes erklären können, was ein Code ist
Erklären können, inwiefern Sprache eine Abbildung ist
Den Unterschied zwischen Objektivität und Intersubjektivität erklären können
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