Prolog: Ist Sprache objektiv? Farben und Sprache Fallbeispiel: Die Bezeichnungen für Farben sind in verschiedenen Sprachen verschieden. Vor allem der Bereich Blau und Grün wird unterschiedlich benannt. Entspricht das einer unterschiedlichen Wahrnehmung? Welches Blau ist anders? „goluboy“ „siniy“ Test: Die Geschwindigkeit beim Lösen der nebenstehenden Aufgabe ist bei russischsprachigen Testpersonen viel höher als bei englischsprachigen. Warum? im Russischen gibt es zwei Worte für hell- und dunkelblau. Prolog: Ist Sprache objektiv? Farben und Sprache Whorf-Sapir-Hypothese: Die sprachliche Darstellung prägt unsere Wahrnehmung. Wir nehmen das wahr, was wir benennen können. Folgerung: Unterschiedliche Sprachen erzeugen unterschiedliche Wahrnehmungen Edward Sapir Benjamin Whorf Frage: Könnte es aber nicht auch umgekehrt sein? Prolog: Ist Sprache objektiv? Farben und Sprache „blün“-Sprachen: viele tropische Sprachen unterscheiden nicht zwischen „blau“ und „grün“. Hypothese 1: durch die starke UV-Strahlung werden die S-Zäpfchen beschädigt. 青い 青い „aoi“ 緑 „midori“ In Japan geht man bei „Blau“ über die Ampel Untersuchung in Japan: nur bei ¼ der Bevölkerung findet man eine S-Schwäche, die anderen zeigen dasselbe Muster an Aktivität wie die Europäer. Hypothese 2: wenn ¼ der Menschen Kategorien nicht korrekt unterscheiden können, wird die Kommunikation zweideutig. Was denken Sie: Ist japanische Biologie anders als deutsche? Modellbildung und Ethik in der Biologie A: Werkzeuge: Wie wir reden und warum das wichtig ist 1: Leben, Gen, Art, Organismus – nicht Dinge, sondern Aktivitäten/Prozesse 2: Beschreiben, Erklären, Auffordern – der Zweck einer Rede ist entscheidend! 3: Information, Signal, Bedeutung – „objektiv“ (ohne „ich“ und „Du“) gibt es nicht! B: Handwerkskunst: Wie „Wissenschaft“ arbeitet und warum das wichtig ist 4: Sehen, Beobachten, Experimentieren – funktionaler Kontext und Erkenntnis 5: Bild, Modell, Überprüfung – der Dreischritt der Wissenschaft 6: Erklärung und die Kunst der Reduktion C: Auf DICH gestellt: Warum „Ethik“ nicht mit dem Rechner geht 7: Naturalistischer Fehlschluss: Beispiel Eugenik 8: Können wir „Ethik“ rechnen: Soziobiologie und Spieltheorie 9: Auf was können wir „Ethik“ dann bauen? Nutzen versus Verantwortung 10: Der Weg ist das Ziel – „Ethik“ ist kein Ding, sondern eine Aktivität 11: Gretchenfrage – können „wir“ überhaupt entscheiden? 12: Aus dem biologischen Alltag: Tierversuche Information und Signal Einstieg: Was ist „Information“? Was die Informatik sagt Gemäß der Formel von Shannon läßt sich der Informationsgehalt ermitteln. Der Informationsgehalt steigt mit der Zahl der möglichen Zustände eines Systems. I(px)= loga(1/px) = -loga(px) ABER: hilft uns dies beim Verständnis von „Information“? Information und Signal Einstieg: Was ist „Information“? Eine Informationsmenge ist offenbar weder eine Materiemenge noch eine Energiemenge; andernfalls könnten winzige Chips im Computer wohl nicht Träger sehr großer Information sein. Information ist aber auch nicht einfach das, was wir subjektiv wissen. Die Chips im Computer, die DNS im Chromosom enthalten ihre Information objektiv, einerlei, was ein Mensch gerade davon weiß. Im Rahmen des in der Naturwissenschaft verbreiteten cartesischen Dualismus fragte man, ob Information Materie oder Bewusstsein sei, und erhielt die zutreffende Antwort: keines von beiden. Manche Autoren bezeichneten sie dann als „eine dritte Art der Realität“. (Weizsäcker 1985:166f) Erfreulicherweise scheint es in der Tat ein grundlegendes Merkmal biologischer Informationsverarbeitung zu sein, daß solche universalen Prinzipien existieren. Diese Prinzipien finden sich bei den unterschiedlichsten Spezies realisiert, sie treten auf allen Organisationsstufen auf – in hochkomplexen Organismen wie dem Menschen genauso wie in primitiven Einzellern – und sie lassen sich selbst bei Pflanzen beobachten, die ebenfalls mit Hilfe elementarer ‚Sinnessysteme’ auf Umweltparameter, Schädlinge oder Nachbarpflanzen reagieren können. (Kollo, C. et al. 1999: 36) Information und Signal Einstieg: Was ist „Information“? Der Wissensgewinn, den das Genom durch sein Probieren und Beibehalten des am besten Passenden erzielt, hat die (...) Folge, daß im lebenden System eine Abbildung der realen Außenwelt entsteht. Donald MacKay hat für diese Art des “Wissens“ den Terminus “abbildende Information“ geprägt. (Lorenz 1973:39) "Information ist Information, weder Materie noch Energie. Kein Materialismus, der dies nicht berücksichtigt, kann heute überleben.“ (Norbert Wiener) Fazit: All diese Varianten von „Information“ haben mit der Shannonschen Definition nicht viel zu tun! Information und Signal Einstieg: Was ist „Information“? Informationen brauchen Wissen Etwas wird nur Information, wenn Wissen vorliegt, das weitergegeben werden kann. Wenn jemand einen anderen über etwas informiert, dann ist das Resultat, dass der Empfänger nun über Informationen verfügt. Bühler, K. (1934) Diese Information kann er in seinem Handeln nutzen. Es „entsteht“ neue Information, die er weitergeben kann. Informieren geht aber nur, wenn beide wissen, wie sie mit dem Wissen umgehen sollen. Information ist nicht für alle dasselbe. Information und Signal Einstieg: Ist Information objektiv oder subjektiv – oder beides? Informationen brauchen Wissen 1. Informationen hängen von der Art ab, in der Daten verarbeitet werden. Daten sind damit „potentielle“ Information. 3. Was Daten sind (potentielle Information) ist damit einerseits subjektiv – sie hängen vom Kontext der Verarbeitung ab. 5. Wir können uns aber verständigen und festlegen, in welchen Kontexten welche Daten verwendet werden soll. Also sind Informationen „intersubjektiv“. 2. Damit ich weiß, wie ich die Daten verarbeiten soll – also Informationen gewinnen – brauche ich ein Wissen über die Verwendung der Daten. 4. Andererseits sind Daten objektiv, denn es können beliebige Sachverhalte als Daten bestimmt und zu Informationen werden und zwar für alle gleich, wenn sie das nötige Wissen haben. Information und Signal Einstieg: Was ist ein Signal? Ein Informationsträger – aber für wen? Fallbeispiel: Mimikry von Warnsignalen. Schwarzgelb zeigt oft an „Ich bin giftig!“ Vorteil des Warnsignals für die Wespe: Ein Vogel versucht erst gar nicht, anzugreifen, was Verletzungen der Wespe vermeidet. Vorteil des Warnsignals für den Vogel: Er vermeidet es, gestochen zu werden. Der Selektionsvorteil des Warnsignals ist nur gegeben, wenn beide Seiten mitspielen! Wenn zuviele Nachahmer auftreten, geht der Vorteil der Warnfärbung verloren. Information und Signal Einstieg: Was ist ein Signal? Karl Bühler (1879-1963) Noch einmal Karl Bühler Signale sind Zeichen (Z) eines Kommunikationsprozesses. Ihre Bedeutung entsteht aus einer Vereinbarung zwischen Sender und Empfänger über einen Sachverhalt „Wenn ich dreimal pfeife, ist die Luft rein und Du kannst rauskommen“ Ohne diese Vereinbarung sind die drei Pfiffe ohne Bedeutung! Information und Signal Einstieg: Was ist ein Signal? Signale brauchen einen Code Etwas wird nur ein Zeichen (Signal), wenn Sender und Empfänger vorher eine Vereinbarung getroffen haben. Je präziser die Vereinbarung, umso präziser die Bedeutung des Zeichens Diese Vereinbarung führt zu einer Anleitung, wie das Zeichen vom Empfänger verstanden werden sollte. Der 1799 in Ägypten entdeckte dreisprachige Stein von Rosetta lieferte den Code zur Entschlüsselung der Hieroglyphen. Diese Zuordnung Zeichen-Bedeutung nennt man Code. Information und Signal Sprache als Abbildung Wittgenstein Tractatus Logico-Philosophicus (1921): „Alle Philosophie ist Sprachkritik“. Sprache als Abbildung: Ding Namen „Wenn die Anordnung von Namen im Zeichen eines Satzes die gleiche Struktur aufweist wie die Anordnung der von den Namen vertretenen Gegenständen in der Wirklichkeit, also denselben „Sachverhalt“ darstellt, wird ein Satz dadurch wahr. Bilden die Dinge in Wirklichkeit einen anderen Sachverhalt als ihre Namen im Satzzeichen, wird ein Satz dadurch falsch.“ Information und Signal Sprache als Abbildung Im Code liegt der Hase im Pfeffer „Hose“ „hose“ Sprache beinhaltet eigentlich eine doppelte Abbildung: • Sender von Ding zu Zeichen • Empfänger von Zeichen zu Ding Wir tun immer so, als ob die Abbildung bijektiv wäre. Aber das ist sie eigentlich nie. Wissenschaftliche Sprache erfordert besondere Sorgfalt bei der Definition der Abbildungen (Begriffe immer klären!). Information und Signal „Objektivität“ gibt es nicht – aber Intersubjektivität Wieso verstehen wir uns überhaupt? Die Codes von Sender und Empfänger sind in der Regel nicht gleich. Die Abbildung Ding – Zeichen ist also nicht bijektiv. Unsere Kommunikation ist also voller Mißverständnisse. Trotzdem können wir miteinander kommunizieren und verstehen uns (jedenfalls glauben wir das…). Wie geht das? Information und Signal „Codes“ in der Natur - wie muss man sich das vorstellen? Genetischer Code Der Genetische Code ist die Anweisung, wie die Reihenfolge von Nukleotiden in eine Reihenfolge von Aminosäuren umzusetzen ist. Die stoffliche Ausprägung des Codes sind die verschiedenen Arten von tRNS. Aber: die tRNS ist nicht der Code, sie ist nur derjenige, der ihn ausführt. Der Code besteht in dem komplexen Vorgang der Proteinbiosynthese, ist also kein Ding, sondern ein Vorgang! Information und Signal „Codes“ in der Natur - wie muss man sich das vorstellen? Neuronaler Code Der neuronale Code besteht z.T. aus elektrischen Signalen, als auch aus chemischen. Damit die Verarbeitung im Gehirn funktioniert, ist die Anordnung der Leiter-, Schalt- und Rechenelemente wichtig. Hagmann et al. (2008) Network representation of brain connectivity. PloS Biol 6, e159 Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Network_representat ion_of_brain_connectivity.JPG#/media/File:Network_represen tation_of_brain_connectivity.JPG Aber: Das Gehirn ist nicht ein neuronales Netze – es wird aber bei vielen Verhaltensweisen so genutzt. Die Informationsverarbeitung ist also kein Ding, sondern ein raum-zeitlich-strukturell komplexer Vorgang! Information und Signal „Codes“ in der Natur - wie muss man sich das vorstellen? Degenerierte Codes Ein idealer Code ist in beiden Richtungen eindeutig. Zeichen = Bedeutung. Photinus Männchen nach erfolgreicher Decodierung Das kommt in der Realität nie vor, weil Empfänger und Sender nämlich immer verschieden sind (Anmerkung: wären sie identisch, bräuchte man keinen Code…). Bedeutung eines Zeichens also beim Sender immer ein wenig anders als beim Empfänger. „Dumm gloffa…“ Weibchen von Photuris frisst Männchen von Photinus Je genauer der Code, umso präziser die Kommunikation Information und Signal „Codes“ in der Natur – wie muss man sich das vorstellen? Warum unsere Codes überlappen Der Homo erectus, der andere Codes nicht kapierte, war bald ein toter Homo erectus. Seine Gene trugen nicht zur Abstammungslinie des heutigen Menschen bei… Während der Evolution wurde also unsere Fähigkeit, andere Codes zu entschlüsseln positiv selektiert. Es gibt daher einen großen Überlappungsbereich. Diese Überlappung ist Intersubjektivität. Mehr bekommen wir nicht. Aber immerhin. Intermezzo: Denken Sie mal nach! Wenn die Codes individuell sind – wie kann wissenschaftliche Logik dann global sein? A Weil abweichende Codes unlogisch sind B Weil Logik die Kommunikation erleichtert C Weil Logik in unseren Genen verdrahtet ist D Weil unlogische Codes mit der Realität kollidieren Take-home: Was erwarten wir von Ihnen Begriffe, die Sie kennen, erklären und verinnerlichen sollten • • • • • Signal, Zeichen, Code, Daten Information, Wissen, Informationsgehalt Bühlersches Organonmodell Abbildung, bijektiv Objektivität, Intersubjektivität Konzepte, die Sie kennen, erklären und verinnerlichen sollten • • • • • Den Unterschied zwischen Informationsgehalt und Information erläutern können Anhand des Bühlerschen Modells erklären können, was ein Signal ist Am Beispiel des genetischen Codes erklären können, was ein Code ist Erklären können, inwiefern Sprache eine Abbildung ist Den Unterschied zwischen Objektivität und Intersubjektivität erklären können