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MENSCHENRECHTSKOMPASS SALZBURG
Thema
Sport
Sport
www.menschenrechte-salzburg.at/kompass
Ein Projekt der Plattform für Menschenrechte Salzburg
ermöglicht durch den Runden Tisch Menschenrechte der Stadt Salzburg
14 Sport
Sportliche Betätigung ist ein Menschenrecht. Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben,
nach seinen Bedürfnissen Sport zu treiben.
Olympische Charta, Prinzip 8
Ist Sport ein Menschenrecht?
Streng genommen lautet die Antwort: nein! Keine Menschenrechtserklärung und kein Pakt
enthalten besondere Garantien hinsichtlich eines Menschenrechts auf sportliche
Betätigung. Dennoch kann Sport als wesentliches Element der Rechte auf Bildung und
Kultur betrachtet werden.
Das Recht auf Bildung wird in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
und in Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte gewährleistet. Letzterer besagt, dass „Bildung auf die volle Entfaltung der
menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die
Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss“. Durch Sport
entwickeln sich Menschen körperlich und intellektuell weiter. Sportliche Betätigung hebt
das Selbstwertgefühl, sie bietet Gelegenheit, sich selbst zu verwirklichen und Anerkennung
von anderen zu bekommen. Dies gilt beispielsweise auch für die Paralympics.
Für Kinder schreibt das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vor, dass die Bildung
des Kindes darauf gerichtet sein muss, „die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen
und körperlichen Fähigkeiten des Kindes voll zur Entfaltung zu bringen“.
Das Recht aller Menschen auf Teilnahme am kulturellen Leben wird in Artikel 27 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewährleistet. Auch wenn Sport nicht generell
als Menschenrecht anerkannt ist, so hat doch die sportliche Betätigung und die Art und
Weise ihrer Unterstützung Folgen für die Menschenrechte. Je nach den Umständen kann
sie ein Mittel sein, um die Menschenrechte zu fördern oder sie zu missbrauchen.184
Unsere HeldInnen und wir. Sport als sozialer Kitt
Sport prägt nicht nur das Leben und das soziale Umfeld von Sportlerinnen und Sportlern.
Auch der Selbstwert von Fans wird erheblich von sportlichen Ereignissen bestimmt. Als
Anhänger eines bestimmten Fußball-Teams mit zu fiebern oder fahnenschwingend im
Skistadion von Kitzbühel zu stehen, gibt dem Fan das Gefühl, Teil von etwas Großartigem zu
sein. Es vermittelt ihm die Illusion, dass er oder sie selbst fitter, stärker und geschickter ist
als der Rest der Welt. Vorausgesetzt, es gewinnt tatsächlich Marcel Hirscher und nicht ein
Ski-As aus der Schweiz oder aus Frankreich. So kommt dem Sport eine enorme Bedeutung
für die nationale Identität zu. Der Sport - und hier allen voran der Fußball - bildet eine Art
184
Deutsches Institut für Menschenrechte (2005): Kompass. Handbuch zur Menschenrechtsbildung für die
schulische und außerschulische Bildungsarbeit. S 386. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
sozialen Kitt. Spitzensport scheint das einzige Thema zu sein, das in einer zunehmend
individualisierten Gesellschaft noch einen gemeinsamen Überbau schafft und eine
Verständigung über soziale Grenzen hinweg erlaubt. Es geht um unsere Rennläuferin, um
unseren Club, um unsere Nationalmannschaft. Sportliche Erfolgserlebnisse sorgen für ein
Wir-Gefühl, das Politik oder Kultur so nicht herstellen können.185
Besonders deutlich wird dies bei sportlichen Großereignissen. Die Medienberichterstattung
über Olympische Spiele oder eine Fußball-WM ist stets von einer starken Betonung der
nationalen Identität geprägt. Der sportliche Wettkampf wird zu einem Wettkampf zwischen
den jeweiligen Ländern, die SportlerInnen werden zu nationalen HeldInnen hochstilisiert.
Alte Rivalitäten, wie etwa die jahrzehntelange Hass-Liebe zwischen Österreich und
Deutschland, werden von den Medien im Vorfeld eines Ländermatches mit klischeehaften
Charakterisierungen genussvoll begleitet. So gelten die Deutschen als fleißig und
kämpferisch, aber ebenso als humorlos, während die Österreicher als gemütlich, gewitzt und
ein bisschen schlampig dargestellt werden. Diese Zuschreibungen zeigten sich beispielsweise
während der Fußball-EM 2008, als die deutsche Zeitung Bild „30 Gründe, warum Ösis oft
auch Dösis sind“ aufzählte. Der österreichische Boulevard konterte mit „30 Gründen, warum
Deutsche Piefke bleiben“. Fragt sich nur, wer hier weniger Humor an den Tag legte.186
Rassismus versus Integration. Ist Sport ein Abbild der
Gesellschaft?
Sportliche Wettkämpfe und die Unterstützung des eigenen Teams sowie die dazu tönende
Begleitmusik in den Medien verhelfen den Fans nicht nur zur Stärkung ihrer (nationalen)
Identität. Sport wird leicht zur Projektionsfläche für heikle gesellschaftliche Prozesse. Im
Guten wie im Schlechten. Geht es um einen österreichischen Spieler mit türkischen Eltern,
so betonen selbst Zeitungen, die sonst gerne Ausländer-Raus-Parolen wiedergeben, plötzlich
die Wichtigkeit von Spielern mit Migrationshintergrund, das National-Team wird nicht erst
seit David Alaba in seiner ethnischen Vielfalt und als Inbegriff von gelungener Integration
gefeiert. Voraussetzung dafür sind allerdings immer Erfolge. In diesem Fall kann Sport selbst
relative stabile Weltanschauungen in Bewegung bringen.187
Kicker aus dem ehemaligen Jugoslawien zählten lange zum Besten was im österreichischen
Profi-Fußball aufgeboten wurde. Dies zu einer Zeit, als Männer aus Jugoslawien hierzulande
bestenfalls als Gastarbeiter, schlimmstenfalls aber mit dem Schimpfwort „Tschusch“ tituliert
wurden. Bald hatte aber jedes Team mindestens einen Ballkünstler aus Jugoslawien in
seinen Reihen. In den Augen der Fans wurden sie dank der starken Leistungen sehr rasch zu
185
www.sportschau.de, abgerufen am 1. 7. 2013
Kneidinger, Bernadette. Die Konstruktion nationaler Identität in der österreichischen und Schweizer
Sportberichterstattung Eine qualitative Inhaltsanalyse zur Fußball-Europameisterschaft 2008. In: SWS-Rundschau
(50. Jg.) Heft Heft 2/ 2010 : S 164 - 186
187
ebda
186
„ihren“ Spielern, und so kehrte zunehmend Normalität im Umgang mit Fußballern vom
Balkan ein.
Ähnlich, wenngleich um einiges schwieriger, gestaltet sich die Akzeptanz von Spielern mit
dunkler Hautfarbe. Als in den 1990er Jahren erstmals farbige Spieler in Österreichs Stadien
aufliefen, wurden ihre Ballkontakte von den gegnerischen „Fans“ immer wieder mit
Affenlauten und rassistischen Schmähgesängen begleitet. Es dauerte allerdings, bis die
Verantwortlichen im Österreichischen Fußballbund (ÖFB) Strafen gegen Vereine mit solchen
Anhängern erließen. Und allen Geldbußen für die Vereine solcher Fans zum Trotz kommt es
nach wie vor zu nicht zu tolerierenden Vorfällen. Sie stellen allerdings die Ausnahme dar.
Und wer mag sich heute die öffentliche Reaktion ausmalen, sollte Publikums-Liebling David
Ala rassistisch beschimpft werden?
Rassismus in den Fußballstadien
Allen Kampagnen zum Trotz – es vergeht kaum eine Woche ohne Berichte über rassistische
Ausfälle auf den Fußballplätzen. Egal ob in England, Österreich oder Deutschland. Egal ob
von Seiten der Zuschauer oder von Spieler zu Spieler. Italien gilt europaweit als Brennpunkt
für rassistische Umtriebe in Fußball-Stadien. Und Busto Arsizio, jener Ortsname einer
Gemeinde in der Nähe von Mailand, wurde zum Synonym für den Kampf dagegen. Anfang
Januar 2013 bei einem Freundschaftsspiel hatte Kevin-Prince Boateng vom AC Mailand –
begleitet von seinen Mitspielern – kurzerhand das Spielfeld verlassen. Der Sohn eines
ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter, hatte genug von den anhaltenden
Urwaldgeräuschen, diesem dumpfen, abgehackten "Uh!Uh!Uh!". Es war ein Vorfall, der
einen internationalen Aufschrei nach sich zog.
Wenige Monate später traf es Mario Balotelli, Stürmer des AC Mailand und Superstar der
italienischen Nationalmannschaft. Balotelli, Sohn ghanaischer Einwanderer, wurde bei
einem Spiel von einzelnen Fangruppen des AS Rom (die ebenso für ihre offene faschistische
Propaganda bekannt sind) mit Affenlauten bedacht, wenn er am Ball war. Wie reagierte
Balotelli, der für sein extrovertiertes und oft ungestümes Verhalten bekannt ist? Er drehte
sich in Richtung Fan-Kurve und legte den Finger auf den Mund: „Seid endlich ruhig“, wollte
er damit sagen. Der Schiedsrichter stoppte das Spiel für eineinhalb Minuten, Roms Kapitän
Francesco Totti appellierte an den Anhang, dann ging es weiter mit Business as usual.
Immerhin ging es in diesem letzten Spiel der Saison 2012/2013 um die Champions-LeagueQualifikation. Der AS Rom wurde zu einer Strafe von 50.000 Euro verurteilt.
In Italien folgte neuerlich eine Diskussion über den Umgang mit Rassismus im Fußball. Null
Toleranz, den sofortigen Abbruch und empfindliche Strafen mit Spielen ohne Zuschauer
forderten die einen. "Wird das Spiel dann gegen das Team gewertet, dessen Fans sich
daneben benommen haben, werden wir viele Abbrüche sehen", meinten andere wie
Antonio Conte, Trainer von Juventus Turin.188
188
http://www.zeit.de/sport/2013-05/rassismus-milan-rom-balotelli, http://www.spiegel.de/sport/fussball/erneuterrassismus-skandal-in-italien-schockiert-die-sportwelt-a-899523.html
Sport und Politik
Sollen Sport-Groß-Events in Ländern stattfinden können, in denen Menschenrechte mit
Füßen getreten werden? Läuft der Sport so nicht Gefahr von Machthabern für
Propagandazwecke missbraucht zu werden? Diese Befürchtungen gibt es nicht erst seit der
Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2008 nach China, an ein Land also, in dem
MenschenrechtlerInnen nach wie vor verfolgt werden.
Schon die Nazis nutzten die Olympiade 1936 in Berlin, um der Welt eine geschönte Sicht auf
ihr Regime zu präsentieren. Genauso hielt es die argentinische Militär-Junta 1978. Die
Fußball-WM sollte von sozialen Problemen und Unterdrückung ablenken. Während tausende
RegimekritikerInnen in Foltergefängnissen inhaftiert waren, wurde dem Fernsehpublikum in
aller Welt ein unbeschwertes Fußballfest vorgegaukelt. Das Argument für das Abhalten von
Mega-Events in Ländern mit autoritären Regimes lautet jeweils, dass dies zu mehr
Transparenz und zu einer Stärkung der Opposition führen würde. Zumindest im Fall von
China hat sich dieses Argument nicht bewahrheitet. Was kann eine Winterolympiade in
Russland oder eine Fußball-WM in Katar für die Menschenrechte bringen?
Längst zählen im Sport handfeste wirtschaftliche Interessen mehr als politische Argumente.
Organisationen wie das Olympische Komitee (IOC) oder der Weltfußballverband FIFA
kassieren Milliardenbeträge für Fernseh-Übertragungsrechte. Die Vergabe der Events läuft
völlig intransparent und ist stets von Bestechungsgerüchten begleitet. Hinzu kommt, dass
sich die großen Sportverbände jeglicher demokratischen Kontrolle entziehen.189
Nicht schön genug für Wimbledon?
Die Französin Marion Bartoli erreichte Anfang Juli 2013 das, wovon viele träumen: Sie
gewann das berühmteste Tennis-Turnier der Welt, nämlich die All England Championship Wimbledon. Die von Kopf bis Fuß weiß gekleideten AthletInnen, der gepflegte Rasen und die
Cocktail-Partys gehören hier ebenso zum Flair wie die Lust an Erdbeeren mit Schlagobers.
Weniger gesittet, sondern derb sexistisch gaben sich nach Bartolis Triumph allerdings einige
Journalisten. Der ehemalige Spieler John McEnroe erklärte live als Fernseh-Kommentator,
dass Bartoli "nicht so aussieht, wie man sich eine Athletin vorstellt". BBC-Moderator John
Inverdale sagte, kurz nachdem die Französin das Finale gewonnen hatte und auf der Tribüne
zu ihrer Familie und ihren BetreuerInnen kletterte: "Glauben Sie, Bartolis Vater hat ihr als
Kind gesagt 'Du wirst nie ein Hingucker sein, du wirst nie eine Scharapowa190 sein, also sei
angriffslustig und kämpfe'?" Die BBC entschuldigte sich umgehend für diese Äußerung.
Sexistische Anwürfe trafen schon in den 1980er Jahren die tschechoslowakische
Tennisspielerin Martina Navrátilová. Die Ikone des Tennissports gewann den Einzeltitel in
Wimbledon insgesamt neunmal. Dafür wurde sie als "Mann-Frau" oder "Mann-Weib"
bezeichnet. In den 1990er Jahren war es dann die spanische Tennisspielerin Conchita
189
Sport und Politik. Zentrum Polis. Politik Lernen in der Schule, Nr. 4, 2008
Olga Scharapowa wird in den Medien als Tennis-Modell gefeiert und hat einen der höchstdotierten WerbeVerträge.
190
Martínez, die den körperlichen Oberflächen-Träumen der Zuschauer und Kommentatoren
nicht gerecht wurde.
Es zeigt sich: Auch weibliche Tennisprofis, die nicht den gängigen Schönheitsidealen
entsprechen, werden leicht auf ihre Äußerlichkeiten reduziert. Treffsicher antwortete
Marion Bartoli aber auch jenseits des Centre-Courts: "Habe ich jemals davon geträumt,
einen Modelvertrag zu bekommen? Nein. Habe ich jemals davon geträumt, Wimbledon zu
gewinnen? Absolut!"191
Homophobie im Sport
Sport, Männlichkeit und Homosexualität – diese Verbindung scheint nach wie vor vielen
suspekt. Aus diesem Grund haben sich bisher vergleichsweise wenige Sportler als schwul
geoutet. Sie fürchten Ablehnung durch Fans, Mannschaftskollegen, Medien und
Gegenspieler. Zu Recht? Ein Beispiel für offene Homophobie im Sport, also die Abwertung
und Ausgrenzung von homosexuellen AthletInnen, gab der frühere Trainer von Austria
Salzburg Otto Barid, der in einem Interview erklärte: „Meine Spieler müssen echte Kerle sein.
Also können Homosexuelle bei mir nicht spielen, höchstens gegen mich.“ In einem anderen
Gespräch erklärte Baric: „Ich weiß, dass es in meiner Mannschaft keine Homosexuellen gibt.
Ich erkenne einen Schwulen innerhalb von zehn Minuten, und ich möchte sie nicht in
meinem Team haben.“192
Infolge des gesellschaftlichen Wandels positionierten sich viele Fußballverbände heute
offiziell als aufgeschlossen, wie es in einem ausführlichen Wikipedia-Artikel zum Thema
heißt. Als das Jugendmagazin Fluter ein anonymisiertes Interview mit einem homosexuellen
Profi veröffentlichte, der vom „ständigen Druck zwischen dem heterosexuellen
Vorzeigespieler und der möglichen Entdeckung“ berichtete, bot der Deutsche Fußballbund
seine Hilfe an. Inzwischen gab der DFB sogar eine 28 Seiten starke Broschüre zum Thema
Homosexualität und Sport heraus. Damit wolle man schwulen Fußballern ein Coming-Out
erleichtern.193 Als sich der deutsche Nationalspieler Thomas Hitzelsperger kurz nach
Karriere-Ende zu seiner Homosexualität bekannte, wurde dieser Schritt von vielen Seiten
begrüßt.
Noch vor wenigen Jahren hatte selbst ein bekennender Homosexueller wie der Präsident
des Hamburger Kult-Klubs FC St. Pauli, Corny Littmann, von einem Outing abgeraten, da der
soziale Druck und der Medienhype nicht auszuhalten seien. „In einem heterosexuellen
Mannschaftsgefüge ist man direkt der Außenseiter, wird angreifbar für Mitspieler,
Gegenspieler und Medien.“
In den Niederlanden setzte unterdessen der Fußballverband ein unübersehbares Zeichen im
Kampf gegen Homophobie. Im August 2013 waren Teamchef Louis van Gaal und mehrere
Spieler beim weltberühmten Schwulenkorso auf Amsterdams Grachten vertreten. "Wir
191
dieStandard.at, 9.7.2013
http://www.hosiwien.at/homophobe-osterreicher-sorgen-europaweit-fur-schlagzeilen/
193
Süddeutsche Zeitung 17. 7. 2013
192
wollen damit demonstrieren, dass unser Sport für eine Atmosphäre der Offenheit und
Sicherheit eintritt, in der jeder er selbst sein kann", so das offizielle Statement. Zuvor hatte
der Trainer von Ajax Amsterdam, Frank de Boer, mit einer Äußerung über die vermeintliche
Unsportlichkeit von Schwulen für Wirbel gesorgt.194
Wie Österreich „schwuler DFB!“-Chöre überhörte
Der 6. September 2013 ist ein denkwürdiger Tag der österreichischen Sportgeschichte. Das 0:3, das
die österreichische Fußball-Nationalmannschaft an diesem Tag gegen die deutsche Auswahl
kassierte, gab dabei weniger zu denken, als die Sprechchöre Tausender rotweißroter
Schlachtenbummler. „Schwuler, schwuler DFB!“ dröhnte es immer wieder von den Rängen der
Münchner Allianz-Arena. Der massive, kollektive Ausbruch an Homophobie wurde von den
österreichischen Medien verschämt vertuscht. Keinem einzigen der anwesenden österreichischen
Sportreporter war das skandalöse Verhalten eine Zeile wert. Was in der TV-Übertragung auch nicht
zu hören war, fand immerhin in einigen deutschen Zeitungen Erwähnung. In Österreich widmete nur
FM4 auf seiner Website dem „homophoben Geblöke“ einen längeren Kommentar. Und auch der
Ballesterer, Monats-Magazin für Fankultur, griff das Thema auf. Die österreichischen Massenmedien
inklusive ORF hingegen schwiegen und schwärmten von „phantastischen Fans, die unsere Spieler so
großartig unterstützten“.
Outings, die Geschichte schrieben


194
Während sich in Europa noch kein prominenter Fußballer zu seiner Homosexualität
bekannt hat, schrieb der US-amerikanische Nationalspieler Robbie Rogers im
Frühjahr 2013 gleich zweimal Geschichte. Zunächst hatte der 26jährige sich
öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt und gleichzeitig seinen Rücktritt vom
Profisport bekanntgegeben. Drei Monate später schon kehrte er aber auf das
Spielfeld zurück. Unter dem tosenden Applaus von 25.000 Fans lief er für den
Beckham-Club L. A. Galaxy als erster schwuler Stürmer aufs Feld. „Ich habe so lange
geschwiegen, weil ich dachte, ich könne nicht beides sein: Ein Fußballer und ein
homosexueller Athlet. Aber jetzt bin ich hier, und alles ist vollkommen normal“,
erklärte Robbie Rogers.195
„Ja, ich bin schwul“, bekannte Gareth Thomas in einem Zeitungsinterview und war
sich völlig im Klaren, dass er damit selbst im toleranten Großbritannien ein Tabu
brechen würde. Der 35-jährige Rugbyspieler ist eine lebende Sportlegende und ein
Publikumsliebling. Für das Nationalteam von Wales hat er 100 Einsätze absolviert,
den Großteil als Kapitän. Rugby ist seiner Einschätzung nach die härteste und
machohafteste aller Sportarten.196
http://derstandard.at/1371171059486/Hollands-Fussballverband-mit-van-Gaal-bei-Schwulenparade-in-Amsterdam
http://www.90minuten.at/index.php/magazin/reportage/23571-robbie-rogers-einer-von-vielen
196
http://www.zeit.de/sport/2010-01/outing-gareth-thomas-schwul-fussball-rugby
195


Ein freiwilliges Outing erfordert eine enorm starke Persönlichkeit, besonders wenn
die AthletInnen ihren Sport fortsetzen wollen. Martina Navratilova, eine der besten
Tennisspielerinnen der Geschichte, war nicht nur in dieser Hinsicht eine
Ausnahmeerscheinung und ein Vorbild. Die gebürtige Tschechin war am Höhepunkt
ihrer Karriere, als sie Ende der 1980er Jahre als einer der ersten Sportstars ihre
Homosexualität öffentlich machte. Damit wurde sie zu einer Ikone der Lesben- und
Schwulenbewegung.
Judith Arndt sorgte 2005 mit der "Stinkefinger-Affäre" für Aufsehen. Mit der
obszönen Geste protestierte die deutsche Profi-Radsportlerin dagegen, dass ihre
Partnerin und spätere Trainerin Petra Rossner, mit der sie seit 1996 zusammen lebt,
aus dem Team geflogen war. Judith Arndt wurde viermal StraßenRadweltmeisterin.197
GesprächspartnerInnen zum Thema Sport und Menschenrechte:
Georg Wimmer
Plattform für Menschenrechte Salzburg
www.menschenrechte-salzburg.at
mailto: [email protected]
Fairplay
Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit,
http://fairplay.vidc.org
mailto: [email protected]
197
http://diepresse.com/home/sport/mehrsport/489604/index?gal=489604&index=18&direct=&_vl_backlink=&popup=
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