Teil I: Differentialrechnung mehrerer Veränderlicher 1. Normierte und metrische Räume: Definitionen und Beispiele Def. Ein (reeller) normierter Raum besteht aus einem reellen Vektorraum V und einer Abbildung V → R , v 7→k v k, die die Norm von V heißt, so dass gilt: (1) k v k ≥ 0 für alle v ∈ V . (2) k v k = 0 ⇐⇒ v = 0. (3) k αv k = | α | · k v k für v ∈ V und α ∈ R. (4) k v + w k ≤ k v k + k w k für alle v, w ∈ V (Dreiecksungleichung). Beispiel: Auf V = Rn erhält man Normen k . k1 , k . k∞ und k . k2 folgendermaßen: Ist v = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn , so sei k v k1 := | x1 | + . . . + | xn |, k v k∞ := max{ | x1 |, . . . , | xn |}, k v k2 := (x21 + . . . + x2n )1/2 . Um die Dreiecksungleichung für k . k2 , die sog. Euklidische Norm, nachzuweisen, braucht man: Satz 1. (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung) Sind v = (x1 , . . . , xn ), w = (y1 , . . . , yn ) ∈ Rn , so ist | x1 y1 + . . . + xn yn | ≤ k v k2 · k w k2 . Bem. Für v ∈ Rn ist k v k∞ ≤ k v k2 ≤ k v k1 ≤ n · k v k∞ . Allgemeiner gilt: Zwei Normen k . k und | . | auf einem endlich-dimensionalen reellen Vektorraum V sind äquivalent in dem Sinn, dass es positive reelle Zahlen a, A gibt mit a k v k ≤ | v | ≤ A k v k ∀ v ∈ V. Def. Ein metrischer Raum besteht aus einer Menge X und einer Abbildung d : X × X −→ R (der Metrik von X) mit: (I) d(x, y) ≥ 0 für alle x, y ∈ X. (II) d(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y. (III) d(x, y) = d(y, x) für alle x, y ∈ X. (IV) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für alle x, y, z ∈ X (Dreiecksungleichung). Man sagt oft ,,X ist metrischer Raum ” statt ,,(X, d) ist metrischer Raum”. Beispiel: Sei V ein normierter Raum. Definiere d : V × V → R durch d(x, y) := k x − y k . Dann ist V ein metrischer Raum. 1 Beispiel: Ist (X, d) ein metrischer Raum und Y ⊆ X, so wird Y mit der Einschränkung von d auf Y × Y ein metrischer Raum. Def. Sei X ein metrischer Raum, a ∈ X und r ∈ R mit r > 0. Dann heißt die Menge Br (a) := {x ∈ X | d(a, x) < r} die offene Kugel und B r (a) := {x ∈ X | d(a, x) ≤ r} die abgeschlossene Kugel mit Mittelpunkt a und Radius r. 2 2. Grundlegende Begriffe in metrischen Räumen Def. Sei X ein metrischer Raum und A ⊆ X. Dann heißt A offen in X, wenn gilt: Ist x ∈ A, so existiert ein r > 0 mit Br (x) ⊆ A. Satz 1. Eine offene Kugel in einem metrischen Raum X ist offen in X. Satz 2. Sei X ein metrischer Raum. Dann gilt: a) X und ∅ sind offen in X. b) Ist S I irgendeine Menge und sind die Ai mit i ∈ I offen in X, so ist auch i∈I Ai offen in X. c) Ist n ∈ N und sind A1 , . . . , An offen in X, so ist A1 ∩ . . . ∩ An offen in X. 1 1 T Beispiel: − n1 , n1 ist offen in R. Aber = {0} ist nicht offen in R. n∈N − n , n Def. Sei X ein metrischer Raum, x ∈ X. Eine Teilmenge U von X heißt Umgebung von x in X, wenn es eine offene Teilmenge A von X gibt mit x ∈ A ⊆ U. Eigenschaften von Umgebungen: (1) Sei x ∈ X und U ⊆ X. Dann sind äquivalent: (a) U ist Umgebung von x. (b) Es gibt ein r > 0 mit Br (x) ⊆ U . (2) Eine Menge ist genau dann offen, wenn sie Umgebung aller ihrer Punkte ist. (3) Ist U Umgebung von x und V ⊇ U , so ist V Umgebung von x. (4) Der Durchschnitt endlich vieler Umgebungen von x ist eine Umgebung von x. Def. Sei X ein metrischer Raum, A ⊆ X und x ∈ X. x heißt Häufungspunkt von A, falls in jeder Umgebung von x ein von x verschiedener Punkt von A liegt. x heißt Berührungspunkt von A, falls in jeder Umgebung von x ein Punkt von A liegt. Bem. x ist Berührungspunkt von A ⇐⇒ x ∈ A oder x ist Häufungspunkt von A. Satz 3. und Def. Sei X metrischer Raum, A ⊆ X. Dann sind äquivalent: (a) A enthält alle Häufungspunkte von A. (b) A enthält alle Berührungspunkte von A. (c) X r A ist offen in X. Wenn A diese Eigenschaften hat, so heißt A abgeschlossen in X. Satz 4. Sei X ein metrischer Raum. Dann gilt: 1) ∅ und X sind abgeschlossen. 2) Der Durchschnitt von beliebig vielen abgeschlossenen Mengen ist abgeschlossen. 3) Die Vereinigung von endlich vielen abgeschlossenen Mengen ist abgeschlossen. 3 Satz 5. Sei X ein metrischer Raum und A eine endliche Teilmenge von X. Dann ist A abgeschlossen in X. Def. Sei (xn )n∈N eine Folge in einem metrischen Raum X. Ein Punkt x0 ∈ X heißt Grenzwert der Folge (xn ), wenn eine der drei folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt ist: 1. Zu jedem ε > 0 existiert ein N ∈ N mit d(xn , x0 ) < ε für n ≥ N . 2. Zu jedem ε > 0 existiert ein N ∈ N mit xn ∈ Bε (x0 ) für n ≥ N . 3. Für jede Umgebung U von x existiert ein N ∈ N mit xn ∈ U für n ≥ N . Eine Folge besitzt höchstens einen Grenzwert. Wenn (xn ) den Grenzwert x0 besitzt, so sagt man, dass (xn ) gegen x0 konvergiert und schreibt lim xn = x0 oder n→∞ xn → x0 . Beispiel: Sei X = Rn mit einer der Normen k . kp , p = 1, 2, ∞. Sei (xk )k∈N eine Folge in Rn mit xk = (ξ1k , . . . , ξnk ) und sei x0 = (ξ10 , . . . , ξn0 ) ∈ Rn . Genau dann ist lim xk = x0 , wenn für jedes ν mit 1 ≤ ν ≤ n gilt: lim ξνk = ξν0 . k→∞ k→∞ Bem. Sei X ein metrischer Raum, A ⊆ X und x ∈ X. a) x ist Berührungspunkt von A ⇐⇒ es existiert eine Folge (xn ) in A mit xn → x. b) x ist Häufungspunkt von A ⇐⇒ es existiert eine Folge (xn ) in A mit xn 6= x für n ∈ N und xn → x. c) A ist abgeschlossen in X ⇐⇒ ist (xn ) eine Folge in A, so dass x0 = lim xn in X existiert, so ist x0 ∈ A. Def. Sei X ein metrischer Raum, A ⊆ X und x ∈ X. Dann heißt x ein innerer Punkt von A, wenn A eine Umgebung von x ist. Sei Å die Menge aller inneren Punkte von A; sie heißt das Innere von A. Satz 6. Sei X ein metrischer Raum und A ⊆ X. Dann ist Å die größte offene Teilmenge von X, die in A enthalten ist. Beispiel: In X = Rn mit der Norm k . kp , p = 1, 2, ∞, gilt: Ist A := B r (x), so ist Å = Br (x). Def. Sei X ein metrischer Raum, A ⊆ X. Sei A die Menge aller Berührungspunkte von A in X. Sie heißt der Abschluss von A. Satz 7. a) X r A = (X r A) ◦ . b) A ist die kleinste abgeschlossene Teilmenge von X, die A umfasst. Def. Sei X ein metrischer Raum, A ⊆ X , x ∈ X. x heißt Randpunkt von A in X, wenn x Berührungspunkt von A und von X r A ist. Sei ∂A die Menge der Randpunkte von A in X, also ∂A = A ∩ X r A. ∂A heißt der Rand von A in X. Bem. ∂A ist abgeschlossen in X. X ist die disjunkte Vereinigung von Å , ∂A und (X r A) ◦ . 4 3. Stetige Abbildungen Def. Seien (X, d), (Y, d0 ) metrische Räume, f : X → Y eine Abbildung, x0 ∈ X. Dann heißt f stetig im Punkt x0 , wenn eine der folgenden 3 äquivalenten Bedingungen erfüllt ist: 1. Zu jedem ε > 0 existiert δ > 0, so dass gilt: Ist x ∈ X mit d(x0 , x) < δ, so ist d0 (f (x0 ), f (x)) < ε. 2. Zu jedem ε > 0 existiert δ > 0 mit f (Bδ (x0 )) ⊆ Bε (f (x0 )). 3. Zu jeder Umgebung U von f (x0 ) gibt es eine Umgebung V von x0 mit f (V ) ⊆ U . Die Abbildung f : X → Y heißt stetig, wenn sie in jedem Punkt von X stetig ist. Beispiele:1) Eine konstante Abbildung ist stetig. 2) Die identische Abbildung idX : X → X ist stetig. 3) Seien X, Y, Z metrische Räume, f : X → Y und g : Y → Z Abbildungen, x0 ∈ X. Wenn f in x0 und g in f (x0 ) stetig ist, so ist g ◦ f : X → Z in x0 stetig. Satz 1. Seien X, Y metrische Räume, f : X → Y . Dann sind äquivalent: a) f ist stetig. b) Ist A offen in Y , so ist f −1 (A) offen in X. c) Ist B abgeschlossen in Y , so ist f −1 (B) abgeschlossen in X. d) Ist (xn ) eine konvergente Folge in X, so ist (f (xn )) konvergente Folge in Y und lim f (xn ) = f ( lim xn ). n→∞ n→∞ Satz 2. Seien X, Y metrische Räume, f, g : X → Y stetig. Dann ist A := {x ∈ X | f (x) = g(x)} abgeschlossen in X. Satz 3. Sei X ein metrischer Raum, f, g : X → R stetig. Dann ist A := {x ∈ X | f (x) ≤ g(x)} in X. Bem. Sei X ein metrischer Raum und f : X → Rn eine Abbildung. Dann ist f (x) = (f1 (x), . . . , fn (x)) mit Abbildungen fk : X → R. Wir versehen Rn mit einer der Normen k . k∞ , k . k2 , k . k1 . Genau dann ist f stetig, wenn alle fk stetig sind. Def. Eine Teilmenge X eines normierten Raumes V heißt beschränkt, wenn es ein M ≥ 0 gibt mit k v k≤ M für alle v ∈ X. Satz 4. Sei X eine beschränkte, abgeschlossene Teilmenge von Rn , und f : X → R sei stetig. Dann ist f (X) eine beschränkte und abgeschlossene Teilmenge von R. Insbesondere nimmt f auf X sein Maximum und sein Minimum an. 5 4. Partielle Ableitungen Def. Sei U offen in Rn , f : U → R eine Abbildung, x = (x1 , . . . , xn ) ∈ U . Für i = 1, . . . , n sei Ui := {t ∈ R | (x1 , . . . , xi−1 , t, xi+1 , . . . , xn ) ∈ U }. Dann ist Ui eine offene Umgebung von xi in R. Man definiert Fi : Ui → R durch Fi (t) := f (x1 , . . . , xi−1 , t, xi+1 , . . . , xn ). f heißt im Punkt x partiell differenzierbar, wenn für i = 1, . . . , n die Funktion Fi in xi differenzierbar ist. Schreibe dann Di f (x) := ∂f ∂f (x) ∂ (x) := := f (x) := Fi0 (x), ∂xi ∂xi ∂xi und nenne dies die i-te partielle Ableitung von f in x. f heißt partiell differenzierbar, wenn es in jedem Punkt von U partiell differenzierbar ist. Bem. a)Man berechnet die i-te partielle Ableitung, indem man f als Funktion der i-ten Variablen allein auffasst und die anderen Variablen konstant hält. ∂f ∂f b) Für n = 2 schreibt man meist (x, y) statt (x1 , x2 ) und ∂f ∂x statt ∂x1 und ∂y statt ∂f ∂x2 . Für n = 3 schreibt man oft (x, y, z) statt (x1 , x2 , x3 ). Beispiel: f (x, y) = exy =⇒ ∂f ∂x (x, y) = yexy , Beispiel: Betrachte f : R2 → R, ( f (x, y) := xy x2 + y 2 0 ∂f ∂y (x, y) = xexy . für (x, y) 6= (0, 0), für (x, y) = (0, 0). In jedem Punkt (x, y) 6= (0, 0) ist f offensichtlich partiell differenzierbar. f ist aber auch in (0, 0) partiell differenzierbar: f1 (ξ) = f (ξ, 0) = 0 und f2 (ξ) = f (0, ξ) = 0 für alle ξ ∈ R =⇒ D1 f (0, 0) = 0 und D2 f (0, 0) = 0. f ist also auf ganz R2 partiell differenzierbar. x2 1 Aber f ist in (0, 0) nicht stetig: Denn für x ∈ R, x 6= 0, ist f (x, x) = 2 = , 2 x +x 2 während f (0, 0) = 0. Def. Sei U offen in Rn und f : U → R partiell differenzierbar in U . Wenn alle partiellen Ableitungen D1 f, . . . , Dn f : U → R wieder partiell differenzierbar sind, so kann man Dj Di f := Dj (Di f ) bilden und sagt, dass f zweimal partiell differenzierbar ist. Induktiv definiert man, was es für k ∈ N bedeutet, dass f k-mal partiell differenzierbar ist. Schreibe auch ∂2f ∂2f := Dj Di f , := Di2 f := Di Di f usw. ∂xj ∂xi ∂x2i Wenn f k-mal partiell differenzierbar ist und wenn alle partiellen Ableitungen der Ordnung ≤ k stetig sind (dazu gehört insbesondere, dass f selbst als partielle Ableitung der Ordnung 0 stetig ist), so sagt man, f sei von der Klasse C k . Wenn f stetige partielle Ableitungen von jeder Ordnung hat, so heißt f von der Klasse C ∞ oder glatt. Schließlich heißt f von der Klasse C 0 , wenn es stetig ist. Satz 1. Sei U offen in Rn und f : U → R von der Klasse C 2 . Sei a ∈ U und i, j ∈ {1, . . . , n}. Dann ist Dj Di f (a) = Di Dj f (a). 6 Bez. Ist U offen in Rn und f : U → R partiell differenzierbar, so erhält man eine Abbildung ∇f = gradf : U → Rn ∂f ∂f durch ∇f (x) := ( ∂x (x), . . . , ∂x (x)). 1 n ∇f heißt der Gradient von f . Def. Sei U offen in Rn und f = (f1 , . . . , fm ) : U → Rm . f heißt partiell differenzierbar (bzw. von der Klasse C k ), wenn alle fi partiell differenzierbar (bzw. von der Klasse C k ) sind. Man schreibt dann für x ∈ U : Df (x) := ∂f1 ∂x1 (x) ··· .. . ∂fm ∂x1 (x) ∂f1 ∂xn (x) .. . ··· ∂fm ∂xn (x) Df (x) heißt die Funktionalmatrix oder die Ableitung von f an der Stelle x. Df (x) ist eine m × n - Matrix; ihre i-te Zeile ist der Gradient von fi an der Stelle x. Wir schreiben die Elemente von Rn und Rm als Spaltenvektoren. Ist also ξ ∈ Rn , so ist Df (x) · ξ ∈ Rm . 7 5. Grundlegende Eigenschaften von C 1 - Abbildungen Satz 1. Sei U offen in Rn und f = (f1 , . . . , fm ) : U → Rm eine partiell differenzierbare Abbildung, so dass alle Funktionen Dj fi : U → R stetig sind. Sei x ∈ U fest. Ist ξ ∈ Rn mit x + ξ ∈ U , so definiere ϕ(ξ) ∈ Rm durch f (x + ξ) − f (x) = Df (x) · ξ + ϕ(ξ). Dann ist lim ξ→0 ϕ(ξ) = 0. kξk (Dies soll heißen: Für jedes ε > 0 gibt es ein δ > 0, so dass für jedes ξ ∈ Rn mit k ξ k< δ und ξ 6= 0 gilt: x + ξ ∈ U und k ϕ(ξ) k < ε.) kξk Def. Ist U offen in Rn , x ∈ U und f : U → Rm eine Abbildung, so heißt f differenzierbar in x, wenn f in x partiell differenzierbar ist und wenn Folgendes gilt: Definiert man ϕ(ξ) ∈ Rm für alle ξ ∈ Rn mit x + ξ ∈ U durch f (x + ξ) − f (x) = Df (x) · ξ + ϕ(ξ), so ist lim ξ→0 ϕ(ξ) = 0. kξk Satz 2. Sei U offen in Rn , f : U → Rm eine Abbildung und x ∈ U . Wenn f in x differenzierbar ist, so ist f in x stetig. Für den Beweis braucht man: Lemma 1. Eine lineare Abbildung A : Rn → Rm ist stetig. Es gibt ein α ≥ 0 mit k Aξ k≤ α k ξ k für alle ξ ∈ Rn . Folgerung aus Satz 1 und Satz 2: Ist f : U → Rm partiell differenzierbar und sind die partiellen Ableitungen Dj fi alle stetig, so ist f stetig, d.h. f ist von der Klasse C 1 . Allgemeiner: Ist f k-mal partiell differenzierbar und sind alle k-ten partiellen Ableitungen stetig, so ist f von der Klasse C k . Beispiel: Sei A eine reelle m × n-Matrix. Definiere f : Rn → Rm durch f (x) := A · x. Dann ist f von der Klasse C ∞ . Für alle x ∈ Rn ist Df (x) = A, denn ist f = (f1 , . . . , fm ), so fi (x) = n X aij xj für x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn , j=1 also ∂fi (x) = aij . Alle höheren partiellen Ableitungen von f sind 0. ∂xj Für den Beweis der Kettenregel brauchen wir: Lemma 2. Sei U offen in Rn , x ∈ U und f : U → Rm . Es gebe eine m × n-Matrix A mit 1 lim (f (x + ξ) − f (x) − A · ξ) = 0. ξ→0 k ξ k Dann ist f differenzierbar in x und Df (x) = A. 8 Satz 3. (Kettenregel) Sei U offen in Rn , V offen in Rm und seien g : U → Rm und f : V → Rp von der Klasse C k mit k ∈ N ∪ {∞} und g(U ) ⊆ V . Dann ist die Abbildung f ◦ g : U → Rp von der Klasse C k und D(f ◦ g)(x) = Df (g(x)) · Dg(x) ∀ x ∈ U. (Dabei steht auf der rechten Seite das Produkt der Matrizen Df (g(x)) und Dg(x).) Spezialfall: Ist p = 1, also f ◦ g : U → R, so ist m X ∂f ∂(f ◦ g) ∂gj (x) = (g(x)) · (x). ∂xi ∂yj ∂xi j=1 Dabei sind die Variablen in Rm mit y1 , . . . , ym bezeichnet. Def. Sei U offen in Rn , f : U → R eine Funktion, x ∈ U und v ∈ Rn . Dann ist Uv := {t ∈ R | x + tv ∈ U } eine offene Umgebung von 0 in R. Definiere Fv : Uv → R durch Fv (t) := f (x + tv). Wenn Fv in 0 differenzierbar ist, so heißt 1 Dv f (x) := Fv0 (0) = lim (f (x + tv) − f (x)) t→0 t die Richtungsableitung von f im Punkt x in Richtung v. Bem. Dei f = Di f . Bez. Für v = (v1 , . . . , vn ) , w = (w1 , . . . , wn ) ∈ Rn sei < v, w >:= n X vi wi , i=1 1 also k v k2 = < v, v > 2 . Satz 4. Sei U offen in Rn und f : U → R von der Klasse C 1 . Sei x ∈ U und v ∈ Rn . Dann existiert die Richtungsableitung von f im Punkt x in Richtung v und Dv f (x) = < v, ∇f (x) > . Anschauliche Interpretation des Gradienten: Sei ∇f (x) 6= 0 und sei v ∈ Rn mit k v k2 = 1. Dann ist Dv f (x) = < v, ∇f (x) > = k ∇f (x) k2 cos ϑ, wobei ϑ der Winkel zwischen v und ∇f (x) ist. Die Richtungsableitung in Richtung v ist also dann am größten, wenn ϑ = 0. Das heißt: Der Vektor gradf (x) gibt die Richtung des stärksten Anstiegs von f an. 9 6. Mittelwertsatz und Taylor-Formel Der Mittelwertsatz aus Analysis I lautet: Sei f : [a, b] → R stetig und differenzierbar auf ] a, b [. Dann gibt es ein ξ ∈ ] a, b [ mit f (b) − f (a) = f 0 (ξ) · (b − a). (? ) In dieser Form lässt sich der Mittelwertsatz nicht auf vektorwertige Funktionen verallgemeinern. Betrachte z.B. f : R → R2 mit f (x) = (cos x, sin x). Dann ist f (0) = f (2π), aber Df (x) 6= 00 für x ∈ R. Aus (?) folgt: Wenn es ein M ≥ 0 gibt mit |f 0 (ξ)| ≤ M für alle ξ ∈ ]a, b[, so ist |f (b) − f (a)| ≤ M · | b − a|. Dies lässt sich verallgemeinern. Def. Seien a, b ∈ R mit a < b und sei f = (f1 , . . . , fm ) : [a, b] → Rm . Dann heißt f (Riemann-) integrierbar, wenn alle fi integrierbar sind. Man setzt dann Zb Zb f (x) dx := a Zb f1 (x) dx, . . . , a fm (x) dx ∈ Rm . a Satz 1. Ist f : [a, b] → Rm Riemann-integrierbar, so ist k f k: [a, b] → R Riemannintergierbar und Zb Zb f (x) dx ≤ k f (x) k dx. a a (Dabei ist k . k eine der Normen k . k∞ , k . k1 , k . k2 .) Satz 2. (Mittelwertsatz) Sei U offen in Rn und f : U → Rm von der Klasse C 1 . Seien x, ξ ∈ Rn , so dass die Strecke {x + tξ | 0 ≤ t ≤ 1} zwischen x und x + ξ ganz in U liegt. Dann gibt es ein M ≥ 0, so dass kDf (x + tξ) · vk ≤ M kvk ∀ t ∈ [0, 1] , ∀ v ∈ Rn , und für jedes solches M ist kf (x + ξ) − f (x)k ≤ M · kξk. Satz 3. Sei U offen in Rn und habe die folgende Eigenschaft: Je zwei Punkte von U können durch einen Streckenzug verbunden werden, der ganz in U verläuft. Sei f : Rn → Rm partiell differenzierbar mit Df (x) = 0 für alle x ∈ U . Dann ist f konstant. Bez. Sei U offen in Rn und f : U → R eine Abbildung. a) Ist α = (α1 , . . . , αn ) ∈ (N ∪ {0})n , so sei |α| := α1 + . . . + an , α! := α1 ! · . . . · αn !. Ein solches α heißt n-Multiindex. 10 b) Ist α wie in a) und f von der KLasse C |α| , so sei Dα f := D1α1 . . . Dnαn f = ∂ |α| f . n . . . ∂xα n 1 ∂xα 1 Dabei ist Di0 f := f zu setzen. αn 1 c) Ist x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn , so sei xα := xα 1 . . . xn ∈ R. Satz 4. (Taylor -Formel) Sei U offen in Rn und f : U → R von der Klasse C k+1 . a) Seien x, ξ ∈ Rn , so dass die Strecke zwischen x und x + ξ in U liegt. Dann ist X Dα f (x) X f (x + ξ) = ξ α + (k + 1) α! |α|≤k Z1 |α|=k+1 0 (1 − t)k Dα f (x + tξ) α · ξ dt. α! b) Ist x ∈ U und definiert man R(ξ) := f (x + ξ) − X |α|≤k+1 für alle ξ ∈ Rn mit x + ξ ∈ U , so ist lim ξ→0 R(ξ) = 0. kξkk+1 11 Dα f (x) α ξ α! 7. Extremwerte und kritische Stellen Def. Sei X ein metrischer Raum, x0 ∈ X , f : X → R eine Abbildung. f besitzt in x0 ein lokales Maximum, wenn es eine Umgebung U von x0 gibt mit f (x0 ) ≥ f (x) ∀ x ∈ U. f besitzt in x0 ein striktes lokales Maximum, wenn es eine Umgebung U von x0 gibt mit f (x0 ) > f (x) ∀ x ∈ U r {x0 }. Entsprechend definiert man, wann f in x0 ein (striktes) lokales Minimum bzw. Extremum besitzt. Satz 1. Sei U offen in Rn und f : U → R partiell differenzierbar. Wenn f in x0 ∈ U ein lokales Extremum besitzt, so ist gradf (x0 ) = 0. Def. Sei U offen in Rn , f : U → R partiell differenzierbar. Ist x0 ∈ U mit gradf (x0 ) = 0, so heißt x0 eine kritische Stelle von f . Def. Sei U offen in Rn und f : U → R von der Klasse C 2 . Ist x ∈ U , so sei Hf (x) die reelle m × n-Matrix (aij ) mit aij := Di Dj (x). Hf (x) heißt die Hessesche Matrix von f an der Stelle x. Bem. Nach Paragraph 4 ist Hf (x) eine symmetrische Matrix. Daher ist Hf (x) diagonalisierbar, und alle Eigenwerte von Hf (x) sind reell. Erinnerungen an die lineare Algebra: Sei A eine reelle symmetrische m × nMatrix. a heißt positiv definit: ⇐⇒ x, A(x) > 0 ∀ x ∈ Rn r {0} ⇐⇒ alle Eigenwerte von A sind positiv. A heißt negativ definit: ⇐⇒ x, A(x) < 0 ∀ x ∈ Rn r {0} ⇐⇒ alle Eigenwerte von A sind negativ. A heißt indefinit: ⇐⇒ es existiert ein x ∈ R n mit x, A(x) > 0 und ein y ∈ Rn mit y, A(y) < 0 ⇐⇒ A besitzt positive und negative Eigenwerte. Kriterium von Hurwitz: Sei A = (aij ) symmetrisch, a11 · · · a1k .. , k = 1, . . . , n. ∆k := det ... . ak1 · · · akk A positiv definit ⇐⇒ ∆k > 0 für k = 1, . . . , n. A negativ definit ⇐⇒ (−1)k ∆k > 0 für k = 1, . . . , n. Satz 2. Sei U offen in Rn und f : U → R von der Klasse C 2 . Sei x0 eine kritische Stelle von f . a) Ist Hf (x0 ) positiv definit, so besitzt f in x0 ein striktes lokales Minimum. b) Ist Hf (x0 ) negativ definit, so besitzt f in x0 ein striktes lokales Maximum. c) Ist Hf (x0 ) indefinit, so besitzt f in x0 kein lokales Extremum. 12 Beispiel 1. f : R2 → R mit f (x, y) = x2 − y 2 (Sattelfläche) ∇f (x, y) = (2x, −2y). Einzige kritische Stelle: (0, 0). 0 Hf (x, y) = 20 −2 ist indefinit. Also besitzt f überhaupt keine lokalen Extrema. Beispiel 2. f : R2 → R mit f (x, y) = x3 − y 3 . gradf (x, y) = (3x2 , −3y 2 ). Einzige kritische Stelle: (0, 0). 00 0 Hf (x, y) = 6x 0 −6y , insbesondere Hf (0, 0) = 0 0 . Dies ist weder positiv definit noch negativ definit noch indefinit. In jeder Umgebung von (0, 0) nimmt f positive und negative Werte an, besitzt also auch in (0, 0) kein lokales Extremum. Beispiel 3. f (x, y) = x3 + y 3 − 3xy. Kritische Stellen: (0, 0) und (1, 1). Man kann Satz 2 anwenden: Kein lokales Extremum in (0, 0), striktes lokales Minimum in (1, 1). Beispiel 4. Es gibt eine C ∞ -Funktion f : R2 → R mit folgenden Eigenschaften: (0, 0) ist einzige kritische Stelle von f ; für jedes v 6= 0 besitzt die Funktion t 7→ f (tv) ein striktes lokales Maximum in 0; f besitzt kein lokales Maximum in (0, 0). Zum Beispiel kann man f (x, y) = −(y − x2 )(y − 2x2 ) nehmen. 13 8. Die Bogenlänge In §8 schreiben wir k x k:=k x k2 für x ∈ Rn . Definition. Ein stetiger Weg in Rn ist eine stetige Abbildung α : [ a, b ] → Rn , wobei a, b ∈ R mit a < b. Man nennt α(a) den Anfangspunkt und α(b) den Endpunkt von α. α heißt geschlossen, wenn α(a) = α(b). Das Bild {α(t)| a ≤ t ≤ b} der Abbildung α heißt die Spur des Weges α. Definition. α : [ a, b ] → Rn heißt stetig differenzierbar, wenn es ein offenes Intervall I ⊃ [ a, b ] gibt, so dass sich α zu einer Abbildung der Klasse C 1 von I nach Rn fortsetzen lässt. Definition. Eine Zerlegung des Intervalls [ a, b ] ist ein (m + 1)-Tupel (t0 , . . . , tm ) reeller Zahlen (m ∈ N) mit a = t0 < t1 < . . . < tm = b . Der stetige Weg α heißt stückweise stetig differenzierbar, wenn es eine Zerlegung (t0 , . . . , tm ) von [ a, b ] gibt, so dass α| [ ti−1 , ti ] für i = 1, . . . , m stetig differenzierbar ist. Definition. Sei α : [ a, b ] → Rn ein stetiger Weg. Mit Z bezeichnen wir die Menge aller Zerlegungen von [ a, b ]. Ist Z = (t0 , . . . , tm ) ∈ Z, so sei L(α, Z) := m X k α(ti ) − α(ti−1 ) k . i=1 Wir nennen den stetigen Weg α rektifizierbar, wenn die Menge { L(α, Z) | Z ∈ Z} beschränkt ist. Dann schreiben wir L(α) := sup{ L(α, Z) | Z ∈ Z} und nennen L(α) die Länge von α. Bemerkung 1. Ist Z = (t0 , . . . , tm ) ∈ Z, so gilt: α ist genau dann rektifizierbar, wenn α | [ ti−1 , ti ] rektifizierbar für i = 1, . . . , m ist, und dann gilt: m X L(α) = L(α | [ ti−1 , ti ]) . 1=1 Satz 1. Ist α stetig differenzierbar, so ist α rektifizierbar und Z L(α) = b k α0 (t) k dt . a Bemerkung 2. Aus Bemerkung 1 und Satz 1 folgt: Ein stückweise stetig differenzierbarer Weg ist rektifizierbar. Satz 2. Sei α : [ a, b ] → Rn ein stetig differenzierbarer Weg. Sei ϕ : [ c, d ] → R stetig differenzierbar, monoton und ϕ([ c, d ]) = [ a, b ]. Dann ist L(α ◦ ϕ) = L(α). (,,Die Bogenlänge ist unabhängig von der Parametrisierung und dem Durchlaufungssinn.”) Beispiel 1. Definiere ϕ : R → R2 durch ϕ(x) := (cos x, sin x). Für 0 < t ≤ 2π sei α := ϕ | [ 0, t ]. Dann ist L(α) = t . 14 Identifizieren wir R2 mit C, so ist die Spur von α das Stück des Einheitskreises zwischen 1 und eit . Es hat also die Länge t. Insbesondere hat der Einheitskreis die Länge 2π. Beispiel 2. Sei f : [ a, b ] → R stetig differenzierbar. Definiere α : [ a, b ] → R2 durch α(x) = (x, f (x)). Dann ist Spur(α) = Graph(f ) und Z L(α) = b p 1 + f 0 (x)2 dx . a 15 Teil II: Gewöhnliche Differentialgleichungen 9. Beispiele und Problemstellungen Sei U offen in R2 und f : U → R stetig. Sei I ein offenes Intervall in R und ϕ : I → R eine differenzierbare Funktion. Wenn für alle x ∈ I gilt: (a) (x, ϕ(x)) ∈ U, (b) ϕ0 (x) = f (x, ϕ(x)), so heißt ϕ eine Lösung der Differentialgleichung (c) y 0 = f (x, y); man nennt (c) eine explizite gewöhnliche Differentialgleichung 1.Ordnung. Ist (x0 , y0 ) ∈ U und ist ϕ : I → R eine Lösung von (c) mit x0 ∈ I und ϕ(x0 ) = y0 , so sagt man, dass ϕ die Anfangsbedingung (d) y(x0 ) = y0 erfüllt. Beispiel 1: Sei U = J × R, wobei J ein offenes Intervall ist, und sei g : J → R stetig. Definiere f : U → R durch f (x, y) := g(x), d.h. betrachte die DGl. y 0 = g(x). Ihre Lösungen sind die Stammfunktionen von g. Beispiel 2: Sei U = R × R, und f : U → R sei definiert durch f (x, y) := y, d.h. betrachte die DGl. y 0 = y. Für c ∈ R definiere ϕc : R → R durch ϕc (x) := c ex . Dann ist ϕc eine Lösung, und jede andere Lösung entsteht durch Einschränken eines ϕc auf ein Teilintervall. Für jedes (x0 , y0 ) ∈ R2 gibt es genau eine auf R definierte Lösung mit der Anfangsbedingung y(x0 ) = y0 . Beispiel 3: Sei U = R2 und f (x, y) = y 2 , d.h. betrachte die DGl. y0 = y2 . Sei ϕ0 die Nullfunktion. Für c ∈ R definieren wir ϕ+ c : ] c, +∞ [→ R und ϕ− c : ] − ∞, c [→ R durch 1 ϕ± . c (x) := c−x − 0 2 Dann sind die Funktionen ϕ0 , ϕ+ c und ϕc Lösungen von y = y , und jede Lösung dieser DGl. entsteht daraus durch Einschränkung auf ein Teilintervall. Für jedes (x0 , y0 ) ∈ R2 gibt es genau eine Lösung, die die Anfangsbedingung y(x0 ) = y0 erfüllt und die einen maximalen Definitionsbereich hat. Beispiel 4: Sei U = R2 und f (x, y) = 3 y 2/3 , d.h. betrachte die DGl. p y0 = 3 3 y2 . 16 Für c ∈ R sei ϕc : R → R definiert durch ϕc (x) := (x − c)3 . Dann ist ϕc eine Lösung mit ϕc (c) = 0 und ϕ0c (c) = 0. Für a, b ∈ R ∪ {−∞, +∞} mit a ≤ b definiere ϕa,b : R → R durch ϕa (x) für x ≤ a 0 für a < x < b ϕa,b (x) := ϕb (x) für b ≤ x. Dann ist ϕa,b differenzierbar und Lösung von y 0 = 3 y 2/3 . Für jede Anfangsbedingung gibt es also unendlich viele verschiedene Lösungen! Verallgemeinerung: Sei U offen in R × Rn und f1 , . . . , fn : U → R seien stetig. Sei I ein offenes Intervall und ϕ1 , . . . , ϕn : I → R seien differenzierbare Funktionen. Wenn für alle x ∈ I gilt: (a) (x, ϕ1 (x), . . . , ϕn (x)) ∈ U , (b) ϕ0i (x) = fi (x, ϕ1 (x), . . . , ϕn (x)) für i = 1, . . . , n, so heißen ϕ1 , . . . , ϕn Lösungen des Differentialgleichungssystems (c) y10 = f1 (x, y1 , . . . , yn ) .. . yn0 = fn (x, y1 , . . . , yn ). Schreibt man f := (f1 , . . . , fn ) und ϕ := (ϕ1 , . . . , ϕn ), so schreiben sich die Bedingungen (a) und (b) in der Form (a) (x, ϕ(x)) ∈ U, (b) ϕ0 (x) = f (x, ϕ(x)). Statt des Systems (c) schreibt man einfach wieder y 0 = f (x, y) und nennt weiterhin ϕ eine Lösung dieser expliziten gewöhnlichen DGl. erster Ordnung. Existenzsatz von Peano. Sei U offen in R × Rn , sei f : U → Rn stetig und (x0 , y0 ) ∈ U . Dann existiert eine Lösung ϕ : I → Rn der DGl. y 0 = f (x, y) mit x0 ∈ I und ϕ(x0 ) = y0 . Def. Seien X, Y metrische Räume, f : X → Y . a) f heißt Lipschitz-stetig, wenn es ein L ∈ R gibt mit d(f (x), f (y)) ≤ L · d(x, y) ∀ x, y ∈ X. b) f heißt lokal Lipschitz-stetig, wenn es zu jedem Punkt x ∈ X eine Umgebung U gibt, so dass f |U Lipschitz-stetig ist. Bem.1: Lipschitz-stetig =⇒ lokal Lipschitz-stetig =⇒ stetig. Bem.2: Sei X offen in Rn und f : X → Rm von der Klasse C 1 . Dann ist f lokal Lipschitz-stetig. Def. Seien X, Y, Z metrische Räume, U ⊆ X × Y und f : U → Z. a) f heißt Lipschitz-stetig im 2. Argument, wenn es ein L ∈ R gibt mit d(f (x, y), f (x, ỹ)) ≤ L · d(y, ỹ) ∀ (x, y), (x, ỹ) ∈ U. 17 b) f heißt lokal Lipschitz-stetig im 2. Argument, wenn es für jedes (x0 , y0 ) ∈ U eine Umgebung V von (x0 , y0 ) in U gibt, so dass f |V Lipschitz-stetig im 2. Argument ist. Bem. Sei U offen in Rm × Rn und f : U → Rk . Wir bezeichnen die partiellen Ableitungen von f mit ∂f ∂f ∂f ∂f ,..., , ,..., ∂x1 ∂xm ∂y1 ∂yn (wenn sie existieren). Wenn ∂f ∂f ∂y1 , . . . , ∂yn existieren und stetige Abbildungen U → Rk sind, so ist f lokal Lipschitz-stetig im 2. Argument. Lokaler Existenz- und Eindeutigkeitssatz. Sei U offen in R × Rn , sei f : U → Rn stetig und (x0 , y0 ) ∈ U . Ferner sei f lokal Lipschitz-stetig im 2. Argument. Dann existieren ein offenes Intervall I mit x0 ∈ I und eine Lösung ϕ : I → Rn der DGl. y 0 = f (x, y) mit folgenden Eigenschaften: a) ϕ(x0 ) = y0 . b) Ist ψ : J → Rn eine Lösung von y 0 = f (x, y) mit ψ(x0 ) = y0 , so ist J ⊆ I und ψ = ϕ| J. Globaler Existenz- und Eindeutigkeitssatz. Sei I ⊆ R ein offenes Intervall und f : I × Rn → Rn sei stetig. Für jedes kompakte Teilintervall K von I sei f |(K × Rn ) Lipschitz-stetig im 2. Argument. Sei (x0 , y0 ) ∈ I × Rn . Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Lösung ϕ : I → Rn der DGl. y 0 = f (x, y) mit ϕ(x0 ) = y0 . Beispiel 5: (Differentialgleichung mit getrennten Variablen) Seien I, J ⊆ R offene Intervalle, g : I → R, h : J → R seien stetig mit h(y) 6= 0 ∀ y ∈ J. Definiere f (x, y) : I × J → R durch f (x, y) := g(x)h(y), d.h. betrachte die DGl. y 0 = g(x)h(y). Heuristisches Lösungsverfahren: dy dy = g(x)h(y) ⇒ = g(x) dx ⇒ dx h(y) Z dy = h(y) Z g(x) dx + c Die linke Seite ist eine Funktion von y, die rechte eine Funktion von x. Löse diese Gleichung nach y auf. Exakt: Sei (x0 , y0 ) ∈ I × J. Definiere G : I → R und H : J → R durch Zy Zx G(x) := g(t) dt, H(y) := x0 dt . h(t) y0 Dann existiert ein offenes Intervall I 0 ⊆ I mit x0 ∈ I und eine eindeutig bestimmte Lösung ϕ : I 0 → R der DGl. y 0 = g(x)h(y) mit ϕ(x0 ) = y0 , und H(ϕ(x)) = G(x) für x ∈ I 0 . Beispiel 6: (Homogene lineare DGl.) Sei I offenes Intervall, a : I → R stetig. Definiere f : I × R → R durch f (x, y) := a(x)y. Die DGl. y 0 = f (x, y) lautet also y 0 = a(x)y. Sei (x0 , y0 ) ∈ I × R. Dann existiert genau eine Lösung ϕ : I → R von y 0 = a(x)y miz ϕ(x0 ) = y0 , und Zx ϕ(x) = y0 · exp a(t) dt . x0 18 Beispiel 7: (Lineare DGl.) Sei I offenes Intervall, a, b : I → R stetig. Definiere f : I × R → R durch f (x, y) := a(x)y + b(x). Betrachte also die DGl. y 0 = a(x)y + b(x). Sei (x0 , y0 ) ∈ I × R. Dann existiert genau eine Lösung ψ : I → R von y 0 = a(x)y + b(x) mit ψ(x0 ) = y0 : Rx a(t) dt . Dann ist ϕ Lösung der ,, zugehörigen homogenen lineaSei ϕ(x) := exp x0 ren DGl.” y 0 = a(x)y, also ϕ0 (x) = a(x)ϕ(x), und ϕ(x) 6= 0 ∀ x ∈ I. Ist ψ irgendeine Lösung von y 0 = a(x)y + b(x), so existiert eine C 1 -Funktion u mit ψ(x) = ϕ(x)u(x). ⇒ ψ 0 = ϕ0 u + ϕu0 = aϕu + ϕu0 = aψ + ϕu0 . Es ist also ψ 0 = aψ + b genau dann, wenn ϕu0 = b, also u0 = ϕb Rx b(t) dt+ const. ⇒ u(x) = ϕ(t) x0 Aus ψ(x0 ) = y0 folgt: y0 = ϕ(x0 )u(x0 ) = u(x0 ) ⇒ const = y0 Rx b(t) dt . ⇒ ψ(x) = ϕ(x) · y0 + ϕ(t) x0 (Methode der Variation der Konstanten.) Differentialgleichungen höherer Ordnung: Sei U offen in R × Rn , f : U → R stetig. Sei I ein offenes Intervall und ϕ : I → R n-mal differenzierbar. Wenn für alle x ∈ I gilt: (a) (x, ϕ(x), ϕ0 (x), . . . , ϕ(n−1) (x)) ∈ U , (b) ϕ(n) (x) = f (x, ϕ(x), ϕ0 (x), . . . , ϕ(n−1) (x)), so heißt ϕ eine Lösung der DGl. (c) y (n) = f (x, y, y 0 , . . . , y (n−1) ). Man nennt (c) eine explizite gewöhnliche DGl. n-ter Ordnung. Reduktion auf ein System von DGln. 1. Ordnung: Definiere F : U → Rn durch F (x, y0 , y1 , . . . , yn−1 ) := (y1 , . . . , yn−1 , f (x, y0 , . . . , yn−1 )). Mit Y := (y0 , . . . , yn−1 ) lautet das System Y 0 := F (x, Y ) ausgeschrieben: y00 = y1 y10 = y2 .. . 0 yn−2 = yn−1 0 yn−1 = f (x, y0 , . . . , yn−1 ) Daher gilt: 1) Ist ϕ eine Lösung von y (n) = f (x, y, y 0 , . . . , y (n−1) ), so ist (ϕ, ϕ0 , . . . , ϕ(n−1) ) eine Lösung von Y 0 = F (x, Y ). 2) Ist Φ = (ϕ, ϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕn−1 ) eine Lösung von Y 0 = F (x, Y ), so ist ϕ eine Lösung von y (n) = f (x, y, y 0 , . . . , y (n−1) ). Folgerung aus dem Lokalen Existenz- und Eindeutigkeitssatz: Sei U offen in R×Rn , f : U → R sei stetig und lokal Lipschitz-stetig im 2. Argument. Sei (x0 , y0 , . . . , yn−1 ) ∈ U. Dann existiert eine Lösung ϕ : I → R der DGl. y (n) = f (x, y, y 0 , . . . , y (n−1) ) 19 mit (a) ϕ(x0 ) = y0 , ϕ0 (x0 ) = y1 , .. . ϕ(n−1) (x0 ) = yn−1 . (b) Ist ψ : J 7→ R Lösung mit ψ (k) (x0 ) = yk für k = 0, . . . , n − 1, so ist J ⊆ I und ψ = ϕ|J. Beispiel 8: y 00 = −y. Für a, b ∈ R definiere ϕa,b (x) : R → R durch ϕa,b (x) := a cos x + b sin x. Dann ist ϕa,b eine Lösung und alle Lösungen sind von dieser Form. 20 10. Lineare Differentialgleichungen Vorbemerkung 1: Ein komplexer normierter Raum besteht aus einem C- Vektorraum V und einer Abbildung V → R, v 7→k v k mit (1) k v k≥ 0 ∀ v ∈ V (2) k v k= 0 ⇔ v = 0 (3) k αv k= |α|· k v k für v ∈ V und α ∈ C (4) k v + w k ≤ k v k + k w k ∀ v, w ∈ V . Auf Cn hat man die Normen k . k∞ , k . k1 , k . k2 , die für v = (z1 , . . . , zn ) ∈ Cn definiert sind durch k v k∞ := max{|z1 |, . . . , |zn |}, k v k1 := |z1 | + . . . + |zn |, k v k2 := (|z1 |2 + . . . + |zn |2 )1/2 . Ist V ein komplexer normierter Raum, so ist der V zugrundeliegende R-Vektorraum VR ein reeller normierter Raum. Insbesondere gilt: V wird durch d(x, y) :=k x − y k zu einem metrischen Raum; k . k: V → R ist stetig; zwei Normen k . k und k . k0 auf dem endlich-dimensionalen C-Vektorraum V sind äquvalent in dem Sinn, dass es positive Zahlen a, A gibt mit a k v k ≤ k v k0 ≤ A k v k ∀ v ∈ V. Vorbemerkung 2: Sei K = R oder K = C. Der K-Vektorraum M (m, n; K) der m × n-Matrizen mit Einträgen aus K wird betrachtet als die Menge der K-linearen Abbildungen Kn → Km . Wir wählen Normen auf Kn und Km , die beide mit k . k bezeichnet werden. Ist A ∈ M (m, n; K), so sei k A k := max{ k Ax k x ∈ Kn und k x k = 1}. (Beachte: S := {x ∈ Kn k x k = 1} ist beschränkt und abgeschlossen in Kn . Daher nimmt die stetige Funktion x 7→k Ax k auf S ihr Maximum an.) Es gilt: (1) Damit hat man eine Norm auf M (m, n; K). (2) Für alle x ∈ Kn und alle A ∈ M (m, n; K) ist k Ax k ≤ k A k · k x k. Ist m = n, so wählt man die beiden Ausgangsnormen gleich. Es ist dann: (3) k AB k ≤ k A k · k B k für alle A, B ∈ M (n, n; K). Def. Sei I ein offenes Intervall, A : I → M (n, n; R) und b : I → Rn stetig. Definiere f : I × Rn → Rn durch f (x, y) := A(x) · y + b(x). Dann heißt y 0 = f (x, y) ein System von n linearen DGln. 1. Ordnung oder kurz eine lineare DGl. 1. Ordnung. Ist dabei b(x) = 0 ∀ x ∈ I, so heißt das System homogen. Satz 1. Sei I ein offenes Intervall, A : I → M (n, n; R) und b : I → Rn seien stetig. Sei (x0 , y0 ) ∈ I × Rn . Dann besitzt das System y 0 = A(x)y + b(x) eine eindeutig bestimmte Lösung ϕ : I → Rn mit ϕ(x0 ) = y0 . (In Zukunft verstehen wir unter einer Lösung einer solchen linearen DGl. immer eine auf ganz I definierte Lösung.) 21 Bem. Wir identifizieren Cn mit R2n vermöge (z1 , . . . , zn ) ←→ (Re z1 , · · · , Re zn , Im z1 , . . . , Im zn ). Eine C-lineare Abbildung A : Cn → Cn , also ein A ∈ M (n, n; C), wird dann mit einer R-linearen Abbildung R2n → R2n , also einer Matrix aus M (2n, 2n; R), identifiziert: Ist A = C + iD mit C, D ∈ M (n, n; R), so wird A identifiziert mit C −D ∈ M (2n, 2n; R). D C Def. Sei I ein offenes Intervall (in R), A : I → M (n, n; C) und b : I → Cn seien stetig. Definiere f : I × Cn → Cn durch f (x, y) := A(x) · y + b(x). Dann ist y 0 = f (x, y) mit obigen Identifikationen ein System von 2n linearen DGln. 1. Ordnung. Wir nennen es ein System von n linearen komplexen DGln. 1. Ordnung oder kurz lineare DGl. 1. Ordnung. Satz 2. Sei I ein offenes Intervall, A : I → M (n, n; K) sei stetig, K = R oder C. a) Die Lösungen der DGl. (?) y 0 = A(x)y bilden einen K-Vektorraum L der Dimension n. b) Wählt man ein festes x0 ∈ I und bezeichnet für z ∈ Kn mit ϕz die Lösung von (?) mit ϕz (x0 ) = z, so erhält man einen Isomorphismus von Kn auf L durch z 7→ ϕz . Bem. Bei einem homogenen System von n linearen DGln. 1. Ordnung handelt es sich also darum, n linear unabhängige Lösungen zu finden. Alle anderen Lösungen ergeben sich dann als Linearkombinationen. Für n > 1 gibt es kein allgemeines Verfahren, um Lösungen zu finden! Satz 3. Seien ϕ1 , . . . , ϕn Lösungen von (?). Dann sind äquivalent: a) ϕ1 , . . . , ϕn bilden eine Basis des Lösungsraums L. b) Für jedes x ∈ I ist ϕ1 (x), . . . , ϕn (x) eine Basis von Kn . c) Es gibt ein x0 ∈ I, so dass ϕ1 (x0 ), . . . , ϕn (x0 ) eine Basis von Kn ist. Beispiel: y10 = y2 y20 = −y1 Zwei Lösungen ϕ1 , ϕ2 sind gegeben durch sin x cos x 1 2 ϕ (x) = , ϕ (x) = . cos x − sin x Dann bilden ϕ1 und ϕ2 eine Basis des Lösungsraums. Satz 4. Sei I ein offenes Intervall, A : I → M (n, n; K) und b : I → Kn seien stetig. Sei L der Lösungsraum der homogenen DGl. y 0 = A(x) · y und M die Menge aller Lösungen von y 0 = A(x) · y + b(x). Ist ψ0 ∈ M , so ist M = ψ0 + L = {ψ0 + ϕϕ ∈ L}. Bem. Hat man also eine Basis ϕ1 , . . . , ϕn des Lösungsraums der homogenen DGl. y 0 = A(x) y, so muss man nur noch eine Lösung ψ der inhomogenen DGl. y 0 = 22 A(x) y + b(x) finden. Dies geschieht mit der Methode der Variation der Konstanten: Man definiert Φ : I → M (n, n; K) durch Φ := (ϕ1 , . . . , ϕn ) und sucht ψ in der Form ψ(x) = Φ(x) u(x) mit u : I → Kn . Man erhält Zx u(x) = Φ(t)−1 b(t) dt + const. x0 Beispiel y10 y20 = y2 = −y1 + x sin x cos x = Φ(x)−1 cos x − sin x cos x + x sin x − 1 u(x) = − sin x + x cos x x − sin x ψ(x) = Φ(x) u(x) = 1 − cos x Φ(x) = Def. Sei I ein offenes Intervall und seien a0 , a1 , . . . , an−1 , b : I → K stetige Funktionen. Dann heißt y (n) = a0 (x) y + a1 (x )y 0 + . . . + an−1 (x) y (n−1) + b(x) eine lineare DGl. n-ter Ordnung. Ist b = 0, so heißt sie homogen. Satz 5. a) Sei L die Menge aller Lösungen der homogenen DGl. y (n) = a0 (x) y + . . . + an−1 (x) y (n−1) . Dann ist L ein n-dimensionaler K-Vektorraum. b) Sind ϕ1 , . . . , ϕn ∈ L, so bilden ϕ1 , . . . , ϕn genau dann eine Basis von L, wenn für ein und damit für alle x ∈ I gilt: ϕ1 (x) ... ϕn (x) 0 0 ϕ1 (x) ... ϕn (x) det .. .. 6= 0. . . (n−1) ϕ1 (x) . . . (n−1) ϕn (x) c) Ist M die Menge aller Lösungen der inhomogenen DGl. y (n) = a0 (x) y + . . . + an−1 (x) y (n−1) + b(x) und ist ψ0 ∈ M , so ist M = ψ0 + L. Bem. Auch für die lineare DGl. 2. Ordnung gibt es kein allgemeines Lösungsverfahren. Wenn man aber eine Lösung ϕ 6= 0 der homogenen DGl. y 00 + a(x) y 0 + b(x) y = 0 kennt, so kann man mit dem Ansatz ψ = ϕu eine zweite, von ϕ unabhängige Lösung ψ finden, also die Gleichung vollständig lösen. Man erhält 1 exp − u (x) = ϕ(x)2 0 Zx a(t) dt x0 23 auf Intervallen, auf denen ϕ positiv ist. Durch nochmalige Integration erhält man u. Beispiel: Die Legendresche Differentialgleichung y 00 − 2 2x y0 + y = 0 auf − 1 < x < 1. 1 − x2 1 − x2 Man rät, dass ϕ(x) = x eine Lösung ist und wendet obiges Verfahren auf dem Intervall ] 0, 1 [ an. Man erhält als weitere Lösung ψ(x) = x 1+x log − 1. 2 1−x Dieses ψ lässt sich als Funktion auf dem Intervall ] − 1, 1 [ auffassen; man rechnet nach, dass es auf diesem ganzen Intervall eine Lösung ist. Damit ist die Legendresche DGl. vollständig gelöst. 24 11. Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten Sei K = R oder K = C. Def. Ist A ∈ M (n; K) := M (n, n; K) und b ∈ Kn , so heißt y 0 = Ay eine homogene lineare DGl. mit konstanten Koeffizienten. Ihre Lösungen sind auf ganz R definiert. Def. Sei X ein metrischer Raum. a) Eine Folge (xn ) in X heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jedem ε > 0 ein N ∈ N gibt mit d(xn , xm ) < ε für alle m, n ≥ N . b) X heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge in X konvergiert. c) Ein normierter Raum heißt Banach-Raum, wenn er vollständig ist. Bem. Jeder endlich-dimensionale normierte Raum ist ein Banach-Raum. Def. Sei V ein normierter Raum und (an ) eine Folge in V . ∞ P a) Die Reihe an heißt konvergent, wenn die Folge (a1 +. . .+ak )k in V konvergiert. n=1 ∞ P b) Die Reihe an heißt absolut konvergent, wenn die Reihe n=1 ∞ P k an k reeller n=1 Zahlen konvergiert. Bem. In einem Banach-Raum ist jede absolut konvergente Reihe konvergent, und man kann mit absolut konvergenten Reihen wie in R umgehen. ∞ P 1 k Def. Sei A ∈ M (n; K). Im Banach-Raum M (n; K) konvergiert die Reihe k! A k=0 absolut. Dabei setzt man A0 = En für alle A ∈ M (n; K). Sei eA := exp(A) := ∞ X 1 k A ∈ M (n; K). k! k=0 Satz 1. Ist A ∈ M (n; K) und y0 ∈ Kn , so ist die einzige Lösung ϕ von y 0 = A y mit ϕ(0) = y0 gegeben durch ϕ(x) = exA y0 . Bem. Ist y0 ∈ Kn ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ, so ist x 7→ eλx y0 eine Lösung von y 0 = A y. Wenn A diagonalisierbar ist, so gibt es eine Basis y1 , . . . , yn von Kn und λ1 , . . . , λn ∈ K mit A yj = λj yj . Dann bilden die n Funktionen x 7−→ eλj x yj eine Basis des Lösungsraums der DGl. y 0 = A y. Satz 2. Sei A ∈ M (n; C) und ϕ = (ϕ1 , . . . , ϕn ) : R → Cn eine Lösung der DGl. y 0 = A y. Dann ist jedes ϕj eine komplexe Linearkombination der Funktionen x 7−→ xk eλx , 25 wobei λ ein Eigenwert von A und k kleiner als die algebraische Vielfachheit des Eigenwerts λ (sogar kleiner als die Größe des größten Jordan-Kästchens zum Eigenwert λ) ist. Satz 3. Sei A ∈ M (n; R) und ϕ = (ϕ1 , . . . , ϕn ) : R → Rn eine Lösung von y 0 = A y. Dann ist jedes ϕj reelle Linearkombination der Funktionen x 7−→ xk eax cos bx und x 7−→ xk eax sin bx, wobei a + bi die komplexen Eigenwerte von A mit b ≥ 0 durchläuft und k eine nichtnegative ganze Zahl ist, die kleiner als die algebraische Vielfachheit des Eigenwerts a + bi von A ist. Beispiel 1: y10 = 5y1 + 3y2 y20 = −6y1 − 4y2 Die Lösungen sind von der Form y1 (x) = αe2x + βe−x y2 (x) = −αe2x − 2βe−x mit Konstanten α, β ∈ R. Beispiel 2: y10 = y1 + y2 y20 = y2 Die Lösungen sind von der Form y1 (x) = αex + βxex y2 (x) = βex . Satz 4. Seien a0 , a1 , . . . , an−1 ∈ C. Wir betrachten die DGl. y (n) + an−1 y (n−1) + . . . + a1 y 0 + a0 y = 0. Es sei xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 = m Y (x − λj )kj j=1 mit paarweise verschiedenen λj ∈ C. Dann bilden die Funktionen xk eλj x mit 1 ≤ j ≤ m, 0 ≤ k < kj eine Basis des Lösungsraums. Satz 5. Seien a0 , a1 , . . . , an−1 ∈ R. Wir betrachten die DGl. y (n) + an−1 y (n−1) + . . . + a1 y 0 + a0 y = 0. Seien λ1 , . . . , λr die paarweise verschiedenen rellen Nullstellen des Polynoms g(x) := xn + an−1 xn−1 + . . . + a0 . Seien λr+1 , . . . , λs die paarweise verschiedenen nicht-reellen Nullstellen von g mit Im λj > 0. Für j = 1, . . . , s sei kj die Vielfachheit der Nullstelle λj . Für j = r + 1, . . . , s sei λj = µj + i νj mit µj , νj ∈ R. Dann bilden die Funktionen xp eλj x (1 ≤ j ≤ r , 0 ≤ p < kj ) xp eµj x cos νj x (r < j ≤ s , 0 ≤ p < kj ) xp eµj x sin νj x 26 eine Basis des Lösungsraums. Beispiel: Die DGl. der gedämpften Schwingung: y 00 + 2µ y 0 + ω02 y = 0 mit µ ≥ 0 , ω0 > 0. Man nennt 2µ den Dämpfungsfaktor und ω0 die Frequenz der ungedämpften Schwingung. 27 12. Der Fixpunktsatz von Banach Def. Sei X eine Menge und f : X → X eine Abbildung. Dann heißt ein Element x ∈ X ein Fixpunkt von f , wenn f (x) = x. Def. Sei X ein metrischer Raum. Eine Abbildung f : X → X heißt kontrahierend, wenn es ein C ∈ R mit C < 1 gibt, so dass gilt: d(f (x), f (y)) ≤ C d(x, y) ∀ x, y ∈ X. Bem. Eine kontrahierende Abbildung ist (Lipschitz-) stetig. Satz 1. Sei X ein vollständiger metrischer Raum und f : X → X eine kontrahierende Abbildung. Dann besitzt f genau einen Fixpunkt. Beweisidee: Man wählt einen beliebigen Startpunkt x0 ∈ X. Dann ist limn f n (x0 ) der Fixpunkt. Satz 2. Sei X ein vollständiger metrischer Raum, x0 ∈ X , R > 0 und B := {x ∈ X| d(x0 , x) < R}. Sei G : B → X eine Abbildung und es gebe ein C < 1, so dass (1) d(G(x), G(y)) ≤ C d(x, y) ∀ x, y ∈ B, (2) d(G(x0 ), x0 ) < R (1 − C) . Dann gibt es genau ein x ∈ B mit G(x) = x. 28 13. Der lokale Existenz- und Eindeutigkeitssatz Wir formulieren die DGl. y 0 = f (x, y) mit der Anfangsbedingung y(x0 ) = x0 um in ein Fixpunktproblem: Lemma 1. Sei I ein offenes Intervall, H offen in Rn , f : I × H → Rn sei stetig, (x0 , y0 ) ∈ I × H. Sei J ein offenes Teilintervall von I mit x0 ∈ J. Für eine stetige Abbildung ϕ : J → Rn mit ϕ(J) ⊆ H definieren wir eine stetige Abbildung G(ϕ) : J → Rn durch Zx (G(ϕ))(x) := y0 + f (t, ϕ(t)) dt. x0 Für ein solches ϕ sind äquivalent: 1) ϕ ist Lösung von y 0 = f (x, y) mit ϕ(x0 ) = y0 . 2) G(ϕ) = ϕ. Um den Fixpunktsatz von Banach anwenden zu können, brauchen wir einen vollständigen metrischen Raum: Satz 1. Sei I ein kompaktes Intervall und C(I) der R-Vektorraum aller stetigen Funktionen f : I → R. Für f ∈ C(I) sei k f k:= max{|f (x)| x ∈ I}. Damit wird C(I) zu einem Banach-Raum. Bem. a) Eine Folge (fn ) in C(I) konvergiert genau dann, wenn die Funktionenfolge (fn ) gleichmäßig konvergiert. b) Allgemeiner sei C(I; Rn ) der R-Vektorraum der stetigen Abbildungen f : I → Rn mit der Norm k f k:= max{k f (x) k∞ x ∈ I}. Dann ist auch C(I; Rn ) ein Banach-Raum. Man wendet nun den Banachschen Fixpunktsatz in der Fassung von Par.12, Satz 2 an mit X = C(I; Rn ), wobei man für x0 die konstante Funktion mit Wert y0 wählt; der Radius R muß geeignet gewählt werden. Man erhält den Lokalen Existenz- und Eindeutigkeitssatz (vgl. Par.9). Dieser Beweis liefert ein praktisch anwendbares Verfahren, um approximativ eine Lösung der DGl. y 0 = f (x, y) mit Anfangsbedingung y(x0 ) = x0 zu finden: Man setzt ϕ0 (x) := y0 für alle x und definiert dann induktiv Zx ϕm (x) := y0 + f (t, ϕm−1 (t)) dt. x0 Auf einem kleinen Intervall, das x0 enthält, konvergiert die Funktionenfolge (ϕm ) gleichmäßig gegen eine Lösung der DGl.. 29 14. Globale Resultate Sei V offen in Rn und F : V → Rn stetig. (Man sagt: F ist ein stetiges Vektorfeld auf V .) Dann heißt y 0 = F (y) eine autonome DGl.. Man nennt die Lösungen von y 0 = F (y) die Integralkurven von F. Satz 1. Wenn eine Integralkurve nach endlicher Zeit endet, so läuft sie aus jeder kompakten Menge heraus. Das heißt präzise: Sei V offen in Rn und sei F : V → Rn ein lokal Lipschitz-stetiges Vektorfeld. Sei x0 ∈ R, y0 ∈ V , und ϕ : I → V sei die Lösung der DGl. y 0 = F (y) mit ϕ(x0 ) = y0 und maximalem Definitionsbereich I =] a, b [. Es sei b < ∞ und M eine beschränkte und in Rn abgeschlossene Teilmenge von V . Dann gibt es eine Folge (xm ) in I mit xm → b und ϕ(xm ) ∈ / M . (Entsprechend, falls a > −∞.) Der Globale Existenz- und Eindeutigkeitssatz (siehe §9) wird mit dem Banachschen Fixpunktsatz bewiesen, wobei man auf dem Vektorraum C(K; Rn ) eine Norm geschickt wählen muss. Der Beweis zeigt, dass unter den Voraussetzungen des Globalen Existenz- und Eindeutigkeitssatzes Folgendes gilt: Sei ϕ0 : I → Rn eine beliebige stetige Funktion. Definiere ϕm : I → Rn induktiv für m ≥ 1 durch Zx ϕm (x) := y0 + f (t, ϕm−1 (t)) dt. x0 Dann konvergiert die Folge (ϕm ) gegen eine Lösung der DGl. y 0 = f (x, y) mit der Anfangsbedingung y(x0 ) = y0 , und zwar gleichmäßig auf jedem kompakten Teilintervall. 30 15. Die Räuber-Beute-Gleichung In einem gemeinsamen Lebensraum mögen eine Räuberpopulation und eine Beutepopulation leben. Die Größe der Beutepopulation zur Zeit t sei x(t), die der Räuberpopulation y(t). Unter plausiblen Annahmen genügen die Funktionen x und y dem folgenden System von Differentialgleichungen: ẋ = ax − bxy ẏ = −cy + dxy mit positiven Konstanten a, b, c, d > 0. Für K > 0 definiert man eine Teilmenge MK von R2 durch MK := {(ξ, η) | ξ > 0, η > 0 und ξ c ηa · = K} . edξ ebη Sei (x, y) : I → R2 eine Lösung des Differentialgleichungssystems mit maximalem Definitionsintervall I; sie verlaufe im 1. Quadranten. Dann gilt: a) Es gibt ein K mit (x(t), y(t)) ∈ MK für alle t ∈ I. b) I = R. c) Es gibt ein T > 0 mit x(t + T ) = x(t) und y(t + T ) = y(t) für alle t ∈ R, d.h. die Lösung ist periodisch. d) Definiert man die Mittelwerte der Populationen durch x̄ := so ist x̄ = 1 T Z T x(t) dt und ȳ := 0 c a und ȳ = . d b 31 1 T Z T y(t) dt , 0 16. Näherungslösungen und Abhängigkeit der Lösungen von Parametern Def. Sei U offen in R × Rn und f : U → Rn sei stetig. Sei ε ≥ 0. Ist I ein offenes Intervall und ϕ : I → Rn differenzierbar, so heißt ϕ eine Näherungslösung der DGl. y 0 = f (x, y) zur Näherung ε, falls für alle x ∈ I gilt: a) (x, ϕ(x)) ∈ U , b) k ϕ0 (x) − f (x, ϕ(x)) k ≤ ε . Satz 1. Sei J ein offenes Intervall, V sei offen in Rn und f : J × V → Rn sei stetig und Lipschitz-stetig im zweiten Argument. Es gibt also ein L > 0 mit k f (x, y1 ) − f (x, y2 ) k ≤ L· k y1 − y2 k ∀ x ∈ J, y1 , y2 ∈ V . Sei I ein offenes Teilintervall von J, sei x0 ∈ I und seien ϕ1 , ϕ2 : I → Rn Näherungslösungen von y 0 = f (x, y) zur Näherung ε1 bzw. ε2 . Dann gilt für jedes x ∈ I: k ϕ1 (x) − ϕ2 (x) k ≤ k ϕ1 (x0 ) − ϕ2 (x0 ) k ·eL |x−x0 | + (ε1 + ε2 ) · 1 L |x−x0 | (e − 1) . L Beim Beweis benutzt man: Satz 2. (Lemma von Gronwall) Seien w, ϕ, ψ : I := [0, c] → R stetige nichtnegative Funktionen mit Zx w(x) ≤ ϕ(x) + ψ(t)w(t) dt ∀ x ∈ I . 0 Dann gilt für alle x ∈ I: Zx w(x) ≤ ϕ(x) + Zx ψ(t)ϕ(t) exp ψ(ξ) dξ dt . t 0 Im Folgenden betrachten wir ein offenes Intervall J, eine offene Teilmenge V von Rn , einen metrischen Raum P und eine stetige Abbildung f : J × V × P → Rn . Für jedes z ∈ P ist dann y 0 = f (x, y, z) eine Differentialgleichung; wir sagen, dass sie vom Parameter z ∈ P abhängt. Wenn für x ∈ J und z ∈ P die Abbildung V y −→ Rn 7−→ f (x, y, z) an der Stelle y differenzierbar ist, so bezeichnen wir ihre Ableitung mit D2 f (x, y, z) ∈ Mn (R). Satz 3. (Stetige Abhängigkeit der Lösung vom Parameter) Sei J ein offenes Intervall, V offen in Rn , P ein metrischer Raum und f : J × V × P → Rn stetig. Sei (x0 , y0 , z0 ) ∈ J × V × P . Es gelte: 32 a) Für jedes z ∈ P ist die Abbildung J ×V (x, y) −→ Rn 7−→ f (x, y, z) von der Klasse C 1 . b) Die Abbildung D2 f : I × V × P → Mn (R) ist stetig. Dann gibt es ein offenes Intervall I mit x0 ∈ I ⊆ J, eine Umgebung Q von z0 in P und eine stetige Abbildung ϕ : I × Q −→ Rn mit folgender Eigenschaft: Für jedes z ∈ Q ist die Abbildung ϕ( . , z) : I −→ V die einzige Lösung der DGl. y 0 = f (x, y, z) mit ϕ(x0 , z) = y0 . Satz 4. (Glatte Abhängigkeit der Lösung vom Parameter) Sei J ein offenes Intervall, sei V offen in Rn uns sei P offen in Rm . Die Abbildung f : J × V × P −→ Rn sei von der Klasse C p , p ∈ N ∪ {∞}. Ist (x0 , y0 , z0 ) ∈ J × V × P , so gibt es ein offenes Intervall I mit x0 ∈ I ⊆ J, eine offene Umgebung Q von z0 in P und eine Abbildung ϕ : I × Q −→ Rn von der Klasse C p mit folgender Eigenschaft: Für jedes z ∈ Q ist die Abbildung ϕ( . , z) : I −→ V die einzige Lösung der DGl. y 0 = f (x, y, z) mit ϕ(x0 , z) = y0 . Satz 5. (Glatte Abhängigkeit der Lösung von der Anfangsbedingung) Sei J ein offenes Intervall, sei V offen in Rn und (a, b) ∈ J × V . Ist f : J × V → Rn von der Klasse C p , p = 1, 2, . . . , ∞, so gibt es ein Intervall I mit a ∈ I ⊆ J, eine offene Umgebung W von b in V und eine Abbildung ϕ : I × I × W → Rn von der Klasse C p , so dass für jedes (x0 , y0 ) ∈ I × W die Funktion x 7→ ϕ(x, x0 , y0 ) die eindeutig bestimmte Lösung von y 0 = f (x, y) mit ϕ(x0 , x0 , y0 ) = y0 ist. 33 Teil III: Der Satz über implizite Funktionen und seine Anwendungen 17. Der Umkehrsatz und der Satz über implizite Funktionen Satz 1. (Umkehrsatz) Sei U offen in Rn und f : U → Rn von der Klasse C 1 . Sei a ∈ U und die Matrix Df (a) sei invertierbar. Dann gibt es eine offene Umgebung V von a in U und eine offene Umgebung V 0 von f (a) in Rn , so dass f die Menge V bijektiv auf die Menge V 0 abbildet und die Umkehrabbildung h : V 0 → V von der Klasse C 1 ist mit Dh(f (a)) = Df (a)−1 . Ist außerdem f von der Klasse C k , so auch h. Bemerkung. Sei U offen in R2 und F : U → R stetig differenzierbar. Sei M := {(x, y) ∈ U |F (x, y) = 0} . In der Regel ist es nicht explizit möglich, die Gleichung F (x, y) = 0 nach y auf∂F (x0 , y0 ) 6= 0. Wenn wir eine Umgebung V von zulösen. Sei (x0 , y0 ) ∈ M mit ∂y x0 in R und eine stetig differenzierbare Funktion f : V → R mit f (x0 ) = y0 und (x, f (x)) ∈ M für alle x ∈ V haben, so leiten wir die Gleichung F (x, f (x)) = 0 nach der Kettenregel ab: ∂F ∂F (x, f (x)) + (x, f (x)) · f 0 (x) = 0 . ∂x ∂y Insbesondere: ∂F (x0 , y0 ) f (x0 ) = − ∂x ∂F (x0 , y0 ) ∂y 0 Der Satz über implizite Funktionen sagt, dass es immer ein solches f gibt. Bezeichnung. Sei U offen in Rk × Rm und F = (F1 , . . . , Fm ) : U → Rm partiell differenzierbar. Wir bezeichnen die partiellen Ableitungen von Fi mit ∂Fi ∂Fi ∂Fi ∂Fi ,..., , ,..., ∂x1 ∂xk ∂y1 ∂ym und schreiben ∂F := ∂x ∂F1 ∂x1 .. . ∂Fm ∂x1 ··· ··· ∂F1 ∂xk .. . ∂Fm ∂xk und 34 ∂F 1 ∂y1 . ∂F := .. ∂y ∂F m ∂y1 ··· ··· ∂F1 ∂ym .. . ∂Fm ∂ym Satz 2. (Satz über implizite Funktionen) Sei U1 offen in Rk , U2 offen in Rm , x0 ∈ U1 , y0 ∈ U2 . Sei F : U1 × U2 → Rm von der Klasse C 1 und F (x0 , y0 ) = 0, und ∂F sei die Matrix (x0 , y0 ) invertierbar. ∂y Dann gibt es eine Kugel Br (x0 ) =: U in Rk mit U ⊆ U1 und eine eindeutig bestimmte stetige Abbildung f : U → Rm mit f (x0 ) = y0 , f (x) ∈ U2 und F (x, f (x)) = 0 für alle x ∈ U . Ferner ist f von der Klasse C 1 , falls r klein genug ist, und hat in x0 die Ableitung Df (x0 ) = − −1 ∂F (x0 , y0 ) (x0 , y0 ) . · ∂y ∂x ∂F Ist F von der Klasse C k , so auch f . 35 18. Untermannigfaltigkeiten des RN Definition. Sei p = 1, 2, . . . , ∞. Eine Teilmenge M von RN heißt n-dimensionale Untermannigfaltigkeit des RN der Klasse C p , wenn es für jedes a ∈ M eine offene Umgebung U von a in RN und eine Abbildung f : U → RN −n der Klasse C p gibt, so dass gilt: (1) M ∩ U = {x ∈ U | f (x) = 0} (2) Rang (Df (a)) = N − n Beispiel S n−1 := {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn | x21 + . . . + x2n − 1 = 0} ist eine (n − 1)dimensionale Untermannigfaltigkeit der Klasse C ∞ von Rn . Satz 1. Sei M ⊆ RN . Dann sind äquivalent: a) M ist eine n-dimensionale C p -Untermannigfaltigkeit von RN . b) Für jedes a ∈ M existiert eine offene Umgebung U in RN und ein C p -Diffeomorphismus h von U auf eine offene Teilmenge U 0 von RN mit h(M ∩ U ) = U 0 ∩ ({0} × Rn ) . Definition. Sei W offen in Rn und ϕ : W → RN von der Klasse C 1 . Dann heißt ϕ Immersion, falls Rang Dϕ(x) = n für alle x ∈ W . Satz 2. Sei M ⊆ RN . Dann sind äquivalent: a) M ist eine n-dimensionale C p -Untermannigfaltigkeit von RN . b) Für jedes a ∈ M existiert eine offene Umgebung V von a in M , eine offene Teilmenge W in Rn und eine Immersion ϕ : W → RN der Klasse C p , die W homöomorph auf V abbildet. Ein solches ϕ (manchmal auch ϕ−1 ) heißt eine Karte oder ein Koordinatensystem von M . Satz 3. Sei M eine n-dimensionale C p -Untermannigfaltigkeit von RN und seien ϕj : Wj → Vj (j = 1, 2) zwei Karten von M der Klasse C p . Sei V := V1 ∩ V2 n und Uj := ϕ−1 j (V ), j = 1, 2. Dann sind die Uj offene Teilmengen von R und die Abbildung τ (ϕ2 , ϕ1 ) := (ϕ2 |U2 )−1 ◦ (ϕ1 |U1 ) : U1 −→ U2 ist ein C p -Diffeomorphismus. 36 19. Tangentialräume; Extrema unter Nebenbedingungen Definition. Sei M eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit von RN und a ∈ M . Ein Punkt v ∈ RN heißt Tangentialvektor an M in a, falls es ein offenes Intervall I ⊆ R mit 0 ∈ I und eine C 1 -Abbildung ψ : I → RN gibt mit (1) ψ(I) ⊆ M , (2) ψ(0) = a (3) ψ 0 (0) = v . Die Menge Ta (M ) aller Tangentialvektoren an M in a heißt der Tangentialraum an M in a. Satz 1. a) Ta (M ) ist ein n-dimensionaler Untervektorraum von RN . b) Sei ϕ : W → V eine Karte von M und b ∈ W mit ϕ(b) = a. Dann ist Ta (M ) = {Dϕ(b) · w | w ∈ Rn } . c) Sei U eine offene Umgebung von a in RN und g : U → RN −n von der Klasse C 1 mit (1) M ∩ U = {x ∈ U | g(x) = 0} (2) Rang (Dg(a)) = N − n Dann ist Ta (M ) = {v ∈ RN | Dg(a) · v = 0} . Definition. Sei U offen in RN und g := (g1 , . . . , gN −n ) : U → RN −n von der Klasse C 1 mit Rang (Dg(x)) = N − n für alle x ∈ U . Sei f : U → R von der Klasse C 1 . Ein Punkt a ∈ RN mit g(a) = 0 heißt lokales Maximum von f unter der Nebenbedingung g(x) = 0, wenn es eine Umgebung V von a in U gibt, so dass f (a) ≥ f (x) für alle x ∈ V mit g(x) = 0. Satz 2. (Methode der Lagrange-Multiplikatoren Die Bezeichnungen seien wie in der vorangegangenen Definition. Ist a ein lokales Maximum oder Minimum von f unter der Nebenbedingung g(x) = 0, so gibt es λ1 , . . . , λN −n ∈ R mit Df (a) + λ1 Dg1 (a) + . . . + λN −n DgN −n (a) = 0 . 37