Vorgestellt Publikationen aus dem WZB Souveränität: Wie ein Grundsatz neu ausgelegt wird Theresa Reinold Wann dürfen Staaten in die Souveränität anderer Staaten eingreifen? Was bedeuten solche Interventionen für die Institution Souveränität? Theresa Reinold zeigt angesichts der militärischen Interventionen unter anderem im Kosovo, in Darfur, in Afghanistan und im Irak, wie sich die Normen der Nichtintervention und des Gewaltverbots gewandelt haben. Hierbei befasst sie sich vor allem mit dem Beitrag der USA zur Fortentwicklung des Völkerrechts, den sie in einer Reihe von Interviews mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft erforscht hat. Der Souveränität des einzelnen Staates stellt sie die zunehmend wichtiger werdende Verpflichtung der Staaten zum Schutz fundamentaler Menschenrechte (responsibility to protect), für effektive territoriale Kontrolle (obligation to control) sowie für die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen (duty to prevent) gegenüber. Zwar hat der Schutz dieser Werte seit dem Ende des Ost-West-Konflikts an Bedeutung gewonnen, aber zentrale Elemente des Souveränitätsbegriffs haben sich als bemerkenswert resistent gegenüber der Good-governance-Rhetorik vieler Staatenvertreter (und Wissenschaftler) erwiesen. Theresa Reinold: Sovereignty and the Responsibility to Protect: The Power of Norms and the Norms of the Powerful. London/ New York: Routledge 2012. Militärische Interventionen wie etwa in Afghanistan haben die Institution Souveränität verändert. Mehr und mehr sehen sich die Staaten verpflichtet, fundamentale Menschenrechte zu schützen. [Foto: picture-alliance] Sprachen im World Wide Web Thomas Petzold Ein Gedankenspiel: Könnte jede Sprache der Welt im Internet mit jeder übersetzt werden, kämen 32 Millionen Sprachpaare zusammen. Eine schier unfassbare Zahl. Doch wie haben nichtlateinische Sprachen überhaupt ins englisch und westlich geprägte World Wide Web Einzug gehalten? Erst seit ein paar Jahren gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, in Webadressen kyrillische und chinesische Buchstaben zu nutzen. Thomas Petzold hat untersucht, welchen Einfluss internationale Organisationen auf den Zugang der verschiedenen Sprachen ins Internet haben – und zwar anhand von Wikipedia, der Übersetzungsmaschine Google Translate und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), einem weltweiten Verwalter von Webdomains. Er zeigt: Es gibt Nachteile für kleinere Sprachen, die weniger Inhalte im Netz bereitstellen können. Sprachpaare jedoch bieten die Möglichkeit, das zu verändern und sollten deshalb von politischen Entscheidungsträgern stärker berücksichtigt werden. Thomas Petzold: „36 Million Language Pairs“. In: Cultural Science, 2012, Vol. 5, No. 2, pp. 106-119. 56 WZB Mitteilungen Heft 138 Dezember 2012 Schulaufgaben für ein gerechtes Schulsystem Jutta Allmendinger Schulen in Deutschland gelingt es trotz zahlreicher Reformen nicht, Kinder entsprechend ihrem individuellen Potenzial zu fördern. Schüler werden nicht nach ihren jeweiligen Fähigkeiten ausgebildet, sondern in starre Lehr- und Zeitpläne gepresst. Die Folge: Vor allem leistungsschwächere Schüler und Kinder aus nichtprivilegierten Elternhäusern werden abgehängt. Zwei Jahrzehnte hat Jutta Allmendinger die Schulkarrieren von vier befreundeten Kindern verfolgt, die nach der gemeinsamen Kita-Zeit ganz unterschiedliche Schul- und Lebenswege eingeschlagen haben. Ausgehend von diesen typischen Einzelfällen bereitet sie in ihrem neuen Buch „Schulaufgaben“ neue Ergebnisse der Bildungsforschung auf und macht konkrete Vorschläge für die Schule der Zukunft. Jutta Allmendinger: Schulaufgaben. Wie wir das Bildungssystem verändern müssen, um unseren Kindern gerecht zu werden. München: Pantheon 2012. Religion und Wissenschaft - neu betrachtet Silke Gülker In ihrem Discussion Paper greift Silke Gülker ein lange vernachlässigtes Thema in der Wissenschaftsforschung auf: Warum spielt das Verhältnis von Religion und Wissenschaft heute, anders als in der klassischen Soziologie, kaum eine Rolle? Die Sozialwissenschaftlerin plädiert für eine Wiederaufnahme dieser Debatte und entwickelt einen Bezugsrahmen für empirische Analysen. Interdisziplinarität, eine übernationale Perspektive und methodische Offenheit müssten die Bedingungen für eine neue Auseinandersetzung mit Religion und Wissenschaft sein. Silke Gülker: Science and Religion. Steps toward an Analytical Framework within Contemporary Science Studies. WZB-Discussion Paper SP III 2012–603. Berlin: WZB 2012. Bildungssoziologie – eine Bestandsaufnahme Heike Solga, Rolf Becker Der soziologi- schen Bildungsforschung widmet die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie jetzt einen Sonderband – erstmals wieder nach 53 Jahren. Das Heft verbindet einen Überblick über die Erfolge der immens gewachsenen Forschung mit Impulsen für die zukünftige Arbeit, etwa durch neue Methoden oder Datensätze. Das Themenspektrum reicht von der Grundschule bis zur Bildung im Erwachsenenalter, von Studien zur sozialen Herkunft, zu Behinderung, Migration und Integration bis zu Bildungsmodellen im Zeitalter von Bologna und Kopenhagen. Neben renommierten Autoren haben zahlreiche Nachwuchswissenschaftler, sieben von ihnen dem WZB verbunden, Beiträge veröffentlicht. Rolf Becker/ Heike Solga (Hg.): Soziologische Bildungsforschung. Sonderband der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, H. 52. Wiesbaden: Springer VS Verlag 2012. Politik und die Regulierung von Information Andreas Busch, Jeanette Hofmann Die Regulierung von Daten, Informationen und Wissen ist längst in die Liga der tagespolitischen Themen aufgestiegen. Auch die Politikwissenschaft hat die Digitalisierung und ihre politischen Implikationen als Gegenstand der Analyse entdeckt. Der Band führt erstmals verschiedene politikwissenschaftliche Perspektiven zu diesem Thema zusammen. Zwei Schwerpunkte werden dabei gesetzt: Zum einen geht es um Information und Wissen als Gegenstand und als Mittel der Regulierung – vor dem Hintergrund, dass in der Wissensgesellschaft sowohl der kommerzielle als auch der politische Wert von Wissen steigt. Zum anderen geht es um personenbezogene Daten, deren Regulierung nicht nur zwischen Produzenten und Konsumenten kontrovers ist, sondern auch zu Konflikten zwischen nationaler und internationaler Ebene führen kann. Andreas Busch/Jeanette Hofmann (Hg.): Politik und die Regulierung von Information. Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 46, Baden-Baden: Nomos 2012. Weitere Publikationen unter: wzb.eu/vorgestellt/pdf WZB Mitteilungen Heft 138 Dezember 2012 57