Graphentheorie Thorsten Papke 23. Juni 2005 Thorsten Papke Graphentheorie – S.1/35 Inhalt Grundlagen Königsberger Brückenproblem Bäume Planare Graphen Färbungen Faktorisierungen Thorsten Papke Graphentheorie – S.2/35 Graphentheorie GRUNDLAGEN Graphentheorie ist ein Gebiet, das Anwendungen und Theorie Anschaulichkeit und trickreiche Methoden miteinander verbindet. Graphentheorie hat sich mittlerweile zu einem zentralen Thema in der Diskreten Mathematik entwickelt. Thorsten Papke Graphentheorie – S.3/35 Graphentheorie Def.: Graph Ein Graph besteht aus Ecken (auch Knoten genannt) und Kanten. Eine Kante verbindet genau zwei Ecken. Zwei Ecken können durch keine, eine oder mehrere Kanten verbunden sein. Bezeichnungen: E(G) — Menge der Ecken eines Graphen G K(G) — Menge der Kanten eines Graphen G Thorsten Papke Graphentheorie – S.4/35 Graphentheorie Def.: Inzidierung Falls eine Ecke e an eine Kante k grenzt, dann inzidiert e mit k. Bsp. für Graphen Bsp. für Graphen: Strassennetze Städteverbindungen Chemische Moleküle Elektrische Netzwerke (z.B. Schaltpläne) Die paar Bsp. zeigen schon, dass Graphen ein wunderschönes Hilfsmittel sind, um Beziehungen darzustellen. Thorsten Papke Graphentheorie – S.5/35 Graphentheorie Def.: Vollständig Ein Graph heißt vollständig, wenn in ihm je zwei Ecken durch Kanten miteinander verbunden sind. Wir bezeichnen den vollständigen Graph mit n Ecken mit Kn . Bsp. K4 ,K5 Thorsten Papke Graphentheorie – S.6/35 Graphentheorie Def.: Bipartit Ein Graph heißt bipartit, wenn er sich so in zwei Klassen C1 ,C2 unterteilen lässt, dass man von jedem Knoten der einen Klasse in einem Schritt (also über eine Kante) zu einem Knoten der anderen Klasse gelangt; d.h. wenn man die Knoten des Graphens so schwarz und weiß färben kann, dass immer bei Übergang von einem Knoten zum anderen die Farbe wechselt. {C1 ,C2 } heißt Bipartition Thorsten Papke Graphentheorie – S.7/35 Graphentheorie Def.: Vollständig bipartit Ein Graph heißt vollst. bipartit, wenn jede Ecke von C1 mit jeder Ecke von C2 durch genau eine Kante verbunden ist. Bezeichnung für den vollst. bipartiten Graphen, wenn C1 genau m Ecken und C2 genau n Ecken hat: Km,n (Vollst.) bipartite Bsp. Die (vollständig) bipartiten Graphen weisen sehr regelmäßige Muster auf. Im Allg. jedoch sind Graphen oft sehr “wilde”, unstrukturierte Gebilde. Thorsten Papke Graphentheorie – S.8/35 Graphentheorie Def.: Zusammenhängend Ein Graph heißt zusammenhängend, wenn man in ihm von jeder Ecke zu jeder anderen (nicht unbedingt sofort) gelangen kann. D.h: Ein Graph ist zusammenhängend, wenn er nicht in mehrere Teile zerfällt. Bsp. Thorsten Papke Graphentheorie – S.9/35 Graphentheorie Def.: Kantenzug Ein Kantenzug Q eines Graphen G ist eine Folge (ki )i=1,...,s von Kanten, zu der es in einer Weise eine Folge (e j ) von Ecken gibt, dass ... j=0,...,s ... k1 e0 und e1 verbindet. ... k2 e1 und e2 verbindet. ... ... ks es−1 und es verbindet. Dabei müssen weder seine Kanten, noch seine Ecken verschieden sein. Wir sagen: Q verbindet e0 und es Bsp. Thorsten Papke Graphentheorie – S.10/35 Graphentheorie Nochmal zur Def. des Zusammenhangs: Ein Graph ist also zusammenhängend, wenn in ihm von jeder Ecke zu allen anderen ein Kantenzug existiert. Def.: Geschlossener Kantenzug Ein Kantenzug heißt geschlossen, wenn e0 = es ist. Bsp. Def.: Weg Ein Kantenzug heißt ein Weg, falls alle Kanten verschieden sind. Bsp. Thorsten Papke Graphentheorie – S.11/35 Graphentheorie Def.: Kreis Ein geschlossener Kantenzug (e0 = es ) heißt ein Kreis, wenn auf dem Weg von e0 nach es keine Kante doppelt vorkommt. Def.: Kreislänge Die Länge des Kreises ist die Anzahl seiner Kanten bzw. Ecken. Bsp. Def.: Grad einer Ecke Der Grad einer Ecke e ist die Anzahl der mit ihr verbundenen Kanten. Wir schreiben: Grad(e) Def.: isolierte Ecke Grad(e) = 0 ⇒ isolierte Ecke Thorsten Papke Graphentheorie – S.12/35 Graphentheorie In Kn hat jede Ecke den Grad n − 1, da ja jede Ecke mit allen anderen verbunden ist. Beispiel: KÖNIGSBERGER BRÜCKENPROBLEM Def.: Eulerscher Kreis Ein Kreis eines Graphen G heißt eulerscher Kreis, wenn in ihm jede Kante von G genau einmal vorkommt. G heißt eulersch, wenn er einen eulerschen Kreis enthält, d.h. wenn man G “in einem Zug” zeichnen kann und dabei wieder am Anfangspkt. landet. Thorsten Papke Graphentheorie – S.13/35 Graphentheorie Satz 1: Satz von Euler Graph G eulersch ⇔ Jede Ecke von G hat geraden Grad "⇒"-Beweis,direkt "⇐"-Beweis,Induktion über Anz. m der Kanten Bemerkung: Euler bewies nur die "⇒"-Richtung seines Satzes Betrachte den Graphen GK des Königsberger Brückenproblems. GK hat Ecken vom Grad 3,3,3,5 ⇒ GK ist nicht eulersch. ⇒ Es gibt keine Möglichkeit, einen Weg zu gehen, bei dem man jede Brücke genau einmal überquert und wieder am Ausgangspkt. landet. Thorsten Papke Graphentheorie – S.14/35 Graphentheorie Aus dem Satz v. Euler folgt: Kn mit n = 2a − 1 und a ∈ ist eulersch, denn innerhalb jedes dieser Kn gilt für jede Ecke: Grad(ei ) = n − 1(gerade) mit i = 1, ..., n Def.: Offene eulersche Linie Sei G ein Graph. Ein Weg in G, der kein Kreis ist, heißt offene eulersche Linie, wenn jede Kante von G darin genau einmal vorkommt. Also gilt insgesamt für einen Graphen G: G kann “in einem Zug” gezeichnet werden ⇔ G besitzt einen eulerschen Kreis oder eine offene eulersche Linie Thorsten Papke Graphentheorie – S.15/35 Graphentheorie Satz 2 Sei G ein zusammenhängender Graph. Dann gilt: G besitzt offene eulersche Linie ⇔ G hat genau zwei Ecken ungeraden Grades Dabei läuft die eulersche Linie von einer dieser zwei Ecken zur anderen. "⇒"-Beweis,Rückführung auf Satz 1, 1.Teil "⇐"-Beweis,Rückführung auf Satz 1, 2.Teil Bei beiden: Trick: führe zusätzliche Kante ein Bsp. für offene eulersche Linie Thorsten Papke Graphentheorie – S.16/35 Graphentheorie BÄUME Eine der wichtigsten Typen in der Anwendung der Graphentheorie Gute Darstellungsmöglichkeit, z.B. für Sortierprozesse Def.: Baum Ein Baum ist ein zusammenhängender Graph, der keinen Kreis der Länge > 0 enthält. Bsp. Bäume eignen sich hervorragend, um Sortierprozesse darzustellen. Beispiel: Das Problem der falschen Münze Thorsten Papke Graphentheorie – S.17/35 Graphentheorie Aus der Def. des Baumes folgt: In einem Baum sind je zwei Ecken höchstens durch eine Kante verbunden. Def.: Endecke Ecke vom Grad 1. Satz 3 Jeder Baum mit mind. zwei Ecken hat mind. eine Endecke Beweis,direkt Thorsten Papke Graphentheorie – S.18/35 Graphentheorie Satz 4 Für einen Baum G gilt: m = n−1 wobei n die Anzahl der Ecken und m die Anzahl der Kanten von G ist. Beweis, Induktion über Anz. n der Ecken Verallg. des letzten Satzes: Satz 5 Sei G ein Graph mit m Ecken und n Kanten. Dann gilt: m ≥ n−1 mit Gleichheit genau dann, wenn G ein Baum ist. Beweis, Induktion nach Anzahl m der Kanten Thorsten Papke Graphentheorie – S.19/35 Graphentheorie ⇒ Unter allen zusammenhängenden Graphen mit m Ecken sind die Bäume die mit der kleinstmögl. Anzahl Kanten. Def. Binärer Baum Ein binärer Baum ist ein Baum mit einer speziellen Ecke vom Grad 2. Alle anderen Ecken des Baumes haben Grad 3 oder 1. Die Ecke 2.Grades wird Wurzel genannt. Bsp. Def.: Blätter, Höhe Beim binären Baum werden die Ecken 1.Grades als Blätter bezeichnet. Die Länge eines längsten Weges, wobei die Endecke die Wurzel ist, heißt Höhe des binären Baumes. Thorsten Papke Graphentheorie – S.20/35 Graphentheorie Satz 6 Sei G ein binärer Baum der Höhe h. Dann besitzt G höchstens 2h Blätter. Beweis per Induktion über h Satz 7 Ein binärer Baum mit b Blättern hat mind. Höhe ld(b). Beweis: Folgerung aus Satz 6 Thorsten Papke Graphentheorie – S.21/35 Graphentheorie PLANARE GRAPHEN Def.: Planarer Graph Ein Graph heißt planar, wenn er überschneidungsfrei in die Ebene gezeichnet ist, d.h. dass sich je zwei seiner Kanten höchstens in einer Ecke schneiden. Bsp. Def.: Plättbarer Graph Ein Graph heißt plättbar, wenn er überschneidungsfrei in die Ebene gezeichnet werden kann. Bsp. Aus einem plättbaren Graphen kann also ein planarer gemacht werden. Thorsten Papke Graphentheorie – S.22/35 Graphentheorie Jeder planare Graph zerlegt die Ebene in sog. Gebiete. Für einen Graphen G existiert immer mind. ein Gebiet, nämlich das Außengebiet, d.h. die Anzahl der Gebiete (im Folgenden: g) ist stets ≥ 1. Bsp. Satz 8: Die Eulersche Polyederformel Sei G ein zusammenhängender planarer Graph mit n Ecken, m Kanten und g Gebieten. ⇒ n−m+g = 2 Beweis durch Induktion über g Aus der Eulerschen Polyederformel resultieren einige Folgerungen: Thorsten Papke Graphentheorie – S.23/35 Graphentheorie Folgerung 1 Sei G ein zusammenhängender planarer Graph, in dem je zwei Ecken durch höchstens eine Kante verbunden sind. Dann gilt: (a) Falls G mind. 3 Ecken hat ⇒ m ≤ 3n − 6 (d.h. ein planarer Graph hat relativ wenig Kanten) (b) Es gibt mind. eine Ecke vom Grad ≤ 5. Beweis (a),(b) Trickreiche Abzähl. für (a), folgere (b) für n ≥ 3 aus (a) Folgerung 2 K5 ist nicht plättbar Beweis durch Widerspruch Bsp. Drei Häuser, E-,G-,W-Werk bzw. K3,3 Thorsten Papke Graphentheorie – S.24/35 Graphentheorie Folgerung 3 K3,3 (vollst. bipartit) ist nicht plättbar. Beweis durch Widerspruch Thorsten Papke Graphentheorie – S.25/35 Graphentheorie FÄRBUNGEN Ebenfalls ein wichtiges Gebiet der Graphentheorie. Ursprung: Das Vierfarbenproblem (Mitte des 19. Jhd.) Vermutung, dass 4 Farben ausreichen, erstmals 1852 aufgekommen Beweis des Vierfarben-Satzes erstmals 1879 Aber der Beweis war fehlerhaft. Beweisen konnte man lediglich, dass 5 Farben ausreichen. Thorsten Papke Graphentheorie – S.26/35 Graphentheorie Später kam die Vermutung auf, dass ein Computer den Beweis lösen könne. Und tatsächlich: Dies war der erste Beweis, an dem der Computer einen wesentlichen Anteil hat. Kurz: Der Vierfarben-Satz ist bis heute nur mit Computern zu beweisen. Was hat dieser Satz mit Graphentheorie zu tun? Erläuterung Thorsten Papke Graphentheorie – S.27/35 Graphentheorie Für die folg. zwei Def. sei G ein beliebiger Graph (nicht notwendig planar). Def.: Färbung Eine Färbung von G ist eine Zuordnung von Farben (meist Zahlen) zu den Ecken derart, dass keine zwei durch eine Kante verbundenen Ecken dieselbe Farbe (Zahl) haben. Def.: Chromatische Zahl Die jchrom. Zahl ist die kleinste Zahl n, so dass E(G) mit n Farben gefärbt werden kann. Wir bezeichnen die chrom. Zahl eines Graphen G mit χ (G). Bsp. Thorsten Papke Graphentheorie – S.28/35 Graphentheorie Im Zshg. mit dem Vierfarben-Problem sagt der Satz 9: Greedy-Algorithmus Jeder Graph G (– also nicht notwendig planar –) kann mit ∆(G) + 1 Farben gefärbt werden. Es gilt also: χ (G) ≤ ∆(G) + 1 wobei ∆(G) den maximalen Grad von G bezeichnet. Beweis,direkt Für planare Graphen haben wir aber durch den Vierfarben-Satz schärfere Bedingungen für χ . Thorsten Papke Graphentheorie – S.29/35 Graphentheorie Satz 10: Vierfarben-Satz Die chrom. Zahl eines beliebigen planaren Graphen ist höchstens 4. Beweis des Vierfarbensatzes zu schwierig Satz 11 Die chrom. Zahl eines beliebigen planaren Graphen ist höchstens 5. Beweis, Induktion über Anzahl n der Ecken Thorsten Papke Graphentheorie – S.30/35 Graphentheorie FAKTORISIERUNGEN Def.: Kantenfärbung Eine Kantenfärbung eines Graphen G ist eine Zuordnung von Farben (Zahlen) zu den Kanten von G derart, dass je zwei adjazente Kanten (also die eine gemeinsame Ecke haben) unterschiedl. gefärbt sind. Def.: Chromatischer Index Der chromat. Index von G ist die kleinstmögl. Zahl n, so dass K(G) mit n Farben gefärbt werden kann. Der chromat. Index eines Graphen G wird mit χ 0 (G) bezeichnet. Bsp. Der Satz von Vizing sagt für einen beliebigen Graphen G aus: Es gilt stets: χ 0 = ∆ oder χ 0 = ∆ + 1 Thorsten Papke Graphentheorie – S.31/35 Graphentheorie Wir beweisen für spezielle Graphen eine Verschärfung dieses Satzes, nämlich den Satz 12: Satz von König Sei G ein bipartiter Graph ⇒ χ 0 (G) = ∆ Beweis, Induktion nach Anzahl m der Kanten Betrachten wir nun Zerlegungen eines beliebigen Graphen G. Thorsten Papke Graphentheorie – S.32/35 Graphentheorie Def.: Faktor,Faktorisierung Ein Faktor von G ist eine Menge von Kanten so, dass jede Ecke von G auf genau einer dieser Kanten liegt. Eine Faktorisierung von G ist eine disjunkte Zerlegung von K(G) in einzelne Faktoren. D.h. jede Kante von G ist danach in genau einem Faktor enthalten. Bsp. Zshg. zwischen Faktorisierung u. Kantenfärbung Def.: Regulär Ein Graph ist regulär, wenn seine Ecken alle gleichen Grad haben. Thorsten Papke Graphentheorie – S.33/35 Graphentheorie Offenbar gilt für einen Graphen G: G besitzt Faktorisierung ⇒ G ist regulär ! Der Satz ist für beliebige Graphen G nicht umkehrbar. ! Gegenbsp. Petersen-Graph Für reguläre bipartite Graphen ist er umkehrbar, d.h. Satz 13 Graph G ist regulär und bipartit ⇒ G besitzt eine Faktorisierung Beweis,direkt Bsp., K3,3 Thorsten Papke Graphentheorie – S.34/35 Graphentheorie Danke für die Aufmerksamkeit! Thorsten Papke Graphentheorie – S.35/35