Fachtagung Aspekte gelungener Integration

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Fachtagung
Aspekte gelungener Integration - Arbeit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein
Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Gelungene Integration – jetzt!
oder
Woher wir kommen – und wohin wir gelangen müssen...
Der flüchtlingspolitische Paradigmenwechsel, der sich anschickte, Geflüchtete ausnahmslos und
ohne Zeit zu vergeuden, als Zielgruppe einer auf Nachhaltigkeit angelegten Integrationsförderung
zu identifizieren und einige bestehende rechtliche Hürden zu schleifen, hatte 2015 einen leider nur
kurzen Sommer.
Vorausgegangen waren eineinhalb Dekaden intensiver gesellschaftlicher Diskussionen um den
richtigen Weg zum Bleiberecht für Geduldete, um die Abschaffung bzw. Beschränkung des für
Asylsuchende geltenden Arbeitsverbots, um die Liberalisierung des Arbeitserlaubnisrechts.
Kurz um die Formalisierung der Möglichkeiten, Integrationsleistungen von Geflüchteten
aufenthaltsrechtlich Frucht bringen zu lassen.
Die in diesem Diskurs Engagierten, darunter der Flüchtlingsrat und Migrationsfachdienste, haben
im Verbund mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Teilen von Landes- und
Arbeitsverwaltungen, aus Bildungseinrichtungen und Verbänden, schon zu Beginn des Millenniums
Bündnisse geschmiedet und sich erfolgreich um Bundes- und europäische Förderung bemüht.
Das Netzwerk Mehr Land in Sicht! und seine Vorläufer unterstützten und unterstützen - allen
bisweilen herrschenden Überzeugungen zum Trotz - damit vor allem gestattete oder geduldete, aber
sämtlich bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge bei der Integration in den Arbeitsmarkt.
Vermittlungsquoten von 50% und mehr waren in den Bleiberechtsnetzwerken schnell erreicht und
hatten sicherlich ihren Anteil daran, dass ein erfolgreiches flüchtlingsintegrationsorientiertes
Förderprogramm dem nächsten folgte.
Zunächst noch divergierende Rechtslagen und die von Kolleginnen und Kollegen aus den
Bleiberechtsnetzwerken in Ausländer- und Innenbehörden geführten Diskurse sind legendär und
letztere waren mittelfristig zumindest in Teilen wirkungsvoll.
Wir sind überzeugt, dass die sich auf ihre guten Ergebnisse berufende Hartnäckigkeit der
inzwischen in allen Ländern etablierten Bleiberechtsnetzwerke auch Anteil an verschiedenen, einen
Paradigmenwechsel befördernden länderpolitischen Initiativen hatten.
Dass sich ihr Engagement auch hierzulande in der Arbeit der Härtefallkommission, in der
Umsetzung von Altfall- und Härtefallregelungen und in zielführenden Erlasslagen materialisierte.
Ende 2014 galten einige novellierte Rechts- und Verordnungslagen als erreicht. Sie sollten eine
Integration von Flüchtlingen in berufsorientierte Bildung und in den Arbeitsmarkt regelmäßig und
nahezu von Anfang an ermöglichen.
Dass hier allerdings nach wie vor Ausgrenzungen z.B. bei BAFÖG und BAB greifen oder das
langwierige Arbeitserlaubnisbürokratie fortbesteht, beklagen wir bei Mehr Land in Sicht! bis heute.
Inzwischen sind wir allerdings - über diese Klage hinaus - wieder in einer Rechts- und
Verwaltungswirklichkeit angekommen, die wieder bewusst und systematisch Chancen ungleich
verteilt. Mehr noch: selbst die rudimentären Ansätze in der Gesetzeslage, die geignet sind zumindest
im Einzelfall Integrationsleistungen von Flüchtlingen zu befördern, wie die 3+2-Regelung im sog.
Integrationsgesetz, werden vom BMI durch umstrittene Anwendungshinweise oder immer neue
Gesetzentwürfe, z.B. zum Unterlaufen der Bleiberechts- und Härtefallregelung im
Aufenthaltsgesetz, zu hintertreiben gesucht.
Durchsichtiges Ziel einer solchen im BMI angelegten Rechtspolitik ist die Bevorzugung
erfolgreicher Externalisierung, bevor nachhaltige Integration gelingen kann. Da erscheint es auch
konsequent, Integrationshürden schon lange vor einer endgültigen Asylentscheidung zu errichten.
Die Zugänge zu sprachlicher und arbeitsmarktorientierter Förderung sollen nur Asylsuchenden aus
lediglich 5 Herkunftsländern mit über 50%iger Asylanerkennungsquote zugestanden werden.
Verwaltungsgerechtigkeit herrscht dabei nicht. Denn auch andere Herkunftsgruppen, z.B.
Asylsuchende aus dem Jemen oder Afghanistan, werden zu über 50% vom Bundesamt anerkannt, aber ihnen wird ausdrücklich keine sichere Bleibeperspektive zugestanden.
Im Netzwerk Mehr Land in Sicht! machen wir solche Unterschiede nicht.
Und wir identifizieren Integrationsbereitschaft nicht allein als Pflichtübung der Zuwandernden. Frau
Öksüz hat auf das besondere Angebot von Schulungen u.a. für Arbeitsverwaltungen hingewiesen.
Im Netzwerk mehr Land in Sicht! gehören darüber hinaus Betriebe und Belegschaften zu den
Zielgruppen von Angeboten zur interkulturellen Öffnung. Denn Integration ist keine Einbahnstraße!
Ob sie gelingt oder nicht, ist nach unserer und der Überzeugung der relevanten Wissenschaft davon
abhängig, ob sich alle Akteure der Förderketten gemeinsam auf den Weg machen.
In eine Zukunft, die sich durch an Chancengerechtigkeit, diskriminierungsfreie
sozialgesellschaftliche Standards und durch eine diverse, aber nicht allein auf schnellen Profit
ausgereichtete Arbeitswelt auszeichnet.
Und so wie Integration keine Einbahnstraße ist, ist sie - mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit - auch
kein Speedway. Die Zielgruppe der hier Schutz und Zukunft suchenden Menschen ist
ausgesprochen heterogen. Es sind mehrsprachig und akademisch oder anders berufsspezifisch
Qualifizierte darunter.
Aber bis zu 70% verfügen nicht über eine vollständige Schulbildung oder eine mit den hier üblichen
Standards vergleichbare Berufsausbildung. Das trifft insbesondere junge Menschen, die im
Herkunftsland bei Schul- und Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert waren. Oder
solche, in deren Heimat seit Jahren und Jahrzehnten fast alle Systeme im wahrsten Sinne des Wortes
ruiniert sind. Und es sind Menschen darunter, die fluchtgrundbedingt besonders unter sozialer
Entwurzelung und daraus folgenden Orientierungsproblemen leiden.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie bis zur vollständigen Integration in die Erwerbsgesellschaft einen
längeren Atem brauchen. Länger als von ihnen selbst erwartet worden ist. Professorin Polat hat in
ihrem Vortrag darauf hingewiesen: bis zu 70% der aufgenommenen Flüchtlinge benötigen bis zu 15
Jahre bis sie im Arbeitsmarkt angekommen sind.
Und unsere Erfahrung lehrt, dass auch alle anderen Arbeitsmarktakteure – Verwaltungen,
Berufsbildunseinrichtungen und Betriebe – den Geflüchteten für den Prozess nachhaltiger
Integration in den Arbeitsmarkt mehr Zeit, als auch von ihnen zunächst erwartet, einräumen
müssen, … und sie ihre Konzepte und Binnenstrukturen auf einen absehbar mittelfristigen
Integrationsprozess ausrichten sollten.
Eine Erkenntnis, die damit allerdings auch eine längerfristige Perspektive und künftig entsprechend
langfristig ausgelegte konzeptionelle Ansätze für zielgruppenspezifische
Arbeitsmarktförderungsprogramme und Haushaltspolitiken angezeigt erscheinen lassen. Eine
Gemeinschaftsaufgabe zwischenn Bund und Ländern auf ein bis zwei Dekaden ausgerichtet, könnte
helfen, die derzeitig festzustellende Kurzatmigkeit in der Integrationsförderungspolitik zu
überwinden.
Unser Konzept, das Beratung und Begleitung sowohl für Ausbildungs- und Arbeitssuchende wie für
Belegschaften und Betriebe kombiniert und gleichzeitig mit Schulungen und Informationsangeboten
zur interkulturellen Kompetenzentwicklung für Arbeits- und andere Verwaltungen aufwartet, ist
erfolgreich umgesetztes Ergebnis eines auf die so beschrieben bedarfsgerechte Mittelfristigkeit
orientierten Ansatzes.
Also läuft alles gut? Im Prinzip ja.
Aber bislang leider noch nicht erfolgreich waren wir im Bemühen, unser im Rahmen der
Integrationsrichtlinie Bund umgesetztes so gesehen erfolgreiches Konzept arbeitsmarktlicher
Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen dem Land Schleswig-Holstein zur Nachahmung
anzutragen.
Solcher Bedarf besteht vor allem deshalb, weil auf Grundlage des mit Bundes-, ESF- und
Eigenmitteln finanzierten Budgets in den Teilprojekten viel Gutes, aber kein flächendeckendes und
mit Blick auf alle für eine Förderung Geigneten bedarfsgerechtes Angebot möglich ist.
Da ist es erfreulich, wenn Herr Behmenburg in seinem Grußwort für das Wirtschafts- und
Arbeitsministerium SH darauf hinweist, dass es lokal und regional noch
Optimierungsmöglichkeiten gäbe.
Denn in der Tat, eingedenk der Summen, die das Land in Programme zu geben bereit ist, bei denen
Mehr Land in Sicht! den Vergleich mit den erreichten Zwischenergebnissen absolut nicht scheuen
muss, sind wir guter Hoffnung, dass vielleicht doch noch Möglichkeiten bestehen, ein mit der
Arbeit des Netzwerks Mehr Land in Sicht! korrespondierendes Landesprogramm aufzulegen.
Angesagt wäre es allemal. besonders in Zeiten, wo Diskriminierungen im öffentlichen Raum und
rassistische hetze und Gewalt wieder gesellschaftsfähig werden, gerät die erfolgreiche Integration
von Geflüchteten zur Pflichtaufgabe. Dies gelt nicht nur im Interesse ausnahmslos aller
Geflüchteten, sondern auch und nicht minder im Interesse aller von der Idee der Vielfalt getragenen
Demokratinnen und Demokraten.
Aber ob wir den Blick auf die Potentiale und Motivationen der Asylsuchenden und Geduldeten
richten, ob wir ihnen grundsätzlich und bedingungslos Bleiberecht zuerkennen oder bezüglich
betrieblicher und ausbildungspolitischer Bedarfe oder durch die demographische Entwicklung und
den dreuenden Fachkräftemangel beunruhigt sind, - es braucht mehr Zugänge zu Angeboten für
gelungene Integration – jetzt!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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