22 Wissen Erfinder & Entdecker Handwagen mit Motor Wer hat das Auto erfunden? Für Deutsche ist die Antwort klar: Gottlieb Daimler und Carl Benz. Für Österreicher auch: Siegfried Marcus. Der österreichische Erfinder soll bereits zwei Jahre vor den Deutschen eine Art großen Handwagen mit einem selbstgebauten Benzinmotor samt elektromagnetischer Zündung ausgerüstet und so den ersten Vorläufer moderner Automobile geschaffen haben. Marcus soll auch einer der ersten gewesen sein, der seinen Motor mit Benzin fütterte. Bis dahin war vor allem Leuchtgas als Treibstoff gebräuchlich. Als Automobilerfinder ist dem Ingenieur, der über 130 Patente besaß, die Anerkennung jedoch versagt geblieben: Seinen motorisierten Wagen hat er nie zum Patent angemeldet. Alles, was davon noch existiert, sind Fotos. Umstritten ist auch, ob das Gefährt fahren konnte. Lenkung und Bremse soll es nicht besessen haben. Marcus baute später, 1888, noch einen zweiten Wagen, der nachgewiesenermaßen fahrtüchtig war. Da aber tuckerten die Autos von Daimler und Benz schon über deutsche Straßen – zumindest als Versuchsmodelle. Gelesen Wissen für die Westentasche Es ist gelb, paßt in die Jackentasche und hat nur 68 Seiten. Der Inhalt des Leichtgewichts gilt jedoch gemeinhin als schwere Kost – Gentechnik. Der Reclam-Verlag hat jetzt eine Vortragsreihe der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard als schmales Büchlein herausgebracht. Wer sich für Gene, Klonen und Stammzellforschung interessiert, dem ist es als Einsteigerliteratur zu empfehlen. Die Biologin gibt einen kurzen Überblick über das Thema – von der Vererbungslehre bis zu den ethischen Debatten um das Klonen. Das Schöne an dem schnell durchgelesenen Büchlein – es ist für Laien sehr gut verständlich. Und der Preis von 2,40 Euro wirkt zusätzlich leseanreizend. (ima) Christiane Nüsslein-Volhard „Von Genen und Embryonen“ Reclam 2004 MOZ Giftige Tropenbewohner in märkischen Seen Forscher suchen in Brandenburger und Berliner Gewässern nach neuer Blaualge / In der ScharmützelseeKRegion sind sie fündig geworden Von INA MATTHES Frankfurt (Oder) (MOZ) Unter dem Mikroskop sehen die Exoten aus wie kleine Streichhölzchen. Wissenschaftler haben die Winzlinge aus Gewässern der Scharmützelseeregion gefischt – wo sie eigentlich nicht hingehören. Denn das Bakterium mit dem schwierigen Namen Cylindrospermopsis raciborskii ist in den Tropen zu Hause. Es gehört zu den Blaualgen, die auch in Brandenburg reichlich vorkommen und in heißen Sommern als grünlich-schleimiger Film auf dem Wasser den Badespaß in manchen Seen trüben. Der Einwanderer ist jedoch nicht ohne – die Alge kann starke Gifte produzieren. Deshalb haben Forscher eine großangelegte Suchaktion nach dem Neuling in Berliner und Brandenburger Gewässern gestartet. Daran beteiligt sind das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin, die Technische Universität Cottbus und das Umweltbundesamt. Unterstützt wird das Projekt vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin. Die tropische Blaualge produziert ein Gift, das Leber und Nieren schädigen kann. Wenn das Toxin in großen Konzentrationen in Trinkwasser oder in Badeseen vorkommt, kann es Menschen gefährlich werden. In Australien gab es vor längerer Eine Klingel für die Kaiserin Auch wenn er vielleicht nicht der erste gewesen ist, der ein Auto konstruierte, zu dessen Entwicklung hat Siegfried Marcus viel beigetragen. Er erfand eine elektrische Zündung, baute und verbesserte Vergaser. Der Wiener Ingenieur arbeitete auch für die Telegraphenindustrie, für das Militär und die österreichische Kaiserin. In deren Schloß installierte er eine elektrische Klingel und wurde fortan bei Hofe hoch angesehen. Dabei war der so Geehrte noch nicht mal echter Österreicher, obwohl er sich selber so fühlte. Siegfried Marcus wurde am 18.9. 1831 im mecklenburgischen Malchin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Im Malchiner Heimatmuseum steht auch ein Nachbau des ersten MarcusAutos. Das Original seines zweiten Wagens befindet sich im Technischen Museum in Marcus’ Wahlheimat Wien, wo er am 1. Juli 1898 starb. (ima) Mittwoch, 30. Juni 2004 So sieht die tropische Alge unterm Mikroskop aus. Foto: igb Zeit einen Fall, wo etwa hundert Menschen an mit dieser Algenart verseuchtem Trinkwasser erkrankten, erzählt Ingrid Chorus, Expertin für Algengifte im Umweltbundesamt. In unseren Breiten seien solche Vergiftungen aber nicht bekannt. Im Scharmützelseegebiet ist das Gift in zwei Seen festgestellt worden – in ungefährlichen Spuren. Vor fast elf Jahren wurden die Biologen zum ersten Mal in der Glubigseenkette und der Storkower Seenkette auf die fremden Algen aufmerksam, erzählt die Biologin Dr. Claudia Wiedner, die das Forschungsprojekt leitet. Im Lebbiner See, im Petersdorfer See und im Großen Glubigsee wurden sie gefunden, später auch in weiteren Seen. Doch als die Biologen ihren Fang im Labor züchteten, machten sie eine verblüffende Entdeckung: „Die Exemplare, die sich vermehrt hatten, die produzierten das Gift nicht“, erklärt Ingrid Chorus. Es gibt verschiedene Vermutungen, wieso das so ist. Von den Bakterien existieren genetisch unterschiedliche Varianten. Es könnte also einen giftigen und einen harmlosen Typ geben. Denkbar wäre aber auch, dass eine ganz andere Algenart, vielleicht eine schon längst bekannte heimische, das entdeckte Gift produziert. Wie es den Tropenbewohner in unsere Breiten verschlagen hat, weiß gegenwärtig auch noch niemand. Der Klimawandel könnte das bewirkt haben. Bislang ist diese These aber reine Spekulation. „Das wird diskutiert, ist aber nicht nachgewiesen“, sagt Claudia Wiedner. Entdeckt wurde die Algenart 1912 in Java. Seitdem breitet sie sich rasant aus. Das Scharmützelseegebiet gehört zu den nördlichsten Regionen, in die die Blaualge vorgedrungen ist. In den nächsten drei Jahren wollen die Forscher in fast allen Berliner und 60 Brandenburger Seen nach dem Eindringling suchen. In ausgewählten Gewässern sollen dann regelmäßig Proben genommen werden, besonders im Scharmützelsee, dem Melangsee, der zur Glubigseenkette gehört, sowie dem Langen See in der Wolzi- Algenfahnder: Anke Stüken vom Leibniz-Institut für Gewässer-Ökologie und Ingo Henschke, Mitarbeiter des Lehrstuhls für Gewässerschutz der Uni Cottbus, nehmen Proben im Scharmützelsee bei Bad Saarow. Sie suchen nach Blaualgen. MOZ-Foto: Bunge ger Seenkette. Claudia Wiedner erhofft sich von den Tests und Analysen Aufschlüsse über die Verbreitung des Bakteriums, die Nischen, die es besiedelt, seine Einflüsse auf die Umwelt. Letztlich geht es darum herauszufinden, wie sich der Fremdling in Zukunft entwickelt – ob er sich massenhaft vermehren und damit Menschen, Pflanzen oder Tieren gefährlich werden könnte. Giftige Blaualgen wandern aber nicht nur aus fremden Regionen ein, auch von den heimischen Arten sind nicht alle harmlos. Meist werden sie zum Problem in Binnenseen oder in der Ostsee, wenn Badende zuviel algenbelastetes Wasser schlucken. Das kann zu Allergi- en, Übelkeit und Durchfall führen. Im bayerischen Ammersee stehen Blaualgen sogar unter dem Verdacht, den wichtigsten Speisefisch, die Renke, so zu dezimieren, dass sie kaum noch gefangen werden kann. Für die Trinkwasserversorgung gelten die Algen hierzulande jedoch kaum als bedrohlich, weil das Trinkwasser hauptsächlich aus Grundwasser, nicht aus Oberflächenwasser gewonnen wird. Die Kolonien bildenden Winzlinge sind aber nicht nur mögliche Krankheitsverursacher. Die Menschheit hat den rund drei Milliarden Jahre alten Methusalems einiges zu verdanken: Sie gelten als die Erfinder der Sauerstoffproduktion, die ältesten Sauerstofffabriken der Welt. Blaue Überlebenskünstler Ihr korrekter Name ist eigentlich Cyanobakterien, im Volksmund sind sie aber als Blaualgen bekannt. Zu ihrem Namen sind die Einzeller wegen des blauen Farbstoffes in den Zellen gekommen, mit dessen Hilfe sie Photosynthese betreiben, bei der Sauerstoff freigesetzt wird. Blaualgen sind weit verbreitete Überlebenskünstler, sie kommen in Süßwasser, aber auch Salzwasser und sogar in Felsspalten oder im Boden vor. Einige Arten produzieren starke Nerven- oder Lebergifte, die in hohen Dosen Sternenstürmen auf der Spur Als Baumeister nicht genial Potsdamer Forscher messen seit 50 Jahren Radiostrahlung der Sonne Potsdam (ima) Im tiefsten Winter 1989 schaltete sich das Wasserkraftwerk im kanadischen Quebec plötzlich komplett ab. Im Herbst 2003 musste die deutsche Flugsicherung Flüge ausfallen lassen. Beide Ereignisse hatten die gleiche Ursache: Sonnenstürme. Sie treten auf, wenn von der Sonne massenhaft energiereiche Teilchen ins All geschleudert werden. Die Prozesse, die solche Stürme auslösen, beobachten Potsdamer Astrophysiker seit einem halben Jahrhundert. Heute vor 50 Jahren hat Herbert Daene in Potsdam während einer Sonnenfinsternis die Radiostrahlung unseres Zentralgestirns gemessen. Das Datum dieses Versuches gilt als Gründungstag des Observatoriums für solare Radioastronomie in Tremsdorf, das zum Astrophysikalischen Insti- tut Potsdam gehört, und heute Geburtstag feiert. Während die Entdeckung der Radiostrahlung der Sonne vor 50 Jahren noch relativ neu war – sie wurde erst 1942 bewiesen – dient die Strahlungsmessung inzwischen dazu, das Weltraumwetter vorherzusagen. So stellen die Wissenschaftler des Tremsdorfer Observatoriums ihre Daten Instituten in den USA für die Prognose von Sonnenstürmen zur Verfügung. In der Hauptsache aber sind die Potsdamer Grundlagenforscher – sie interessieren die Vorgänge in der Sonne. Eine Frage, die sie beschäftigt, ist, wie Elektronen in kurzer Zeit auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden, erläutert Professor Gottfried Mann, der Leiter des Observatoriums. Diese Prozesse verursachen die harte Röntgenstrahlung der Sonne. Und die auch für Menschen gefährlich werden, Nervensystem und Leber schädigen können. Badeseen werden aber routinemäßig auch auf Algenbelastung überprüft und fürs Baden gesperrt, wenn zuviel grünlicher Schleim im Wasser schwimmt. Meist ist das in heißen Sommern der Fall. In nährstoffreichen Gewässern kommt es dann zur sogenannten Algenblüte. Im vergangen Jahr musste in Brandenburg an vier Badestellen wegen erhöhter Algenbelastung das Baden zeitweise verboten werden. wiederum beeinflusst den Alltag auf der Erde: Sie kann Funkverkehr stören, den Flugbetrieb beeinträchtigen, Fehlfunktionen in Raumfahrzeugen auslösen. Um die Vorgänge in unserem Zentralgestirn besser zu verstehen, sind die Wissenschaftler auf genaue Messdaten angewiesen. Die gewinnen sie nicht nur in ihrem vollautomatischen Observatorium, sondern auch in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen. Die Potsdamer beteiligen sich derzeit an drei internationalen Projekten. Eines davon ist ALMA, ein großes Radiomessinstrument, das gegenwärtig in der chilenischen Wüste entsteht. ALMA erlaubt einen guten Blick in die äußere Schicht der Sonne, die Korona. Sie spielt für die Entstehung von Sonnenstürmen eine wichti- Empfang aus dem All: Antennen messen im Tremsdorfer Obge Rolle. servatorium die Radiostrahlung der Sonne. Foto: aip Würzburg (dpa) Honigbienen sind nicht nur fauler als gedacht, sondern auch weniger geniale Baumeister als bislang angenommen. Nach Erkenntnissen von Würzburger Forschern bauen die Bienen gar keine exakt sechseckigen Zellen in ihren Waben, sondern weitgehend runde Zylinder. Dabei erwärmen sie das Wachs aber, so dass es zu fließen beginnt. Das Wachs nimmt dann automatisch die energetisch sparsamste Form an, nämlich die eines Sechsecks. Die Bienen machten sich für ihre exakte Geometrie schlicht physikalische Prinzipien zu Nutze, teilte die Hochschule mit. „Bienen sind keine genialen Architekten, produzieren dafür aber einen genialen Baustoff, nämlich ihr eigenes Wachs“, erklärten die beiden Forscher am Biozentrum in Würzburg, Christian Pirk und Jürgen Tautz. Neue Helden erobern die Kinderzimmer Japanische Trickfiguren werden zu Idolen für immer mehr Jungen und Mädchen – ob das dem Nachwuchs schadet, ist umstritten Von CLAUDIA UTERMANN Hamburg (dpa) In Deutschlands Kinderzimmer sind neue Helden eingezogen. Was früher Pippi Langstrumpf oder Dagobert Duck waren, sind heute japanische Anime-Figuren namens Yugi oder Maximilian Pegasus und Prinzessinnen mit Modelfiguren. Die Geschichte um den kleinen Yugi, die seit März 2003 täglich auf RTL II läuft, erreicht mittlerweile einen Marktanteil bei den drei- bis 13Jährigen von 32,5 Prozent. Die Marketing- und Merchandising-Maschinerie packt dabei immer geschickter zu – es gibt Magazine oder Lizenzartikel zu fast allen TV-Serien. Neuer Höhepunkt: In die Handlungs- logik der derzeit aktuellsten Serie „Yu-Gi-Oh“ hat die japanische Comic- Schmiede Konami das Sammeln von KartenSets gleich mit eingebaut. Zwölf Päckchen mit bis zu 200 Karten sind bislang auf den Markt gekommen, jedes wurde etwa zwei Millionen Mal verkauft, berichtet Jo Daris von der Firma Upper Deck, die das Produkt vertreibt. Und die angesprochenen Zielgruppen werden immer jünger. „Yu-Gi-Oh“ soll schon Dreijährige interessieren. „Alle Medien versuchen seit einigen Jahren immer jüngere Kinder anzusprechen, weil die älteren Kinder immer früher zu ErwachsenenFormaten greifen“, beobachtet auch Horst Heidtmann vom Institut für angewandte Kinderme- dienforschung in Stuttgart. Dass sich in der Kinderkultur zur Zeit neue Trends manifestieren, darüber sind sich Wissenschaftler einig. „Immer früher orientieren sich Kinder an Pop- und Medienstars“, sagt Heidtmann. Bei Jungen sei „Yu-Gi-Oh“ der große Trend“, meint Maya Goetz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen in München. Eltern und Lehrer sind quer durch Deutschland entsetzt, an zahlreichen Schulen sind die Kartenspiele bereits verboten. Im Internet existieren Meinungsforen, um sich über den Umgang mit den spielwütigen Kindern auszutauschen, die in den Pausen nicht mehr auf den Schulhof gehen wollen. Ob es sich dabei jedoch um problematische Trends handelt, ist unter Fachleuten umstritten. Nach Ansicht von Heidtmann fördern Casting-Shows, Prinzessinnen-Formate oder Helden wie Yugi aus „Yu-Gi- Oh“ unter Kindern „Narzissmus“. „Nicht sozial kompetente, pfiffige oder kluge Figuren sind angesagt, sondern allmächtige Helden, die Rollenvorgaben und Geschlechterklischees bedienen“, kritisiert er. Und dass immer mehr Lehrer über aggressive Grundschüler klagen, führt er auf diese neue Typen zurück. „Die Medienlandschaft hat sich eben verändert. Das sind traditionelle Themen in einem neuen Kleid“, sagt dagegen Marktforscher Axel Dammler. Wenn Rollen-Schemen bedient würden, helfe das Kindern: „Kindsein heißt auch Leiden.“ Maya Goetz betont, dass „YuGi-Oh“ im Vergleich zu früheren japanischen Comic-Serien wie „Dragon Ball“, geradezu harmlos sei. Zwar gehe es um einen Dominanz-Wettkampf, der aber typische Kinder- Fantasien bediene. „Das funktioniert wie das Supermann-Prinzip: Ich bin klein, habe aber einen magischen Gegenstand, der mich zum Superhelden macht“, erläutert sie. Den neuen Prinzessinnen-Kult unter Mädchen dagegen sieht auch sie kritisch: Das Klischee des süßen, kleinen Mädchens werde leider von der Gesellschaft gefördert. Schon 2001 haben Experten in der Zeitschrift „Medien praktisch“ bemängelt, dass Mädchen im Fernsehen kaum alternative Identifikationsfiguren hätten. Selbst Lernprogramme moderierten überwiegend Männer. Für problematisch halten Goetz und Dammler auch, dass Erwachsene die neuen Trends ihrer Kinder vorschnell abqualifizieren. „Kinder brauchen Themen, mit denen sie sich identifizieren und zu denen Erwachsene keinen Zugang haben“, sagt Dammler. Eltern dürften nicht ihre Favoriten wie die Biene Maja mit denen heute vergleichen. „Die Manga-Ästhetik ist für uns befremdlich und schwer zu verstehen. Da kommt man in die Kinder-Welt gar nicht rein“, räumt Goetz ein.