Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 Digitale Fitnessgeräte Die digitale Vermessung des Körpers Stuttgart - Abnehmen, gesünder leben und sportlicher werden – wer will das nicht. Digitale Hightech-Geräte sollen dabei jetzt helfen, die guten Vorsätze auch in die Realität umzusetzen. Vor allem Fitnessbänder, die jede Bewegung aufzeichnen und dann am Smartphone oder auf dem Tablet via App ausgewertet werden, liegen im Trend. Zu sehen sind sie nicht nur in Fitnessstudios oder an den Handgelenken von Hollywood-Stars wie Gwyneth Paltrow – auch in den Manager-Etagen großer Unternehmen gibt es mehr und mehr Führungskräfte, die sich mit Hilfe der kleinen bunten Armbänder motivieren lassen, ihr tägliches Bewegungspensum zu steigern. Die Geräte: jeder Schritt wird aufgezeichnet Fitnessbänder wie Jawbone up, Nike+Fuelband, Garmin oder Fitbit Flex zeichnen mit Hilfe eines integrierten Chips 24 Stunden am Tag alle Bewegungen und Schritte des Trägers auf. Die Kosten der Bänder bewegen sich zwischen 100 und 180 Euro. Die Daten werden per App ans Smartphone oder Tablet weitergegeben. Jede Kalorie, die man verbraucht und zu sich nimmt, kann aufgezeichnet werden. Allerdings ist das Kalorienzählen nicht immer ganz einfach. Denn vor dem Essen muss man das http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 1 von 7 Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 Smartphone am Tisch zücken, um die einzelnen Bestandteile und Mengen der Mahlzeit einzugeben und die Kalorien zu berechnen. Die Daten fließen auf Internet-Plattformen in Diagramme, Effizienzkurven und SollIst-Analysen. Sogar die Schlafzeiten werden gespeichert, ebenso die Schlafbewegungen. Wer will, kann sich in virtuellen Gruppen zusammenschließen und hat auch Zugriff auf die Daten der anderen Teilnehmer und kann vergleichen, wer der Fitteste ist. Das Nike-Band arbeitet autark und zeigt sofort per Farb-LED an, in welchem Bereich sich der Träger am Tag bewegt hat: im grünen (10 000 Schritte), im gelben (5000 Schritte) oder im roten (unter 3000) Bereich. Stuttgart - Abnehmen, gesünder leben und sportlicher werden – wer will das nicht. Digitale Hightech-Geräte sollen dabei jetzt helfen, die guten Vorsätze auch in die Realität umzusetzen. Vor allem Fitnessbänder, die jede Bewegung aufzeichnen und dann am Smartphone oder auf dem Tablet via App ausgewertet werden, liegen im Trend. Zu sehen sind sie nicht nur in Fitnessstudios oder an den Handgelenken von Hollywood-Stars wie Gwyneth Paltrow – auch in den Manager-Etagen großer Unternehmen gibt es mehr und mehr Führungskräfte, die sich mit Hilfe der kleinen bunten Armbänder motivieren lassen, ihr tägliches Bewegungspensum zu steigern. Die Geräte: jeder Schritt wird aufgezeichnet http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 2 von 7 Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 Fitnessbänder wie Jawbone up, Nike+Fuelband, Garmin oder Fitbit Flex zeichnen mit Hilfe eines integrierten Chips 24 Stunden am Tag alle Bewegungen und Schritte des Trägers auf. Die Kosten der Bänder bewegen sich zwischen 100 und 180 Euro. Die Daten werden per App ans Smartphone oder Tablet weitergegeben. Jede Kalorie, die man verbraucht und zu sich nimmt, kann aufgezeichnet werden. Allerdings ist das Kalorienzählen nicht immer ganz einfach. Denn vor dem Essen muss man das Smartphone am Tisch zücken, um die einzelnen Bestandteile und Mengen der Mahlzeit einzugeben und die Kalorien zu berechnen. Die Daten fließen auf Internet-Plattformen in Diagramme, Effizienzkurven und SollIst-Analysen. Sogar die Schlafzeiten werden gespeichert, ebenso die Schlafbewegungen. Wer will, kann sich in virtuellen Gruppen zusammenschließen und hat auch Zugriff auf die Daten der anderen Teilnehmer und kann vergleichen, wer der Fitteste ist. Das Nike-Band arbeitet autark und zeigt sofort per Farb-LED an, in welchem Bereich sich der Träger am Tag bewegt hat: im grünen (10 000 Schritte), im gelben (5000 Schritte) oder im roten (unter 3000) Bereich. Zur Zielgruppe der digitalen Gesundheitsgeräte gehören vor allem technikaffine Menschen. Die so genannte Digital-Health-Bewegung kommt – wie kann es anders sein – aus Kalifornien. Hollywood-Stars wie die Schauspielerin Gwyneth Paltrow sind als erste mit den bunten Bändchen gesichtet worden, inzwischen tragen auch deutsche Topmanager wie Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, und Anshu Jain, Ko-Chef der Deutschen Bank, die Bänder. Männer bevorzugen meist dezentes Schwarz. Das Signal, das diese Bänder ausstrahlen: Der moderne Leistungsoptimierer tut alles, um das Beste aus sich und seinem Körper herauszuholen. Der Fitnesscoach und Sportwissenschaftler Steffen Kramer begegnet den so genannten „Self-Trackern“ immer häufiger in seinen Seminaren. Mit seiner Firma Meisterleistung berät Kramer rund 50 Unternehmen beim Gesundheitsmanagement ihrer Mitarbeiter – vom Bandarbeiter bis zur Führungskraft. „Die Klientel, die solche Bänder trägt, ist vorwiegend männlich, zwischen 40 und 50 Jahre alt und oft in einer Führungsposition“, beobachtet er. Self-Tracker erfassen sämtliche Daten von sich – http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 3 von 7 Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 und sind regelrechte Kontrollfreaks, so Kramer. Firmen wie Jawbone, Fitbit oder der Sportartikel-Hersteller Nike waren Vorreiter bei den Fitness-Armbändern. Inzwischen drängen immer mehr Anbieter auf den Markt. Der Mobilfunk-Marktführer Samsung setzt mit seiner neuen Uhr Galaxy Gear fit ganz auf den Fitnessfaktor: die Mischung aus Fitness-Armband und Smartwatch misst den Puls, checkt E-Mails und gibt die Zeit an. Auch Apple will noch in diesem Jahr mit einer iWatch auf den Markt kommen – unklar ist, ob Fitness-Funktionen integriert sind. Erst am Dienstag kaufte der US-Chipriese Intel für geschätzt 100 Millionen Dollar den kleinen Armbandhersteller Basis Science. In dem rasch wachsenden Gesundheitsmarkt sehen Mobilfunk- und Elektronikfirmen großes Potenzial. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney prognostiziert digitalen Fitnessgeräten ein enormes Wachstum: Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 427 Millionen Euro für mobile Gesundheitsträger ausgegeben, bis 2017 soll sich der Umsatz verdoppeln. Der Lauftrainer: zu viele Daten, zu wenig Überblick Der Lauftrainer Thomas Wessinghage steht der digitalen Vermessung des Körpers skeptisch gegenüber. „Ich glaube nicht, dass diese Datenflut der Weisheit letzter Schluss ist“, sagt der 5000-Meter-Europameister von 1982. Der Mediziner, Buchautor und Seminarleiter arbeitet auf herkömmliche Weise mit schriftlichen wöchentlichen und monatlichen Trainingsplänen und bezweifelt den Nutzen der digitalen Geräte. „Für mich ist der Überblick über die Trainingsbelastung in einer Woche oder einem Monat wichtig – ich suche die Antwort nicht im Detail“, sagt der Mediziner, der auch Gesundheitswochen für Manager durchführt. „Ob ich sechs Stunden oder 6,5 Stunden geschlafen habe, ist nicht alles entscheidend“, ist der 60Jährige sicher. Die massive Datenversorgung führe leicht dazu, den Überblick zu verlieren. Allerdings gibt Wessinghage zu: Als Arzt und Lauftrainer würden sich an Hand solcher gesammelten Daten ganz neue diagnostische Möglichkeiten eröffnen. Als ärztlicher Direktor des Medical Park in Bad Wiessee und Professor an der http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 4 von 7 Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement kennt Wessinghage nicht nur die Klientel der leistungsorientierten Freizeitsportler, die oft auch im Beruf zu den Top-Performern gehören und die solchen digitalen Geräten gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Im Klinik-Alltag am Tegernsee hat Wessinghage vor allem mit Patienten zu tun, die sich kaum bewegen und (auch deshalb) starke gesundheitliche Probleme haben. „Unsere Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Die Polarisierung zwischen Menschen, die mit Hilfe von Sport und Ernährung sehr bewusst etwas für sich tun, und Menschen, die sich in diesem Punkt gehen lassen, nimmt immer weiter zu“, sagt der Arzt. Der Sportarzt: Keine exakten Daten, nur Näherungswerte Keinerlei persönliche Erfahrung mit den neuen digitalen Fitnessgeräten hat auch Heiko Striegel, der Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart und leitender Arzt am Olympiastützpunkt (OSP) Stuttgart. „Um den inneren Schweinehund zu überwinden und die Leute zum Laufen zu motivieren, machen solche Fitnessbänder vielleicht am Anfang Sinn“, sagt der Sportmediziner, der auch für Laufanfänger sportmedizinische Eingangsuntersuchungen am OSP macht und individuelle Trainingspläne erstellt. „Allerdings arbeiten solche digitalen Geräte wie auch die Pulsuhren nicht wissenschaftlich sauber, sondern lediglich mit Annäherungswerten“, sagt Striegel, der zugleich stellvertretender ärztlicher Direktor der Abteilung Sportmedizin des Universitätsklinikums Tübingen ist. Eine Laktatleistungsdiagnostik eines erfahrenen Sportmediziners sei mit der relativ oberflächlichen Datenerhebung der digitalen Fitnessgeräte und Apps überhaupt nicht vergleichbar. Zudem sei es bei Übergewicht, körperlichen Vorerkrankungen oder ab Mitte 40 sowieso dringend angeraten, sich erstmal wissenschaftlich durchchecken zu lassen, bevor man sich sportlich stärker betätigen will. Den Trend zum elektronischen Fitnesscoach beobachten auch Krankenkassen. Sie wissen: Wer bewusster und gesünder lebt, wird seltener krank und verursacht weniger Kosten im Gesundheitssystem. Einige Kassen haben langjährige Erfahrung – allerdings mit der einfacheren Variante: dem Schrittzähler. So hat die AOK BadenWürttemberg vor neun Jahren in einem Pilotprojekt mit der Stuttgarter Zeitung die http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 5 von 7 Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 positiven Effekte von mehr Bewegung im Alltag untersucht. Bewegungsarmen Familien sollte damals durch mehr Bewegung im Alltag der Einstieg in eine regelmäßige sportliche Aktivität erleichtert werden. Ein Schrittzähler half als Kontrollgerät und Motivation zugleich. Denn was zählt, um gesünder zu leben, ist mehr Bewegung im Alltag: Treppensteigen, in der Mittagspause spazieren, zur Arbeit laufen oder radeln. Nach einer Studie des Zentrums für Gesundheit der Sporthochschule Köln helfen inaktiven Menschen schon 3000 Schritte mehr am Tag, den Cholesterinspiegel und den Blutdruck zu senken und das Körpergefühl zu verbessern. Der Fitnesscoach Steffen Kramer hat das AOK-Pilotprojekt im Jahr 2005 begleitet und damals gute Erfahrungen mit Schrittzählern gemacht. Die Familie, die er zum Sport gebracht hat, hatte nach einem Jahr deutlich bessere Daten als zu Beginn – und ist auch danach in Bewegung geblieben. In seiner Gesundheits-Beratungsfirma arbeitet er mit ähnlichen, weiter entwickelten Messgeräten. Bei den neuen Fitnessarmbändern und -uhren sieht Kramer vor allem den Spieltrieb im Vordergrund. „Für manche Menschen ist es hilfreich und die Aktivitätsmessung steigert die Motivation, sich zu bewegen“, sagt er. Ob ein solches Gerät das Bewegungsverhalten aber nachhaltig verändere, daran hat er allerdings Zweifel. Was bringt mehr: Das Hightech-Armband mit Datenübertragung oder der einfache Schrittzähler? „In erster Linie geht es um das bewusst machen, dass man sich mehr bewegen sollte“, sagt Wessinghage, „Dazu braucht man keine Details, sondern den Überblick über sein Bewegungspensum und Ernährungsverhalten.“ Sein Appell: Bewegung ohne großen Aufwand im Alltag integrieren. Das sei mit einfachen oder komplizierten Geräten möglich. „Das Armband erinnert mich einfach daran, dass ich ein paar Schritte gehen sollte“, sagt der Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain, der in seinen Alltag als Topmanager kaum Zeit für regelmäßigen Sport einplanen kann. Die Technikfreaks müssen wissen: Die Auswertungen der Fitnessarmbänder und uhren sind nicht wissenschaftlich-seriös. Meist werden Zirka-Werte erfasst. Für http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 6 von 7 Digitale Fitnessgeräte: Die digitale Vermessung des Körpers - Wissen & Computer - Stuttgarter Zeitung 02.04.14 14:34 ambitionierte Freizeitsportler, die ihre Bewegung genau aufzeichnen und sich auf Wettkämpfe vorbereiten wollen, sind sie zu ungenau. Für sie sind Laufuhren mit GPS und Pulsmesser sinnvoller. Und wie viel Zeit man mit der Datenauswertung verbringen will, bleibt am Ende jedem selbst überlassen. In der gewonnenen Zeit kann man ja joggen gehen. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-fitnessgeraete-…vermessung-des-koerpers.79cbc317-24e5-47c9-a81a-eb6bbc3d2e1b.html Seite 7 von 7