In seiner Nähe hatte der Schmutz keinen Platz

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In seiner Nähe hatte der Schmutz keinen Platz
Eine Erzählung zu Eph.5,8b-14
Olaf und Oliver waren Vater und Sohn. Aber grundverschieden. Nicht, was das Äußere betraf.
Wenn nicht der Altersunterschied gewesen wäre, zwillingsgleich sahen sie aus. Oliver konnte
es schon nicht mehr hören: „Das sieht ein Blinder, dass du der Sohn von Olaf bist.“ Er wollte
Oliver sein und nicht ein Abklatsch seines Vaters. Olaf dagegen hörte es gern: „Der Oliver ist
dir wie aus dem Gesicht geschnitten.“ Da konnte jeder sehen, dass Oliver sein Sohn war. Wie
gesagt, im Äußeren waren sie sich sehr ähnlich. Jedoch grundverschieden im Charakter. Wer
die beiden in ihrem Verhalten verglich, konnte über die Verschiedenartigkeit nur den Kopf
schütteln. „Der Oliver kommt ganz nach der Mutter“, sagte man dann. Es mochte wohl auch
so sein. Denn die Mutter war eine ausgesprochen Nette. Es gab manchen Mann, der sie gern
zur Frau gehabt hätte. Und es gab manche Frau, die ein wenig neidisch auf ihre
Ausstrahlungskraft war. Wie diese Frau es mit Olaf aushielt, war ihrem Bekanntenkreis ein
Rätsel. Aber sie hielt es aus. Denn sie liebte dieses Ekel.
Olaf war in seinem Charakter wirklich ein Ekel. Die Familie war das Einzige, was ihm heilig
war. Alles andere und alle anderen waren nur da, um der Mitte der Welt zu huldigen. Und
diese Mitte war er. Wer nicht wollte, wie er, bekam das massiv zu spüren. Jedes Mittel war
Olaf recht, um sich zu behaupten oder sein Ziel zu erreichen. Kein Wunder, dass er wenig
beliebt war. Nachweisen konnte es ihm keiner, aber alle wussten, er hatte dieses bösartige
Gerücht in Umlauf gebracht, das ihm am Ende den besseren Posten im Betrieb einbrachte.
Mitleid war Olaf ein Fremdwort. Was kümmerte ihn schon die Not oder das Problem eines
anderen Menschen. Er hatte mit seinen eigenen Problemen genug. So war seine Meinung. Ein
Problem war die zu kleine Wohnung. Olaf kaufte ein Haus. Die alte Dame sollte das
Wohnrecht behalten. Der Kaufpreis war entsprechend. Er hatte mit der Frau kein Erbarmen.
Sie wollte so gern in dem Haus sterben, in dem sie geboren und gelebt hatte. Sie starb im
Seniorenheim. Nur mit Oliver kam er nicht klar. Der wollte einfach nicht, wie er wollte. Im
Gegenteil, Oliver brachte es sogar fertig, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen.
Oliver war tatsächlich ganz anders als Olaf. Das hing aber nicht mit der mütterlichen
Vererbung oder gar ihrem Einfluss zusammen. Obwohl zugegebenermaßen seine Mutter ein
umgänglicher Typ war und manches wieder ins rechte Lot brachte, was durch Olaf zu Streit
und Missgunst geführt hatte. Oliver war vielmehr durch seine Frau in eine Gemeinde
gekommen und Christ geworden. War er zunächst nur mitgelaufen, um seine damalige
Freundin nicht zu verlieren, hatte es ihn bald gepackt. Für ihn war es klar, ein Leben ohne
Jesus kam für ihn nicht mehr infrage. Und dieses Leben mit Jesus lebte er auch. „Du, mit
deiner Kirchenrennerei“, warf ihm sein Vater erbost vor, „wirst noch eines Tages merken,
dass dir das nichts bringt.“ Dabei musste Olaf zugeben, dass im Betrieb sehr lobend über
Oliver gesprochen wurde. Er war wirklich sehr beliebt. Selbst der Chef gab etwas auf sein
Wort. Und dieser war dabei nie schlecht gefahren. Auf Oliver war Verlass. „Ich wünschte, du
würdest noch vor deinem Sterben Gott begegnen, damit du nicht erst in der Ewigkeit erfahren
musst, dass dir dein Leben nichts gebracht hat, mir das Kirchenrennen dagegen sehr viel.“ So
hatte er damals seinem Vater geantwortet. Olaf sprach das Thema nicht mehr an. Oliver lebte
sein Leben als Christ. Sein Glaube zeigte sich schon an der Art, wie er mit seiner Frau
umging. Nicht, dass es nicht auch Streit gegeben hätte. Aber er hielt sich an das Wort
„Vergebt einander, wie auch Christus euch vergeben hat.“ Sein Glaube führte ihn zu jener
alten Dame, die auf so schändliche Art von seinem Vater aus dem Haus vertrieben wurde.
Oliver und seine Frau waren oft bei ihr oder unternahmen Ausflüge mit ihr. Sie war den
jungen Leuten unwahrscheinlich dankbar. Sein Glaube zeigte sich auch, als Oliver eines
Tages bemerkte, wie ein Kollege immer die unangenehmsten Aufgaben bekam, nur weil er
sich nicht dagegen aufzulehnen wagte. „So geht das nicht, liebe Leute“, sagte er in einer
gemeinsamen Pause. „Der Werner hat ein Recht, auch einmal eine leichtere Arbeit zu tun.“
Sein Wort hatte Gewicht. Werner tat seine Arbeit nicht mehr mit so viel Lustlosigkeit.
Sein Glaube ließ ihn nicht schweigen, als jemand ernsthaft behauptete, der Pastor würde
seinen Dienst nur als einträgliches Geschäft sehen und hätte keinen Glauben.
Oliver machte aus seinem Christsein kein Geheimnis. Nicht immer war das den Leuten
angenehm. Aber eines mussten alle zugeben. In seiner Gegenwart musste anders miteinander
umgegangen werden. Irgendwie hatte man Angst, der eigene Schmutz könnte ans Tageslicht
kommen.
Volker Schädlich
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