GESCHICHTE DER PHARMAKOGNOSIE ANBAU, VERARBEITUNG UND QUALIFIZIERUNG DER DROGEN PHYTOTHERAPIE Ágnes Alberti Institut für Pharmakognosie 16. 02. 2017 / 23. 02. 2017 THEMATIK DER VORLESUNG Die Historie der Pharmakognosie Produktion, Anbau, Einsammlung, Verarbeitung der Heilpflanzen Gruppen der auf Heilpflanzen basierenden Produkte Qualifizierung der Heilpflanzen Pharmazeutische Bücher Therapeutische Anwendung der pflanzlichen Drogen Phytotherapie Evidenzbasierte Medizin (ESCOP, EMA Monografien) 2 PHARMAKOGNOSIE pharmacon = Heilmittel, Gift gnosis = Kenntnis Kenntnis über Nachweis, chemische Strukturen, Biosynthese, Gewinnung, Analytik, Eigenschaften und Verwendung biogener Wirkstoffe Getrocknete oder aufbereitete Pflanzen oder Pflanzenteile, die als Arzneimittel, zur Herstellung von Arzneizubereitungen oder von Reinsubstanzen verwendet werden. Unorganisierte Pflanzenteile, die aus Pflanzen gewonnen werden (Harze, ÄÖ, Milchsaft etc.) Produkte aus tierischen Organen (tierische Drogen) 3 GESCHICHTE DER PHARMAKOGNOSIE Ebers Papyrus in Ägypten (1600 v. Chr.) Sammlung von Rezepturen Beschreibungen von Krankheiten, deren Symptomen und Diagnosen Anweisungen für Behandlungen und Zubereitung für Heilmittel Der Papyrus enthält Kapitel über Darm-Erkrankungen und Parasiten, Augenund Hautprobleme, Empfängnisverhütung und gynäkologische Erkrankungen, Herz und Gefäße, Depressionen, Zahnheilkunde, die operative Behandlung von Abszessen und Tumoren. 4 TRADITIONELLE CHINESISCHE MEDIZIN (TCM) die „fünf Säulen“ der chinesischen Therapie: Arzneitherapie, Akupunktur, Massagetechniken, Bewegungsübungen und die Diätetik Chinesische Arzneimitteltherapie: überwiegend pflanzliche Mittel, mineralische oder tierische Arzneien zum kleineren Teil als wässrige Abkochungen (Dekokte) verordnet fast nie als Einzelmittel – zu einer Rezeptur zusammengestellt geeignete Arzneimittelkombinationen und Synergismen die Wirkung der Arzneimittel wird durch unterschiedliche Aufbereitungsverfahren beeinflusst 5 DIE CHINESISCHE HEILPFLANZENKUNDE Traditionen sind auf die Spätere Han-Dynastie zurückzuführen. (die Späte Han-Dynestie regierte das Kaiserreich China von 23/25–220) Das „Grundbuch Materia Medica” hat die Beschreibung von Pflanzen in Mittelpunkt gesetzt. 252 Titelwort pflanzlicher 45 mineraler 67 tierischer Herkunft Unter jedem Titelwort wurden die Arzneien nach Geschmack ausgewertet. Die therapeutischen Möglichkeiten der einzelnen Heilpflanzen wurden bekannt gegeben. 6 Die Toxizität wurde auch registriert. HEILKUNDE IM ALTERTÜMLICHEN EUROPA – ANTIKES GRIECHENLAND Hippokrates (460-377 v. Chr.) 7 Bücher: basierten auf die altgriechische Volksheilkunde Beifuß, Zwiebel, Mandel, Senfkorn, Zimt, Tüpfelfarn, Weihrauch, Mohn Theophrastos (371-286 v. Chr.) „Historia plantarum” - 9 Bücher „De Causis Plantarum” - 6 Bücher Klassifizierungen, Beschreibungen: z.B. Koriander, Kalmus die ersten Werke, die sich mit Pharmakognosie beschäftigten 7 HEILKUNDE IM ALTERTÜMLICHE EUROPA – ANTIKES GRIECHENLAND Galenos von Pergamon (129/131-199/201) man muss die Heilpflanzen am Ort vom Anbau studieren, eigenhändig einsammeln, sowie verschiedene Formen der Medikamente zubereiten Galenus-Präparate: Tee, Infus, Dekokt, Mazerat, Tinktur (Extrakt mit Wasser und Alkohol), Salben, Pflaster, Pulver Dioskorides „De Materia Medica” (Arzneimittellehre) - systematische und ausführliche Beschreibung der Heilpflanzen Heilmittel überwiegend pflanzlicher, aber auch mineralischer und tierischer Herkunft Katzenwurzel, Wacholder, Mehlbeere, Adonisröschen, Tausendgüldenkraut 8 MITTELALTERLICHE MEDIZIN - KLOSTERMEDIZIN Karl der Grosse König des Fränkischen Reichs verordnete Klöstern und auch Städten das Anlegen von Kräutergärten und vorschrieb verbindlich die darin zu züchtenden Pflanzen (capitulare de villis) Salbei, Wermut, Fenchel, Schlafmohn, Liebstöckel, Kerbel, Flohkraut, Betonie, Rettich und Minze Klostermedizin basiert vor allem auf der Phytotherapie und der klösterlichen Wasserheilkunde seit dem Frühmittelalter wurden die Hospitäler von den Klöstern betrieben Mönche und Nonnen verfügten über Kenntnisse zur Heilwirkung von Kräutern und Heilpflanzen Rezeptsammlungen, Werke über Kräuterheilkunde, Beschreibungen von Heilpflanzen und die ihnen zugeschriebenen 9 Wirkungen ABŪ ALĪ AL-HUSAIN IBN ABDULLĀH IBN SĪNĀ (980-1037) persischer Arzt, bekannt (latinisiert Avicenna) unter dem Namen Ibn Sina Der Qānūn at-Tibb (Kanon der Medizin) ist sein berühmtestes Werk. Die Materia Medica („Medizinisches Material“): Beschreibungen von Heilpflanzen, mit Angaben zu deren Anwendung und Wirksamkeit z.B. Schierling (Conium), Tschomorik, Eisenhutblume und sonstigen Gewürz- und Harzpflanzen. bestäubende, schmerzstillende Wirkung: Belladonna, Salatenkern, Zimt, Mandragora, Opium, Kälte (Frost) zum Abwaschen der Wunde: Wein milde Laxante wurden in die Heilkunde eingeführt: Kammonenharz, Sennablätter, Aloesaft, Manna, geschrumpelte Pflaumen aus Damaskus, Rhabarber 10 Er erfand die Wasserdampfdestillation, um Öle zu erzeugen. PHILIPPUS THEOPHRASTUS AUREOLUS BOMBASTUS VON HOHENHEIM PARACELSUS, ARZT IN BASEL (1493-1541) das Prinzip „Quinta essentia”Grundsatz der Pharmachemie Auffinden von Heilmittelträgern und alchemistischer Techniken zur Extraktion der darin enthaltenen Wirkstoffe Übereinstimmung zwischen dem Menschen als Mikrokosmos und der Welt als Makrokosmos äußere Eigenschaften wie Form und Farbe von Pflanzen zeigen die Wirkung, z.B. Pflanzen mit herz-, leber-, lungenförmigen Blättern wirken auf die entsprechenden Organe z.B. herzförmige Blüten sollen gegen Herzkrankheiten, stachelige Disteln gegen Stechen in der Brust wirken. 11 NEUZEIT 1553. Gründung des ersten Institut für Pharmakognosie (Padua) - Prof. Francesco Buonafede Pharmakobotanische Lehrstühle: Italien, Niederlande, Frankreich 1804. Setürner, deutscher Pharmazeut; Isolation von Morphium Gründer der Alkaloiden-Chemie 1820. Pelletier und Caventou herstellten das Chinin 12 ANBAU, VERARBEITUNG UND QUALIFIZIERUNG DER DROGEN 13 DROGE IM PHARMAZEUTISCHEN SINN Wirkstoffe werden meist in bestimmten Organen der Pflanze angereichert getrocknete Pflanzen, Pflanzenteile Blatt (folium), Laubblätter Blüte (flos), Einzelblüten, Blütenstände Frucht (fructus), Früchte oder Teile davon Wurzel (radix) Rhizom (rhizoma) Tuber (Knolle), bulbus (Zwiebel) Samen (semen), Samen oder nur Teile Kraut (herba), oberirdische Teile oder Sprossspitzen Holz (lignum), Kern- oder Splintholz Rinde (cortex), Stamm-, Wurzelrinde (Borke) 14 NOMENKLATUR VON DROGEN Pflanzenteil + Bezeichnung der Stammpflanze ÖAB: Radix Gentianae Ph.Eur.: Gentianae Radix Systematischer Pflanzenname: Gattung + Art (Gentiana lutea, Atropa belladonna) Gentianae radix – Belladonnae folium wenn es zur Verwechslung kommen könnte → Angabe von Gattung und Art, z.B.: Digitalis lanatae folium, Digitalis purpureae folium 15 HERKUNFT DER ROHDROGEN Pflanzliche Drogen werden von wildwachsenden oder kultivierten Arzneipflanzen gewonnen. 1. Wildsammlungen: ca. 2/3 der Arten stammen aus Wildsammlungen (Heterogenität!) Unterschiedliche Qualität Endogene und exogene Einflüsse Nachteile: Wirkstoffgehalt und –zusammensetzung unbekannt (Analysen) Verunreinigungen durch Pestizide/Herbizide, Schwermetallbelastung, Umweltbelastung (Sammelort! Straßenrand?), Schädlinge Naturschutzbestimmungen – Artenschutz! Gute Pflanzenkenntnisse nötig (Verwechslung, Verfälschungen) 16 Schlechte Trocknung (enzymatische Reaktionen, Pilzbefall) ANBAU VON ARZNEIPFLANZEN – KULTUREN I. 1/3 der Arten, aber ca. 50% des Drogenbedarfs stammen aus der Kultur Direkte Aussaat (Kümmel, Fenchel, Kamille) Jungpflanzen (Eibisch, Baldrian, Rhabarber) Vegetative Vermehrung (Teilung unterirdischer Organe, Ausläufer = Stolone, Stecklinge) bei Vorliegen von Hybriden, bei schlecht keimenden Samen (Pfefferminze, Huflattich) Ein-, zwei- und mehrjährige Kulturen (Bilsenkraut – einjährig; Baldrian – zweijährig; Lavendel, Ginseng – mehrjährig) Tropische, Zonen subtropische Anbaugebiete, gemäßigte 17 ANBAU VON ARZNEIPFLANZEN – KULTUREN II. Vorteil: Homogene Drogenqualität, hoher Wirkstoffgehalt, gleichmäßige Wirkstoffzusammensetzung, genetische Selektion, Wahl des Erntezeitpunktes, Trocknungsverfahren Nachteil: Monokultur – Schädlingsbefall, Krankheiten (Blattpilze, Viruserkrankungen), Zerstörung der gesamten Kultur möglich Gründe für Kulturen: Wildvorkommen kann Drogenbedarf nicht mehr decken Naturschutzbestimmungen einiger Länder verbieten das Sammeln durch Züchtung und Kultur: hochwertige Rassen lassen sich bessere Ernteerträge und Drogen mit gleich bleibenden und zum Teil höheren Wirkstoffgehalten erhalten klimatisch günstige Bedingungen können ausgenützt werden Gefahr von Drogenverwechslungen und Verfälschungen ist 18 minimiert BEEINFLUSSUNG DES WIRKSTOFFGEHALTES UND DER ZUSAMMENSETZUNG Temperatur (Atropa belladonna max. bei 26 °C; Pflanzen mit ätherischen Ölen: in warmen Klimazonen höherer Gehalt, THCGehalt in heißem Sommer höher) Bodenbeschaffenheit (tonig, lehmig, sandig, moorig) Einfluss auf Wuchs, Wirkstoffgehalt Düngung (Stickstoffdünger meist Steigerung der Wirkstoffproduktion) Licht (Langtag-, Kurztagpflanzen, UV-Bestrahlung) Feuchtigkeit (Hydrophyten, Hygrophyten, Xenophyten) Höhenlage (Cocapflanze, Chinabaum > 1000m) Vegetationsperiode (Ontogenese, Wirkstoffgehalt, Zusammensetzung kann variieren) Einfluss von Licht/Entwicklung Verlauf der Blattentwicklung bei Pfefferminze: Menthol, Methylacetat → alte Blätter, Langtagpflanzen Menthon, Menthofuran → junge Blätter, Kurztagpflanzen 19 ZÜCHTUNG VON ARZNEIPFLANZEN Ziel: Pflanzensorten mit bestimmter Qualität, wie bessere Drogenausbeuten, höherer Wirkstoffgehalt, konstante Wirkstoffzusammensetzung und/oder bessere Resistenz gegen Schädlingsbefall, gleiche Wuchshöhe, gleichmäßiges Blühstadium oder Reife sowie bessere Anpassungsfähigkeit Wichtige Methoden: Selektionszüchtung (chemische Varietäten, chemische Rassen) → Selektion von Pflanzenindividuen nach Wirkstoffgehalt und – Zusammensetzung gewünschter Qualität durch Selbstbefruchtung oder Fremdbefruchtung unter Einschränkung der freien Bestäubung eine Nachkommenschaft mit bestimmten günstigen Eigenschaften zu erhalten Kreuzungszüchtung (Hybridisierung, dann chininreiche Cinchona-Sorten, Hybridlavendel) Mutationszüchtung (Genund Polyploidmutanten durch Colchicin z.B.) Klonung – 20 Genommutation, GRUNDSÄTZE DER BIOTECHNOLOGIE Die durch die Heilpflanzen synthetisierten speziellen Stoffwechselprodukte können mit traditionellen chemischen Methoden kaum oder nur mit zu großen Unkosten syntetisiert werden. natürliche Stoffe zu pharmazeutischen Zwecken mittels biotechnologischer Methode herstellen durch Gentransformation hergestellte sog. „hairy root” Kulturen: unbegrenztes Wachstum auf hormonenfreiem Nährboden genetisch stabil bessere Wirkstoffproduktion im Verhältnis zu den 21 traditionellen Gewebekulturen EINFÜHRUNG FREMDER GENE MIT EINEM VEKTOR HAIRY ROOT-KUTLUREN I. Übertragung mit Bakterien und Viren: Die Pflanzen werden an der Stelle des Anschweißens mit Agrobacterium rhizogenes infiziert. Im Laufe der Infektion kommt der Bakterium-Plasmid zum Teil in die pflanzliche Zellen durch, und die sogenannte Transfer-DNA (T-DNA) wird in den Nucleus eingebaut. Im Falle einer erfolgreichen Gentransformation bildet an der Stelle der Infektion vom A. rhizogenes „hairy root” (d. h. haarige Wurzel). 22 EINFÜHRUNG FREMDER GENE MIT EINEM VEKTOR HAIRY ROOT-KUTLUREN II. Einführung von Genen, die vorteilhafte Eigenschaften tragen, in die pflanzliche Zelle Vorteile: genetische Stabilität, unbegrenzter Wachstum auf hormonenfreiem Nährboden, höherer Wirkstoffgehalt im Verhältnis zu anderen Gewebekulturen, Synthetisieren von Verbindungen, die für die Mutterpflanze nicht typisch sind. Agrobacterium rhizogenes: gewöhnliches Bodenbakterium überträgt as Erbmaterial zwischen Pflanzenarten Die noch unklaren Risikofaktoren müssen in Rücksicht genommen werden. 23 ERNTE I. Erntebedingungen: Blüten, Blätter, Kräuter nie während oder kurz nach Regenperiode ernten, wegen Auswaschen von Glykosiden, Alkaloiden, lang dauernder Trocknungsprozess (enzymatische Reaktionen) Pflanzen mit ätherischen Ölen nie bei Sonnenstrahlung ernten oberirdische Anteile: kurz vor oder zur Blütezeit unterirdische Organe: in der Ruheperiode der Pflanzen (Herbst bis Frühjahr) Rinden zu Beginn des Saftstroms (Wirkstoffgehalt hoch, leicht ablösbar) Maschinenernte – mit Hand geerntet im Frühjahr (Rinden, Weißdornfrüchte, Birkenblätter) 24 ERNTE II. Blätter + Kraut: kurz vor oder während der Blütezeit; nach Blütenperiode: z.B. Alkaloidgehalt bestimmter Pflanzen sinkt ab Blüten: vor oder während der Bestäubungszeit, zur Zeit der vollen Entfaltung (Caryophylli flos / Gewürznelken: im Knospenstadium) Früchte + Samen: zur Zeit der Vollreife Wurzeln + Rhizome: nach Abschluss oder vor Beginn der neuen Vegetationsperiode Hölzer: v.a. von älteren Bäumen (Rinde von jungen Bäumen), Unterschied Splint-Kernholz 25 TROCKNUNG natürliche Bedingungen (im Freien, in Räumen), auf Horden, Vermeidung von Sonnenbestrahlung, Trocknungszeit so kurz wie möglich Trocknungsanlagen: Anwendung von Temperatur Blütendrogen: 35-40° Blatt-, Kraut- und Samendrogen: 45-50° Wurzeldrogen: 50-60° Restwassergehalt: Blüten 8-15% Blätter 8-15% Früchte 13-20% Wurzeln 8-14% Rinden 5-10% Samen ca. 10% 26 TROCKNUNG UND STABILISIERUNG Stabilisierung: Durch erneute Wasseraufnahme bei der Lagerung setzt Enzymtätigkeit wieder ein → bei leicht veränderlichen Wirkstoffen ist Denaturierung der Enzyme erforderlich (Behandlung mit gespannten Wasserdampf, mit siedendem Alkohol, heiße Luft im Trockenschrank bei 100°C) enzymatische Reaktionen: Oxidation, Spaltung von Estern und Glykosiden, Racemisierung → Qualitätsminderung In Einzelfällen erwünscht: Frangulae cortex (durch Oxidation mildes Purgans), Ausbildung des Aromas (Theae folium, Vanillae fructus) Frischpflanzen Nicht lagerfähig → Trocknung zur Droge (Wasserentzug, Restfeuchte 5-20%) 27 LAGERUNG Lagerung in trockenen Räumen (relative Feuchte max. 60%, enzymatische Reaktionen!, chemische Veränderungen) Lagertemperatur < 25°, möglichst konstant Lichteinfluss vermeiden (Radikalbildung) nicht zusammen mit flüchtigen Chemikalien lagern formstabile Behälter besser als Säcke Gefäße aus Porzellan, Glas, oder Weißblech (Polyethylen oder Polypropylen ungeeignet: für flüchtige, lipophile Stoffe durchlässig, geeignet: Aluminumfolie, Pergamin- oder Zellophanbeutel 28 VERARBEITUNG Ganzdrogen (z.B. Frangulae cortex totus) Zerkleinerungsgrade, Form: concisus (conc., geschnitten) pulvis, pulveratus (pulv., pulverisiert – Siebgröße) contusus (cont., zerquetscht, z.B. Kümmel) crudus (crud., roh, ungeschält) depuratus (dep., gereinigt; z.B. Styrax: nach Verletzung des Amberbaumes gebildete Balsam. Styrax crudus ist eine dickflüssige, klebrige, undurchsichtige, graubraun gefärbte Masse. Styrax depuratus ist eine braune, viskose, in dünner Schicht durchscheinende Flüssigkeit.) electus (elect., ausgelesen, nach äußeren Kriterien; z.B. Crocus electus) mundatus (mund., geschält, z.B. Althaeae radix/Eibischwurzel) naturalis (nat., naturbelassen) raspatus (rasp., geraspelt, Holzspäne) recens (rec., frisch; z.B. Myrtilli fructus recens/frische Heidelbeere) siccatus (sicc., getrocknet; z.B. Myrtilli fructus siccatus/getrocknete Heidelbeere) Vorteile der Zerkleinerung: geringes Transportvolumen Packungsdichte bei Extraktion besser Beschleunigung des Extraktionsverfahren 29 ARZNEIBÜCHER OFFIZIELLE – NICHT OFFIZIELLE DROGEN Offizielle Drogen = in Arzneibücher aufgenommene Drogen und daraus hergestellte Zubereitungen / Reinstoffe (Monographien); d.h. die Drogen sind in Monographien beschrieben und mit genauen Prüfvorschriften versehen. Monographie: Prüfung auf Qualität, Identität, Reinheit, Gehalt der Wirkstoffe/Wirkwert (Ph.Eur., ÖAB, DAB, Ph. Helv.) nicht offizielle Drogen: (sind meist Drogen mit noch ungenügend bekannten Inhaltsstoffen oder solche mit geringen pharmakologischen Wirkungen), keine gesetzlich verbindlichen Prüfvorschriften → Drogenhandbücher mit Drogenbeschreibungen und Prüfvorschriften, DAC (Deutscher Arzneimittelcodex), Handbücher Lebensmittelchemie (keine30 Monographien!) QUALITÄTSSICHERUNG offizielle / nicht offizielle DROGEN und Zubereitungen, Phytotherapeutika SINNESPRÜFUNG (Geruch, Geschmack, Farbe,…) MAKROSKOPISCHE BETRACHTUNG (Behaarung,…) MIKROSKOPISCHE BETRACHTUNG (Kristalle, Behaarung,…) CHEMISCHE UNTERSUCHUNGEN Arzneibuch 31 PRÜFUNG AUF QUALITÄT Identitäsprüfung Reinheitsprüfung (Verfälschung, Verunreinigung) Gehaltsbzw. Wertbestimmung (physikalisch-chemisch, biologisch) → Standardisierung, Qualitätskontrolle DURCHFÜHRUNG DER ANALYSE FÜR IDENTITÄTSPRÜFUNG PROBEZIEHEN (richtige Probenmenge) – Zerkleinerung (Siebgrößen) EXTRAKTIONSVERFAHREN Flüssigextraktion, Wasserdampfdestillation TRENNVERFAHREN Flüssig-Flüssig-Verteilung (Schütteln, …) chromatographische Verfahren (DC, GC, HPLC) fraktionierte Destillation, Sublimation Kristallisation 32 PRÜFUNG AUF REINHEIT Anteil fremder Bestandteile: vorgegebene zulässige Höchstmenge, Aschengehalt, Trocknungsverlust Kontamination mit Bakterien und Pilzen: kann bei unsachgemäßer Trocknung stark zunehmen, Freiheit von sichtbaren Schimmelpilzen, Grenzwerte für Arzneidrogen pro Gramm (für Teezubereitung) Rückstände von Pestiziden: (Schädlingsbekämpfungsmittel) EU-Richtlinien: Menge, die täglich ohne Bedenken aufgenommen werden kann) Insekticide (Insektenvertilgungsmittel), Herbicide (Unkrautvertilgungsmittel), Fungicide (pilztötende Mittel), Rodenticide (Mittel gegen Nagetiere) Entwesungs- und Entkeimungsmittel Schwermetalle: aus dem Boden oder Luft Bakterien- und Mycotoxine: Gehalt an Aflatoxinen einzuhalten33 Radioaktive Isotope GEHALTS- ODER WERTBESTIMMUNG Droge, Zubereitung Extraktion → Destillation, Extraktion Reinigung → Verteilung, Fällung, DC Gesamtwirkstoff gravimetrisch, massenanalytisch, photometrisch, GC, HPLC, DCRemission, polarographisch, polarimetrisch, usw. Trennung ↓ Einzelwirkstoffe 34 Aufbau und Inhalt einer Drogenmonographie der Ph.Eur. – 1. BEZEICHNUNG / TITEL Titel: die landessprachliche Bezeichnung der Droge; z.B. Baldrianwurzel Untertitel: die lateinische Bezeichnung; setzt sich aus der botanischen Bezeichnung der Pflanze im Genitiv und der Bezeichnung des Pflanzenorgans zusammen; z.B. Valerianae radix verschiedene Drogen derselben Gattung → Gattungs und Artname wird auch verwendet (z.B. Sennae fructus angustifoliae bzw. Sennae fructus acutifoliae) DEFINITION DER DROGE • Stammpflanze • Pflanzenorgan: Angabe des Pflanzenteils, evtl. ein bestimmter Erntezeitpunkt (für die Qualität erforderlich, z.B. „während der Blütezeit“ gesammelt); Angabe, ob die Droge frisch oder getrocknet verwendet wird; • Zerkleinerungsgrad der Drogen: z.B. ganze Droge, grob geschnitten, gepulvert, usw. (Einfluss auf den Gehalt an empfindlichen Inhaltsstoffen: Menge und Zusammensetzung) • Gehalt: die Forderung bezüglich eines bestimmten Inhaltsstoffes bzw. einer Inhaltsstoffgruppe (mit einer Mindestforderung) Baldrianwurzel besteht aus den unterirdischen, getrockneten Organen von Valeriana officinalis L. s.l. Die Droge umfasst den Wurzelstock, die Wurzeln sowie die Ausläufer und enthält mindestens 4 ml/kg– 1 ätherisches Öl sowie mindestens 0,17% Sesquiterpensäuren, berechnet als Valerensäure. Digitalis-purpurea-Blätter bestehen aus den getrockneten Blättern von Digitalis purpurea L. Die Droge enthält mindestens 0,3% Cardenolidglykoside, berechnet als Digitoxin (Mr 765) und bezogen auf die bei 100–105 °C getrocknete Droge. IDENTITÄTSPRÜFUNGEN EINER DROGENMONOGRAPHIE DER PH.EUR. – 2. Eigenschaften sensorische Eigenschaften: Farbe, Geruch, usw. In der Beurteilung und Prüfung der Drogen geben sie Hinweise zur Identität und Reinheit. IDENTITÄT Das Ziel dieser Prüfung ist, die Droge eindeutig zu identifizieren. Die Identität wird durch eine makroskopische, mikroskopische Prüfung und häufig mittels dünnschichtchromatographischer Nachweise oder auch durch chemische Farbreaktionen überprüft. Makroskopische Prüfung eine morphologische Beschreibung der Ganzdroge und/oder der Schnittdroge auch die Unterscheidungsmerkmale zu fremden Drogen, nichterlaubten Pflanzenteilen Mikroskopische Prüfung 36 Die Ph.Eur. beschreibt die mikroskopische Untersuchung der Pulverdroge. DÜNNSCHICHTCHROMATOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNG: GINKGOBLÄTTER (PH.EUR.) Dünnschichtchromatographische Prüfung Eine weitere Möglichkeit, Drogen auf Identität zu prüfen, bietet die Dünnschichtchromatographie (DC). Das Prinzip der Prüfung besteht in der dünnschichtchromatographischen Auftrennung eines geeigneten Drogenauszuges und im Nachweis charakteristischer Drogeninhaltsstoffe durch Laufhöhe, Fluoreszenz oder Verhalten gegenüber Farbreagenzien. Die Orientierung auf dem DC erfolgt durch Co-Chromatographie von chemischen Einzelsubstanzen. Orientierung bietet die Pharmakopöe durch eine Beschreibung des DC, wobei die Zonen in Relation zur Laufhöhe von Referenzsubstanzen beschrieben werden; in den neueren Monographien sind sie tabellarisch aufgeführt. 37 REINHEIT I. Prüfung auf Fremde Bestandteile: erfolgt durch Betrachten, Auslesen der fremden Bestandteile und Bestimmung des Prozentgehaltes an Beimengung Das Arzneibuch versteht unter „Fremden Bestandteilen“ fremde Pflanzen und Beimengungen wie Schimmel, Insekten, andere tierische Verunreinigungen und mineralische Stoffe, die nicht der Definition der Droge entsprechen. Trocknungsverlust/Wassergehalt: der Trocknungsverlust wird durch Trocknen bei 105 °C ermittelt ein wichtiger Parameter für die Haltbarkeit von Drogen: die Drogen, nicht ausreichend getrocknet, sind anfällig für Mikroorganismen, insbesondere für Schimmelpilze frisches Pflanzenmaterial hat je nach Organ einen relativ hohen Wassergehalt – Kraut- und Blattdrogen: 70–85%, Wurzel- und Holzdrogen: weniger; getrocknete Handelsdrogen: 5-15%; idealerweise sollte bei ca. 12% liegen 38 REINHEIT II. Asche (Sulfatasche, salzsäureunlösliche Asche) Unter Asche versteht man die nichtflüchtigen Anteile, die beim Verbrennen und anschließenden Glühen einer Droge zurückbleiben. Die salzsäureunlösliche Asche ist definiert als der Rückstand, der nach Extraktion der Sulfatasche oder der Asche mit Salzsäure erhalten wird, bezogen auf 100 g Droge. Mit dieser Prüfung erkennt man nichtflüchtige, mineralische Bestandteile, die entweder als Verunreinigung (z.B. Erde, Sand bei Wurzeldrogen) oder als Verfälschung (z.B. bei Eibischwurzel als Schönungsmittel) enthalten ist. normalerweise kleine Anteile an salzsäureunlöslicher Asche (< 1%); kieselsäurehaltige Drogen: höchstens 20% ; z.B. Schachtelhalmkraut Extraktgehalt: die Menge an extrahierbaren Stoffen, die aus einer Droge mit einem bestimmten Lösungsmittel herausgelöst werden können. Der Rückstand in Prozent nach Abdampfen des Lösungsmittels ergibt den Wert für diese Kennzahl. Spezielle Prüfungen: z.B. Ermittlung der Quellungszahl (z.B. Flohsamen), die Bestimmung des Färbevermögens (z.B. Hibiscusblüten) oder des Bitterwertes (z.B. Enzianwurzel) GEHALT ein wichtiges Qualitätsmerkmal (Angaben in der Definition) z.B. Rhabarberwurzel (Rhei radix) besteht aus den getrockneten, ganzen oder geschnittenen unterirdischen Teilen von Rheum palmatum L., Rheum officinale Baillon oder Hybriden beider Arten oder deren Mischung. Die Droge enthält mindestens 2,2% Hydroxyanthracen-Derivate, berechnet als Rhein (C15H8O6; Mr = 284,2) und bezogen auf die getrocknete Droge. Mindestwerte haben Gültigkeit nur in Verbindung mit der in der betreffenden Drogenmonographie angegebenen Analysenvorschrift. Die Gehaltsbestimmungen der Pharmakopöen können erfassen: • Gruppen von Inhaltsstoffen (Anthranoide, ätherische Öle, Flavonoide, Gesamtalkaloide, Triterpenglykoside) • Einzelstoffe (Harpagosid in der Teufelskrallenwurzel; Morphin und Codein im Opium) Die Inhaltsstoffe, die quantitativ bestimmt werden, bedingen die pharmakologische Wirkung der Drogen; z.B. Anthranoidgehalt (Hydroxyanthracengehalt) der Sennesblätter korreliert mit der Stärke der Laxanswirkung. Leitstoffe / Leitsubstanzen: Inhaltstoffe, die phytochemisch die Droge charakterisieren, deren therapeutischer Stellenwert jedoch unbekannt ist; Inhaltsstoffe, bei denen keine direkte Beziehung zwischen Gehalt und Wirkung bestehen (pharmazeutisches Qualitätskriterium) HERSTELLUNG DER PHYTO-ARZNEIEN THERAPEUTISCHE ANWENDUNG DER PFLANZLICHEN DROGEN PHYTOTHERAPIE; TRADITIONELLE UND EVIDENZBASIERTE MEDIZIN (ESCOP, EMA MONOGRAFIEN) 41 ZUBEREITUNGEN AUS ARZNEIDROGEN Presssaft (Frischpflanze) Destillate (ätherische Öle) unorganisierte Pflanzenextrakte (Sekrete, Exkrete) Reinsubstanzen (Wirkstoffe), Wirkstoffkomplexe aus Drogen Tinktur (Tropfen, alkoholischer Auszug) Fluidextrakt Extrakt (Spezialextrakt) Teegetränk (zum sofortigen Gebrauch) Mazerat; Infus, Aufguss; Dekokt, Abkochung Instant-Tee (sprühgetrocknet), Granulat-Tee (Drogenextraktlösungen auf festes Trägermaterial: Zucker als Hilfsstoff) 42 Bad, Inhalationen, Auflage, Wickel, Polster PFLANZLICHE ARZNEIZUBEREITUNGEN Unter pflanzlichen Arzneizubereitungen versteht man die sog. galenischen Mittel (Galenika): Arzneimittel, die durch einfache Manipulationen hergestellt werden. z.B. Sirupe / Zuckersäfte: Sirupus aurantii (Orangen-Sirup), Sirupus rubi idaei (Himbeer-Sirup) Im einfachsten Fall besteht die Zubereitung einer Droge in der Zerkleinerung. Die zerkleinerte Droge kann, beispielsweise mit Honig vermischt, eingenommen werden. In der Regel werden aber als Ergebnis der Zubereitung unerwünschte Bestandteile entfernt und andere Stoffe hinzugefügt. z.B. ein Infus (Teeaufguss) enthält zum Unterschied von der infundierten Droge keine Gerüststoffe der Droge, es enthält Wasser als für den Verwendungszweck erwünschten zusätzlichen Bestandteil Bei der Verarbeitung von Drogen werden oft Schritte eingeschaltet, die der Beseitigung inerter, pharmakologisch unwirksamer Stoffe / Ballaststoffe dienen. die Eliminierung inerter Stoffe wirksamkeitsbestimmender Prinzipien = eine Anreicherung 43 ZUBEREITUNGEN AUS FRISCHPFLANZEN – FRISCHPFLANZENPRESSSÄFTE Zur Herstellung von Frischpflanzenpresssäften dürfen außer Wasser keine weiteren Lösungsmittel verwendet werden. Pflanzensäfte werden nur von Arzneipflanzen hergestellt, die keine stark wirksamen Inhaltsstoffe besitzen, z.B. Granatäpfel, Artischockenblütenknospen Sie enthalten die wasserlöslichen Inhaltsbestandteile der Pflanze, aber nur geringe Anteile an lipophilen Stoffen. für die Presssaftherstellung nur frische Pflanzen (keine getrockneten Drogen; Drogen in der Nähe der Produktionsstätte kultiviert oder gesammelt) Produktionsprozess: Reinigung + Entfernung von Fremdbestandteilen Ausgangsmaterial Häckseln, Raspeln, usw. Behandlung mit Wasserdampf (Enzyminaktivierung) Saftgewinnung: mit Drücken von bis 250 bar Zentrifugieren (Ballaststoffe gehen verloren) Echinacea purpurea Ultrahochkurzzeiterhitzung (Uperisation bei ca. 130 °C): Sterilisierung (lange Haltbarkeit) Kühlung (thermolabile Pflanzeninhaltsstoffe) TEEDROGEN UND TEEGEMISCHE angemessen zerkleinerte Einzeldrogen oder Drogenmischungen werden verwendet, aus denen sich trinkbare Aufgüsse herstellen lassen der Wirkstoffgehalt der Droge ist unbekannt die Extraktion ist nicht präzise steuerbar die Dosierungsgenauigkeit ist nicht ausreichend kein Teegetränk aus Drogen herstellen, die toxikologisch bedenkliche Stoffe enthalten, wie z.B. die Mistel oder die Eibe nur solche Drogen verwenden, die Wirkstoffe mit einer großen therapeutische Breite enthalten 45 TEEZUBEREITUNGEN 2-5 g Droge mit 100-150 ml Wasser extrahieren nach der Art der Extraktion unterscheidet man drei Zubereitungsarten: • Aufguss (Infus): Die Droge wird mit kochendem Wasser übergossen; das Gefäß wird zugedeckt; nach 5–10 min abseihen. z.B. Blütedrogen, Blattdrogen, Kamillenblüten, Pfefferminzblätter Drogen mit ätherischen Ölen – • Abkochung (Dekokt): Die Teemischung mit kaltem Wasser ansetzen, zum Sieden bringen, 5–10 min lang leicht kochen und abseihen. z.B. Rinde- und Wurzeldrogen, Kieselsäuredrogen – Schachtelhalmkraut • Kaltauszug (Mazerat): Die Teemischung mit Wasser übergießen, 6–8 h lang bei Raumtemperatur ziehen lassen und abseihen. Das Mazerat kann kalt getrunken werden oder es kann vor dem Trinken auf Trinkwärme gebracht werden. z.B. Schleimdrogen – Leinsamen, Eibischwurzel 46 Instant-Tee (sprühgetrocknet), Granulat-Tee (Drogenextraktlösungen auf festes Trägermaterial: Zucker als Hilfsstoff!) EINFACHE NICHTWÄSSRIGE DROGENAUSZÜGE TINKTUREN, FLUIDEXTRAKTE Tinkturen sind flüssige Extrakte, die durch Mazeration, Perkolation unter Verwendung von Ethanol geeigneter Konzentration hergestellt werden. Tinkturen werden üblicherweise aus 1 Teil Droge und 5 oder 10 Teilen Extraktionsflüssigkeit hergestellt. Abhängig von der Droge schwankt das Verhältnis Droge zu fertiger Tinktur (Droge-Extrakt-Verhältnis; DEV) innerhalb des Bereiches 1:4-1:4,5 oder 1:7-1:9. Fluidextrakte sind wie Tinkturen flüssige Extraktformen, jedoch mit abweichendem Droge-zu-Extrakt-Verhältnis, das i. A. 1:1 (m/m oder m/V) beträgt. Fluidextrakte können durch Mazeration oder Perkolation unter ausschließlicher Verwendung von Ethanol geeigneter Konzentration oder von Wasser hergestellt werden. Fluidextrakte können als arzneilich wirksamer Bestandteil in Säften, in Tropfen oder in Salben dienen. Arzneiliche Öle sind Zubereitungen, die Arzneistoffe in nichttrocknenden Ölen (z.B. Olivenöl, Erdnussöl, Mandelöl) gelöst oder suspendiert enthalten z.B. Knoblauchölmazerate, Johanniskrautöl, Arnikablütenöl Die mit Öl aus Drogen extrahierbaren Stoffe sind fette Öle, fettlösliche Vitamine, Phytosterole und Phytosterolester, lipophile Mono- und Sesquiterpene. PFLANZENINHALTSSTOFFE I. Wirksubstanzen („active substance, active pharmaceutical ingredient”): wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe; im isolierten Zustand ergeben sie den gleichen oder ähnlichen Effekt wie der Gesamtextrakt z.B. Anthranoide (Sennoside, Aloine), Alkaloide (Atropin), herzwirksame Glykoside (Digitoxin), Silymarin Pharmazeutisch relevante Inhaltsstoffe („active marker“): wirksamkeitsmitbestimmende Substanzen; ergeben im isolierten Zustand nicht den gleichen Effekt wie der Gesamtextrakt, sind aber für die Gesamtwirkung des Extraktes (Droge) mitverantwortlich (z.B. Bisabolol in Kamille, Flavonoide im Weißdorn) Leitsubstanzen („analytical marker“): chemisch definierte Inhaltsstoffe, Inhaltsstoffgruppen in Drogen, die zum Zweck der pharmazeutischen Qualitätssicherung verwendet werden; dienen ausschließlich analytische Zwecken spezifische Leitsubstanzen sollten verwendet werden, z.B. Valerensäure Inerte Begleitstoffe: keine bekannten Funktionen im Hinblick auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit oder die pharmazeutische Qualität 48 PFLANZLICHE EXTRAKTIVSTOFFE II. • wirksame Inhaltsstoffe: an die die therapeutischen Eigenschaften der Droge ganz oder zum überwiegenden Teil gebunden sind z.B. Anthranoide in den Sennesblättern, Cardenolide in den Digitalisblättern • erwünschte Begleitstoffe: die die Einnahme erleichtern, die Resorption fördern oder die Stabilität von spezifischen Wirkstoffen erhöhen z.B. Flavone und Flavonole erhöhen die Stabilität von Ascorbinsäure in Hagebuttenauszügen, Ascorbinsäure hemmt die Oxidation des labilen Hyperforins in Hypericum-perforatum-Extrakten • unerwünschte Extraktionsstoffe: unerwünschte Wirkungen sind verantwortlich für z.B. Pyrrolizidinalkaloide in Extrakten aus Huflattichblättern und Beinwellkraut sind hepatotoxisch und mutagen; andere Gifte, Karzinogene, Mutagene, Allergene 49 Trockenextrakte Einteilung von Trockenextrakten nach der PhEur: Standardisierte Extrakte: Der Wirkstoff im Fertigprodukt ist ein Extrakt mit wirksamem Inhaltsstoff (z.B. Arbutin) oder Inhaltsstoffgruppe (z.B. Anthranoide in Sennesextrakten) mit einem festgelegten/eingestellten Gehalt. z.B. eingestellter Sennesblättertrockenextrakt – Sennae folii extractum siccum normatum (Ph.Eur.): Eingestellter Sennesblättertrockenextrakt wird aus Sennesblättern (Sennae folium) hergestellt und enthält mindestens 5,5 und höchstens 8,0% Hydroxyanthracen-Glykoside, berechnet als Sennosid B und bezogen auf den getrockneten Extrakt. Quantifizierte Extrakte: Der Wirkstoff im Fertigprodukt ist ein Extrakt mit Gehaltsspannen mehrerer „pharmazeutisch relevanter Inhaltsstoffe“ („active markers“; z.B. Hypericin in Johanniskrautextrakten), oder Inhaltsstoffgruppen (z.B. Procyanidine in Weißdornextrakten) Andere Extrakte: Der Wirkstoff im Fertigprodukt ist ein Extrakt mit einer vorgegebenen DEV-Spanne. Die Qualität der Extrakte wird ausschließlich durch den Herstellprozess bestimmt („product by process“); z.B. Passiflorae herbae extractum siccum. 50 PHYTOPHARMAKA (PHYTOTHERAPEUTIKA, PFLANZLICHE FERTIGARZNEIMITTEL) Arzneimittel, die als wirksame Bestandteile Pflanzen oder Pflanzenteile in rohem oder verarbeitetem Zustand enthalten chemisch isolierte, definierte Reinsubstanzen aus pflanzlichen Ursprungs (wie Menthol, Cineol, Digitoxin, Morphin, Colchicin) werden nicht als pflanzliche Arzneimittel eingestuft Wirkstoff ist der Extrakt!!! (pflanzliche Vielstoffgemische) Zubereitungen aus derselben Pflanze können je nach verwendetem Herstellungsverfahren eine unterschiedliche Zusammensetzung haben. Ihre Herstellung erfolgt analog der Herstellung anderer pharmazeutischer Produkte unter Anwendung von GMP-Standards. Pflanzliche Fertigarzneimittel werden hinsichtlich Identität, Reinheit, Gehalt und ihrer Stabilität geprüft. Pflanzliche Produkte, die nicht als Phytopharmaka eingestuft werden: Homöopathika, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika, Therapie-Ergänzungsmittel (Bachblüten, Methoden der Komplementärmedizin) 51 PHYTOPHARMAKA • Präparate mit „conventional extracts“ als Wirkstoff: Sie sind altbewährt, monographiekonform und werden in Monographien der Ph.Eur., der Kommission E, von ESCOP, der WHO und der EMA beschrieben. Hierbei handelt es sich oft um sog. Familien- oder Rahmenmonographien. Das bedeutet, dass in Bezug auf den Gehalt, das Auszugsmittel und das Herstellverfahren gewisse Spannen akzeptiert werden. Die Anwendung von „conventional extracts“ beruht auf langjähriger Erfahrung und Sicherheit. Entsprechende Phytopharmaka werden aufgrund bibliographischer Unterlagen zugelassen („well-established medicinal use“). • Präparate mit „non-conventional extracts“ als Wirkstoff („refined oder purified extract“): Sie werden als Innovatorpräparat bezeichnet und basieren in der Regel auf neuen Extrakten, die oft Spezialextrakte („refined oder purified extracts“) darstellen. Ihre Anwendung beruht noch nicht auf langjähriger Erfahrung und Sicherheit. Ihre Zulassung erfolgt deshalb auf Basis eines Volldossiers, d. h. mit allen erforderlichen pharmakologisch/toxikologischen und klinischen Studien. 52 PHYTOPHARMAKA IM EIGENTLICHEN SINN Vollzulassung § 11 bzw. § 13 (2) AMG (Zulassungsnummer!) Qualität Wirkung(en) Wirksamkeit: klinische Studien, bibliographische Daten Unbedenklichkeit Deklaration der Phytopharmaka Art des Wirkstoffes (Droge, Tinktur, Extrakt) DEV (Droge-Extrakt-Verhältnis) Art und Konzentration des Extraktionsmittels Indikation(en) Menge des Wirkstoffes (Extraktes) pro Einzeldosis Wirksame Tagesdosis des Extraktes 53 BESONDERHEITEN DER „PHYTOPHARMAKA“ Anwendung seit Jahrzenten/Jahrhunderten (erleichterte Zulassung nach § 17a AMG Wirkstoff = Extrakt = Vielkomponentengemisch „herbal shotgun” mehrere Angriffspunkte „magic bullet” ein Zielpunkt (Enzym/Rezeptor) Wirkprinzipien: z.T. noch nicht alle bekannt Akzeptanz bei der Bevölkerung: Patientenurteil wissenschaftliche Meinung 54 PHYTOTHERAPIE – MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN keine Therapie in der Notfallmedizin Alternativ- und/oder Supportivtherapie bei milden bis moderaten Krankheitsbildern Anspruch auf Wirksamkeitsnachweis synthetischen Produkten gleichwertig zu Wirksamkeit manchmal erst nach einigen Tagen erkennbar → längere Latenzzeit (bis zu 14 Tagen) Zumeist geringe Nebenwirkungen → Einsatz bei Kindern, Patienten mit mehreren Krankheiten !! Phytopharmaka sind nicht nebenwirkungsfrei !! 55 Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA, European Medicines Agency) eine Agentur der Europäischen Union, die für die Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig ist koordiniert laufende Bewertung und Überwachung aller Human- und Tierarzneimittel zentrale Rolle in der Arzneimittelzulassung in der Europäischen Union im zentralisierten Verfahren gestellte Zulassungsanträge Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Committee for 56 Herbal Medicinal Products, HMPC) REGISTRIERUNG TRADITIONELLER PFLANZLICHER ARZNEIMITTEL traditionelle pflanzliche Arzneimittel: seit mindestens 30 Jahren verwendet werden, einschließlich mindestens 15 Jahre in der EU, ohne ärztliche Überwachung verwendet werden sollen z.B. Calendula officinalis L; Echinacea purpurea L., Moench; Foeniculum vulgare Miller subsp. vulgare var. dulce (Miller) Thellung; Mentha x piperita L. Arzneimittel benötigen eine Zulassung, bevor sie in der EU auf den Markt gebracht werden dürfen. lange Verwendungsgeschichte: vereinfachtes Registrierungsverfahren, das aber gleichzeitig die nötige Gewähr für Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit bietet RICHTLINIE ÜBER PFLANZLICHE ARZNEIMITTEL (RICHTLINIE 2004/24/EG) Das vereinfachte Verfahren ermöglicht die Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel, einschließlich chinesischer und ayurvedischer pflanzlicher Arzneimittel ohne Sicherheitstests und klinische Versuche, deren Durchführung der Antragsteller nach dem vollständigen Zulassungsverfahren nachweisen muss. Statt dessen braucht der Antragsteller für die Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel nur hinreichend zu belegen, dass das Arzneimittel seit mindestens 30 Jahren, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union, medizinisch verwendet wird. Aufgrund der langen Tradition des Arzneimittels besteht eine geringere Notwendigkeit für diese Tests und Versuche; sie können durch Unterlagen ersetzt werden, aus denen hervorgeht, dass das Erzeugnis unter bestimmten Verwendungsbedingungen nicht schädlich ist und dass seine Wirksamkeit aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel ist. 58 EMA MONOGRAPHIEN 59 EUROPEAN SCIENTIFIC COOPERATIVE PHYTOTHERAPY (ESCOP) o o o o europäischer Dachverband Gesellschaften für (Pflanzenheilkunde) ON der nationalen Phytotherapie Erstellt durch ein wissenschaftliches Komitee Monografien zu Arzneidrogen, um den wissenschaftlichen und regulatorischen Status von pflanzlichen Arzneimitteln in Europa zu harmonisieren. Monografien zu Heilpflanzen: Wirkung, Anwendungsbereiche und Dosierungen werden wissenschaftlich beschrieben ESCOP koordiniert das Programm zur Erarbeitung von Standards für die sichere und wirksame Anwendung pflanzlicher Arzneimittel sowie das Meldesystem für unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Phytopharmaka. 60