H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 Atropa bella-donna L., Tollkirsche † Solanaceae Gebräuchliche Pflanzenteile: DAB. 6 1 : „Die zur Blütezeit gesammelten und getrockneten Laubblätter von Atropa belladonna Linné.“ Erg.-B. 6 2 : „Die frühestens vor dem Abblühen (Ende Juli) von der drei- bis vierjährigen Pflanze gesammelten und ungeschält getrockneten Wurzeln und Wurzeläste von Atropa Belladonna Linné.“ HAB. 2 3 : „Frische Pflanze, zur Zeit der beginnenden Blüte.“ Außerdem finden in der Homöopathie (HAB. 2) die unreifen und reifen Beeren sowie die fr ische, im Herbst gesammelte Wurzel und die getrockneten Samen Verwendung. Handelsbezeichnungen: Radix Belladonnae, Tollkirschenwurzel; Folia Belladonnae, Tollkirschenblätter; Fructus Belladonnae, Tollkirschenfrüchte; Semen Belladonnae, Tollkirschensamen. Botanik: Der Wurzelstock dieser mehrjährigen Solanacee ist dick, walzlich, verästelt, außen braungelb und mit einer bis zu 100 cm langen, starken Pfahlwurzel versehen. Der aufrechte, ästig verzweigte Stengel wird bis 150 (200) cm hoch. Er ist stumpfkantig und oben fein behaart. Die Laubblätter sind eiförmig oder elliptisch, zugespitzt, ganzrandig, kurzgestielt. Auf der Oberseite sind sie dunkelgrün, auf der Unterseite etwas heller und flaumigbehaart, zum Teil mit ± violett überlaufenen Hauptnerven. Die gestielten Blüten befinden sich einzeln in den Blattachseln und hängen etwas über. Die glockig-röhrige Blumenkrone wird 2,5–3,5 cm lang, ist außen braunviolett oder purpurrot-grünlich, innen schmutziggelb und purpurrot geadert und mit abgerundeten, etwas zurückgerollten Lappen versehen. Der Kelch ist fünfspaltig, die Zipfel sind eiförmig und zugespitzt. Blütezeit : VI, VII (VIII). Nach HEGI ist die Blüte proterogyn; eine F r e m d b e s t ä u b u n g wird außerdem dadurch begünstigt, daß die Narbe die Antheren überragt. Das von oben in die Blüte eindringende Insekt muß also zuerst die Narbe berühren. Letztere und ein Teil der Antheren liegen der unteren Wand der Kronröhre auf, so daß sie von den besuchenden Insekten mit der Bauchseite berührt werden müssen. Der Inhalt der oberen Antheren, die demnach für die Kreuzbestäubung kaum in Betracht kommen, soll beim Ausbleiben der letzteren der spontanen S e l b s t b e s t ä u b u n g dienen. KERNER (zit. nach HEGI ) gibt an, daß bei jungen Blüten, die sich eben geöffnet haben, die Narbe in der Mitte der Blütenkrone steht, die Antheren dagegen deren Wänden angelehnt sind. Sehr bald nach erfolgter Bestäubung welkt die Blüte, und der Griffel fällt vom Fruchtknoten ab. Eine genaue Beschreibung der Bestäubungsverhältnisse der Tollkirsche hat HEINECK4 gegeben. UDE bezeichnet den Blütenbesuch an den Beständen in Leipzig-Probstheida nur als spärlich. Er konnte aber dennoch im Verlaufe einer längeren Beobachtungszeit 27 Insektenarten feststellen. Ob nun in allen Fällen ein unmittelbarer Zusammenhang der Tiere mit der Pflanze bestanden hat, kann trotz alledem nicht mit Sicherheit angenommen werden. Marienkäfer hatten sich an den zeitlich getrennt liegenden Beobachtungstagen in wechselnder Häufigkeit zur Abwehr der Blattläuse eingefunden. Festgestellt wurden vier Arten: Coccinella septempunctata L., Propylaea 14-punctata L., Coccinella 11punctata L. und Adalia bipunctata L. Honigbienen wurden in Leipzig-Probstheida trotz längerer Beobachtungszeit entgegen anderen Behauptungen nur ganz selten an den Blüten gesehen. Im übrigen waren die Hautflügler eigenartigerweise nur noch durch die Blattwespe Pachyprotasis rapae L. vertreten. Von Fliegen konnten fünf Arten gezählt werden, und zwar die beiden Schlammfliegen Eristalis arbustorum L. und Eristalis tenax L., die Aasfliege Scatophaga stercoraria L., und die beiden Musciden Pollenia rudis F. und Scopeuma stercoraria L. 1 DAB. 6 = Deutsches Arzneibuch, 6. Ausgabe 1926. 2 Erg.-B. 6 = Ergänzungsbuch zum Deutschen Arzneibuch, 6. Ausgabe 1926. Berlin 1941. 3 HAB. 2 = Homöopathisches Arzneibuch, 2. abgeänderte Aufl. Leipzig 1934. 4 HEINECK: Der Verlauf des Blütenlebens bei Atropa Belladonna L. Naturwissensch. Wochenschr. N. F. VII, S. 377f. (1908); zit. nach HEGI . Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003 H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 Die von August bis Oktober reifende Frucht ist eine kugelige, saftige Beere, die fast einer kleinen Kirsche gleicht. Sie sitzt auf einem sternförmigen Kelch, und ist zunächst grün, später glänzend schwarzviolett. Der stark giftige Fruchtsaft ist violettfarbig. Der Geschmack der sehr giftigen Früchte ist süßlich. Die S a m e n sind nieren- bis eiförmig, zum Teil aber auch fast kreisrund. Gegen die Ansatzstelle zu sind sie stark zusammengezogen. Der Keimling ist gekrümmt, die Testa ist netzig- grubig. Die Länge der Samen beträgt etwa 2 mm, die Breite bis 1,7 mm. Die Samenfarbe ist meist dunkelbraun bis braun, die der gelbfrüchtigen Varietät ist etwas heller. Atropa bella-donna ändert nur wenig ab. HEGI nennt var. lutea Döll (= var. flava Pater?). Die Blüten, Beeren und Samen dieser Varietät sind grünlichgelb. PATER 5 unterscheidet noch eine weitere, als var. intermedia bezeichnete Form, die bezüglich der Farbe in der Mitte zwischen den schwarz- und gelbfrüchtigen Pflanzen steht. Die Pflanzen dieser Form sind in allen Teilen in der Farbe heller als die des schwarzfrüchtigen Typus. Alle Organe von Atropa bella-donna enthalten Alkaloide, und zwar als wichtigstes l- Hyoscyamin, daneben Atropin u. a. Die Pflanze und ihre Drogen sind stark giftig. Boden und Klima: Die Tollkirsche bevorzugt Urgesteins- und Kalkboden. Ihr häufig vergesellschaftetes Vorkommen mit der Rotbuche (Fagus silvatica L.) wird in Zusammenhang mit der Vorliebe der Buche und der Tollkirsche für Kalk gebracht. In der Kultur gedeiht Atropa bella-donna sehr gut auf tiefgründigem, lockerem, humosem und kalkhaltigem Lehmboden. Etwas feuchte Lagen werden bevorzugt. Wildwachsend findet sei sich von der Ebene bis in die montane Stufe. Der Alkaloidgehalt ist u.a. abhängig vom Standort. Pflanzen auf schwerem Boden und in höheren Lagen sollen besonders alkaloidreich sein. Als eine Halbschattenpflanze besiedelt sie besonders gern Waldlichtungen und Kahlschläge. Den Belichtungsverhältnissen des Standortes paßt sie sich gut an. So gedeiht sie auch in sonnigen Lagen. Auf dem offenen Versuchsfeld in Leipzig-Probstheida wächst Atropa belladonna sehr gut, und es wird eine alkaloidreiche Droge gewonnen. AUSTER-SCHÄFER6 zufolge entwickelten die Pflanzen in sonniger Lage zwar kleinere Blätter, dafür aber soll der Alkaloidgehalt der Sonnenblätter weit höher als der der größeren Schattenblätter sein. Nach anderen Autoren wiederum sollt eine Beschattung der Pflanzen eine Steigerung des Wirkstoffgehaltes zur Folge haben. So berichtet ZHUKOVSKY7 über Versuche, bei denen er unter den klimatischen Bedingungen des Kamenez-Podolks-Distriktes durch Verminderung der Belichtung eine Steigerung der Atropin- Ausbeute um 29–49% erzielte. Nach einer neueren Arbeit von GASSTEW und P ELECHOWA8 wurden obige Angaben bestätigt. Ganz allgemein ist man der Meinung, daß der Alkaloidgehalt in Jahren mit warmem und sonnigem Wetter höher ist als in Jahren mit kühlerer und feuchterer Witterung. Herkunft und Verbreitung: Die Tollkirsche ist wildwachsend verbreitet in den waldigen Gegenden in ganz Europa, und zwar häufig im südlichen und westlichen Gebiet, außerdem in Teilen Asiens, besonders Nordasiens, und in Nordafrika; in Nordamerika kommt sie adventiv vor. 5 PATER, B.: „Pharmaz. Zhalle“ 6 (1922); zit. nach HEGI . 6 A USTER, F. u. SCHÄFER, J.: Arzneipflanzen. 3. Lieferung, Heft 8/9, Leipzig 1953. 7 ZHUKOVSKY, M. Z.: Inst. bot. ukrain. Akad. Nauk. URSR. Nr. 11, 153 bis 159 u. engl. Zusammenfassung 160 (1937); ref. in M ADAUS, „Mitteilungen für biologische Therapie“ 10/11, S. 219 (1938). 8 GASSTEW , N. Ss. und PELECHOWA, Je. N.: Der Einfluß von Licht und N-haltigen Verbindungen auf den Alkaloidgehalt von Belladonna. Agrobiologie 1953, Nr. 1, S. 94 bis 95, Jan./Febr. Pjatigorsk, Pharmatzeut. Inst.; ref. in „Chem. Zbl.“ 124, S. 7572 (1953). Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003 H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 Herkünfte des Drogenhandels: Herkunftsgebiete der Drogen von Atropa bella-donna sind u. a. die UdSSR, CSR, die Balkanländer, Österreich und Ungarn. Auch in Frankreich, England und den USA (besonders Kalifornien) wird Atropa bella-donna angebaut. In Deutschland erfolgt der Anbau verschiedenenorts großflächig. Sorten und Herkünfte für den Anbau: Die ‚Schwarz- und Gelbfrüchtige Tollkirsche’ werden im Handel als zwei Landsorten geführt. Letztere soll alkaloidreicher sein als die erstere, doch gehen die Meinungen hierüber auseinander. Einzelbefunde der Blatternte LeipzigProbstheida ergaben nur geringe Unterschiede hinsichtlich des Gesamtalkaloidgehaltes. Die Blätter der schwarzfrüchtigen Landsorte hatten einen solchen von 0,655%, die der gelbfrüchtigen von 0,716% aufzuweisen. Letztere ist etwas weniger frostempfindlich als die schwarzfrüchtige. Züchterisch sind frohwüchsige, blattreiche Sorten mit einem hohen Wertstoffgehalt anzustreben. Saatgut: Das 1000-Korngewicht der ‚Schwarzfrüchtigen Tollkirsche’ betrug nach unseren Untersuchungen 0,966 bis 1,330 g, das der ‚Gelbfrüchtigen’ 0,671–1,150 g. Die Mindestreinheit von Handelssaatgut sollte 95% betragen, die Mindestkeimfähigkeit 75%. Die Samen keimen sehr verschieden. Die „Technischen Vorschriften für die Prüfung von Saatgut“ schreiben Wechseltemperatur vor, wobei die Samen entweder als Dunkel- oder Lichtkeimer zu behandeln sind. Der Keimversuch wird nach 28 Tagen abgeschlossen, und die Keimschnelligkeit soll bereits nach zehn Tagen festgestellt werden. Diese Termine halten wir für zu kurz bemessen, da die Samen sehr langsam, oft erst nach Monaten, keimen. Nach Untersuchungen von KINZEL 9 ist die Keimung stark vom Licht abhängig. Innerhalb von 30 Monaten keimte im Dunkeln nur 1%, im Licht dagegen keimten in vier Monaten bereits 38%. Die weitere Keimung begann auffallenderweise erst nach zwei Jahren. Starke Abkühlung konnte nach KINZEL keine Beschleunigung des Keimungsverlaufes herbeiführen, während SIEVERS 10 jedoch das Gegenteil behauptet. Durch eigene Untersuchungen konnten die von Kinzel getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Lichteinflusses bestätigt werden, wie nachfolgende Werte veranschaulichen: Keimfähigkeit verschiedener Herkünfte von Atropa bella-donna nach 28 Tagen Herkunft Petrischale, Zimmertemperatur, Licht % Petrischale, Zimmertemperatur, dunkel % Keimapparat* , Wechseltemperatur, Licht % Keimapparat* , Wechseltemperatur, dunkel % Typus Atropa bella-donna L. Korneuburg 9 0 34 15 Geisenheim 5 7 0 2 5 42 35 32 5 5 Typus Atropa bella-donna L. var. lutea Döll Korneuburg 77 Geisenheim 67 * Keimapparat System Rodewald 9 KINZEL, W.: Frost und Licht als beeinflussende Kräfte bei der Samenkeimung. Stuttgart 1913, S. 89; zit. nach HEGI . 10 SIEVERS, A. F.: Weitere Beobachtungen über die Keimung von Tollkirschensamen. „American. Journ. Pharm.“ 89, S. 203 bis 213 (1917); zit. nach HEGI . Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003 H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 Nur die Samen vom Typ Atropa bella-donna L. der Herkunft Geisenheim machten eine Ausnahme, indem die im Dunkeln keimenden Samen eine etwas höhere (+ 2%) Keimfähigkeit aufzuweisen hatten als die unter Lichtzutritt keimenden Samen. LWOW und JAKOWLEWA11 stellten eine Erhöhung der Keimfähigkeit fest, wenn die Samen von Atropa bella-donna während der Wintermonate stratifiziert wurden. Auch nach den Ausführungen von SIEVERS wird durch Frosteinwirkung die Keimung gefördert. Letzterer empfiehlt die Behandlung der Samen mit Wasserstoffsuperoxyd. Nach AUSTER-SCHÄFER 12 führte eine Behandlung der Samen weder mit Wasserstoffsuperoxyd noch mit Schwefelsäure zu einer Beschleunigung der Keimung. Anbau: Fruchtfolgemäßig dürfte es ratsam sein, Atropa bella-donna nach mit Stallmist gedüngten Hackfrüchten oder direkt in Stalldung anzubauen. Nach unseren Erfahrungen eignen sich für die Aussaat vor allem Samen vollreifer, natürlich getrockneter Früchte. Die Pflanzenanzucht erfolgt auf Freilandsaatbeeten oder in Kästen, wobei die Aussaat im Herbst oder Frühjahr vorgenommen wird. Mit gutem Erfolg können im Herbst bis Frosteintritt entweder die getrockneten Beeren oder die Samen ausgesät werden. Wir verwenden zur Aussaat die Samen, die als Lichtkeimer nur wenig mit Erde bedeckt werden. Das Anzuchtbeet wird gartenmäßig hergerichtet, der Samen in 25 cm Reihenabstand sehr flach ausgedrillt und anschließend leicht zugeharkt. Die Verwendung einer Markiersaat, z. B. Winterraps, kann angebracht sein, um im Frühjahr ein rechtzeitiges Hacken zu ermöglichen. 2–3 kg gut keimfähiges Tollkirschensaatgut genügen für eine Anzuchtfläche von 1000 qm. Bei einem Vermehrungsverhältnis von etwa 1:10 erhält man somit die Pflanzen für 1 ha. Bei Herbstaussaat schein auch nach unseren Beobachtungen Frosteinwirkung auf die Same n von günstigem Einfluß auf die Keimfähigkeit zu sein. Trotzdem läuft die Saat im Frühjahr of noch ungleichmäßig auf. Zu beachten ist auch, daß die Samen viel Feuchtigkeit zum Keimen benötigen. Bei starkem Aufgang sind die Pflanzen auf dem Saatbeet zu vereinzeln. Im Mai/Juni werden dann die jungen, aber kräftig entwickelten Pflänzchen in einem Abstand von 50 × 40 cm auf ihren eigentlichen Standort verpflanzt. Wirtschaftlicher ist das Verbleiben der jungen Sämlinge im Saatbeet bis zum Herbst oder Frühjahr und die Verpflanzung im März/April des kommenden Jahres nach Überwinterung im Saatbeet oder im Einschlag. Das mit Tollkirsche zu bestellende Feld muß sorgfältig vorbereitet sein. Zu bedenken ist, daß die Pflanzen Tiefwurzler sind. Auch eine Anzucht im Frühbe e t ist möglich. Die jungen Pflanzen werden dann pikiert und, wenn sie gekräftigt sind, im Mai/Juni ins Freiland verpflanzt. Gelegentlich erfolgt die Vermehrung durch Wurzelstocksteilung. Die Pflegearbeiten bestehen in guter Bodenlockerung und Unkrautbekämpfung. Ein Winterschutz ist angebracht. Die Überwinterung der jungen Pflanzen birgt ein gewisses Risiko in sich. Aus diesem Grund läßt man gelegentlich die Sämlinge der Herbstaussaat im zweiten Winter noch im gut abgedeckten Freilandssaatbeet stehen und pflanzt sie dann im zeitigen Frühjahr (März/April) aus, nachdem sie vorher auf etwa 7 cm Länge zurückgeschnitten wurden. Von den Pflanzen der Anzuchtfläche ist etwa im Juli ein Laubschnitt möglich, der am besten mit der Sichel in etwa 20 cm Höhe erfolgt. Ein zweiter Schnitt wäre bei normaler Entwicklung etwa im September möglich, ist aber nicht immer ratsam, da sich ein solcher unter mitteldeutschen Anbauverhältnissen für die Überwinterung der Jungpflanzen als nachteilig erwiesen hat. Letztere Anbaumethode eignet sich besonders gut für den feldmäßigen Anbau. Über den Einfluß der Düngung auf den Alkaloidgehalt ist man verschiedener Meinung. 11 LWOW , N. A. and JAKOWLEWA, S. W.: Investigation into the seeds of officinal and aromatic plants. Bull. of App. Botany, Genetics and Plantbreeding 23, Heft 1, 1930. 12 loc. cit. S. 292. Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003 H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 CROMWELL 13 stellte an Wasserkulturen fest, daß Stickstoff als Asparagin, Hexamethylentetramin oder Ammoniumsulfat verabreicht, eine Alkaloidzunahme bedingte, während als Kalziumnitrat oder Kaliumnitrat verabreicht, eine Alkaloidabnahme festzustellen war. Sind Reservekohlenhydrate verfügbar, dann soll auch Kaliumnitrat von günstiger Wirkung sein. Im Zusammenhang hiermit steht die Annahme, daß aus den Eiweißabbauprodukten die Alkaloide entstehen. Bekanntgewordene Ergebnisse von Düngungsversuchen aus früheren Jahren, die unter natürlichen Anbauverhältnissen durchgeführt wurden, zeigten wohl eine Förderung des Pflanzenwachstums, aber dafür einen nachteiligen Einfluß hinsichtlich der Alkaloidausbeute. Nach neueren Untersuchungsbefunden von GSTIRNER13 erzielte dieser mit Volldüngung den höchsten Massen- und Alkaloidertrag, bezogen auf die Anbaufläche. Bei Folia Belladonnae wirkte sich die Kalidüngung besonders günstig aus. Auch wir erzielten auf dem Versuchsfeld in Leipzig-Probstheida bei Volldüngung gehaltreiche Drogen. Zur Blattgewinnung empfiehlt es sich, die K2 O-Gabe etwas reichlich zu bemessen. Nach dem ersten Schnitt soll noch eine Kopfdüngung mit leichtlöslichem Stickstoff gegeben werden. Kompost, der nach dem Absterben der oberirdischen Pflanzenteile vor Eintritt des Winters verabreicht wird, ist von günstiger Wirkung auf das Pflanzenwachstum im Frühjahr. Ernte: Nach der Vorschrift des DAB. 6 hat die Blatternte zur Blütezeit zu erfolgen. Nach Untersuchungen von TORRES 14 stieg der Alkaloidgehalt maximal bis zum September an und sank dann im Oktober nur wenig ab. Regenwetter zur Erntezeit wirkt sich nachteilig aus. Die Blatternte sollte daher nur während einer Schönwetterperiode möglichst in den Vormittagsstunden nach dem Abtrocknen erfolgen. Die Meinungen über die günstigste Tageszeit der Ernte sind verschieden. Sie gehen dahin, daß die beste Zeit die Morgenstunden sind, da um diese Zeit der Alkaloidgehalt am größten sein soll. HEGNAUER15 hält aber dieses Abhängigkeitsverhältnis für noch nicht geklärt. Die Tollkirsche liefert 2–3 Schnitte im Jahr. Ältere Pflanzen treiben Ende April aus, und der Bestand schließt sich bei warmer Witterung schon im Mai. Der erste Schnitt wird bei Beginn der Blüte genommen. Bei der Neuanlage ist er meist im Juni/Juli und ein zweiter Schnitt im September möglich. Ein älterer Bestand kann schon ab Ende Mai das erste Mal, im Juli zum zweiten und im September/Oktober das dritte Mal geschnitten werden. Mit der Sichel wird zunächst die Blattware geerntet. Danach werden, ebenfalls in Handarbeit, die Stengel als sogenannte „Industrieware“ in 30 cm Höhe geschnitten. Auf Grund von Untersuchungen über den Alkaloidgehalt von Herba Belladonnae schlägt AKACIC 16 vor, sofern die Krautdroge nicht mehr als 25% obere Stengelteile von einem maximalen Durchmesser von 8 mm enthält, sie in die Jugoslawische Pharmacopoe II aufzunehmen. Nach Genanntem ist eine solche Krautdroge Folia Belladonnae gleichwertig. Vor Winter können die abgestorbenen Stengelreste zurückgeschnitten werden. Atropa bella-donna ist sehr frostempfindlich. Späte Fröste im Frühjahr oder zeitige im Herbst können unter Umständen erheblichen Schaden anrichten. Frostgeschädigtes Erntegut hat einen auffälligen Alkaloidverlust aufzuweisen (AUSTER-SCHÄFER 17 ). Unter günstigen Anbaubedingungen können die oberirdischen Teile der Pflanzen 4–5 Jahre genutzt werden, dann aber la ssen sie im Ertrag sehr nach. Bei Beendigung der Kultur erntet 13 CROMWELL , B. T.: „Biochem. Journ.“ 31, S. 551 (1937); zit. nach GSTIRNER, F.: Düngungsversuche mit Atropa Belladonna und Valeriana. „Pharmazie“ 5, S. 498 bis 501 (1950); bzw. „Arzneipflanzen-Umschau“ 2, S. 816 bis 818 (1950). 14 TORRES, J. C.: Der Alkaloidgehalt der Tollkirsche. „Medicamenta“ 5, 83; 50 (1953); ref. in „Pharmazeutisches Zeitung“ 89, S. 887 (1953). 15 HEGNAUER, R.: Über die täglichen Schwankungen des Alkaloidgehaltes bei Atropa, Datura und Hyoscyamus. „Pharm. Weekbl.“ 88, 7/8, 106/112 (1953); ref. in „Pharmazeutische Zeitung“ 89, S. 887 (1953). 16 A KACIC, B.: Summitates seu Herba Bella-donnae. „Acta Pharm. Jug.” 3, S. 80 bis 87 (1953). 17 loc. cit. S. 292. Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003 H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 man bis zum Spätherbst neben dem Kraut auch die Wurzeln. Die Wurzelernte ist noch im zeitigen Frühjahr möglich. Nach der Vorschrift des Erg.-B. 62 sollen die Wurzeln frühestens vor dem Abblühen (Ende Juli) von drei- bis vierjährigen Pflanzen gesammelt werden. Ältere Wurzeln verholzen sehr stark und eignen sich nicht als Droge. Die Früchte für die Saatgut gewinnung werden von (August) September bis Oktober geerntet. Die saftigen Beeren werden in einen Bottich geschüttet, worin man sie leicht in Gärung kommen läßt, zerstampft und dann mit Wasser mehrmals aufrührt. Unter einem Wasserstrahl werden die Samen sauber auf Sieben ausgewaschen und sorgfältig in dünner Schicht getrocknet. Das Abfallwasser muß beseitigt werden. Am besten gießt man es auf den Kompost oder auf die Düngerstätte, denn es ist stark giftig. Man kann auch die Früchte an den Pflanzen ausreifen und soweit wie möglich eintrocknen lassen. Die Samen werden dann ausgerieben. Zu diesem Zweck können die Beeren künstlich bei mäßiger Wärme (bis 30° C) nachgetrocknet werden. Alle Ernte- und Aufbereitungsarbeiten sollten wegen der starken Giftigkeit der ganzen Pflanze ausnahmslos nur von zuverlässigen Erwachsenen ausgeführt werden. Trocknung: Die Blätter sind am besten künstlich bei Temperaturen von 50–60° C zu trocknen. Die Trocknung sollte möglichst schnell beendet werden, um den enzymatischen Abbau zu unterbinden. Die Wurzeln werden nach der Ernt e gewaschen, in 10 cm lange Stücke geschnitten, größere gespalten und bei künstlicher Wärme (50–60° C) getrocknet. Im Gegensatz zu den frischen, fast unangenehm riechenden Pflanzenteilen, sind die getrockneten beinahe geruchlos. Das Trocknungsverhältnis der Blätter frisch : trocken beträgt 5–6 : 1, das der Wurzeln 3–4 : 1. Erträge: Der Ertrag an Blattdroge beläuft sich im zweiten Vegetationsjahr bis auf 7 kg/a und im dritten Jahre auf 12–20 kg/a. Die Erträge an Krautdroge liegen weit höher, die an Wurzeldroge belaufen sich bis auf 15 kg/a. Der Saatgutertrag kann bis 4 kg/a betragen. Krankheiten und Schädlinge 18 : Eine Wurzelfäule und damit im Zusammenhang eine Welkekrankheit an Atropa bella-donna wird durch die Peronosporacee Phytophthora erythroseptica Peth. verursacht. Ein verwandter Pils, den WILSON (zit. nach HEGI) als Phytophthora cryptogaea var. atropae bezeichnet, bewirkt das Absterben der Pflanze und Wurzelschwund. Welkeerscheinungen können aber noch andere Ursachen haben. So werden besonders gern junge Sämlingspflanzen von Drahtwürmern, Engerlingen und Erdraupen befallen und zum Welken und Absterben gebracht. Von tierischen Schädlingen können ferner die drei Erdfloharten Epithrix atropae Foudr., E. pubescens Koch und der Kartoffelerdfloh, Psylliodes affinis Payk., größere Schäden in Atropa-Kulturen anrichten. Letzterer tritt im allgemeinen an Solanaceen häufig auf und zeigte sich auch in Leipzig-Probstheida überall auf den Blüten und an den Blättern der Tollkirsche, ohne jedoch wesentlichen Schaden zu verursachen. Oft befällt auch der Blattrandkäfer Sitona sulcifrons Thb. die Pflanzen. Gelbe Flecke werden durch die Blasenfüße Thrips tabaci Lind. und Th. communis Uzel verursacht. Auch die Grünzirpe, Chlorita flavescens F., und die Schwarzpunktzikade, Eupteryx atropunctata Goeze, können schädlich werden. Durch Minierfraß hat sich in den Blättern der Tollkirsche die Larve der Rübenfliege, Pegomyia hyoscyami Tz., bemerkbar gemacht. Saugstichschäden durch die öfters zu beobachtende Blindwanze Lygus pratensis L. waren in Leipzig-Probstheida nur unauffällig wahrzunehmen. An den kräftigen Pflanzen sind Anfang bis Mitte August vor allem die jungen Seitentriebe sehr stark mit Blattläusen besetzt gewesen. Es wird sich um eine der beiden an Tollkirsche vorkommenden Arten: Macrosiphon solanifolii Ashm. oder Mycodes persicae Sulz. gehandelt 18 Siehe auch M ÜHLE, E.: Krankheitserscheinungen und Schadbilder an Solanaceen, Nachtschattengewächsen, und ihre Erreger. „Pharmazie“ 2, S. 136 bis 137 (1947); bzw. „Arzneipflanzen-Umschau“ 2, S. 158 bis 159 (1947). Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003 H EEGER E. F.: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues. Drogengewinnung. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1956. S. 289–297 haben. Aber auch noch weitere Blattlausarten könne die Tollkirsche befallen. Hegi erwähnt noch die Raupen von Agrotis baja F., A. pronuba L. und A. candelisequa Hb. Nach MÜHLE19 stellt die Tollkirsche auch eine beliebte Wirtspflanze des Kartoffelkäfers, Leptinotarsa decemlineata Say., dar. Schneckenfraß ist an den Pflanzen schon hin und wieder beobachtet worden. Die Beeren werden von Amseln und Drosseln gefressen, ohne daß diese gesundheitlichen Schaden nehmen. Dabei passieren die kleinen Samen unzersetzt den Vogeldarm und werden auf diese Weise verschleppt und gleich mit einer gewissen Düngermenge versehen abgesetzt. Die Droge wird vom Kleinen Tabakkäfer, Lasioderma serricorne F., und vom Messingkäfer, Niptus hololeucus Falderm., befallen. In Radix Belladonnae wurden die Bücherlaus, Liposcelis divinatorius Müll., und der Brotbohrer, Stegobium paniceum L., gefunden. Besonderes: Bereits der wissenschaftliche Name der Tollkirsche weist auf ihre starke Giftigkeit hin. Atropa leitet sich vom griechischen Atropos, dem Namen der Todesgöttin her, der ältesten der drei Parzen der Unterwelt. Der Genuß der Früchte hat seltener bei Erwachsenen, dafür um so häufiger bei Kindern, die die Früchte mit Kirschen und eßbaren Wildfrüchten verwechselten, Vergiftungen mit zum Teil tödlichem Ausgang hervorgerufen. Die vergifteten Personen klagen über Schwindel und Übelsein, Trockenheit im Mund, Rachen und Kehle sowie Durst; Atmung und Herzschlag sind beschleunigt (Puls bis 160 in der Minute), die Pupillen sind starr und stark erweitert. Gleichzeitig machen sich motorische und psychische Unruhe bis zu den schwersten Erregungszuständen bemerkbar, die in Delirien und Raserei („Toll“-Kirsche) mit Sinnestäus chungen verschiedenster Art übergehen können. Allmählich tritt – oft unter zeitweiser Wiederkehr der Erregungssymptome – Bewußtlo sigkeit, Erschöpfung und Schlaf ein, der zur Heilung oder nach größeren Dosen zum Tode durch Atemlähmung führt. Bei Tollkirschenvergiftungen ist sofort der Arzt zu rufen. Bis zu seinem Eintreffen versuche man, eine Entleerung des Magens herbeizuführen, dann lasse man Tierkohle einnehmen, welche die im Magen-Darmkanal noch vorhandenen Alkaloide adsorbiert und damit unschädlich macht, oder Schwarzen Tee oder einen anderen gerbstoffreichen Tee trinken (JARETZKY-GEITH) 20 . 19 M ÜHLE, E.: Über die Wirtspflanze des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say.) unter besonderer Berücksichtigung der Heil- und Gewürzpflanzen. „Pharmazie“ 2, S. 179 bis 180 (1947); bzw. „ArzneipflanzenUmschau“ 2, S. 172 bis 173 (1947). 20 JARETZKY -GEITH: Die deutschen Heilpflanzen in Bild und Wort. 2. Teil. Stollberg i. Erzgeb. Berlin 1944, S. 255. Das Buch ist als unveränderter Nachdruck im Handel! PDF-Konvertierung (c) hgr 2003