NZZ, 7. Juni 2014 - Patientensicherheit Schweiz

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Datum: 07.06.2014
Neue Zürcher Zeitung
8021 Zürich
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Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 115'622
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 525.008
Abo-Nr.: 1087992
Seite: 19
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Ärzte an Stadtspitälern arbeiten länger als ihre Kollegen
Der Verband der Assistenz- und Oberärzte warnt
vor der Gefährdung der Patientensicherheit
Jan Hudec
Wie an anderen Spitälern soll im
Triemli und im Waidspital die
50-Stunden-Woche für Oberärzte
eingeführt werden. So will es der
Zürcher Gemeinderat. Der Stadtrat ist dagegen: Das sei zu teuer
und zu umständlich. Das letzte
Wort ist noch nicht gesprochen.
«Oberärzte sind beim Operieren regelmässig betrunken». Eine solche Schlagzeile würde wohl einen gehörigen Aufschrei auslösen. Diese Schlagzeile ist
zwar frei erfunden, selbstverständlich
von der Unterstellung unter das Ar- gen. «Aus unserer Sicht überwiegen für
beitsgesetz ausgenommen, für sie gilt die Ärztinnen und Ärzte und für das
das Personalrecht der Stadt Zürich. Be- Spital die Vorteile des städtischen Perreits 2004 hatte der damalige Gemein- sonalrechts.»
derat Gregor Bucher (gp.) deshalb in
Zynisch findet Rudolf M. Reck, Prä-
einer Motion gefordert, das Arbeits- sident des Verbands Schweizerischer
gesetz auch an den städtischen Spitälern Assistenz- und Oberärzte, die Arguund Kliniken einzuführen. Es folgte ein
längeres Hin und Her, bis der Stadtrat mentation der Stadt, die sich doch sonst
Ende 2011 beantragte, auf die Umset- immer als besonders attraktive Arbeitzung der Motion zu verzichten. Das geberin in Pose werfe. Natürlich koste
akzeptierte der Gemeinderat nicht, wies es etwas, wenn man die Arbeitszeiten
die Vorlage zurück und forderte unter verkürze, aber da müsse man eben Prioanderem, dass die Oberärzte mittelfris- ritäten setzen. Es könne doch nicht sein,
tig den Assistenzärzten bezüglich Ar- dass man die Oberärzte fast unlimitiert
beits- und Ruhezeiten gleichgestellt beanspruche und damit die Patienten
gefährde. Auch Gemeinderätin Kathaarbeiten Mediziner nicht unter Alko- werden sollten, dass also auch für sie die rina Prelicz-Huber (gp.) ärgert sich über
50-Stunden-Woche
gelten
würde.
Der
holeinfluss. Was aber zutrifft: Ärzte sind
die Haltung des Stadtrates. Gerade in
bei der Arbeit häufig übermüdet. «Wer Stadtrat hatte zwei Jahre Zeit, eine ent- einem so heiklen Bereich wie in der
länger als 10 Stunden am Stück arbeitet, sprechende Weisung vorzulegen. Das Medizin müsse man doch das Arbeitsder ist physiologisch gesehen in demsel- hat er nun getan, und darin lehnt er die gesetz einhalten, «schliesslich geht es ja
ben Zustand, als hätte er 0,8 Promille Verkürzung der Arbeitszeiten erneut auch um die Sicherheit der Patienten».
Alkohol im Blut», sagt Dieter Conen, ab, und zwar aus finanziellen und orga- Es sei einfach eine Realität, dass OberPräsident der Stiftung Patientensicher- nisatorischen Gründen. Würden die Ar- ärzte heute bis zu 70 Stunden in der
heit und ehemaliger Chefarzt am Kan- beitszeiten verkürzt, müsste zusätzli- Woche arbeiteten. Das könne man doch
tonsspital Aarau. Studien zeigen, dass ches Personal eingestellt werden. Die nicht mit guten Ferienregelungen aufbei Schichten, die 13 Stunden und län- Stadt rechnet mit jährlichen Zusatz- wiegen. «Und wer will schon einen Arzt
ger dauern, insbesondere Fehldiagno- kosten von 6 Millionen Franken, welche haben, dem die Augen zufallen?»
sen deutlich zunehmen (siehe dazu Ar- die Spitäler nur zu einem kleinen Teil
tikel rechts).
wettmachen könnten. Die Kosten wür36 zusätzliche Stellen
Auch um die Patienten besser zu den grösstenteils der Stadtkasse zur
schützen, wurden Assistenz- und Ober- Last fallen. Ausserdem seien die «for- Anders sieht das Gemeinderat Rolf
ärzte dem Arbeitsgesetz unterstellt. Es malistischen Vorgaben» des Arbeits- Müller (svp.). Oberärzte seien Chef-
besagt unter anderem, dass sie pro gesetzes gerade für die Schichtplanung beamte, die sich bewusst gewesen seien,
Woche maximal 50 Stunden arbeiten zu starr Ähnliches hört man aus dem
dürfen. Noch vor etwa fünfzehn Jahren Triemlispital. Das Schweizer Arbeitswaren Schichten von 70 Stunden und
mehr in der Woche gängige Praxis. An gesetz berge für Patienten auch Risiken:
den beiden Stadtzürcher Spitälern Waid «Zu viele Übergaben können zu Inforund Triemli gilt die 50-Stunden-Woche mationsverlust und mangelnder Kontijedoch für Oberärzte nicht, und der nuität in der Betreuung führen», sagt
dass sie einen harten Job anträten. «Ihre
Aufgabe ist es, für die Menschen da zu
sein.» Wie in gewissen anderen Berufen
lerlei Positives biete, wie zum Beispiel
Wie ist das möglich? Die öffentlichen grosszügige Urlaubsregelungen, einen
Verwaltungen sind in Bezug auf die zusätzlichen Schutz in der SchwangerArbeits- und Ruhezeiten grundsätzlich schaft oder gute Pensionskassenleistun-
zu wenig Flexibilität für die Spitalorganisation. Müller betont jedoch, dass er
hier für sich selbst spreche, in der Partei
habe man über die Weisung noch nicht
auch, gehöre es bei den Ärzten dazu,
mehr arbeiten zu müssen. Auch sei es
für die Finanzen der Stadt nicht unproSprecherin Sandra Graf. Stadträtin blematisch, wenn man 36 zusätzliche
Stadtrat will sie auch nicht einführen.
Claudia Nielsen betont derweil, dass die Stellen in den Stadtspitälern schaffe.
Grosszügige Urlaubsregelung Stadt als Arbeitgeberin auch sonst vie- Und schliesslich biete das Arbeitsgesetz
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diskutiert. Die SVP war jedoch gemein- den Oberärzten musste auch am Uni- musste das USZ 30 neue Oberarztstelsam mit der FDP und der GLP schon versitätsspital Zürich (USZ) das Ar- len schaffen.
vor zwei Jahren der Meinung, dass man beitsgesetz inklusive 50-Stunden-WoDem Zürcher Gemeinderat steht
die Motion Bucher abschreiben solle. In che eingeführt werden. Es sei schwierig, zweifellos eine heikle Diskussion bevor.
der Gesundheitskommission, deren allen arbeitsgesetzlichen Vorgaben ge- Was will man höher gewichten: die
Vizepräsident Müller ist, wird die neue recht zu werden, zieht USZ-Sprecherin Finanzen und eine möglichst effiziente
Weisung voraussichtlich im kommen- Barbara Beccaro eine erste Bilanz, ge- Spitalorganisation oder den Wunsch der
den Herbst traktandiert.
rade an einer Universitätsklinik, wo Mitarbeiter nach erträglicheren ArNach einem längeren juristischen man auch noch Aufträge aus Lehre und beitszeiten, die letztlich auch die QualiStreit zwischen der Spitaldirektion und Forschung bewältigen müsse. Insgesamt tät der Spitäler verbessern könnten?
Fünfmal mehr Fehldiagnosen bei Übermüdung
jhu. Es ist nicht allzu lange her, da war doppelt so oft vor. Andere Studien stütes für Ärzte nichts Ungewöhnliches, in zen diesen Befund.
einer Woche bis zu 80 Stunden oder
Auf der anderen Seite konnte man
mehr zu arbeiten. Jeder, der schon ein- bisher keine Belege dafür finden, dass
mal länger als 12 Stunden am Stück ge- sich die Qualität der medizinischen Bearbeitet hat, weiss, dass irgendwann die handlung automatisch verbessert, wenn
Konzentration nachlässt. Das ist bei Ärz- man die Arbeitszeiten verkürzt. Wie ist
ten nicht anders, nur können ihre Feh- das möglich? Dafür werden in der Forler verheerende Konsequenzen haben. schungsliteratur mehrere Gründe anUmso mehr überrascht es, dass es nur gegeben. Einer ist die mangelhafte Umwenige Studien gibt, die den Zusammen- setzung. So zeigt eine Umfrage vom Verhang zwischen übermüdeten Ärzten und band Schweizerischer Assistenz- und
Behandlungsfehlern untersuchen; und Oberärzte, dass fast 70 Prozent der
diese beschränken sich fast ausschliess- Assistenz- und Oberärzte in der Schweiz
lich auf den angelsächsischen Raum.
Zusammenfassend kann man sagen,
dass Überarbeitung tatsächlich einen
negativen Effekt auf die Patientensicherheit hat. So zeigt eine amerikanische Studie von 2004, dass Assistenzärzte bei langen Arbeitszeiten massiv
mehr Fehler machen. Verglichen wurde
eine Gruppe, die bis zu 81 Stunden pro
Woche arbeitete, mit einer, die 63 Stunden im Einsatz war. Jene Gruppe, die
mehr arbeitete, stellte über fünfmal häufiger Fehldiagnosen. Schwerwiegende
Behandlungsfehler, die nicht rechtzeitig
korrigiert werden konnten, kamen fast
trotz Arbeitsgesetz mehr arbeiten, als es
zulässig wäre (NZZ 14. 4. 14). Ein an-
derer Grund könnten die aufgrund der
kürzeren Arbeitszeit gehäuften Schichtwechsel sein. Auch sie sind eine Fehlerquelle. «Die Arbeitszeiten zu verkürzen,
verbessert nur dann die Leistung des
Spitals, wenn die Übergaben besser trai-
niert werden», sagt Dieter Conen, Präsident der Stiftung für Patientensicherheit. Ebenso wichtig sei es, tatsächlich zusätzliches Personal einzustellen.
Wenn die Ärzte die gleiche Arbeit einfach in kürzerer Zeit erledigen müssten,
sei das der Qualität kaum förderlich.
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