LANDESARBEITSGEMEINSCHAFT DER FREIEN WOHLFAHRTSPFLEGE IN BAYERN (LAGFW) Projekt: Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe (KBS) (KBS) Lessingstr. 3 80336 München Telefon (089) 53 65 15 Telefax (089) 543 92 03 e-mail: [email protected] Internet: http://www.suchtambulanz.net/kbs Einspareffekte für die bayerische Staatsregierung durch die Vermittlung von inhaftierten Suchtmittelabhängigen in Medizinische Rehabilitation Eine Kosten-Nutzen-Analyse Die Kosten-Nutzen-Analyse basiert auf der Überlegung, dass die Vermittlung von drogenabhängigen Inhaftierten aus der Strafhaft in Medizinische Rehabilitation nach § 35 BtMG (Zurückstellung der Strafvollstreckung) und von drogen- und alkoholabhängigen Inhaftierten nach § 57 StGB (Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe) bzw. § 88 JGG (Aussetzung des Restes der Jugendstrafe) mit Therapieauflage Hafttage vermeidet und dadurch zu Einsparungen für die Staatsregierung führt. Analoges gilt bei drogenabhängigen Straftätern, die eine Bewährungsstrafe nach § 56 StGB bzw. § 21 JGG (Strafaussetzung) mit Therapieauflage erhalten und dank der Vermittlung in Therapie keine Strafhaft antreten müssen, und denen, die dank der Vermittlung in Therapie aus der Untersuchungshaft entlassen werden - nach § 116 StPO (Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls). Die KBS berücksichtigt mit dieser Analyse die zunehmenden Anforderungen auch an die Soziale Arbeit, den Kosten für die Soziale Arbeit den entsprechenden Nutzen für die Gesellschaft gegenüberzustellen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass sich die Analyse auf die monetäre Sichtweise beschränkt. Die sozialen und psychischen Aspekte, die eine Suchttherapie für die Betroffen selbst, ihre Angehörigen, aber auch für die Gesellschaft umfassen, sind nicht Gegenstand der Analyse. Als Grundlage der Berechnungen einige Zahlen: Im Jahr 2003 haben in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach 2,5 Externe SuchtberaterInnen 61 drogenabhängige Inhaftierte nach § 35 BtMG in Therapie vermittelt, von denen 4 wegen des Widerrufs der Zurückstellung in die Haftanstalt zurückkehren mussten. Ein JVA-Mitarbeiter hat errechnet, dass durch die erfolgten 61 Vermittlungen 28.793 Hafttage eingespart1 werden konnten. Pro Vermittlung wurden durchschnittlich 472 Hafttage2 vermieden. Außerdem haben die Externen SuchtberaterInnen 15 suchtmittelabhängige Inhaftierte nach § 57 StGB bzw. in Therapie vermittelt. Immer häufiger setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes der zeitigen Freiheitsstrafe nur unter einer Therapieauflage zur Bewährung aus, wenn in den Akten des Inhaftierten Drogenkonsum oder problematischer Alkoholkonsum auftaucht. In der JVA Amberg hat im gleichen Jahr 1 Externer Suchtberater 24 drogenabhängige Inhaftierte nach § 35 BtMG in Therapie vermittelt. In dieser Strafanstalt sitzen überwiegend Täter mit langen Haftstrafen ein; die Vorbereitung für eine therapeutische Maßnahme kann daher frühzeitig beginnen, sodass der Inhaftierte in der Regel zu einem Zeitpunkt vermittelt wird, zu dem der zu vollstreckende Rest der Freiheitsstrafe noch 2 Jahre beträgt (gemäß § 35 Absatz 3). Bei 730 Hafttagen pro Vermittlung konnten 17.520 Hafttage eingespart werden. Weitere 8 Inhaftierte wurden nach § 57 StGB in Therapie vermittelt. Diese Paragrafen werden in der Regel 6 Monate vor Haftende befürwortet; daraus ergibt sich eine Ersparnis von 1.440 Hafttagen (8 mal 180). 1 Anzahl der Tage vom tatsächlichen Therapieantritt bis zum letzten Tag der Gesamtstrafdauer Diese Zahl ist fast identisch mit der Zahl, die in Baden-Württemberg errechnet wurde auf der Basis der Dokumentation von 5,7 Externen SuchtberaterInnen im ersten Halbjahr 2003, hier wurden durchschnittlich 470 Hafttage durch die Vermittlung in Therapie nach § 35 BtMG vermieden. 2 Die Externen SuchtberaterInnen von Condrobs haben mit ihren 5,5 Stellen in den JVAs Garmisch, Landsberg, München und Niederschönenfeld 1153 Inhaftierte im Jahr 2003 und 131 Inhaftierte im Jahr 2002 in Therapie vermittelt, vorwiegend nach § 35 BtMG. Laut Auskunft des Bayerischen Justizministeriums betrug die Zahl der Zurückstellungen der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG im Jahr 2003 in Bayern 1043, die der Widerrufe 458. Obwohl sich diese Zahlen nicht auf die gleichen Verfahren beziehen, wollen wir sie zur Berechnung der %-Zahl der nicht widerrufenen Zurückstellungen heranziehen, sie beträgt 56 % (585). Die Tageshaftkosten betrugen im Jahr 2002 in Bayern durchschnittlich 62,74 €4 (bzw. 70,03 € mit Baukostenzusatz); für 2003 liegen die Zahlen noch nicht vor. Die Externe Suchtberatung in den JVAs wird in Bayern aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz finanziert. Die Zuwendungen beliefen sich im Jahr 2003 € laut deren Angaben auf 2,1 Millionen €; bei 42,874 Stellen wurden für 1 Vollzeitstelle durchschnittlich 48.980 € aufgewendet. Konklusion aus den Zahlen: Allein durch die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zugunsten einer Therapie ergeben sich - selbst wenn man annimmt, § 35 BtMG-Widerrufe würden die Rückkehr der Verurteilten in Haft ohne Anrechnung der Therapiezeit als Hafttage bedeuten, und man eine eher niedrige Zahl für die vermiedenen Hafttage zugrundelegt - immer noch im Jahr 2003 276.120 vermiedene Hafttage (585 x 472) bzw. 756 eingesparte Haftplätze (276.120 : 365). Wenn man die für das Jahr 2002 vorliegenden durchschnittlichen Tageshaftkosten zugrundelegt, ergibt sich für das Jahr 2003 eine Einsparung von 17.323.768 € (bzw. 19.336.683 € mit Baukostenzusatz) für die Bayerische Staatsregierung durch das Prinzip „Therapie vor Strafe“. Obwohl einschränkend gesagt werden muss, dass ein Teil der zurückgestellten Verurteilten die Haft dank des § 35 BtMG erst gar nicht angetreten hat und unmittelbar in Therapie gegangen ist, steht fest, dass der Großteil der zurückgestellten Verurteilten aus der JVA heraus nach § 35 BtMG in Therapie vermittelt wurde. Eine Statistik des Verhältnisses beider Gruppen liegt nicht vor. Bei der Vermittlung aus der JVA heraus leisten die Externen SuchtberaterInnen die dafür notwendige Vorarbeit. Da uns keine Vermittlungszahlen von allen Externen SuchtberaterInnen vorliegen, machen wir einen Vergleich anhand 1 Externen Suchtberatungsstelle. Wenn man die durchschnittlichen Zuwendungen von 48.980 €, die die Bayerische Staatsregierung für 1 Externe(n) Suchtberater(in) im Jahr 2003 ausgab, vergleicht mit den eingesparten Tageshaftkosten für 1 nach § 35 BtMG in Therapie vermittelten Inhaftierten - 474 (durchschnittlich vermiedene Hafttage) x 56 % (%-Zahl der nicht widerrufenen Zurückstellungen) x 62,74 € (bzw. 70,03 € mit Baukostenzusatz) = 16.653,71 € (bzw. 18.588,76 € mit Baukostenzusatz) -, dann hat 1 Externe(r) Suchtberater(in) ihr bzw. sein Gehalt bereits „verdient“, wenn sie bzw. er 3 drogenabhängige Inhaftierte nach § 35 BtMG in medizinische Rehabilitation vermittelt. Die tatsächlichen Vermittlungszahlen sind erheblich höher und außerdem wurden die Vermittlungen in die Therapie aus der Strafhaft nach § 57 StGB bzw. § 88 JGG sowie aus der Untersuchungshaft nach § 56 StGB bzw. § 21 JGG und § 116 StPO für das Rechenbeispiel vernachlässigt. Juli 2004 Margarete Lang 3 Die Zahl ist in 2003 geringer als 2002 wegen des krankheitsbedingten Ausfalls einer Mitarbeiterin und wegen der Renovierungsarbeiten im Westbau der JVA München-Stadelheim 4 Zum Vergleich: im Jahr 2001 lagen die durchschnittlichen Tageshaftkosten bei 61,09 € (bzw. 68,94 € mit Baukostenzusatz) 2