Bindungen im Lebenslauf Frühjahrstrimester 2017 Prof. Dr. Kerstin Dietzel Gliederung 1. 2. 3. 4. Begriff der „Bindung“ Bindung von Anfang an … Bedeutung der Väter Bindungen im Lebenslauf 1. Begriff der „Bindung“ „Unter Bindung versteht man ein lang andauerndes, affektives Band zu ganz bestimmten Personen, die nicht ohne weiteres auswechselbar sind und deren körperliche und psychische Nähe und Unterstützung gesucht wird, wenn z.B. Furcht, Trauer, Verunsicherung und Krankheit in einem Ausmaß erlebt wird, das nicht mehr selbstständig zu regulieren ist.“ (Seiffge-Krenke 2006) Grundannahmen: • Kinder entwickeln im ersten Lebensjahr enge Bindungen zu nahe stehenden Bezugspersonen (meist Familie/Eltern) • Bindungen sind dauerhafte und dyadische Beziehungen • Bindungsverhalten zeigt sich im Suchen der Bindungsperson, im Weinen, Nachlaufen, Festklammern oder durch Protest, Ärger, Verzweiflung und Trauer beim Verlassenwerden Diskussion Woher wissen Eltern wie sie sich zu ihren Säuglingen zu verhalten haben? Woher wissen das die Säuglinge? • • • • • Diskussion Woher wissen Eltern wie sie sich zu ihren Säuglingen zu verhalten haben? • „vorprogrammiertes, spezifisches Verhaltensrepertoire, das sich nach der Geburt herausbildet“ (Bowlby 1969) • evolutionär bedingtes, universal regelhaftes Verhalten • instinktives Verhalten, ist in uns, aber erst mit der Elternschaft aktiviert • Erlernen das Verhalten und Erkennen von Bedürfnissen der Kinder • Bowlby: biologische Verankerung als lebensnotwendiges Verhaltenssystem und persönliche Erfahrungen Diskussion Woher wissen das die Säuglinge? weil „Kinder mit einer Verhaltenssaustattung geboren werden, die es ihnen von Anfang an ermöglicht, ihr Leben, ihr Überleben, also ihre Existenz mit zu gestalten“ (Ettrich, 2004, S.3). biologische Verankerung des Verhaltens und Erlebens! Begründer: John Bowlby • englischer Kinderpsychiater und Psychoanalytiker • begründete in den 1950er Jahren die Bindungstheorie • postulierte ein biologisch angelegtes Bindungssystem • erforschte die Auswirkungen mangelnder mütterlicher Fürsorge und lieferte einen wichtigen Beitrag zur entwicklungsgerechten Betreuung von Kleinkindern Begründer der soziobiologischen Schule John Bowlby (1907-1991) Mary Ainsworth • amerikanisch-kanadische Entwicklungspsychologin • 1950-1954 Mitarbeiterin in der Forschergruppe von John Bowlby • 1954-1956 Forschungen zu MutterKind-Beziehungen in Uganda • Untersuchte die Mutter-KindInteraktion und entwickelte das Setting der „Fremden Situation“ für die empirische Forschung sowie daraus Bindungstypen Mary Ainsworth (1913-1999) 2. Bindung von Anfang an … „Einschwingen“ der Mutter-Kind-Beziehung • • • • Mutter nimmt Kind gleich nach der Geburt auf, wird angelegt Mutter ist in einer Art „Ekstase“ – freudige Erregung Kind ist bei der Mutter, Vertrauensbeziehung wird aufgebaut Spontanes Agieren zwischen Mutter und Kind, Kind „kommuniziert“ autonom, Mutter ist intuitiv im „Dialog“, Baby leitet die Mutter, Blicke als Basis für die Kommunikation • Stillen: Saugrhythmus ist Ruhe für Mutter, streichelt Kind • Sensible Mütter erfühlen Bedürfnisse der Babys - schreien seltener (kooperatives Verhalten) Bedeutung der Mutter? Und die Väter? 3. Bedeutung der Väter „Man kann nicht behaupten, es sei gut, dass der Vater in allen Fällen früh ein Rolle spielt […] die Mütter können ihrem Mann eine Rolle zuweisen, wenn sie es wünschen.“ (Donald Winnicott 1944) Bedeutung der Väter – aktuelle Forschung • Studie von Main& Weston 1981: Vater- und Mutterbindung weitgehend ähnlich, Kinder können zum Vater eine andere Bindung haben als zur Mutter (kulturell tradiert) • Väter können auch eine Mutterstelle einnehmen, z.B. durch ein neues Bewusstsein der Vaterschaft (bei Geburt dabei, Elternzeit) • Männer entdecken selbst eine andere Identität „näherndes Ich“, zeigen ein frühzeitiges Interesse am Baby/Kind • Schwangerschaftssymtome bei Frau UND Mann (Couvade Syndrom) • bis 10% der Männer erleben zwischen 3 und 6 Monaten nach der Geburt des Kindes eine postpartale Depression (Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, geringe Selbsteinschätzung wie „ich bin ein schlechter Vater“, Schuldgefühle, Freud- und Lustlosigkeit, Angst, Gereiztheit, körperl. Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, nach Paulsen 2006) Bindung von Anfang an … Welche Auswirkungen haben Depressionen nach der Geburt für den Aufbau von Mutter-Kind-Beziehungen? Bitte lesen Sie den Text und beantworten Sie folgende Fragen: • Welche Ursachen haben postpartale Depressionen? • Wie äußert sich die Depression bei den betroffenen Frauen? • Was kann getan werden, die Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen bzw. zu stabilisieren? 4. Bindungen im Lebenslauf Welche Bindungen gehen wir im Lebenslauf wann ein? Welche sind das? Lebensphase Kind Jugend Erwachsener Alter Bindung zu … Art der Bindung 4. Bindungen im Lebenslauf Welche Bindungen gehen wir in welcher Lebensphase ein? Welche sind das? Lebensphase Bindung primär zu wem? Art der Bindung? Frühe Kindheit Eltern, Geschwister Familiale Bindung Jugend Freude „Bindungsloch“ Erwachsener Partnerschaft und eigene Kinder Partnerbindung, eigene Elternbindung Alter Auflösen von Bindungen, Enkel Familiale Bindung