PRAXIS-MAGAZIN Altlasten der Physik (79): Die Wirkungen von Kräften und von elektrischen Strömen F. Herrmann Gegenstand Herkunft Kräfte haben zweierlei Wirkungen: Sie können verformen und beschleunigen. Elektrische Ströme haben dreierlei Wirkungen: eine Wärme-, eine magnetische und eine chemische Wirkung. Da die Mechanik unabhängig von der Elektrizitätslehre entstanden ist, haben sich in den beiden Gebieten unterschiedliche Modelle und Lehrgewohnheiten etabliert. Den newtonschen Gesetzen, deren Inhalt nichts weiter als die Impulserhaltung ist, wird im Vergleich zum Satz von der Erhaltung der elektrischen Ladung eine zu große Wichtigkeit beigemessen. Die mechanische Reibung dagegen wird im Gegensatz zur „elektrischen Reibung“, also dem elektrischen Widerstand, zu Unrecht als etwas den eigentlichen Betrieb der Mechanik Störendes stigmatisiert. Mängel Um uns einen besseren Überblick über diese Einteilungen zu verschaffen, wollen wir die beiden Aussagen miteinander vergleichen. Das ist nahe liegend, denn eine Kraft ist nichts anderes als ein Impulsstrom. Bei beiden Klassifizierungen geht es also um die Wirkungen eines Stroms: eines Impulsstroms im ersten und eines elektrischen Stroms im zweiten Fall. Der Vergleich fördert nun einige Unstimmigkeiten zu Tage. 1. Beginnen wir mit der beschleunigenden Wirkung der Kraft. Wir können sie auch so beschreiben: Eine Kraft auf einen Körper kann bewirken, dass sich der Impuls des Körpers ändert. Die analoge elektrische Aussage wäre: Ein elektrischer Strom, der in einen Körper hineinfließt (aus ihm herausfließt), kann bewirken, dass die elektrische Ladung des Körpers zunimmt (abnimmt). Dieser Satz ist sicher richtig. Warum nehmen wir ihn dann aber nicht in die Reihe der Wirkungen des elektrischen Stroms auf? Weil er uns trivial erscheint. Genauso selbstverständlich ist aber die beschleunigende Wirkung der Kraft: Wenn in einen Körper Impuls hinein- und nicht gleichzeitig wieder herausfließt, so häuft er sich zwangsläufig im Körper an. 2. Betrachten wir als Nächstes die „Wärmewirkung des elektrischen Stroms“. Wärme wird nicht nur durch elektrische Ströme erzeugt. Auch Impulsströme (Kräfte) erzeugen Wärme, nämlich bei Reibungsvorgängen (Haftreibung ausgenommen). 3. Die Aufzählung der Wirkungen der Ströme ist keineswegs vollständig. So gibt es noch elektrische Wirkungen von Kräften (den piezoelektrischen Effekt), optische Wirkungen von Kräften (die Spannungsdoppelbrechung), optische Wirkungen oder Lichtwirkungen des elektrischen Stroms (in der Leuchtdiode), eine Kühlwirkung elektrischer Ströme (beim Thermoelement) etc. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die zitierten Wirkungen sind nicht charakteristisch für den jeweiligen Strom. Es sind auch nicht alle Wirkungen, die der jeweilige Strom hat, und es sind auch nicht unbedingt die wichtigsten. Kurz: Die beiden Einteilungen enthalten recht viel Willkür. PdN-PhiS. 1/54. Jg. 2005 Entsorgung 1. Entweder man lässt die beschleunigende Wirkung der Kraft weg, oder man nimmt beim elektrischen Strom die „aufladende Wirkung“ hinzu. Meine Wahl wäre, beide Erscheinungen nicht in die Gruppe der Wirkungen von Strömen aufzunehmen, denn im Gegensatz zu den anderen angesprochenen Wirkungen treten sie ja nur dann auf, wenn der entsprechende Strom Divergenzen hat. 2. Wenn man schon eine Klassifizierung von Wirkungen vornimmt, sollte in beiden Fällen die Wärmewirkung mit dabei sein. 3. Es sollte zum Ausdruck kommen, dass es sich nur um eine Auswahl von Wirkungen handelt. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Friedrich Herrmann, Abteilung für Didaktik der Physik, Universität, 76128 Karlsruhe 47