Hilfe geben, wenn die Haut verrückt spielt

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Samstag, 6. Juni 2015
BR AUNSCHWEIG 21
aus: Braunschweiger Zeitung, Lokales, Samstag, den 6. Juni 2015
DREI FRAGEN AN
„Es geht immer um die
Verbesserung der Lebensqualität“
Dr. Johannes Rowold, Hautarzt in
Foto: Iris Antelmann
Wolfenbüttel.
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Solche geröteten, rauen Stellen sind typisch für eine Neurodermitis.
Foto: Oliver Berg/dpa
Hilfe geben, wenn die
Haut verrückt spielt
Wir haben die Selbsthilfegruppe für Eltern von Kindern mit
Neurodermitis besucht. So helfen sie sich gegenseitig.
Von Iris Antelmann
Braunschweig. Die Nächte waren
die Hölle. Klaffende, eitrige und
blutige Haut, quälender Juckreiz.
Tränen, Wut, Verzweiflung. Und
vor allem: totale Erschöpfung.
„Ich bin an meine absolute Belastungsgrenze
gestoßen“, sagt Janine R.*
Ihr fünfjähriger
Sohn Leo leidet an
Neurodermitis.
Das atopische Ekzem, so der Fachbegriff, ist eine
chronische Erkrankung der Haut. Es
bedeutet Ausschlag,
Juckreiz und Schmerz in
unterschiedlichster Ausprägung.
Leo hat es besonders schlimm erwischt.
Es begann, als er neun Monate
alt war. Am Oberkörper bildeten
sich trockene, rote Stellen, die
Daumen und bald auch die Hände
wurden in Mitleidenschaft gezogen, schließlich die Arm- und
Kniebeugen. „Es war die Zeit des
Zufütterns. Ich dachte, dass er irgendetwas nicht verträgt“, erinnert sich die 39-Jährige Mutter.
Doch die Umstellung der Ernährung brachte keine Besserung,
stattdessen wurden die Hautausschläge noch schlimmer.
Als Leo zwei Jahre alt war, begann eine dreijährige Leidenszeit, wie Janine R.
sie sich nicht hatte
vorstellen können.
Am schlimmsten
war es nachts. In
den Stunden, in
denen Leo im
Halbschlaf anfing
zu kratzen und nicht
mehr aufhörte. So lange, bis die Haut blutig war.
Es war die Zeit einer emotionalen
Achterbahnfahrt – seine Eltern
trösteten ihn, beruhigten ihn, sie
schrien ihn an, sie verzweifelten.
Die Ratschläge der Ärzte
brachten zunächst weder Besserung noch Beruhigung. „Wir waren bei x Ärzten, und jeder sagte
etwas anderes.“ In ihrer Not ergriff Janine R. unterschiedlichste
DIE GRUPPE
Die Selbsthilfegruppe für Eltern neurodermitiskranker Kinder möchte dazu beitragen, dass
sich Eltern mit der belastenden
Situation nicht alleine fühlen.
Sie bietet die Möglichkeit, Behandlungsmöglichkeiten und
Tipps auszutauschen und über
Verhaltensprobleme zu sprechen. Angedacht sind auch
Gastvorträge und Einladungen
von Fachkräften.
Treffen: erstes Treffen der
Selbsthilfegruppe am Montag,
8. Juni, um 19 Uhr in der Brunsviga, Karlstraße 35. Die Treffen
sollen dann montags 14-tägig
stattfinden.
Kontakt: KIBiS (Kontakt, Information und Beratung im Selbsthilfebereich) erreichbar unter
ò (05 31) 48 07 92 0, E-Mail:
[email protected]. Im
Internet: www.selbsthilfebraunschweig.de
Die Erkrankung: Neurodermitis
oder auch atopische Dermatitis
ist eine nicht ansteckende Hautkrankheit, die sich durch Hautausschlag in Form von Ekzemen
und starkem Juckreiz äußert.
Einher geht eine Veranlagung zu
trockener Haut. Die Ausprägung
ist dabei sehr unterschiedlicher
Natur. Die Diagnose wird über
das äußere Erscheinungsbild der
Haut gestellt. Betroffen sind vor
allem Kinder, bei 80 Prozent der
Patienten tritt der Hautausschlag in den ersten sechs Lebensjahren erstmals auf. Immer
wieder verwächst sich Neurodermitis in der Pubertät.
Maßnahmen, um ihren Sohn von
den Leiden zu erlösen: Sie probierte Cremes mit Kortison aus
und ohne, sie gab Leo milch- und
weizenfreie Nahrungsmittel, sie
untersuchte das Haus nach elektromagnetischen Strahlen und
Wasseradern ab, sie ging mit ihm
zu Akupunktur, Reiki und Osteopathie, sie war mit ihm in der
Juckreizambulanz, sie besuchte
zwei Kuren und und und. Es war
eine einzige, erschöpfende Odyssee.
Leo machte alles klaglos mit,
doch den durchschlagenden Erfolg gab es nicht. „Es war zum Verzweifeln. Und das Schlimme ist:
Man selbst wird so unglaublich
kompliziert.“ Die 39-Jährige war
dem Zusammenbruch nahe, ein
Arzt diagnostizierte ein Burnout.
Es war Zeit, die Reißleine zu ziehen.
Und so gab Janine R. ihren Beruf als Marketingreferentin auf
und fuhr ihren Stresslevel radikal
herunter. „Ich wurde nach und
nach gelassener“, sagt sie. Und
auch Leos Haut verbesserte sich
deutlich, „meine veränderte Einstellung hat sich wohl auf ihn
übertragen“. Die 39-Jährige besuchte eine Neurodermitis-Schulung und fühlte sich von nun an
kompetenter, was den Umgang mit
den Kratz-Attacken angeht.
Aktuell hat sich die Situation
weiter entspannt. Leos Haut klafft
nicht mehr, er bekommt ausschließlich homöopathische Mittel, im Schnitt wacht er nachts –
getrieben vom Juckreiz - nur noch
einmal auf. „Es hat eine 60-prozentige Verbesserung ergeben.
Das ist so erleichternd.“
Ihre neugewonnene Kraft nutzt
Janine R., um eine Selbsthilfegruppe für Eltern neurodermitiskranker Kinder aufzubauen. Um
ihr Wissen an andere weiterzugeben und Mut zu machen. „Wir haben so viel durchlebt. Ich möchte
helfen zu vermeiden, sich aufzugeben.“
*Namen von der Redaktion geändert
Welche Ursachen hat Neurodermitis? Spielen Ernährung
und Psyche eine Rolle?
Die Ursache der Neurodermitis, besser der „atopischen Dermatitis“, ist
eine genetisch vorgegebene Veranlagung zu trockener Haut mit erhöhter
Ekzembereitschaft. Es besteht dabei
ein erhöhtes Risiko zu Allergien gegen
unter anderem Pollen, Tierhaare und
diverse Nahrungsmittel. Die Psyche
und die Ernährung können in Einzelfällen eine Rolle spielen, jeder
Mensch und jede Neurodermitis ist
anders. Es gibt ein großes Spektrum
möglicher Einflussfaktoren wie
Schwitzen, Kleidung, Infekte, passives Rauchen, Schwimmen und vieles
mehr.
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Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es aktuell?
Die atopische Veranlagung
bleibt lebenslänglich, in den meisten
Fällen bildet sich das Ekzem aber im
Kindesalter von allein zurück. Es ist
also nie der Verdienst eines Arztes,
des Medikamentes oder einer sonstigen Maßnahme allein, dass die
Symptome verschwinden. Es gibt ein
breites Spektrum, das Ekzem zu beeinflussen: Grundbaustein der Therapie ist, die trockene Haut zu behandeln. Sollte die Hautpflege nicht ausreichen, stehen für den Notfall
entzündungshemmende Salben mit
Kortison und Wirkstoffen mit kortisonähnlicher Wirkung zur Verfügung.
Für schwere Verläufe besteht die
Möglichkeit der Medikamenteneinnahme. Es geht immer um die Verbesserung der Lebensqualität – sowohl der Kinder als auch die der Eltern: „If I don’t sleep, nobody sleeps.“
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Ein Kind wacht nachts weinend auf, weil es den quälenden Juckreiz und die
Schmerzen nicht mehr erträgt was raten Sie den Eltern?
Man kann versuchen, das Kind zu beruhigen und abzulenken, aber das
akute Hautproblem wird in dieser
Nacht nicht zu lösen sein. Ich rate den
Eltern dringend zu einer Neurodermitis-Schulung, um zu lernen, solche Situationen erst gar nicht entstehen zu
lassen. Vielleicht kann der konsultierte Arzt am nächsten Tag helfen, danach kommt aber wieder die nächste
andersgeartete Situation - alles beginnt von vorn. Im Rahmen der Schulung kann man lernen, solche Katastrophen zu vermeiden oder mit ihnen besser fertig zu werden. Meine
Empfehlung: www.neurodermitisschulung.de
Die Fronleichnamsprozession am
Waisenhausdamm.
Foto: Peter Sierigk
Hunderte bei
Prozession zu
Fronleichnam
Braunschweig.
Fahnenträger,
Messdiener und viele Gläubige
waren dabei, als am Donnerstag,
dem Fronleichnamstag, der „Leib
Christi“ in Gestalt einer Hostie
von einem Priester durch die
Stadt getragen wurde.
Bei der Fronleichnamsprozession zogen mehrere hundert Katholiken durch die Innenstadt —
Ziel war das Schloss. Zuvor begingen sie einen gemeinsamen Festgottesdienst in St. Aegidien.
Vor dem Schloss erwartete die
Prozessionsteilnehmer ein eigens
errichteter Altar und ein Segensspruch für die Gemeinde. Eine Begegnung in der Pfarrgemeinde bildete den Abschluss.
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