Computer&Technik 47 Linuxsetztsichdurch Vor 25 Jahren entwickelte der Finne Linus Torvalds das freie Betriebssystem Linux. Aus dem Zeitvertreib des Studenten ist heute ein Milliardengeschäft geworden. Von Claude Settele A m Anfang waren es die Lust am Programmieren und der Frust über bekannte Betriebssysteme, die den jungen Finnen Linus Torvalds zu seiner Grosstat verleiteten. «Just for Fun» heisst der Titel des Buches, in dem der Programmierer mit Co-Autor David Diamond die Entstehung des freien Betriebssystems Linux nachzeichnet. Es ist die Geschichte einer zufälligen Revolution, wie der Untertitel der Originalausgabe sagt. Viele Zeitgenossen können mit dem Begriff Linux nichts anfangen. Bestenfalls kennen sie das Maskottchen: ein Pinguin mit gelbem Schnabel. Doch im Alltag kommt jeder mit Linux in Berührung, ohne es zu wissen. Das Operating System (OS) läuft auf Millionen von Web-Servern, Smartphones und Maschinen im Internet der Dinge. Obschon es sich um kostenlose Software handelt, hat sich ein Ökosystem aus Services und Produkten entwickelt, in dem jedes Jahr Milliarden Dollars umgesetzt werden. grammiersprache C umfasst. Trotz dem bescheidenen Erfolg auf dem Personalcomputer ist die Linux-Szene auch in diesem Feld noch immer aktiv mit Updates und der Lancierung neuer Distributionen. Darunter sind der auf Ubuntu basierende Ableger Linux Mint, Solus oder Elementary OS, dessen Benutzeroberfläche sich optisch an OS X von Apple orientiert. Erfolg von Chrome OS Populär ist auch Chrome OS von Google, das auf den Chromebooks läuft. Experten streiten sich darüber, ob man Chrome OS als Linux-Distribution bezeichnen kann. Es basiert auf Linux, hat aber nur wenige lokal installierte Programme und setzt eher auf Web-Apps und die Cloud als Datenspeicher. Doch Chrome OS hat Aufwind, zurzeit listet Google über 60 damit betriebene Netbooks von über einem Dutzend Herstellern, darunter HP, Dell und Samsung. Der Internetriese hat im Mai an der Entwicklerkonferenz I/O eine interessante Ankündigung gemacht, welche den Erfolg von Chrome OS weiter beflügeln könnte: Demnächst will Google seinen Play-Store für Android-Apps auf Chromebooks bringen. Damit stehen 2,2 Millionen Apps zum Herunterladen auf das Netbook bereit. Das könnte den Absatz der Geräte massgeblich ankurbeln, der jetzt schon anzieht: Laut Google wurden im ersten Quartal des Jahres in den USA mehr Chromebooks verkauft als Macs. So kommt der Jubilar zumindest in Form des Kernels vielleicht doch noch zu einer respektablen Verbreitung auf PC-verwandten Geräten. Damit geht die Entwicklung in die Richtung, die Torvalds als Voraussetzung für den Erfolg auf dem PC genannt hat: Die Leute wollen kein OS installieren, es braucht Computer mit vorinstalliertem Linux. Die Hoffnung hat der Programmierer nicht aufgegeben, er spekuliert, dass Chrome OS vielleicht in der vierten, fünften Generation den Durchbruch schaffe. Auch Android 1.0 sei noch kein grosser Erfolg gewesen, sagte er im Februar an einer TEDKonferenz in Vancouver. Sein einstiges Ziel, ein alternatives Desktop-Betriebssystem zu schaffen, hat Torvalds nicht abgeschrieben. Vielleicht braucht es weitere 25 Jahre, bis das Szenario Realität wird, auf das er hofft: «Wenn Microsoft je Anwendungen für Linux schreiben sollte, habe ich gewonnen.» Seit 1996 das offizielle Logo des Linux-Betriebssystems: Der Pinguin Tux. Portion Naivität Dabei hat alles sehr klein angefangen. Im April 1991 macht sich der Student der Computerwissenschaften an der Universität Helsinki daran, ein eigenes Betriebssystem zu schreiben. Das habe nur dank einer gehörigen Portion Naivität funktioniert, wie Torvalds kürzlich in einem Interview mit dem Magazin «IEEE Spectrum» sagte. An eine Kooperation mit anderen Entwicklern dachte Torvalds ebenso wenig wie an das Konzept von Open Source, das damals unter dem Namen Free Software bekannt war. Torvalds’ Ziel war eine Alternative zum Betriebssystem Unix, dessen Rechte beim Unternehmen AT&T lagen. Daneben gab es noch proprietäre Unix-Ableger von Firmen wie IBM, HP und Sun. Torvalds beginnt im April 1991 mit der Arbeit. Zu diesem Zeitpunkt ist ein anderes Projekt namens GNU in den USA schon länger an der Arbeit. Einige GNU-Module sind fertig, doch die Arbeiten am Kernel, dem Herzstück für die Kernaufgaben eines Betriebssystems, kommen nicht richtig voran. Torvalds seinerseits legt ein anderes Tempo vor. Am 25.August 1991 kündigt er in einer E-Mail die fortgeschrittene Entwicklung seines Kernels an. Das Datum gilt daher als Geburtsstunde von Linux. Der Jungprogrammierer veröffentlicht erstmals den Code und wird damit überrascht, dass er konkrete Verbesserungsvorschläge anderer Entwickler bekommt. Die Community ist geboren, schnell kommen weitere Entwickler dazu. Noch heute überwacht und koordiniert Torvalds die Entwicklung des Kernels, an dem nun über tausend vernetzte Programmierer mitarbeiten. Doch der mittlerweile in den USA lebende Finne arbeitet immer noch allein an einem Stehpult, allzu viel Nähe zu anderen Menschen scheint ihm nicht gut zu bekommen, wie er in mehreren Interviews durchblicken liess. Im zweiten Jahr der Entwicklung erscheint der Kernel des OS erstmals als frei verfügbare Software unter der sogenannten GNU General Public License. Dieses vom Programmierer Richard Stallman entwickelte Lizenzmodell, das auch für die Texte von Wikipedia verwendet wird, erlaubt die freie, auch kommerzielle Nutzung eines Werkes, ANZEIGE neu <wm>10CAsNsjY0MDAx1TUyNjA3sQQAjTeECQ8AAAA=</wm> WINDOWS · OS-X · LINUX · ANDROID <wm>10CFXKIQ6AMAwF0BN1-X9rt5RKMrcgCH6GoLm_IuAQz70xwhI-a9-OvgcBNckFTT1olhw1mqfSwCBZM2gLVQ1uLf--gF4LMN8jpLBOqqhK5jRlus_rARITrKByAAAA</wm> Für kleine Unternehmen, Freiberufler,Vereine und Private www.banana.ch 8 ab FR. 129,– Das mit 1,4 Milliarden Anwendern wichtigste Handy-Betriebssystem Android beruht letztlich ebenfalls auf dem Linux-Kernel. ebenso dessen Verbreitung und Änderung. Die Bedingung ist, dass das geänderte Werk ebenfalls unter der GNU-Lizenz angeboten wird. Als Verwandter von Unix ist auch Linux modular aufgebaut, als vollwertiges Betriebssystem braucht es neben dem Kernel weitere Module wie Dienstprogramme, Treiber und eine Benutzeroberfläche, die zu einem Paket geschnürt werden. Viele dieser sogenannten Linux-Distributionen enthalten auch Module von GNU. Zu den bekannteren Distributionen gehören Debian, Open Suse, Red Hat, Fedora und Ubuntu. Letztgenannte hat dank ihrer benutzerfreundlichen Oberfläche einigen Erfolg auch auf dem PC verzeichnet, doch Windows konnte bisher keine Linux-Version ernsthaft bedrängen. Der grosse Erfolg kam dafür in der Unternehmens-IT. In Rechenzentren und auf Internet-Servern spielt Linux schon länger eine dominante Rolle. 1999 gab IBM offiziell die Unterstützung für Linux bekannt, was die Akzeptanz des OS förderte. Selbst Micro- soft setzt inzwischen im Rechenzentrum für seine Cloud-Plattform Azure bei fast jedem dritten Server Linux ein. Der eindrücklichste Beweis für die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit von Torvalds’ Software liefert allerdings die eben veröffentlichte Liste der Top-500-Supercomputer der Welt: Davon laufen 497 mit Linux, 3 davon mit Unix. Dominant ist Linux nicht nur bei Supercomputern, sondern auch beim «Taschencomputer»: Das mit 1,4 Milliarden Anwendern wichtigste Handy-Betriebssystem Android beruht letztlich ebenfalls auf dem Linux-Kernel. Doch das Wirkungsfeld des Betriebssystems geht weit über Server und Smartphones hinaus. Die Typenvielfalt von Maschinen, die den Pinguin als Motor nutzen, reicht vom Router und von der Alarmanlage über den Smart TV und die Heizungssteuerung bis zum Kleinstcomputer Raspberry Pi. Dass sein Desktop-System einmal auf Servern zum Einsatz kommt, hat Torvalds nicht verwundert, richtig überrascht von der Entwicklung seines Sprosses war er aber, als er erstmals die Benzinpumpe einer Tanksäule sah, die unter Linux lief. Obschon sein OS auch im Internet der Dinge häufig im Einsatz ist, sieht der Finne in diesem Gebiet auch die Grenzen seiner Software. Für kleine Anwendungen sei Linux nicht die passende Plattform, nur schon, weil der Kernel in all den Jahren immer grösser geworden ist und mittlerweile 18 Millionen Zeilen Code in der Pro- Linux ausprobieren Wie man ein neues OS installiert Auf Desktop- und Laptop-Computern konnte sich Linux bis heute nicht gegen Windows und Mac OS durchsetzen, obwohl es unter den vielen Software-Varianten auch benutzerfreundliche Versionen gibt, die sich genauso einfach bedienen lassen wie die kommerzielle Konkurrenz von Apple und Microsoft. Wer dem freien und kostenlosen Betriebssystem (OS) zum 25-Jahr-Jubiläum doch noch einmal eine Chance geben will, sollte sich die Websites von Ubuntu und Elementary OS anschauen. Ubuntu ist vermutlich die von privaten Nutzern am häufigsten eingesetzte LinuxDistribution der Welt. Eine Zeitlang gab es dieses OS auch vorinstalliert auf einigen Laptops. Im Web findet man detaillierte Anleitungen, wie man den Wechsel von Windows oder Mac zu Ubuntu bewerkstelligt. Auf die bekannten Office-Programme muss man dann verzichten. Ein Mangel an nahezu gleichwertigen Open-Source-Programmen gibt es aber nicht. Das gilt auch für Elementary OS, das vielen als schönste Linux-Ausgabe gilt. Die Oberfläche lehnt sich stark an Mac OS von Apple an. (hir.) Der Weg zu Linux 1977 Die Universität Kalifornien entwickelt eine Version des Betriebssystems Unix. Anfang der 1990er Jahre wird sie deswegen von AT&T wegen Patentverletzung verklagt. 1987 Der Informatiker Andrew Tanenbaum veröffentlicht das Betriebssystem Minix. Der Quellcode war offen, die Weitergabe an andere Nutzer jedoch beschränkt. Unix-ähnliche Betriebssysteme blieben teuer. 1991 Linus Torvalds beginnt im August die Entwicklung seines Betriebssystems. Den Namen Linux erhält die Software im September 1991.