Regelung der Asyn˜chronma˜schine mit Transistorumrichter

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Regelung der Asynchronmaschine mit Transistorumrichter
1 Leistungsteil
Wir betrachten die Regelung einer Asynchronmaschine, die über einen Transistorumrichter gespeist wird. Bild 1 zeigt den dazu erforderlichen Leistungsteil in seiner
einfachsten Varianten:
AH
BH
CH
ua
ub
uc
L1
L2
L3
BR
AL
BL
ASM
CL
Bild 1 Transistorumrichter mit Asynchronmaschine
Über eine ungesteuerte Diodenbrücke wird der Zwischenkreiskondensator auf die
Zwischenkreis-Spannung Ud aufgeladen. Um den Einschaltstrom zu begrenzen, ist
ein Ladewiderstand vorhanden, der nach erfolgter Aufladung überbrückt wird.
Durch Pulsbreitenmodulation kann über die Transistorzweige an jede der Maschinenklemmen ein Potenzial angelegt werden, dessen Mittelwert gegenüber einem
fiktiven Nullpunkt beliebige Werte zwischen -Ud /2 und + Ud /2 annehmen kann.
Antiparallele Freilaufdioden erlauben einen Stromfluss in beliebige Richtung.
Der Transistorwechselrichter gestattet einen Energiefluss in beide Richtungen: Vom
Zwischenkreis zur Maschine (Treiben) und von der Maschine zum Zwischenkreis
(Bremsen).
Allerdings kann die hier vorgesehene einfache Diodenbrücke auf der Netzseite keine
Energie ins Netz zurückspeisen. Deshalb würde im Bremsbetrieb die Zwischenkreisspannung unzulässig ansteigen. Um dies zu verhindern, ist ein Bremswiderstand vorgesehen, der über einen Transistor (Chopper) zugeschaltet wird, sobald
die Zwischenkreisspannung einen bestimmten Wert übersteigt. Die Bremsenergie
wird also in diesem Widerstand verheizt.
Selbstverständlich kann durch entsprechend aufwendigere Schaltungen auf der
Netzseite auch ein Umrichter gebaut werden, der die Bremsenergie ins Netz speist.
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2 Signalverarbeitung
Wir wollen nun schrittweise eine Signalverarbeitung entwerfen, die es gestattet, eine
dynamisch hochwertige Regelung der Asynchronmaschine zu realisieren, d.h. das
Moment mit möglichst kleiner Zeitverzögerung beliebig vorzugeben. Wir verwenden
dazu das Verfahren der feldorientierten Regelung. Es sei angemerkt, dass es mehrere Varianten davon gibt; wir betrachten zunächst eine besonders einfache.
Es soll außerdem versucht werden, bei der Herleitung mit einem Minimum an Mathematik auszukommen. Zu diesem Zweck werden einige Idealisierungen vorgenommen und Gedankenexperimente durchgeführt. Selbstverständlich kann diese
Vorgehensweise die ausführliche mathematische Behandlung nicht ersetzen, sie
mag aber dazu beitragen, anschauliche Vorstellungen von den physikalischen Vorgängen zu gewinnen.
2.1 Ständerstromregelung
Im Folgenden werden wir physikalische Größen (insbesondere Ströme und Spannungen) mit indizierten Kleinbuchstaben bezeichnen, denn wir betrachten den Zeitverlauf. Die zugehörigen Signale, also die internen Größen der Signalverarbeitung,
bezeichnen wir mit Folgen von Großbuchstaben. Dies soll uns daran erinnern, dass
diese Signale beispielsweise Variablen in einem Mikrorechnerprogramm sind. Zwischen physikalischer Größe und Signal gibt es jeweils einen (im allgemeinen dimensionsbehafteten) Umrechnungsfaktor.
Zunächst versehen wir den Leistungsteil mit einer Regelung, die es gestattet, beliebige Ströme in den Ständer einzuprägen.
Selbstverständlich kann es nur gelingen, zwei der drei Ständerströme vorzugeben,
denn wegen
ia+ ib + ic = 0 (Kirchhoff)
ergibt sich der dritte Strom zwangsläufig. Wir haben deshalb:
- 2 Stromsollwerte, z.B. IAW und IBW
- 2 Stromistwerte, z.B. IAX und IBX
- 2 Stromregler und 2 Stellgrößen, z.B. UA und UB
Wir müssen uns noch überlegen, was wir mit dem dritten Transistorzweig anfangen
sollen bzw. wie wir uc vorgeben wollen. Eine einfache Überlegung hilft uns hier weiter: Für den Sonderfall, dass ua und ub sinusförmigen Zeitverlauf und gleiche Amplituden haben und um 120° phasenverschoben sind, ist es sicher wünschenswert,
dass uc die beiden zu einem symmetrischen Drehspannungssystem ergänzt. Dazu
muss
ua + ub + uc = 0
gelten, d.h. wir wählen
uc = - ua - ub
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Damit erhalten wir die in Bild 2 dargestellte Regelung:
UA
IAW +
A
- UC PWM B
- UB
C
IBW
+
ia
ib
ASM
ic
IAX
IBX
Bild 2 Ständerstromregelung
Wir erinnern uns an die Arbeitsweise der Pulsbreitenmodulation PWM (Pulse Width
Modulation).
uc
ua
ub
ZOOM
UA
250µs
UB
UC
A
B
C
In Bild 3 sind die Zeitverläufe der 3
Spannungen ua , ub und uc dargestellt. Es sei nochmal darauf hingewiesen, dass die gezeigten sinusförmigen Verläufe einen Sonderfall darstellen. Die Regler aus Bild 2 können
UA und UB beliebig vorgeben und UC
ergänzt diese Werte so, dass in der
Summe Null entsteht.
In Bild 3 wird nun ein kleines Stück
aus dem Zeitverlauf „gezoomt“. Dieses kleine Stück entspricht einem
Modulationsintervall der PWM und sei
beispielsweise 250 µs lang. In dieses
Intervall passe nun genau eine Periode eines Signals mit dreieckförmigen Zeitverlauf, die Frequenz
dieses Signals beträgt also 4 kHz.
Dieses Dreieckssignal wird nun jeweils mit den Signalen UA, UB und
UC verglichen, die den gewünschten
Spannungsverläufen entsprechen.
Bild 3 Pulsbreitenmodulation
Solange das jeweilige Signal größer
ist als das Dreieckssignal, wird das
Ansteuersignal für den entsprechenden Brückenzweig auf „Eins“ gesetzt, sonst auf
„Null“. Die Mittelwerte der Pulsbreitensignale A, B und C entsprechen damit den gewünschten Spannungen.
Bild 4 zeigt vereinfacht eine mögliche Realisierung des Pulsbreitenmodulators.
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Die Darstellung zeigt eine analoge
Signalverarbeitung, die im vorliegenden Fall durchaus möglich wäre und die in den „Anfangstagen“
der Signalverarbeitung bei Transistorumrichtern auch oft so ausgeführt wurde. Heute wird diese
Funktion meist durch entsprechende Zählerschaltungen
realisiert, die in modernen Mikrocontrollern oft eigens zu diesem
Zweck als periphere Schaltung
integriert sind. Da die analoge Variante sich aber besonders gut zur
Darstellung des Prinzips eignet,
wollen wir sie hier heranziehen.
Das Dreieckssignal wird auf die
negativen Eingänge der 3 Komparatoren gegeben, auf die positiven
Eingänge kommen die Signale UA,
UB und UC. Damit entstehen an
den Ausgängen der Komparatoren
die Signale A, B und C, die wir
schon aus Bild 3 kennen.
Aus diesen Signalen müssen nun
Bild 4 Realisierung der PWM
noch die Ansteuersignale für die
Transistoren (AH...CL in Bild 1)
erzeugt werden. Dabei ist zu beachten, dass zwischen dem Ausschalten eines Transistors und dem Einschalten eines Transitors im gleichen Zweig eine kleine „Totzeit“
eingehalten werden muss. Andernfalls könnte es passieren, dass ein Transistor in
einem Zweig eingeschaltet wird, während der andere Zweigtransistor noch nicht
ganz aus ist. Dann wäre eine gefürchtete Durchzündung die Folge: Der Zwischenkreiskondensator würde über einen Transistorzweig kurzgeschlossen und es käme
ein großer Strom zustande.
Dazu sind in Bild 4 die Zeitverzögerungen τ vorgesehen. Wechselt also z.B. das Signal A von 0 auf 1, so geht AL sofort auf 0. Aber erst nach Ablauf von τ werden beide Eingänge des oberen Und-Gatters zu 1 und damit auch AH. Wechselt das Signal A dagegen von 1 auf 0, so ist der Ablauf umgekehrt: AH geht sofort auf 0, aber
AL geht erst nach Ablauf von τ nach 1.
Mit der in Bild 2 dargestellten Regelung sind wir nun in der Lage, die Ströme ia und ib
beliebig in die Maschine einzuprägen. Wie gut (schnell) dies geht, hängt allerdings
von verschiedenen Randbedingungen, z.B. der zur Verfügung stehenden Stellreserve ab. Auch bereitet es bei höheren Frequenzen der einzuprägenden Ständerströme den dargestellten PI-Reglern Mühe, die Signale UA und UB so vorzugeben,
dass die Stromistwerte den Sollwerten ohne Zeitverzug folgen. Die Regler müssen
nämlich am Ausgang dann ebenfalls sinusförmige Signale liefern. Deshalb sind
eventuell weitere Maßnahmen (z.B. Störgrößenaufschaltung) nötig.
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2.2 Raumzeiger
Wir betrachten nun das „Modell“ der Ständerwicklung der Maschine (Bild 5). Wir
können uns dabei auf den Fall einer 2-poligen Maschine beschränken. Die Maschine
habe 3 Wicklungen, deren Achsen in
ia
Bild 5 mit a, b und c bezeichnet sind.
b
Fließt also z.B ein Strom ia durch die
Wicklung a in der eingezeichneten
ic
ib
Richtung, d.h. der Strom fließt oben
aus der Zeichenebene heraus und
unten in die Zeichenebene hinein, so
wird eine Durchflutung in Richtung
a
der Achse a erzeugt. Entsprechendes gilt für die Wicklungen b
und c.
ib
Zu der Darstellung in Bild 5 sind 2
Anmerkungen angebracht:
ic
c
ia
1) In Bild 5 sind die Wicklungen im
Bild 5 Modell der Ständerwicklung
Luftspalt angeordnet. Es ist zweckmäßig, diese Vorstellung zu benutzen, weil wir uns damit später die Kraftwirkung auf diese Leiter im Magnetfeld leicht
vorstellen können. Natürlich wissen wir, dass bei ausgeführten Maschinen die Wicklungen in aller Regel in Nuten „vergraben“ sind. Da das Luftspaltfeld an der Nut
praktisch vorbeigeht, wirkt auf die Wicklung selbst (fast) keine Kraft. Man kann aber
zeigen, dass stattdessen entsprechende Kräfte auf die Flanken der Nut wirken. Die
Vorstellung, die Wicklungen seien im Luftspalt angebracht, führt deshalb zu richtigen
Ergebnissen.
2) Die Wicklungen, die in Bild 5 jeweils nur durch eine Windung angedeutet sind,
sind in Wirklichkeit so ausgeführt, dass die Durchflutung, die eine Wicklung erzeugt,
über den Umfang cosinusförmig verteilt ist. Das Maximum der Durchflutungswelle
der Wicklung a zeigt dabei in Richtung der Achse a. Dies ist Voraussetzung dafür,
dass bei der Überlagerung der Durchflutungen zweier Wicklungen wiederum eine
cosinusförmige Durchflutungswelle entsteht.
Zur Übung und zur Stärkung unserer Vorstellungskraft wollen wir nun annehmen,
dass die Wicklungen a und b mit 2 sinusförmigen Strömen gleicher Amplitude gespeist werden, wobei ib gegenüber ia um 120° in der Phase nacheilt. Zusammen mit
dem Strom ic , der sich dabei zwangsläufig ergibt, bilden die 3 Ströme ia , ib und ic
ein Drehstromsystem. Wir betrachten nun die Größe und Richtung der Durchflutung,
die dadurch in der Maschine zustandekommt, zu 2 verschiedenen Zeitpunkten t1 und
t2 (Bild 6).
Zum Zeitpunkt t1 hat ia sein positives Maximum, ib und ic sind jeweils gerade halb so
groß und haben negatives Vorzeichen. Wir können zu jedem der Ströme Größe und
Richtung seines Raumzeigers angeben. Diese Raumzeiger zeigen in die gleiche
Richtung, wie das Maximum der durch die jeweiligen Ströme verursachten Durchflutungswellen. Die Richtung ist durch die Spulenachse vorgegeben, die Länge wird
durch den Augenblickswert des Stromes bestimmt. Ist der Strom gerade negativ, so
ist der Raumzeiger entgegen der Spulenachse gerichtet.
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ic
Seite 6
ib
ia
t1
Zeitpunkt t1
t2
Zeitpunkt t2
ic
ib
ia
ib
ic
ia
Wir erhalten also zum Zeitpunkt t1 einen Stromzeiger ia
in Richtung der Achse a, einen
halb so langen Zeiger ib entgegen der Achse b und einen
Zeiger entgegen der Achse c,
ebenfalls halb so lang wie ia .
Damit ergibt sich zum Zeitpunkt t1 ein resultierender
Stromzeiger, der in Richtung ia
zeigt, aber die 1,5-fache Länge
hat.
Zum Zeitpunkt t2 , also 60°
später, ist ia nur noch halb so
groß, ib ist genauso groß, hat
aber sein Vorzeichen umgekehrt und zeigt deshalb in
Richtung der b-Achse und ic
hat gerade sein negatives Maximum erreicht.
Der resultierende Stromzeiger hat aber offensichtlich seine Länge behalten und hat
sich um 60° im mathematisch
Bild 6 Raumzeiger bei Drehstromspeisung
positiven Sinne weitergedreht.
Wir können nun mit Recht
vermuten, dass bei Speisung mit einem symmetrischen Drehstromsystem ein
Durchflutungszeiger konstanter Länge entsteht, der sich gleichmäßig weiterdreht.
Auf einen Beweis wollen wir hier verzichten.
Es sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Raumzeiger, wie wir
sie hier betrachten, nichts mit den Zeitzeigern der komplexen Wechselstromrechnung zu tun haben. Letztere beschreiben die Dauerlösung, die sich ergibt, wenn Systeme, die sich durch lineare Differenzialgleichungen beschreiben lassen, mit sinusförmigen Größen angeregt werden. Mit den Zeitzeigern der komplexen Wechselstromrechnung kann also nur der eingeschwungene (stationäre) Zustand beschrieben werden. Wenngleich wir bei den hier verwendeten Raumzeigern sinusförmige Größen zur Überprüfung unserer Überlegungen herangezogen haben, so
haben wir dennoch keine Voraussetzungen bezüglich des Zeitverlaufs z.B. der Ständerströme gemacht. Der Raumzeiger des Ständerstroms gibt einfach an, in welche
räumliche Richtung der Ständerstrom in der Maschine wirkt.
Wir wollen nun den Zusammenhang zwischen dem resultierenden StänderstromRaumzeiger und den Ständerströmen noch etwas genauer betrachten (Bild 7a).
Dort sind die Projektionen eines Raumzeigers auf die 3 Achsen a, b und c dargestellt. Die Zeiger ia und ib zeigen in Richtung der zugehörigen Wicklungsachsen, die
Ströme sind positiv. Der Zeiger ic ist entgegen der Wicklungsachse gerichtet, der
zugehörige Strom ist negativ.
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Seite 7
ib
ia
ic
b
ib
ia
a
c
a) Projektion des Raumzeigers
β
b
i1β
3
i1β
2
1
i1α
2
ib
ia i1α
a
α
b) Zweiachsentransformation
Durch geometrische Überlegungen können wir nachprüfen, dass die Längen
der projizierten Zeiger zusammen Null
ergeben, wenn wir ic negativ zählen.
Addieren wir nun die Zeiger ia , ib und ic
geometrisch, so erhalten wir einen Zeiger in Richtung des ursprünglichen
Raumzeigers, der allerdings die 1,5fache Länge hat.
Das heißt, wir können einen beliebigen
Raumzeiger dadurch vorgeben, dass wir
seine Projektionen auf die Achsen a
und b als Ständerströme ia und ib einprägen. Zusammen mit dem Strom ic ,
der sich wegen ia + ib + ic = 0 zwangsläufig einstellt, ergibt sich dann ein resultierender Raumzeiger der 1,5-fachen
Länge. Deshalb wird in der Literatur
bisweilen bei der Bildung des resultierenden Raumzeigers ein Faktor 2/3 eingeführt, damit der Raumzeiger die gleiche Länge wie die Amplituden seiner
einzelnen Komponenten erhält.
Man kann sich den Raumzeiger auch
durch 2 rechtwinklige (orthogonale)
Komponenten i1α und i1β erzeugt denken, wie dies in Bild 7b) dargestellt ist. Dies ist, wie wir wissen, sehr viel praktischer.
Außerdem haben wir beim Übergang auf rechtwinklige Komponenten zusätzlich listig
einen Index 1 eingeführt. Dieser soll uns dazu dienen, den Ständerstrom (mit dem
wir es bisher ausschließlich zu tun hatten) vom Läuferstrom (mit dem wir es noch zu
tun bekommen), zu unterscheiden.
Bild 7 Zerlegung des Raumzeigers
Aus Bild 7b) können wir die Beziehungen zwischen ia und ib einerseits und i1α und
i1β andererseits leicht ablesen:
ia = i1α
(2.2.1)
ib =
3
1
⋅ i1β − ⋅ i1α
2
2
Wir können die Beziehungen (2.2.1) leicht in eine entsprechende Signalverarbeitung
umsetzen, und als „Vorsatz“ vor die Regelung in Bild 2 schalten. Wir können von nun
an so tun, als hätten wir eine Maschine mit nur zwei senkrecht zueinander stehenden Ständerwicklungen.
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Bild 8 zeigt die entsprechende Signalverarbeitung, die wir nun vor das in Bild 2 dargestellte Blockbild schalten können.
I1ALFA
IAW
1
2
-
I1BETA
3
2
IBW
+
Bild 8 Signalverarbeitung zur Zweiachsentransformation
Wir stellen uns also eine Maschine vor, die zwei orthogonale Ständerwicklungen hat,
in die wir über die Sollwerte I1ALFA und I1BETA beliebig Ströme einprägen können.
Tatsächlich ist dies auch mit kleiner Zeitverzögerung (z.B. 1ms, je nach Leistungsteil)
möglich.
Diese beiden fiktiven Wicklungen bringen, genauso wie die drei tatsächlich vorhandenen Wicklungen, jeweils eine über den Umfang cosinusförmig verteilte Durchflutung zustande. Wir können deshalb mit den beiden Komponenten I1ALFA und
I1BETA einen Durchflutungs-Raumzeiger in beliebige Richtung mit nur kleinem Zeitverzug vorgeben. Dieser Raumzeiger zeigt in Richtung des Maximums der Durchflutung. Die resultierende Durchflutung ist wieder cosinusförmig über den Umfang verteilt.
Wir stellen uns nun weiterhin vor, dass auch der Läufer zwei solche Wicklungen
trägt, wie es in Bild 9 dargestellt ist. Diese Wicklungen sind, wie bei der Asynchronmaschine üblich, jeweils kurzgeschlossen.
β
i1α
i1β
i2α
i2β
i2β
i1β
α
i2α
i1α
Bild 9 Maschine mit 2 Ständerund 2 Läuferwicklungen
In Bild 9 sind diese beiden Läufer-Wicklungen nun in eine solche Stellung gebracht,
dass ihre Achsen mit denen des Ständers
genau zusammenfallen. Das mag zunächst
als Spezialfall erscheinen, wir können uns
aber überlegen, dass auch bei einer anderen
Stellung des Läufers die Wirkung die gleiche
ist: Die bei einer gegenüber Bild 9 verdrehten Stellung des Läufers von diesem erzeugte Durchflutung lässt sich sich stets in 2
Komponenten in Richtung α und β zerlegen,
so dass man sich die Durchflutung auch
durch die in Bild 9 dargestellten Läuferwicklungen erzeugt denken kann. Entsprechendes gilt insbesondere für den Fall, dass der
Läufer als Käfigläufer ausgebildet ist, also
über viele Wicklungen verfügt.
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2.3 Erregung der Maschine
Damit eine elektrische Maschine ein Drehmoment erzeugen kann, ist es zunächst
notwendig, dass im Luftspalt ein Magnetfeld bzw. ein Fluss vorhanden ist. Wir wollen
deshalb zunächst überlegen, wie dies erreicht werden kann.
Betrachten wir nun die Ständerwicklung, deren Achse in Richtung α zeigt, und die
Läuferwicklung mit der gleichen Eigenschaft. Dabei sollte uns auffallen, dass wir einen Transformator gebaut haben, der allerdings sekundärseitig (Läufer) kurzgeschlossen ist. Wir tun so, als habe dieser Transformator gleiche Windungszahl auf
beiden Seiten, was zwar beim Käfigläufer nicht der Fall ist, für unseren prinzipiellen
Überlegungen aber keine Rolle spielt (bei anderen Übersetzungsverhältnissen können wir die Ströme bekanntlich umrechnen).
Von diesem Transformator wollen wir nun annehmen, dass er zwar eine endliche
Hauptinduktivität Lh besitzt, und dass der ohmsche Widerstand auf der Sekundärseite (Läufer) nicht Null ist, dass aber sonst der Transformator ideal ist. Insbesondere vernachlässigen wir in unserem Gedankenexperiment die Streuung. Der Transformator lässt sich damit durch das Ersatzschaltbild in Bild 10 beschreiben.
Mit der Elektronik können wir nun
1α
2α
i1α (fast) sprungförmig einprägen,
wie dies in Bild 10 dargestellt ist.
Im ersten Augenblick will dieser
Strom aber nicht in die Hauptinµα
2
h
duktivität fließen, da sich Ströme
in Induktivitäten bekanntlich nie
sprungförmig ändern. Dem Strom
i1α bleibt deshalb nichts anderes
1α
übrig, als durch den (idealen)
Transformator zu fließen. Beim
idealen Transformator herrscht
µα
aber immer Durchflutungsgleichgewicht. Da wir ein Übersetzungsverhältnis von 1 angenommen haben, wird deshalb der
2α
Transformator auf der Sekundärseite einen Strom i2α treiben, der
zunächst genauso groß wie i1α ist, Bild 10 Ersatzschaltbild und Stromverläufe
aber entgegen der in Bild 10 eingezeichneten Stromrichtung fließt. Der Strom i2α erzeugt einen Spannungsabfall an R2
und diese Spannung liegt an Lh an, so dass dort ein Strom iµα zu fließen beginnt. Dadurch fließt nur noch ein Teil von i1α in den idealen Transformator, wodurch sich i2α ,
der Spannungsabfall an R2 und die Spannung über Lh verringern. Schließlich ergeben sich die in Bild 10 dargestellten Verläufe (e-Funktionen). Die Zeitkonstante dieser Verläufe ist Lh/R2.
i
i
i
L
R
i
i
-i
t
In Bild 11 wird der gleiche Vorgang aus Bild 10 noch einmal aus einem anderen
Blickwinkel dargestellt:
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i1α
Seite 10
β
t=0
i1α
i2α
i2α
t>0
i1α
α
iµα
i2α
t>>0
i2α
i1α
i1α
iµα
Bild 11 Aufmagnetisierung der ASM
Zum Zeitpunkt t=0 erzeugt i1α einen Stromraumzeiger, der in Richtung der α-Achse
zeigt. In diesem Zeitpunkt ist der Strom i2α betragsmäßig gleich groß, hat aber negatives Vorzeichen. Er erzeugt deshalb einen Stromraumzeiger, der dem von i1α genau
entgegen gerichtet ist und diesen deshalb im ersten Augenblick kompensiert. Damit
ist die resultierende Durchflutung und damit der Fluss zunächst Null.
Etwas später (t>0) ist i2α etwas abgeklungen; die Differenz aus i1α und i2α bildet nun
den resultierenden Stromraumzeiger iµα , der nun einen entsprechenden Fluss in der
Maschine erzeugt.
Schließlich (t>>0) ist i2α ganz verschwunden; der Magetisierungsstrom iµα ist genauso
groß wie i1α .
Der soeben beschriebene Vorgang ist dem vergleichbar, der beim Zuschalten der
Erregerspannung auf die Feldwicklung einer fremderregten Gleichstrommaschine
abläuft: Der Magnetisierungsstrom und damit der Fluss baut sich mit einer eFunktion mit einer relativ großen Zeitkonstanten auf. Die Größenordnung der Zeitkonstanten zum Feldaufbau liegt in beiden Fällen in der Gegend von einigen 100ms.
2.4 Drehmoment bei festgebremstem Läufer
Wir wollen nun überlegen, wie wir ein Moment in der Maschine zustande bringen
können. Dazu nehmen wir in einem Gedankenexperiment an, der Läufer sei festgebremst. Eine Bewegung des Läufers würde nämlich unsere Überlegungen stark
stören. Wir werden später sehen, dass diese doch sehr massive Einschränkung (wir
verhindern, dass sich der Rotor dreht, was doch eigentlich seine Bestimmung ist)
sich durch ein weiteres Gedankenexperiment wieder aufheben lässt.
Wir prägen nun auch in die β-Wicklung des Ständers einen Strom sprungförmig ein.
Bild 12 zeigt, was passiert:
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i1α
Seite 11
β
i1β
i1β
i2β
i2β
i1
i1β
α
i2β
i1α
iµα
i1α
Bild 12 Sprungförmiges Einprägen eines Stroms i1β
In der Wicklung des Läufers, die gerade in α-Richtung zeigt, ist der Strom i2α zu diesem Zeitpunkt abgeklungen, wie wir bei der Diskussion von Bild 11 gesehen haben.
In Bild 12 links ist diese Tatsache noch einmal dadurch verdeutlicht, dass die entsprechende Läuferwicklung „leer“ (ohne Strompfeile) dargestellt ist. In Bild 12 rechts
sehen wir, dass i2α nicht vorhanden ist; damit wirkt i1α als Magnetsierungsstrom iµα.
Mit anderen Worten: Der Strom i1α erzeugt einen Fluss in der Maschine, der in
Richtung der α-Achse zeigt. Genauer: Es liegt eine cosinusförmige Feldverteilung
über den Umfang vor, die in Richtung der α-Achse ihr positives Maximum hat und in
Richtung der β-Achse Null ist.
In Richtung der β-Achse passiert nun das Gleiche, was beim Aufmagnetisieren in αRichtung abgelaufen ist: Beim sprungförmigen Einprägen von i1β wird sofort ein
gleich großer, aber entgegengesetzt gerichteter Strom i2β induziert. In diesem ersten
Augenblick entsteht deshalb auch keine Durchflutung und damit auch kein Fluss in
β-Richtung. Da aber nun ein Strom i2β in der Läuferwicklung fließt, und diese sich gerade dort befindet, wo der Fluss sein Maximum hat, entsteht ein Moment. Für einen
kurzen glücklichen Zeitraum sind wir sogar in der Lage, dieses Moment praktisch
verzögerungsfrei einzustellen. Wegen der „Trafo-Wirkung“ ändert sich i2β nämlich mit
jeder Änderung von i1β und damit auch das erzeugte Moment. Die beiden Kom!
ponenten i1α und i1β bilden dabei den Ständerstromraumzeiger i1 , wobei offensichtlich i1α den Fluss und i1β das Moment bestimmt.
Leider währt dieses Glück nicht lange, wie Bild 13 zeigt. Der Strom i2β klingt mit der
Zeitkonstanten Lh/R2 ab, so dass nun auch in ß-Richtung eine resultierende Durchflutung bzw. ein Magnetisierungsstromkomponente iµβ entsteht. Die beiden Kompo!
nenten iµα und iµβ bilden nun den Magnetsierungsstromraumzeiger i µ . Dieser dreht
!
sich nun offensichtlich in Richtung des Ständerstromraumzeigers i1 . Dieser Vorgang
ist in Bild 14 abgeschlossen.
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i1α
Seite 12
β
i2β
i1β
i2β
i2β
i1β
i1
i1β
α
iµ
iµβ
iµβ
i1α
iµα
i1α
Bild 13 Die Rotorstromkomponente i2β klingt ab.
i1α
β
iµβ
i1β
i1β
i1
iµ
i1β
α
i1α
i1α
iµα
Bild 14 Der Rotorstrom ist völlig abgeklungen.
Nachdem nun beide Komponenten des Rotorstroms abgeklungen sind, wird der Magnetsierungsstrom nur noch vom Ständerstrom erzeugt. In dieser Situation entsteht
natürlich auch kein Moment mehr. Insbesondere besteht aber der schöne Sachverhalt, wie er in Bild 12 für kurze vorgelegen hat, nämlich dass eine Komponente des
Statorstroms den Fluss und die andere das Moment bildet, nicht mehr.
Wollten wir nun erneut sprungförmig ein Moment erzeugen, so bräuchten wir eine
Ständerwicklung, deren Achse jetzt quer zur Richtung des aktuellen Magnetisierungsstromzeigers liegt, der sich ja offensichtlich (infolge der festgebremsten Maschine) nur langsam bewegt.
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Seite 13
In einem Gedankenexperiment betrachten wir nun eine „Phantasie-Maschine“
mit sehr vielen Ständerwicklungspaaren, von denen jeweils 2 orthogonale über bewegliche Bürstenpaare mit Strom versorgt werden können.
β
q
d
α
i1d
i1
iµ
i1d
i1q
Bild 15 Gedankenexperiment zur „Feldorientierung“
In Bild 15 sind diese Bürsten nun gerade so eingestellt, dass eine Wicklung mit ihrer
Achse in Richtung des Feldes liegt, wie es in Bild 14 zuletzt zustande gekommen
war. Diese Achse ist in Bild 15 mit „d“ bezeichnet. Lassen wir durch diese Wicklung
nun einen Strom i1d fließen, der betragsmäßig genauso groß ist, wie der Magnetsierungsstrom, so hält dieser das Feld aufrecht. Der Strom i1d bleibt auch weiterhin
„flussbildend“, wenn es uns stets gelingt, die Bürsten stets so weiterzudrehen, dass
die Achse der entsprechenden Wicklung in Feldrichtung („feldorientiert“) bleibt. Die
Läuferwicklungen sind in Bild 15 noch stromlos, wie dies auch in Bild 14 der Fall war.
Die Läuferwicklungen sind in Bild 15 aber nun auch in Richtung der „Bürstenachsen“
eingetragen. Das soll aber nicht heißen, dass der Läufer sich bewegt hat - er ist für
unsere weiteren Überlegungen immer noch festgebremst - , die Anordnung wie in
Bild 15 soll uns nur die weiteren Überlegungen erleichtern. Wir hatten ja bereits im
Zusammenhang mit Bild 9 diskutiert, dass man sich die durch die Läuferströme erzeugte Durchflutung stets durch 2 beliebig „verdrehte“ Wicklungen erzeugt denken
kann.
Prägen wir nun einen Strom i1q in die Wicklung ein, die quer (Achse q) zum Feld
steht, so kommt sofort ein Moment zustande (Bild 16). Es liegt praktisch die gleiche
Situation vor, die wir aus Bild 12 schon kennen: Wir können mit i1q das Moment beliebig und praktisch verzögerungsfrei einstellen. Im Gegensatz zu Bild 12 haben wir
aber jetzt die Möglichkeit, diesen angenehmen Zustand beizubehalten. Wir müssen
„nur“ die Bürsten stets so verdrehen, dass der Strom i1d in Feldrichtung und I1q quer
dazu wirkt, d.h. die „Feldorientierung“ aufrechterhalten bleibt.
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q
Seite 14
β
i1d
d
i1q
i2q
i1
α
i2q
i1d
i1q
i1q
i1d
iµ
i2q
i1q
i1d
Bild 16 Momentenbildung im Gedankenexperiment
Natürlich wollen wir keine Maschine bauen, wie wir sie im Gedankenexperiment benutzt haben. Wir suchen deshalb nach einem elektronischen Ausweg. Im Zusammenhang mit der Zweiachsentransformation haben wir ja schon gesehen, wie wir
durch eine geeignete Signalverarbeitung für eine Maschine, die in Wirklichkeit 3
Wicklungen hat, 2 Sollwerte (I1ALFA und I1BETA, siehe Bild 8) vorgeben können,
die so wirken, als hätte die Maschine 2 orthogonale Wicklungen. Die Rechenvorschriften haben wir durch geometrische Überlegungen gefunden, indem wir die Projektionen des Stromraumzeigers auf die gewünschten Achsen betrachtet haben.
Jetzt suchen wir eine Rechenschaltung, der wir Sollwerte I1D, I1Q und einen Verdrehwinkel RHO („Bürstenstellung“) vorgeben, und die dann die neuen Sollwerte
I1ALFA und I1BETA liefert. Eine solche Rechenschaltung heißt Koordinatendreher,
weil sie dafür sorgt, dass wir Stromkomponenten im „feldorientierten“ d-q-Koordinatensystem vorgeben können und daraus die entsprechenden Komponenten im
„ständerfesten“ α-β-Koordinatensystem geliefert bekommen. Bild 17 veranschaulicht
dieses Vorhaben.
I1ALFA
I1D
I1Q
Koordinatendreher
I1BETA
RHO
Bild 17 Koordinatendreher als „Sollwertvorsatz“
IAW
2/3Koordinatenwandler
IBW
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Seite 15
β
q
i1
i1β
i1q cosρ
ρ
d
i1q
i1d
i1d sinρ
i1q sinρ
ρ
α
i1α
i1d cosρ
Bild 18 Zur Ableitung des Koordinatendrehers
!
Bild 18 zeigt nun den Raumzeiger i1 in beiden Koordinatensystemen. Daraus lassen
sich die Beziehungen zwischen den Komponenten in den beiden Koordinatensystemen ablesen:
i1α = i1d ⋅ cos ρ − i1q ⋅ sin ρ
(2.4.1)
i1β = i1d ⋅ sin ρ + i1q ⋅ cos ρ
Die notwendige Signalverarbeitung zeigt Bild 19 als Wirkschaltplan:
I1D
I1ALFA
*
*
*
I1BETA
I1Q
*
COSRHO
SINRHO
RHO
Bild 19 Wirkschaltplan zur Koordinatendrehung
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Mit dem Signal RHO wird z.B. eine im ROM eines Mikrorechners abgelegte Tabelle
angesteuert, die dann entsprechende Werte COSRHO und SINRHO liefert. Es sind
dann nur noch 4 Multiplikationen und 2 Additionen notwendig, um die Koordinatendrehung zu vollziehen.
Damit sind nun die „Innereien“ von Bild 17 bekannt. Wir brauchen also lediglich die
Signalverarbeitung aus Bild 17 vor die Stromregelung aus Bild 2 zu schalten und
können dann über I1D einen Stromsollwert „in Feldrichtung“ vorgeben und damit den
Fluss verändern und wir können mit I1Q einen Stromsollwert vorgeben, der „quer
zum Fluss“ wirkt und damit das Moment bestimmen. Letzteres geht mit der sehr geringen (typ. 1ms) durch die Stromregelung bedingten Zeitverzögerung, während der
Fluss nur mit der Rotorzeitkonstanten TR = Lh / R2 (typ. einige 100ms) verstellt werden kann. Die Sache hat allerdings noch einen Schönheitsfehler: Wir brauchen noch
den Winkel RHO, der angibt, wohin der Magnetisierungsstrom bzw. der Flussraumzeiger gerade zeigt. In den Anfangstagen der feldorientierten Regelung hat man versucht, dies mit Sensoren (z. B. Hallelementen) im Luftspalt herauszufinden. Da dies
unpraktikabel ist, verwendet man heute lieber ein Flussmodell.
2.5 Flussmodell
Wir brauchen also ein Modell der Maschine, das uns den Winkel ρ liefert. Dazu sind
in Bild 20 links noch einmal die Raumzeiger aus Bild 16, wie sie im Augenblick des
Zuschaltens von i1q wirksam sind, dargestellt. Ohne weitere Maßnahmen würde sich
!
!
nun der Magnetisierungsstrom i µ in Richtung des Ständerstroms i1 drehen, wie dies
in Bild 20 rechts für eine Zeit ∆t später dargestellt ist.
t=0
t=∆t
i1
i1
i1d
i1q
∆iµq
i1q
iµ
i1d
iµ
i2q
∆ρ∗
i2q
Bild 20 Zur Herleitung des Flussmodells
Das, was in Bild 20 rechts dargestellt ist, müssen wir verhindern. Deshalb müssen
!
wir das d-q-Koordinatensystem genauso schnell weiterdrehen, wie sich i µ aus der dAchse wegdrehen will. Dazu müssen wir wissen, wie groß ∆iµq nach der Zeit ∆t geworden wäre. Bei der Beantwortung dieser Frage hilft uns Bild 21. Dort ist der Zeitverlauf dargestellt, mit dem sich iµq ohne Gegenmaßnahme der Komponente i1q des
Ständerstroms annähern würde. Wie wir wissen, ist das eine e-Funktion mit der
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Zeitkonstanten TR. Einen ähnlichen Vorgang haben wir schon anhand von Bild 10
diskutiert.
TR
i1q
iµq
∆iµq
∆t
t
Bild 21 Zur Ermittlung der Änderungsrate ∆iµq / ∆t
Aus Bild 21 können wir ablesen, wie schnell sich iµq im ersten Augenblick ändert:
∆i µq
∆t
≈
i1q
TR
(2.5.1)
Aus Bild 20 lesen wir ab, wie sich dadurch der Winkel ρ* ändert:
∆i µq = i µ ⋅ sin ∆ρ * ≈ i µ . ∆ρ *
(2.5.2)
Der Winkel ρ ist in Bild 20 bzw. in (2.5.2) listig mit einem Stern ( * ) verziert, weil wir
hier ahnen können, dass dies nicht das endgültige ρ ist, mit dem der Koordinatendreher gefüttert werden muss. Der Rotor ist ja bei unseren Überlegungen immer noch
festgebremst und wenn wir diese Bremse aufheben, wird dies Einfluss auf die notwendige Koordinatendrehung haben.
Wir eleminieren nun ∆iµq in (2.5.1) und (2.5.2) erhalten:
∆t ⋅ i1q
TR
≈ i µ ⋅ ∆ρ *
(2.5.3)
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Lassen wir nun ∆t gegen Null streben, so erhalten wir:
i1q
∆ρ * dρ *
=
=
lim
∆t → 0
∆t
dt
iµ ⋅ TR
(2.5.4)
Wenn wir außerdem berücksichtigen, dass bei Feldorientierung iµ der Ständerstromkomponenten i1d mit der Rotorzeitkonstanten TR folgt, so bekommen wir den in Bild
22 dargestellten Wirkschaltplan zur Bestimmung von ρ* :
I1Q
RHO*
I1D
TR
TR
Bild 22 Modell zur Berechnung von RHO*
Bisher haben wir unsere Überlegungen bei festgebremsten Läufer durchgeführt.
Wenn wir diese Einschränkung aufheben, ändern sich die Verhältnisse grundlegend:
Die stromführenden Wicklungen in Läufer und Ständer können sich nun relativ zueinander bewegen und die von ihnen erzeugten Durchflutungen sind dann von dieser Bewegung abhängig. Damit wären unsere mühsam angestellten Betrachtungen
nicht mehr gültig. Mit einem einfachen Trick können wir aber dieses Problem lösen.
Wir brauchen nämlich nur die Drehung des Läufers zu erfassen und mit diesem
Winkel γ den Koordinatendreher zusätzlich beaufschlagen. Damit wird, was die magnetischen und elektrischen Verhältnisse betrifft, der Ständer scheinbar mit dem
Läufer mitgedreht, d.h. die Verhältnisse sind wieder so wie in der festgebremsten
Maschine. Wir erhalten so die in Bild 23 dargestellte Struktur einer einfachen feldorientierten Regelung. Wir können damit die momentenbildende Komponente I1Q und
die flussbildende Komponente I1D des Ständerstromes beliebig vorgeben. Damit haben wir entsprechende Stellgrößen wie bei der Gleichstrommaschine zur Verfügung.
Diese einfache Version hat allerdings noch Schwachstellen:
• In das Modell geht die Rotorzeitkonstante TR ein. Diese ändert sich aber mit R2,
das stark temperaturabhäng ist. Da man die Temperatur im Rotor nur schlecht
messen kann, wird bisweilen ersatzweise die Temperatur im Lagerschild gemessen und zur Korrektur herangezogen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, zusätzlich zu dem hier verwendeten „Strommodell“ für den Fluss ein „Spannungsmodell“ heranzuziehen. Letzteres bezieht seine Information aus den Spannungen
an den Motorklemmen. Allerdings arbeitet es erst ab einer gewissen Mindest-
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drehzahl (z. B. 10% der Nenndrehzahl) zufriedenstellend. Man kann es aber benutzen, um oberhalb dieser Minimaldrehzahl R2 nachzuführen.
• Wir haben bei unseren Überlegung die Magnetisierungskennlinie nicht berücksichtigt. Im allgemeinen wird man das Modell dahingehend erweitern müssen.
• Das Flussmodell wird hier von den Sollwerten I1D und I1Q angesteuert. Besser ist
es, dazu die Istwerte heranzuziehen. Da diese aber im statorfesten Koordinatensystem gemessen werden, ist dann ein weiterer Koordinatendreher notwendig.
• Wir haben hier eine „Stromregelung in Ständerkoordinaten“ verwendet, d.h. die
Stromregler müssen sinusförmige Soll- und Istwerte verarbeiten und entsprechende Stellgrößen ausgeben, was ihnen bei höheren Frequenzen nicht leicht
fällt. Eine Alternative besteht darin, die Stromregler die Ströme im d/q-Koordinatensystem regeln zu lassen (Regelung in Feldkoordinaten). Dazu wird der Koordinatendreher hinter den Stromreglern angeordnet.
I1ALFA
I1D
IAW
2/3
A
Stromregler
KoordinatenKoordinaten-
I1Q
dreher
γ
B
ASM
+ PWM
wandler
C
IBW
I1BETA
IAX, IBX
RHO
GAMMA
RHO*
TR
TR
Bild 23 Einfache Version einer feldorientierten Regelung
T
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