Anläßlich der Zerstörung Magdeburgs am 16.1.1945 habe ich den

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Anläßlich der Zerstörung Magdeburgs am 16.1.1945 habe ich den
folgenden Leserbrief an die Magdeburger Volksstimme geschickt,
vermutlich nahezu ohne eine Chance zur Veröffentlichung:
„Leserbrief zur Leserseite, ‚Rechte plakatieren Magdeburg zu‘
Volksstimme, Donnerstag, 15. Januar 2015,
Magdeburger Lokalanzeiger, Seite 13:
Opferzahlen des Terrorangriffs auf Magdeburg am 16.1.1945
Die Volksstimme zitiert in ihrem Beitrag im Infokasten ‚Mißbrauch von
Opferzahlen‘ ausschnittweise aus dem Buch ‚Der Himmel brennt über
Magdeburg‘ von Manfred Wille. Da m. E. auch die nichtzitierten
Passagen (S. 36) von allgemeinem Interesse sind, bitte ich anläßlich des
70. Jahrestages der Magdeburger Schreckensnacht zum Gedenken an
die Opfer um Abdruck des kompletten folgenden Absatzes:
‚Tausende verloren in dieser Schreckensnacht das Leben, verbrannten,
erstickten, wurden von den einstürzenden Häusern erschlagen. Ihre Zahl
konnte nie genau ermittelt werden. Bereits in den ersten Tagen und
Wochen nach dem Angriff war von 16 000 Opfern die Rede. Das
statistische Jahrbuch des Rates der Stadt von 1946 nennt dagegen
ungefähr 6000 Tote, 11 221 Verletzte und 190 000 Obdachlose. Die
Toten, viele waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und konnten nicht
identifiziert werden, wurden in einem Massengrab auf dem Westfriedhof
beigesetzt. Die Beerdigung, zu der Kriegsgefangene herangezogen
wurden, dauerte acht bis zwölf Tage. Das Massengrab hatte das
faschistische Stadtregime schon Ende 1944 ´vorsorglich´ ausheben
lassen. Noch Jahre nach der Schreckensnacht wurden Tote und Skelette
bei der Enttrümmerung gefunden. Nach Recherchen sind 3756 bei
Bombenangriffen getötete Magdeburger auf Friedhöfen der Elbestadt
beerdigt worden.‘ In dem Buch ‚Dann färbte sich der Himmel blutrot‘, 2.
Auflage 1995, ist ein Teil dieser Zahlen nicht mehr zu finden.
Befremdlich ist der euphemistische Satz (S. 95): ‚Für die Einwohner
bedeutete der Angriff eine Katastrophe größeren Ausmaßes.‘ Es wäre
verdienstvoll, wenn die Volksstimme die Forschungsmethoden
detaillierter erklären würde, mittels derer ‚man heute‘ (also Jahrzehnte
nach dem Ereignis) ‚von 2000 bis 2500 fast ausschließlich zivilen
Todesopfern durch den Luftangriff am 16. Januar 1945‘ ausgeht. Unter
Wikipedia wird für ebendiese Zahlen keine Quelle angegeben.
Prof. Dr. Lutz Sperling, Magdeburg“
Im folgenden sei der Text des im Leserbrief erwähnten Info-Kastens
komplett wiedergegeben:
„Mißbrauch der Opferzahlen
Seit Jahren wird die Bombardierung Magdeburgs von Rechtsradikalen
mißbraucht. Ein Streit entzündet sich an der Diskussion, wie viele
Menschen ums Leben gekommen sind. Auch auf den Plakaten wird die
von Rechtsradikalen oft gebrauchte Zahl von 16000 verwendet. Die Zahl
gilt als wissenschaftlich widerlegt. So verweist das Kulturhistorische
Museum auf das Buch „Der Himmel brennt über Magdeburg“ von
Manfred Wille. Darin heißt es: ‚Tausende verloren in dieser
Schreckensnacht das Leben […]. Ihre Zahl konnte nie genau ermittelt
werden. […] Das Statistische Jahrbuch der Stadt von 1946 nennt
ungefähr 6000 Tote, 11 221 Verletzte […]‘
Nach aktuellem Stand der Forschung geht man heute von 2000 bis 2500
fast ausschließlich zivilen Todesopfern durch den Luftangriff am 16.
Januar 1945 aus. Insgesamt sollen bei sämtlichen Bombenangriffen auf
Magdeburg während des zweiten Weltkrieges zwischen 4000 und 6000
Menschen ihr Leben verloren haben.“
Im Hauptbeitrag, dem der „Infokasten“ zugehört, wird von einer
Ordnungswidrigkeit berichtet, die darin bestand, daß am frühen Morgen
des 14. Januar 2015 von einer Initiative namens „Magdeburger
Gedenken“ in Magdeburg 2000 (oder realistischer eher nur 1000)
Plakate aufgehängt wurden mit „Slogans“ wie „Magdeburger Gedenken“
und „Magdeburger Bombennacht“, auf der von 16000 Toten die Rede
gewesen sei. „Daß die neuen Plakate aus der Neonazi-Szene
Magdeburgs kommen, zeigten“ nach „David Begrich von der
Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander“ „Stil und
Aussagen“.
Die Richtigkeit dieser Aussage soll hier mangels eigener Informationen
nicht kommentiert werden. Allerdings ist es bedauerlich, daß David
Begrich von der Volksstimme wiederholt als Rechtsextremismus-Experte
zu Rate gezogen wird. Dieser hatte früher im Internetportal „Netz gegen
Nazis“ geäußert, Schnittstellen der schwarzen Schafe in den eigenen
Reihen (?) zur extremen Rechten seien beispielsweise die von
Lebensschützern organisierten „Märsche für das Leben“ … oder
„erzkonservative Familienkonzepte“. Damit ist Begrich als ein
linksextremer Gender-Ideologe erwiesen, völlig ungeeignet, als neutraler
Gutachter gesellschaftlicher Kräfte zu fungieren.
Weshalb entstand mein Wunsch, anstelle des „Infokastens“ das
komplette Zitat aus Willes Buch in der Volksstimme abgedruckt zu
sehen? Es fehlte u.a. die eigentliche Quelle der Zahl 16 000, die hier
doch von Interesse ist. Es fehlte die Zahl der 190 000 Obdachlosen, die
zusammen mit den weiteren Einzelheiten, wie z. B. der Zeitdauer 8 bis
12 Tage der Beisetzung vieler der Toten im Massengrab, die enorme
Schwierigkeit der Schätzung der Opferzahlen verdeutlicht.“
Es stellen sich u. a. folgende Fragen:
Woher stammt die Zahl 2000 bis 2500?
Wie wurde die Anzahl der im Massengrab Beigesetzten geschätzt?
War die Stadt unter der nationalsozialistischen Diktatur zur Zeit des
Kriegsendes daran interessiert, die Zahl der Toten zu übertreiben?
Was hat die Zahl der Toten mit Rechtsradikalismus zu tun?
Warum sind Politik und Medien heute so stark interessiert, möglichst
geringe Totenzahlen zu präsentieren?
Aus welchen Gründen soll eine Erwähnung der enormen
Kriegsverbrechen der Alliierten neben der wesentlichen Kriegsschuld
des Deutschen Reiches möglichst unterbunden werden?
Ist man gerade deswegen überschnell bereit, diese Frage mit einem
rechten Radikalismus in Verbindung zu bringen?
In dem Beitrag „Bombenkrieg auf deutsche Städte“, Tagespost,
10.2.2005, wird zunächst zu recht als „obszön“ beklagt, wenn NPD oder
Neonazis sich unter Verharmlosung der deutschen Kriegsschuld sich
des Themas bemächtigten. Als ein Beispiel der Verurteilung deutscher
Kriegsführung in diesem Beitrag sei zitiert:
„Der deutsche Gegenterror mußte sich auf die V-Waffen beschränken:
seit Juni 1944 – zunächst die V1, später die V2 – insgesamt etwa
10000 ungelenkte Raketen, die Punktziele nicht zu treffen vermochten
und daher gegen große Städte gerichtet wurden. Die Gesamtverluste
dort betrugen ungefähr 8500 Tote. Auch dies war ein schwerer Bruch
des Völkerrechts.“
Im Anschluß an die erstgenannte Zurückweisung einer Verharmlosung
der deutschen Kriegsschuld folgt hinsichtlich des Bombenkrieges auf
deutsche Städte die Feststellung: „Es wäre aber ein verhängnisvoller
Fehler, dieses Leid zu tabuisieren und die Art jener Kriegsführung als
legitime und logische Konsequenz seiner Anfänge zu betrachten.
Deshalb wäre es falsch, das Thema den Rechtsradikalen zu überlassen
und diese so zu stärken.“
Es geht also um die Frage, ob der Bombenkrieg auf deutsche Städte „als
legitime und logische Konsequenz seiner Anfänge zu betrachten sei“,
was als ein „verhängnisvoller Fehler“ bezeichnet wird. Das wird im
weiteren Text des Artikels fundiert begründet.
Bei Wikipedia findet man unter der Überschrift
„Luftangriff auf Magdeburg am 16. Januar 1945“
eine erschütternde Darlegung zu der perfiden systematischen,
wissenschaftlich erprobten Methodik der Angriffe:
„Zunächst warfen sogenannte Pfadfinder-Maschinen Leuchtbomben
über der Stadt ab, um das Zielgebiet für den eigentlichen Angriff zu
erleuchten. Es folgte eine Angriffswelle mit Luftminen, die durch ihre
starke Sprengkraft beträchtliche Schäden an Dächern und Wänden von
Gebäuden anrichteten und damit die Angriffsfläche für die
darauffolgenden Abwürfe der Stabbrandbomben, Sprengbomben und
Phosphorbomben vergrößerten. Der Boden der Stadt bebte durch die
pausenlose Detonation der Sprengkörper. Durch die zahlreichen
Brandherde entwickelten sich Feuerstürme, der Asphalt auf den Straßen
wurde flüssig und begann ebenfalls zu brennen. Der gesamte Luftangriff
dauerte 39 Minuten.“
Dem Stadtbild Magdeburgs wurde wie dem der großen Mehrzahl aller
deutschen Großstädte für immer seine Seele zerstört. Das läßt sich
durch viele Bilder demonstrieren, die leicht im Internet zu finden sind.
Um Probleme mit eventuellen Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden,
erfolgt hier eine Beschränkung auf eigene vorliegende private
Aufnahmen aus späterer Zeit. Das erste Foto zeigt einen Blick vom
nördlichen Ende her (dem heutigen Universitätsplatz) in die zentrale und
früher prächtigste Straße der Stadt, den Breiten Weg (oder Breiteweg)
hinein Richtung Dom. Es läßt sich auf die Zeit 1960/1961 datieren. Es
handelt sich um Studenten, die feierlich eine der ersten Promotionen der
noch jungen Hochschule begehen. Der Zylinderträger ganz hinten links
ist der Autor selbst.
In dem herangezogenen Wikipedia-Beitrag heißt es später:
„Die acht Quadratkilometer große Fläche zwischen Hasselbachplatz,
Hauptbahnhof, Alter Neustadt und Elbe lag nach dem Angriff in
Trümmern und brannte noch mehrere Tage. Die Innenstadt wurde zu
90 % zerstört; die Zerstörung der gesamten Stadt wird auf 60 %
geschätzt. 2000 bis 2500 Menschen kamen ums Leben und 190.000
verloren ihr Zuhause. Die ‚Nordfront‘ der Stadt, 15 Kirchen und der Breite
Weg, bis zu diesem Zeitpunkt eine der schönsten Barockstraßen
Deutschlands, wurden fast komplett zerstört. Auf die Seitenschiffe des
Magdeburger Doms fielen mehrere Sprengbomben. Bei einem erneuten
Angriff am 2. März 1945 wurde durch einen Treffer in die Westfassade
die große Orgel des Doms zerstört.“
Die erwähnte Alte Neustadt war jedoch nicht etwa die weniger betroffene
Grenze der genannten „Fläche“, sondern sie wurde selbst in dem an die
Altstadt angrenzenden Bereich zu einem wesentlichen Teil fast völlig
zerstört. Das Mietshaus, in den die Familie des Autors im Laufe des
Jahres 1945 (bei Beschränkung auf 1 Zimmer der vor der Evakuierung
innegehabten Wohnung für 5 Personen) zurückziehen konnte, war –
vom Stadtzentrum kommend - das 2. Haus, daß infolge mutiger
Löscharbeiten nach Übergriff der Flammen stehen geblieben war. Vom
Balkon dieser Wohnung bot sich in den späten 50er Jahren in Richtung
Stadtzentrum noch der folgende Anblick auf ein früher dichtbebautes
Gebiet. Im Hintergrund sieht man im Bau befindliche neue Mietshäuser
in der Pappelallee.
Das letzte Foto ist in etwa von der gleichen Position aus aufgenommen
worden. Ein häßliches Hochhaus an der Ecke Sieverstorstr./Agnetenstr.
konnte den gesichtslosen Charakter natürlich nicht aufhellen.
Alle nachfolgenden wörtlichen Zitate entstammen dem oben genannten
Artikel der Tagespost.
Zur oben bereits erwähnten Methodik des Bombenterrors heißt es dort:
„Begonnen hat diese Entartung des Krieges, als das Britische ‚Bomber
Command‘ begriffen hatte, daß mit Explosivstoffen allein kein
flächendeckender Bombenkrieg zu führen war. Erst der richtigen
Beimischung von anderen Mitteln, vor allem verschiedener Brandmittel in
flüssiger und fester Form, verdankten sie ihren Vernichtungserfolg. Das
war das Ergebnis intensiven Forschens, begleitet von zahlreichen
Labor- und ‚Feldversuchen‘.“
Später wird festgehalten:
„Die erste Stadt, die so niedergebrannt wurde, war im Mai 1943
Wuppertal, und zwar beide Stadtteile – erst Barmen, dann Elberfeld – in
zwei säuberlich voneinander getrennten Angriffen. Achtzig Prozent der
Wohnfläche wurden ‚wegradiert‘, wie die Times meldete, und 3400
Tote wurden nach dem Inferno gezählt.“
Interessant ist der folgende Satz: „Die deutsche Propaganda versuchte
diese Zahlen eher zu verheimlichen.“
Die Methodik wurde dann weiter ausgefeilt: „Später wußten die
Alliierten die Todesrate noch zu steigern. Wesentlich dazu beigetragen
haben Zeitzünder, die ihr Werk verrichteten, als die Menschen aus
den Kellern kamen, um zu löschen und aufzuräumen. Die höchste
Wirkung vor Dresden erzielten die Angriffe im Juli 1943 auf Hamburg.
Es kam dabei erstmals zu einem Feuersturm: ‚Die etwa 40000
Gefallenen der Juliangriffe‘ – nur auf Hamburg! – , schreibt Jörg Friedrich
in seinem aufrüttelnden Epos ‚Der Brand‘, seien neben denen Dresdens,
Tokios (83000), Hiroshimas und Nagasakis ‚Chiffren des Äußersten,
was Waffengewalt der Kreatur zufügte‘. Seit Hamburg nannten die Briten
dies kurz ‚hamburgisieren‘.“
Besonders anfechtbar sind die immer verheerender werden
Zerstörungen zum Ende des Krieges hin: „Im Februar und März 1945
gerieten Darmstadt, Dresden, Freiburg, Halberstadt, Heilbronn,
Hildesheim, Magdeburg, Mainz, Nürnberg, Pforzheim, Potsdam, Trier,
Worms und Würzburg auf die Zielliste des ‚Bomber Command‘, die
meisten dieser Städte ohne Militär und kriegswichtige Industrie.“
Völlig zu recht wird gefragt: „Warum diese Ziele?“
Die Antwort lautet:
„Die Bomben sollten ihre Wirkung entfalten, wo Menschen dicht
beieinander wohnten, sie sollten möglichst viele vernichten, damit
so die Moral des deutschen Volkes untergraben werde (‚moral
bombing‘). Und: Diese Perlen deutscher Urbanität mit ihren teils engen
Gassen und hohen Holzanteilen in den Dachstühlen versprachen einen
guten Brand, vielleicht sogar einen Feuersturm. Der ist in vielen Fällen
gelungen.
Diese Städte fielen einer weiter ausgefeilten Angriffstechnik zum Opfer:
Immer mehr Flugzeuge warfen in immer schnellerem Rhythmus ihre
todbringende Fracht ab. Ihre Namen werden aus der langen Liste von
161 zerstörten größeren Städten herausgegriffen, weil sie etwas
gemein haben: Sie alle wurden zerstört, als der Krieg schon entschieden
war. Ihre Vernichtung hat ihn nicht verkürzt, sondern nach der
Beurteilung der zu diesem Zweck eingesetzten amerikanischen
Untersuchungskommission sogar verlängert! Alle Opfer dieser
unmenschlichen Angriffe sind umsonst gestorben, unter schrecklichen
Qualen. Sie haben umsonst in den Kellern gelitten, die im
Feuersturm zu Krematorien wurden. Die großartigen Zeugnisse einer
tausendjährigen Kultur sind ohne Sinn vernichtet worden. Selbst die
Wirtschaft blieb fast bis zum Schluß intakt. Der Ausstoß der deutschen
Rüstungsindustrie war im Herbst 1944 dreimal so groß wie zu
Beginn des Krieges.“
Das will man vielfach nicht wahrhaben. Bezüglich Magdeburgs wurde
kürzlich in der Magdeburger Volksstimme so nebenbei erwähnt, daß
diese Stadt ein Rüstungszentrum gewesen sei. Will man den Angriff
damit rechtfertigen? Das kann man nicht: Im bewußt zerstörten Zentrum
der Stadt gab es keine Rüstungsindustrie!
Wie oft muß man bei diesem Thema hören, diese entsetzlichen
Kriegsgreuel wären allein dem Nationalsozialismus anzulasten. Mit
Erschütterung ist wahrzunehmen, daß – besonders von Personen aus
dem Westen Deutschlands – das Urteil abgegeben wird, die Alliierten
hätten aus Notwehr gehandelt. Wie erfolgreich muß hier eine
Gehirnwäsche vorgenommen worden sein, die nach dem Krieg von
bestimmten Persönlichkeiten der Alliierten bekanntlich expressis verbis
als Ziel genannt worden war.
Zu dieser Frage erfährt man im genannten Artikel folgende Fakten:
„Gewiß: Begonnen hatte der Bombenkrieg am 25. September 1939 mit
dem Angriff der deutschen Luftwaffe auf das verteidigte Warschau.
Dabei wurden die Bomben wahllos in die Stadt geschleudert. Warschau
kapitulierte zwei Tage später. Im Westen jedoch haben die Briten
die ersten Luftangriffe geführt. Am 10. Mai 1940 hatte Winston
Churchill sein Amt als Premierminister angetreten. Eine der ersten
Entscheidungen seines Kabinetts hob die bis dahin für die britische
Luftwaffe geltende Verschonung der Zivilbevölkerung auf. Damit
sei, so der britische Gutachter F.J.P. Veale, ‚das Grundprinzip der
zivilisierten Kriegsführung widerrufen worden‘. Zwei Tage später
wurde Mönchengladbach angegriffen, in den nächsten Tagen Dortmund,
Essen, Hamm, Aachen, sogar Hannover – was im Hinblick auf die
Reichweite der britischen Bomber bemerkenswert ist.“
Hier darf allerdings der verheerende deutsche Luftangriff auf
Rotterdam (nach Wikipedia wohl am 14. Mai 1940) nicht
verschwiegen werden, der mit dem Kampf um die Einnahme der
Stadt zusammenhing.
Die Forstsetzung des Tagespost-Artikels lautet:
„Im Juli wies Churchill den Bau von überschweren Bombern an und
befahl den Abwurf von mehr Brandbomben auf deutsche Städte, um
‚den Feuern jede Gelegenheit zu geben, sich auszudehnen‘. Das
war lange vor dem deutschen Angriff auf die englische
Rüstungsschmiede Coventry im November 1940. Dieser sollte, weil
dabei die Kathedrale getroffen wurde, zum Inbegriff für ‚deutschen
Luftterror‘ werden.
Die deutschen Luftangriffe auf britische Flugplätze und andere
Militäranlagen in Südengland begannen im Juni 1940. Zu diesen
Angriffen bis 1941 schreibt der Autor der offiziellen britischen
‚Geschichte der Luftverteidigung‘: ‚Detaillierte Unterlagen weisen
nicht darauf hin, daß ein unterschiedsloser Bombenkrieg gegen die
Zivilbevölkerung geplant war. Zielpunkte waren meist Fabriken und
Hafenanlagen.‘ Und der Chef des strategischen
Bomberkommandos, Arthur Harris, stellte fest: ‚Wieder und wieder
verpaßten die Deutschen ihre Chance, unsere Städte in Brand zu
setzen.‘
Die Angriffe der Briten und Amerikaner gegen die deutsche
Zivilbevölkerung in den letzten beiden Kriegsjahren war weder
legitim noch eine Reaktion auf die Kriegsführung der Deutschen.
Diese minutiös vorbereiteten Vernichtungsangriffe waren
Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie als solche zu
bezeichnen, relativiert weder deutsche Untaten noch deutsche
Schuld am und im Krieg. Ihre Darstellung zeigt die ganze häßliche
Fratze des Krieges. Das kann jedem friedliebenden Menschen nur recht
sein. Das könnte und sollte einen Beitrag leisten zur allgemeinen
Ächtung des Krieges oder wenigstens jener wahrlich inhumanen
uneingeschränkten Luftkriegsführung. Wenn von der Gedächtnisfeier
der Vernichtung Dresdens und der Art, wie diese im Geiste der
Versöhnung gestaltet wird, ein solches Signal ausginge, dann hätte
das Leiden und Sterben der Menschen damals zwar keine
Rechtfertigung, aber nachträglich doch einen Sinn erfahren.“
Eine Traumvision des Autors wäre eine echte Versöhnung, bei der
jede Seite mit Zerknirschung die eigenen Kriegsverbrechen zugäbe und
bedauerte, verbunden mit dem gegenseitigen Gelöbnis, solche
menschenverachtenden Verbrechen niemals wieder zu begehen, und
bei der nirgends mehr Heldendenkmäler für Kriegsverbrecher zu finden
wären.
Hoffnungsvoll stimmt, daß in den Ländern der ehemaligen Kriegsgegner
die historische Wahrheit – in Deutschland eher zunehmend tabuisiert –
relativ häufig ausgesprochen wird, wenn auch nicht von staatlich
offizieller Seite. Als ein schönes Beispiel sei aus der Magdeburger
Volksstimme vom 20.1.2015 zitiert:
Der Bischof von Worcester, John Inge, schrieb demnach an die
evangelische Landesbischöfin in Magdeburg: „Uns ist bewußt, daß in der
Nacht des 16. Januar 1945 in den letzten Monaten des Zweiten
Weltkrieges britische Luftstreitkräfte die Stadt Magdeburg einem
verheerenden Bombenangriff unterzogen mit mehreren Tausend Toten.“
Er nannte die Zerstörung der Stadt „ein weiteres jener schrecklichen
Kriegsereignisse, die zum unterschiedslosen Töten vieler Menschen
führten.“ In den Kirchen der Diözese Worcester würden in Erinnerung an
den Jahrestag Gebete abgehalten.
Kleines Nachspiel:
Am 22.1.2015 erhielt ich die folgende inhaltsleere E-Mail-Nachricht:
„ Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Sperling,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Der zitierte Beitrag gab den Stand der
Forschung an, bezogen auf den Hintergrund der Plakataktion. In den
Tagen darauf hat die Volksstimme das Thema erneut aufgegriffen, u. a.
in einer Sonderbeilage, erschienen am 16. Januar 2015. Dort wurde
ebenfalls auf den Luftangriff eingegangen, auch mit Hinweisen auf die
von Ihnen genannten Passagen.
Die Hintergründe der Forschung werden wir zu gegebener Zeit
aufgreifen, spätestens zum nächsten Jahrestag des Luftangriffs.
Mit freundlichen Grüßen
R… S…
Leiter der Lokalredaktion“
Hoffentlich wird „zu gegebener Zeit“ nicht vergessen, „die Hintergründe
der Forschung … aufzugreifen“!
Lutz Sperling
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