Trade Sale-Exit

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Herausgeber:
Dieter Gericke
Private Equity II
Rechtliche, steuerliche und regulatorische
Aspekte von Buy-out bis Exit
Inhaltsübersicht
Management Buy-outs
7
Dr. Ulysses von Salis, Rechtsanwalt, LL.M., Partner Niederer Kraft & Frey
AG, Zürich
Beteiligung und Incentivierung des Managements beim
Buy-out
31
Martin Frey, Fürsprecher, LL.M., Dipl. Steuerexperte, Partner Baker &
McKenzie, Zürich
Stapled Finance
65
Marcel Tranchet, Rechtsanwalt, LL.M., Partner Lenz & Staehelin, Zürich,
und
lic. iur. Christian Kurer, Lenz & Staehelin, Zürich
Steuerfragen bei Buy-out- und Exit-Transaktionen
91
Dr. Reto Heuberger, Rechtsanwalt, LL.M., Dipl. Steuerexperte, Partner
Homburger, Zürich
Schranken für Konkurrenzverbote im Venture Capital und
Private Equity
115
Dr. Christian Wenger, Rechtsanwalt, LL.M., Partner Wenger & Vieli AG,
Zürich, und
Tom Schaffner, MLaw, Wenger & Vieli AG, Zürich
Trade Sale-Exit
141
Dr. Dieter Gericke, Rechtsanwalt, LL.M., Partner Homburger, Zürich
IPO als Exit
195
Michael Trippel, Rechtsanwalt, LL.M., Partner Bär & Karrer AG, Zürich
Auswirkungen der AIFM-Richtlinie und der geplanten
Schweizer Folgeregulierung auf Private Equity Fonds
und Buy-outs
Felix Haldner, Rechtsanwalt, Mitglied der Geschäftsleitung und Head
Investment Structures der Partners Group, Zug
239
Trade Sale-Exit
Dieter Gericke*
Inhalt
I.
Einleitung und Fragestellung .................................................................................. 143
1. Terminologie .................................................................................................... 143
2. Abgrenzung von Standard-M&A-Transaktionen .............................................. 145
a) M&A light? ................................................................................................ 145
b) Besondere Faktoren .................................................................................... 146
aa) Mehrzahl von verkäuferseitigen Parteien ............................................. 147
bb) Komplexe Beteiligungsstrukturen ........................................................ 148
cc) Bedeutung des Managements ............................................................... 148
dd) Clash of Cultures: Finanzinvestoren sowie Manager als Verkäufer
vs. strategische Käufer ......................................................................... 149
3. Phasen eines Trade Sale-Exits .......................................................................... 149
II.
Einbindung mehrerer Verkäufer ............................................................................. 150
1. Hold-out Probleme ........................................................................................... 151
2. Ungenügende vertragliche Absicherung ........................................................... 152
3. Lösungsansätze ................................................................................................. 153
a) Vertragliche Antizipation ........................................................................... 153
b) Flexibilität bei Mitarbeiterbeteiligungsstrukturen und anderen bedingten
Erwerbsberechtigungen .............................................................................. 154
c) Ad hoc-Verhandlungen .............................................................................. 156
d) Self-execution durch vorsorgliche Rechtsgeschäfte ................................... 157
aa) Grundsatz ............................................................................................. 157
bb) Widerruflichkeit? ................................................................................. 158
III.
Einbezug des Managements .................................................................................... 159
1. Problemlage ...................................................................................................... 159
2. Anreizsysteme .................................................................................................. 160
a) Vorbestehende Anreizsysteme.................................................................... 160
b) Ad hoc-Anreizsysteme (Transaction Incentive) ......................................... 161
c) Parteien eines Transaktionsanreizsystems .................................................. 162
aa) Einräumung durch verkaufende Aktionäre........................................... 162
bb) Einräumung durch die zu verkaufende Gesellschaft ............................ 162
d) Lösungen ohne unmittelbaren finanziellen Anreiz ..................................... 164
3. Wenn Manager zu Käufern werden .................................................................. 164
*
Der Verfasser dankt Oliver William, MLaw, für die wertvolle Durchsicht des Manuskripts und die Aufarbeitung der Quellen.
141
Dieter Gericke
IV.
Transaktionsmanagement ....................................................................................... 167
1. Organisation ..................................................................................................... 167
2. Berater .............................................................................................................. 170
a) Vorbemerkung ............................................................................................ 170
b) Wer vertritt wen? ........................................................................................ 170
c) Kostentragung und Steuerfolgen ................................................................ 172
d) Kommunikation mit der zu verkaufenden Gesellschaft/Seller Due
Diligence .................................................................................................... 173
e) Anwaltsgeheimnis und Rechenschaftspflicht ............................................. 174
V.
Vertragsdokumentation ........................................................................................... 176
1. Verhandlungsdokumentation ............................................................................ 176
2. Kaufvertrag ....................................................................................................... 177
VI.
Haftungsfragen ....................................................................................................... 179
1. Haftung der Verkäufer im Allgemeinen ........................................................... 179
a) Solidarhaftung – Teilschuldnerschaft ......................................................... 179
b) Haftungsobergrenzen .................................................................................. 180
2. Haftung für Gewährleistungen.......................................................................... 180
a) Interessenlage als Dilemma ........................................................................ 180
b) Mögliche Lösungen .................................................................................... 182
c) Individualisierung der Haftung für Gewährleistungen ............................... 183
aa) Keine Haftung für Unkenntnis? ........................................................... 183
bb) Individuelle Abgabe von Zusicherungen? ............................................ 185
3. Escrow und Verrechnung als Sicherungsinstrumente – auch der Verkäufer? ... 186
VII. Kaufpreisallokation ................................................................................................. 188
VIII. Langfristige Aspekte ............................................................................................... 191
IX.
142
Zusammenfassende Würdigung .............................................................................. 192
Trade Sale-Exit
I.
Einleitung und Fragestellung
1.
Terminologie
Der Begriff „Trade Sale“ ist nicht rechtlich definiert. Er hat sich in der Private Equity-Praxis für gewisse Transaktionsarten eingebürgert, wird aber
auch dort je nach Zusammenhang mit unterschiedlichem Inhalt assoziiert.
Im engsten Sinn versteht man unter einem Trade Sale den Verkauf eines
(auch) im Besitz von Finanzinvestoren stehenden Unternehmens an einen
strategischen Industriekäufer, d.h. den Verkauf an einen Käufer, der in der
betreffenden Branche operativ gewerblich tätig ist (nachfolgend auch „strategischer Käufer“ genannt).
In einem weiteren Sinn versteht man unter Trade Sale jeden Verkauf eines
Unternehmens, den man als Verkauf im Markt bzw. zu Marktbedingungen,
d.h. im eigentlichen Unternehmensmarkt („Trade“) begreifen kann. In diesem Sinne grenzt sich ein Trade Sale von Verkäufen ab, die nicht marktgetrieben sind bzw. nicht im offenen Markt getätigt werden, sondern bspw. in
Notlagen an die finanzierenden Banken erfolgen oder rein strategisch motiviert sind, z.B. zwecks Zusammenschluss mit einem komplementären Unternehmen oder einem Unternehmen, das über nützliche Immaterialgüterrechte
verfügt.
Noch weiter wird unter Trade Sale manchmal auch jeder Exit-Verkauf 1 durch
Finanzinvestoren verstanden, dies im Gegensatz zu einem IPO, einer Liquidation (im engen rechtstechnischen Sinne) und anderen Exit- bzw. Liquidationsvarianten. In diesem Sinne steht der Begriff des Trade Sale in Dichotomie
zum Buy-out als dem Aufkauf einer Unternehmung durch Finanzinvestoren.
Einheitlicher als die positive Definition ist die negative Abgrenzung des Begriffs des Trade Sales. So ist ein Trade Sale insbesondere von einem Secondary Sale zu unterscheiden. Unter Letzterem wird der Verkauf eines von
einem Finanzinvestoren gehaltenen Anteils an einen anderen Finanzinvesto-
1
Unter Exit-Verkauf wird der Verkauf zwecks Realisierung des Finanzinvestments
verstanden. Vgl. zu diesen Begriffen auch RÖTHELI ANDREAS, Secondary Buy-outs,
in: TSCHÄNI RUDOLF (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XI, Zürich 2009, 138 ff.
143
Dieter Gericke
ren verstanden oder der vollständige Verkauf eines Unternehmens durch
Finanzinvestoren an andere Finanzinvestoren. Ähnlich, aber noch etwas
enger bezeichnet der Secondary Buy-out den vollständigen Aufkauf eines
Unternehmens durch Finanzinvestoren (und allenfalls Management), welches bereits einen ersten Buy-out durch Finanzinvestoren (und allenfalls
Management) hinter sich hat.
Ungebräuchlich ist die Verwendung des Begriffs Trade Sale bei einem Verkauf eines Unternehmens durch strategische Eigentümer (in Abgrenzung zu
Finanzinvestoren als Eigentümern). Oft geht es hierbei auch nicht um den
Verkauf eines vollständigen Unternehmens, sondern z.B. um die Herauslösung und Veräusserung einer Geschäftsdivision eines operativen Unternehmens. Zudem dienen Verkäufe durch strategische Eigentümer selten dem
primären Ziel der Realisierung einer Investition. Vielmehr haben sie gewöhnlich strategischen Hintergrund2 oder dienen Finanzierungszwecken3.
In der Praxis lassen sich diese Differenzierungen nicht immer klar erkennen.
Der Exit-Verkauf einer von Finanzinvestoren gehaltenen Gesellschaft4 geschieht heute regelmässig in enger oder breiter gefassten Auktionsstrukturen,
welche in erster Linie der Optimierung von Preis, Vertragsbedingungen und
Transaktionssicherheit dienen. In solche Prozesse werden meistens sowohl
strategische Kaufinteressenten als auch Finanzinvestoren einbezogen. Ob die
Angebote strategischer Kaufinteressenten oder von Finanzinvestoren obsiegen, hängt mit dem konkreten „Fit“ und der Marktlage zusammen. Beispielsweise kann in der einen Situation ein bestimmter strategischer Käufer aufgrund erwarteter Synergieeffekte ein wesentlich höheres Angebot abgeben,
während in einer anderen Situation, etwa wenn Marktverhältnisse oder auch
die spezifische Vermögens- und Ertragsstruktur der zu verkaufenden Gesellschaft einen hohen „Leverage“ erlauben, d.h. einen hohen Anteil an Fremdfinanzierung des Kaufpreises, Finanzinvestoren im Vorteil sein können.
Weiter ist zu beachten, dass schon die Qualifizierung eines Verkäufers oder
Kaufinteressenten als strategisches Unternehmen oder als Finanzinvestor
2
Z.B. die Fokussierung auf das Kerngeschäft.
3
Durch Beschaffung von Liquidität oder Reduktion von Cash-Drain.
4
Heute sind Auktionen zudem auch bei Veräusserungen durch strategische Verkäufer
weit verbreitet.
144
Trade Sale-Exit
nicht immer klar ist. Grössere Private Equity Buy-out-Gruppen und professionelle Industrieinvestoren treten zunehmend als strategische Architekten
auf, indem sie verschiedene komplementäre oder synergetische Unternehmen im Portfolio vereinigen, manchmal auch über Jahre halten und aufbauen
und daraus eine schlagkräftigere und betriebswirtschaftlich wie strategisch
besser aufgestellte Einheit bilden5. Manchmal wird über längere Zeit kein
Exit gesucht, oder die Fonds sind schon von ihrer rechtlichen Strukturierung
her nicht primär Exit-orientiert (namentlich kotierte Anlagegesellschaften
[closed end]6).
2.
Abgrenzung von Standard-M&A-Transaktionen
a)
M&A light?
In den 90er Jahren bis zu Beginn dieses Jahrhunderts, als die Private EquityWelle von den USA nach Europa überschwappte und hier im grossen Stil
Fuss zu fassen begann, wurden von Private Equity-Fonds getragene Käufe
und Verkäufe gerne etwas pejorativ mit Begriffen wie „M&A light“ bezeichnet. Abgesehen von vereinzelten Grosstransaktionen in den USA ging man
davon aus, dass sich Private Equity vor allem für kleinere Unternehmen
interessiere und eigne. Mit Verträgen zu vereinfachten Bedingungen würden
die Transaktionen als M&A des kleinen Mannes rasch und unkompliziert
ablaufen. Auch herrschte die Meinung vor, dass Fusionskontrolle, komplexe
Verkaufsstrukturen, die Ablösung von Finanzierungsstrukturen und dergleichen in der Private Equity-Welt kaum eine Rolle spielen würden. Dabei
waren Vorurteile und eine gewisse Abwehrhaltung mit im Spiel.
Über die Jahre hat sich die Praxis in eine völlig andere Richtung entwickelt.
Es zeigte sich, dass der „level of care and sophistication“, den professionelle Käufer und Verkäufer an den Tag legen, tendenziell höher ist als derjenige,
den strategische Verkäufer und Erwerber bereit oder auch fähig sind, zu applizieren. Da erfolgreiche (Exit-)M&A-Transaktionen als Teil des Kerngeschäfts den Erfolg von Buy-out- und Venture-Fonds ganz unmittelbar be5
Vgl. z.B. Warren Buffets Berkshire Hathaway, Danaher, Investor oder, in der
Schweiz, Giorgio Behrs Behr Bircher Cellpack BBC.
6
Vgl. z.B. BB Biotech AG.
145
Dieter Gericke
schlägt und die Zeiträume bis zu einem Exit begrenzt sind, wurde M&AKompetenz zu einem Schlüsselfaktor. Heute zählen Private Equity Buy-outund Trade Sale-Transaktionen oft zu den grössten M&A-Transaktionen
überhaupt, auch in der Schweiz7.
Die Komplexität eines Private Equity Buy-outs oder Trade Sales muss keineswegs geringer sein als diejenige „gewöhnlicher“ M&A-Transaktionen.
Zwar mögen gewisse Problemstellungen, die etwa bei einem Carve-out-Sale
durch eine operative Gesellschaft anfallen, weniger im Vordergrund stehen8.
Dafür sind den Private Equity Trade Sales diverse besondere Umstände inhärent, welche zu beachten sind und in Spezialfragen münden. Bspw. wird ein
Unternehmen verkauft gestützt auf Finanzierungs- und Vertragsstrukturen,
die Jahre vorher implementiert wurden. Ob diese Strukturen die Belastungsprobe bestehen, zeigt sich oft erst im Trade Sale-Exit. Frühe Fehler können
sich dann potenzieren.
b)
Besondere Faktoren
Die Besonderheit eines Trade Sale-Exits und die damit einhergehenden Spezialfragen ergeben sich aus verschiedenen typischen Begleitumständen. Dazu gehören namentlich die nachfolgend aufgeführten Faktoren, die sich in
der einen oder anderen Art immer wieder bemerkbar machen.
7
2010/2011gehörten beispielsweise der Erwerb von Orange Communications durch
Apax von France Telecom (EUR 1.6 Mia.), der Erwerb von Infront Sports & Media
durch Bridgepoint (EUR 550 Mio.), der Erwerb von Swissport durch PAI Partners
(EUR 880 Mio.) oder der Erwerb von Sunrise Communications durch CVC von
TDC (EUR 2.5 Mia.) zu den grössten privaten M&A-Transaktionen in der Schweiz
(sämtliche Zahlen von Leonardo & Co.). Schon früher waren sehr grosse Private
Equity-Käufe und -Verkäufe an der Tagesordnung (z.B. BC Partners – Hirslanden
oder Permira – Jet Aviation).
8
Aufgrund weitverzweigter und vermehrt mit strategischen Absichten zusammengesetzter Beteiligungsportfolios sind auch Fragen der Fusionskontrolle von zunehmender Bedeutung.
146
Trade Sale-Exit
aa)
Mehrzahl von verkäuferseitigen Parteien
Dass bei einem Private Equity Trade Sale nur ein Verkäufer auftritt, ist selten. In den meisten Fällen gibt es mindestens einen Private Equity Fonds und
zusätzlich einige Management- oder Gründeraktionäre. Zusätzlich können,
zumal nach Club-Deals, weitere Fonds im Aktionariat vertreten sein. Auch
andere Stakeholders, etwa Mezzanine-Finanzinvestoren mit sog. „Equity
Kickers“9 oder Mitarbeiter mit Optionsrechten treten oft verkäuferseitig in
Erscheinung. Schliesslich steht hinter einem Private Equity-Aktionär stets
der Überbau an Fonds und Fremdkapitalgebern. Alle diese verkäuferseitigen
Aktionäre und Stakeholders unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht:
–
Finanzinvestoren sind eher in der Lage, den Gesamtmarkt einzuschätzen und ihr Interesse ist mittel- bis längerfristig exit-bezogen. Demgegenüber verfügen Managementaktionäre über mehr Detailkenntnisse
betreffend die konkrete Unternehmung sowie ein Langzeitinteresse an
dieser und an ihrer Stellung.
–
Der im Verkauf realisierte Erlös der verschiedenen Stakeholders unterliegt unterschiedlicher Besteuerung, je nachdem, ob es sich bei ihnen
um natürliche Personen handelt, um juristische Personen oder um Partnerships, je nach Ort ihres Steuerdomizils und je nach Art ihres Finanzierungsbeitrags.
–
Die Bereitschaft und das Vermögen, Haftungsrisiken oder langfristige
Positionen zu übernehmen, sind unterschiedlich.
–
Zwingendes Recht oder faktische Umstände können die Wahl der
Rechtsordnung oder des Gerichtsstands, aber auch die Gültigkeit und
Tragweite einzelner Vertragsregelungen individuell beeinflussen.
Diese Situationen und Interessen können eine einheitliche Willensbildung
erschweren und Holdout- oder Trittbrettfahrerprobleme begünstigen10. Eine
Mehrzahl von Verkäufern erschwert zudem den Umgang mit langfristigen
9
Bedingte Beteiligungselemente in der Regel in der Form von Warrants und/oder
Wandelrechten.
10
Dazu unten, II.1.
147
Dieter Gericke
Elementen eines Verkaufs, wie Milestone-Zahlungen oder Haftungsansprüche, die erst nach dem Closing zum Tragen kommen11.
bb)
Komplexe Beteiligungsstrukturen
Nicht immer, aber häufig, verfügen Gesellschaften, welche von Finanzinvestoren verkauft werden, nicht über eine einzige Aktienkategorie. Oft sind
verschiedene Vorzugs- und Stammaktienkategorien anzutreffen. Überdies
kennen manche Gesellschaften Partizipationsscheine (namentlich zur Beteiligung des Managements), Mitarbeiteroptionen oder – zu Gunsten von Mezzanine-Investoren – Wandelrechte oder Warrants. Nicht selten sind diese
Strukturen gekoppelt mit zusätzlichen Incentives oder Disincentives in Abhängigkeit vom Verkaufspreis, etwa Clawback12- oder Ratchet13-Mechanismen.
Dies alles kann die Einbindung der verschiedenen Anspruchsgruppen in den
Verkauf, die Kaufpreiszuteilung, das Closing sowie die Aufteilung und Administration von Haftungsrisiken stark verkomplizieren.
cc)
Bedeutung des Managements
Das Management spielt im Zusammenhang mit Trade Sale-Exits aus zweierlei Gründen eine besondere Rolle. Einerseits wird das Management der zu
verkaufenden Gesellschaft häufig „mitverkauft“ und ist für die Unternehmung und auch ihren zukünftigen Erfolg entscheidend. Dies im Gegensatz
zum Verkauf eines Betriebsteils durch eine operative Gesellschaft, der im
Wesentlichen vom Gruppenmanagement der verkaufenden Gesellschaft geleitet wird, welches im Verkaufsprozess nicht mit der zu verkaufenden Einheit mitgeht.
11
Dazu unten, VIII.
12
Wird ein minimaler Verkaufspreis nicht erzielt, haben die Private Equity-Investoren
bspw. eine Option, einen Teil der ursprünglich dem Management verkauften Aktien
zu einem vergünstigten Preis zurückzukaufen, um den Mindererlös wettzumachen.
13
Wird ein Wert unterschritten oder ist eine verwässernde Kapitalzufuhr erforderlich,
so haben die Private Equity-Investoren die Möglichkeit, ihre Vorzugsrechte anzupassen oder zusätzliche Aktien zu einem vergünstigten Preis zu erwerben.
148
Trade Sale-Exit
Sodann ist das Management im Verkaufsprozess selber von herausragender
Bedeutung, weil es das Unternehmen und dessen Chancen und Risiken am
besten kennt, Bewertungen, Due Diligence und Verkaufsdokumentationen
mitgestalten muss und auch aus diesen Gründen im Fokus des Interesses von
Kaufinteressenten steht.
dd)
Clash of Cultures: Finanzinvestoren sowie Manager als Verkäufer vs.
strategische Käufer
Oft stehen sich bei Trade Sale-Exits mit dem heterogenen Aktionariat der zu
verkaufenden Gesellschaft, bestehend aus Private Equity-Fonds, Mezzanineund anderen Finanzinvestoren sowie Managern und allenfalls Gründeraktionären auf Verkäuferseite und einer operativen Gesellschaft aus der Industrie
als Käuferin auf der anderen Seite sehr unterschiedliche Parteien gegenüber.
Namentlich aus Sicht der strategischen Käuferin bietet sich ein eher abschreckendes Bild: Die verkaufenden Private Equity-Fonds sind häufig Special
Purpose- oder off-shore-Vehikel, welche nach Vollzug des Verkaufs kaum
mehr belangt werden können, während die Manager einerseits wenig Bonität
aufzuweisen haben und zudem Teil der verkauften Unternehmung sind, weshalb man gegen sie ungern rechtlich vorgehen möchte. Dies wirft Fragezeichen auf bezüglich der Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit von Informationen
und Zusicherungen sowie betreffend Rechtsverfolgung und Sicherung eines
Haftungssubstrats. Schliesslich werden Finanzinvestoren oft als „nur am
Geld interessiert“ wahrgenommen, während sich die strategischen Käufer
primär für das operative Unternehmen und seine strategischen Vorzüge interessieren.
Umgekehrt nehmen Private Equity-Verkäufer Trade-Käufer häufig als ignorant und gleichgültig wahr bezüglich des Private Equity-Geschäftsmodells
und dessen Bedürfnissen. Der professionelle Anspruch von Private Equity
Fonds-Managern wird zudem gerne als Misstrauen gegenüber dem „Wort“
eines Geschäftsführers missverstanden.
3.
Phasen eines Trade Sale-Exits
Die nachfolgende Grafik zeigt im Überblick die verschiedenen Phasen eines
Trade Sale-Exits. Diese sind nicht grundsätzlich anders als bei einem ande149
Dieter Gericke
ren Unternehmensverkauf. Indessen geniesst der prätransaktionale Zeitraum
bei Private Equity-Trade Sales eine grössere Bedeutung, da verschiedene der
vorgenannten besonderen Faktoren in dieser Phase geprägt werden. Überspitzt gesagt, beginnt der Exit bereits mit dem Buy-out: Die Strukturen gesellschaftlicher, vertraglicher und finanzierungstechnischer Art, die im Zeitpunkt des Buy-outs oder der Beteiligungsnahme eingeführt werden, können
einen Trade Sale-Exit entscheidend vorbestimmen. Soweit sie ungenügend
sind, müssen Lösungen für die daraus für den Transaktionsprozess resultierenden Problemstellungen spätestens in der Vorbereitungsphase implementiert oder wenigstens vorbereitet werden. Auch in der posttransaktionalen
Phase manifestieren sich Sonderfaktoren des Private Equity Trade Sales in
verstärkter Form, was nach vertraglicher Vorkehr ruft.
Phasen eines Trade Sale Exits
Prätransaktional
Phase
0
Vorbereitungsphase
— ABV
— Strukturanalyse
— Zielsetzungen
— Bewertungen
— Transaktionsplanung
150
Transaktional
Phase
I
Angebots- und
Verhandlungsphase
— LoI, Process
Letters
— Verhandlungen
— Due Diligence
Phase
II
Vertragsphase
— Confirmatory
Due Diligence
— Vertragsdokumentation
— Schlussverhandlungen
— Signing
Posttransaktional
Phase
III
Vollzugsphase
— Erfüllung der
Vollzugsbedingungen
— Closing
Phase
IV
Post-Closingphase
— Preisanpassungen
— Gewährleistungen
— Escrow-,
Earn-out-,
Milestonezahlungen
Trade Sale-Exit
II.
Einbindung mehrerer Verkäufer
1.
Hold-out Probleme
Sobald die Aktien und anderen Gesellschaftsanteile oder Derivate einer zu
verkaufenden Gesellschaft in den Händen mehrerer Personen sind, ergibt
sich die Gefahr, dass sich nicht alle über den Verkauf einig sind. Diese Uneinigkeit kann sich auf den Verkauf überhaupt beziehen oder auch nur auf
gewisse Vertragsbedingungen. Relativ häufig ist im Vorfeld eine Divergenz
bezüglich des „richtigen“ Verkaufszeitpunkts, des Masses des Einbezugs in
die Haftung für Gewährleistungen, Zahlungen in Escrow, den zu erzielenden
Mindestpreis oder die Preisallokation auszumachen. Auch die Art des Entgelts bzw. dessen Finanzierung und Strukturierung kann eine Rolle spielen,
wenn z.B. nicht ausschliesslich Barzahlung vorgesehen wird (sondern Abgeltung in Aktien einer Drittunternehmung), wenn der Kaufpreis zum Teil als
Vendor Loan14 stehengelassen wird oder wenn ein Teil des Kaufpreises vom
Erreichen von Milestones15 abhängig gemacht werden soll.
Dabei kann sich die Uneinigkeit auf echte Interessendivergenzen beziehen.
Nicht selten geht es aber darum, durch einen sog. „Hold-out“16 besondere
14
Wird der Kaufpreis beim Vollzug eines Unternehmenskaufs nicht bezahlt, sondern
als Darlehen weiterhin dem Käufer zur Verfügung gestellt, wird dies als Vendor
Loan bezeichnet. Dabei kann der Kaufpreis tatsächlich zunächst bezahlt und dann
als Darlehen wieder rückgeleistet werden oder die Zahlungsflüsse werden verrechnet. Rechtstechnisch liegt keine Stundung des Kaufpreises vor, vielmehr gilt dieser
als bezahlt und die weitere Beziehung ist als Darlehen zu qualifizieren. Bei späterer
Fälligkeit bzw. einstweiliger Stundung eines Teils des Kaufpreises spricht man
demgegenüber von Staggered Payments oder Payment in Arrears.
15
Unter Milestones werden Bedingungen verstanden, welche zusätzliche Kaufpreiszahlungen auslösen. Im Gegensatz zu Earn-outs handelt es sich nicht um Bedingungen, die an die finanzielle Entwicklung anknüpfen (z.B. an das Erreichen bestimmter EBIT-Zahlen in den Jahren nach dem Vollzug), sondern an wertschaffende Geschäftsentwicklungen (z.B. die Marktzulassung eines Medikaments oder
die Eröffnung einer Geschäftsfiliale).
16
Unter „hold-out“ wird im vorliegenden Zusammenhang eine Verweigerungshaltung
oder erpresserische Hinhaltetaktik verstanden, mit dem Zweck, unbotmässige Vorteile zu erwirken.
151
Dieter Gericke
Vorteile oder Trittbrettfahrertum in Bezug auf gewisse Aspekte17 auszubedingen.
2.
Ungenügende vertragliche Absicherung
Man würde denken, dass sich Hold-out-Probleme durch die üblichen Mitverkaufspflichten (Drag-along) in den Aktionärbindungsverträgen vermeiden lassen18. Indessen ist deren expliziter Wirkungskreis in der Praxis
manchmal schnell erreicht. Dazu zwei Beispiele, die auf realen Fällen beruhen:
Im einen Fall verhandelte eine Private Equity-Investorin eine Veräusserung
der Gesellschaft an eine ausländische börsenkotierte Gesellschaft und berief
sich alsdann gegenüber den Minderheitsaktionären, welche die Veräusserung
nicht befürworteten, auf die vertragliche Mitverkaufspflicht. Diese war dem
Wortlaut nach jedoch nur für einen „Sale“, d.h., wörtlich übersetzt, für einen
„Verkauf“ vorgesehen. Da im verhandelten Vertrag als Entgelt jedoch (handelbare) Aktien der Käuferin vorgesehen waren, stellten sich die Minderheitsaktionäre auf den Standpunkt, es liege nach schweizerischem Vertragsrecht ein Tauschvertrag vor (Art. 237 OR), kein Kaufvertrag. Somit stellte
sich die Frage, ob über die engere Bedeutung des Wortlauts hinaus auch ein
solcher Tausch eine Mitveräusserungspflicht auslösen sollte.
In einem anderen Fall verlangte die Finanzinvestorin, dass allein die Managementaktionäre für gewisse Gewährleistungen bezüglich des Geschäfts der
zu verkaufenden Gesellschaft einstehen sollten19. Die Management-Aktionäre stellten sich mit dem Argument dagegen, dass die Drag-along-Klausel
im Aktionärbindungsvertrag eine Verkaufsverpflichtung nur „at the same
17
Beispielsweise erklärt ein Verkäufer, er sei nur bereit ebenfalls zu verkaufen, wenn
er die verkäuferseitig zu übernehmenden Haftungsrisiken nicht mittragen muss.
18
Dazu z.B. FRICK JÜRG, Private Equity im Schweizer Recht, Diss. Zürich 2009,
Rz 1209 f.; KÜHNI BEAT, Exitregelungen in Venture Capital/Private Equity Finanzierungen, in: GERICKE DIETER (Hrsg.), Private Equity, Zürich 2011, 147 ff.,
194 ff.; VON SALIS ULYSSES, Private Equity Finanzierungsverträge, Zürich April
2002, N 1205 ff.
19
Dies ist eine von Private Equity-Investoren häufig eingenommene Position. Vgl.
dazu unten, VI.2.a).
152
Trade Sale-Exit
terms and conditions“ wie diejenige der drag-along-berechtigten Finanzinvestorin vorsah.
3.
Lösungsansätze
a)
Vertragliche Antizipation
Die naheliegende Lösung für Probleme der vorgenannten Art liegt darin, die
Mitverkaufspflichten im Aktionärbindungsvertrag differenzierter und expliziter zu fassen und namentlich auch Spezialfälle wie den Tausch oder asymmetrische Gewährleistungs- bzw. Haftungsregelungen ausdrücklich anzusprechen. In der Tat kann ein gewisser Trend in Richtung spezifischerer Drag
along-Bestimmungen beobachtet werden. Sind mehrere professionelle Investoren beteiligt, die teils selber auch Mitverkaufsverpflichtete sein können, so
geht diese Spezifizierung aber auch in die Gegenrichtung, d.h. in Richtung
Verwässerung der Mitverkaufspflicht. Bspw. wird eine Ausnahme von der
Mitverkaufspflicht vorgesehen, wenn die Verträge eine Solidarhaftung begründen oder wenn der verkaufsverpflichtete Finanzinvestor Gewährleistungen abgeben müsste, die über die Rechtsgewährleistung an den zu verkaufenden Aktien hinausgehen.
Damit ist auch gleich die praktische Problematik angesprochen, sollen solche Spezialfälle von Anbeginn weg geregelt werden: jede Vertragspartei versucht, für sich das mutmasslich Beste herauszuholen ohne dass eine konkrete
Verkaufssituation und deren Auswirkungen bekannt sind. Einerseits ist daher
das Interesse gering, viel Verhandlungszeit für solche Punkte aufzuwenden,
andererseits fehlen die konkrete Interessenlage und der Leidensdruck zur
Kompromissfindung.
In der Tat ist es schwierig, eine angemessene Lösung für sämtliche denkbaren Probleme bereits Jahre vor dem Exit zu finden, und die Vertragsparteien
sind nachvollziehbar kaum bereit, sich durch allzu detaillierte Regelungen
für unbekannte zukünftige Situationen ebenso unbekannten Konsequenzen
auszusetzen. Zudem kann es eine sehr detaillierte Regelung eines Dragalong schwieriger machen, eine weitere Situation, die doch nicht geregelt
wurde, nach Treu und Glauben doch noch einzubeziehen.
153
Dieter Gericke
Es empfiehlt sich daher, die Mitverkaufsregelung etwas präziser und differenzierter zu fassen, als es häufig getan wird. Dennoch muss sie aber auf
einer gewissen Abstraktionsstufe bleiben und nach Möglichkeit „catch-all“Bestimmungen enthalten, welche auch bei unvorhergesehenen Konstellationen noch dem Sinn und Zweck nach angewendet werden können. Bspw.
wäre es im ersten oben (II.2.) erwähnten Beispielfall besser, vorzusehen,
dass die Mitverkaufsverpflichtung bei jeder Veräusserung zu arm’s lengthKonditionen unabhängig von der Art der Gegenleistung zur Anwendung
kommt, als lediglich den Tausch auch noch explizit zu erwähnen. Mit Kauf
und Tausch allein würden andere Grenzfälle wie bspw. der Verkauf gegen
Vendor Loans oder gegen die Übernahme von Schulden und dergleichen
wiederum nicht klar erfasst.
b)
Flexibilität bei Mitarbeiterbeteiligungsstrukturen und anderen
bedingten Erwerbsberechtigungen
In der Regel strebt der Käufer im Rahmen eines Trade Sale den Erwerb von
hundert Prozent aller Beteiligungsrechte der Gesellschaft an. Aus diesem
Grund müssen auch alle bedingten Berechtigungen zu einem Erwerb von
Aktien oder anderen Beteiligungspapieren in den Verkauf einbezogen werden. Das betrifft namentlich Rechte auf die Zuteilung von Gratisaktien an
Mitarbeiter oder auch Mitarbeiteroptionen, Wandlungsrechte von Finanzinvestoren oder Warrants derselben.
Oftmals enthalten Mitarbeiteroptionspläne und andere Dokumente, welche
solche bedingten Erwerbsrechte regeln, Vorschriften für den Umgang mit
diesen Rechten bei einer Veräusserung der Gesellschaft. Zunächst wird gewöhnlich vorgesehen, dass jeder, der aufgrund bedingter Erwerbsrechte tatsächlich Aktien erwirbt, dem Aktionärsbindungsvertrag beitreten muss. Damit wird er bezüglich dieser Aktien der vertraglichen Mitverkaufspflicht
unterstellt.
Für nicht ausgeübte oder ausübbare bedingte Erwerbsrechte ist u.a. die Regelung verbreitet, dass diese Rechte, etwa die Mitarbeiteroptionen, bei einem
Verkauf der Gesellschaft ausgeübt werden können oder müssen und die betreffenden Aktien dann mitverkauft werden. In der Praxis erweist sich diese
Lösung jedoch häufig als (zu) umständlich: Sind die Optionen durch bedingtes Kapital unterlegt, so ist von Gesetzes wegen eine schriftliche Ausübungs154
Trade Sale-Exit
erklärung eines jeden Optionsinhabers einzuholen (Art. 653e Abs. 1 OR) und
die Optionsinhaber müssen den Ausübungspreis einbezahlen (Art. 653
Abs. 2 und 653e Abs. 3 OR). Da ein Käufer kaum bereit sein wird, gestützt
auf bedingtes Kapital ausgegebene Aktien zu erwerben, solange diese nicht
im Handelsregister eingetragen sind (Art. 653h OR), ist die Prüfungsbestätigung nach Art. 653f OR einzuholen, damit die Kapitalerhöhung sowie die
dazugehörigen Änderungen der Statuten öffentlich beurkundet (Art. 653g
OR) und dem Handelsregister zur Eintragung eingereicht werden können.
Zudem muss die Gesellschaft auf den einbezahlten Beträgen die Emissionsabgabe bezahlen. Schliesslich muss der betreffende Aktionär bei der eigentlichen Veräusserung der so geschaffenen Aktien mitwirken. Wesentlich einfacher ist daher der Verkauf der Derivate (z.B. Mitarbeiteroptionen) selber an
den Käufer oder eine Barabgeltung im Zeitpunkt des Vollzugs des Trade
Sales.
Zur Wahrung grösstmöglicher Flexibilität sollten die Dokumentationen Alternativen vorsehen. Als solche kommen in Betracht: (i) der direkte Verkauf
der Derivate an den Käufer durch die Gesellschaft, (ii) der Barausgleich
(Cash Settlement), (iii) der Rückkauf der Derivate durch die Gesellschaft,
(iv) die Zwangsausübung der Derivate sowie (v) die Überwälzung (roll-over)
der Derivate in äquivalente Derivate der übernehmenden Gesellschaft oder
von deren Konzernmuttergesellschaft.
Um Hold-out-Risiken20 zu minimieren, sollten diese Alternativen möglichst
keiner weiteren Zustimmung oder Mitwirkung der Berechtigten bedürfen.
Entsprechend ist in der Dokumentation vorzusehen, dass der Verwaltungsrat
der zu verkaufenden Gesellschaft und/oder die drag-along-berechtigten Private Equity-Investoren bestimmen können, nach welchem Modus im Rahmen eines Verkaufs der Gesellschaft solche bedingten Erwerbsrechte behandelt werden. Für die Umsetzung ist der Gesellschaft und/oder den Private
Equity-Investoren in der Dokumentation eine entsprechende Vollmacht einzuräumen.
20
Vgl. oben, II.1.
155
Dieter Gericke
c)
Ad hoc-Verhandlungen
Lassen sich die verkäuferseitig in den Trade Sale einzubeziehenden Parteien
gestützt auf die bestehenden Regelungen nicht genügend einbinden oder sind
die Regelungen unklar, so lassen sich Verhandlungen im Zusammenhang mit
einem konkreten Verkauf nicht vermeiden. Selbst wenn die vertraglichen
Strukturen klar genug sind, um die Verkäufer einzubeziehen und ihr Verhältnis untereinander zu regeln, ergeben sich immer wieder Verhandlungssituationen, insbesondere wenn die vereinbarten Regelungen zu Resultaten führen, die als unfair empfunden werden. Gerne wird diesfalls nach einem Vorwand gesucht, um Neuverhandlungen zu propagieren. Manchmal wird die
konstruktive Zusammenarbeit hinsichtlich eines Verkaufs faktisch verzögert,
solange keine Lösung gefunden ist.
Die Verhandlungsposition eines drag-along-berechtigten Private EquityInvestors ist dabei stärker, wenn sie sich am Vertragswortlaut orientieren
kann und die daraus fliessenden Resultate wirtschaftlich nicht unangemessen
sind. Sie wird zudem durch Absicherungen verbessert, welche es erlauben,
den Verkauf nötigenfalls auch ohne weitere Rechtshandlungen der mitverkaufspflichtigen Personen durchzusetzen21.
Treten Uneinigkeiten schon vor Eintritt in die eigentliche Transaktionsphase
zutage, kann es sich lohnen, die verkäuferseitige Einigung vorzuziehen und
Kaufinteressenten erst anzusprechen, wenn der Boden dafür bereitet ist. In
Einzelfällen kann es auch sinnvoll sein, einen temporären, den spezifischen
Verkauf adressierenden Aktionärbindungsvertrag der Verkäufer abzuschliessen, worin sich diese über ihre Differenzen einigen und bspw. einen Mindestverkaufspreis vereinbaren22.
21
Vgl. unten, II.3.d).
22
Eine solche Vereinbarung ist namentlich dann angezeigt, wenn zwischen mehreren
drag-along-berechtigten Finanzinvestoren Uneinigkeit herrscht über den geeigneten
Zeitpunkt bzw. den angemessenen Preis für einen Verkauf. Es versteht sich von
selbst, dass eine solche Mindestkaufpreisvereinbarung gegenüber Kaufinteressenten strikte geheim zu halten ist.
156
Trade Sale-Exit
d)
Self-execution durch vorsorgliche Rechtsgeschäfte
aa)
Grundsatz
Die Durchsetzbarkeit von Mitverkaufspflichten der Aktionäre bzw. der Options- und anderen Derivatinhaber wird durch die jeweilige Gestaltung der
Exit-Vertragsregelungen entscheidend erleichtert oder erschwert. Zum
Zweck der Erleichterung der Durchsetzbarkeit können Aktienurkunden blankoindossiert und in Escrow gelegt werden, wobei klarzustellen ist, dass (nur)
die drag-along-berechtigten Investoren dem Escrow Agent verbindliche Weisungen erteilen können23. Für unverurkundete Aktien lassen sich bedingte
Abtretungserklärungen bereits im Aktionärbindungsvertrag verankern24.
In Mitarbeiterbeteiligungsplänen sind bedingte Rechtsgeschäfte, namentlich
bedingte Abtretungserklärungen, eher selten anzutreffen. Relativ häufig sind
demgegenüber Vollmachten zu Gunsten der Gesellschaft, womit diese beispielsweise ermächtigt wird, die Aktien oder Optionen der Manager oder
sonstigen Mitarbeiter an einen Erwerber zu veräussern25.
Solche Absicherungen im Hinblick auf einen Trade Sale-Exit dienen nicht in
erster Linie dazu, tatsächlich beansprucht zu werden. Vielmehr wird damit
das Risiko, dass es überhaupt zu Hold-out Problemen kommt, nochmals
reduziert und die Stellung des Private Equity-Investors in allfälligen Verhandlungen verstärkt26.
23
Eine Escrow-Lösung erlaubt die Durchsetzung einer Veräusserung durch die dragalong-berechtigten Investoren ohne Gerichtsentscheid nur dann gegen den Willen
der hinterlegenden Aktionäre, wenn der Escrow-Agent gemäss Escrow Vertrag die
einseitige Weisung der drag-along-berechtigten Investoren beachten muss. Dieses
wesentliche Detail geht oft vergessen, womit der Escrow Hold-out-Taktiken eher
fördert denn erschwert. Um eine ausserurkundliche Veräusserung, etwa durch Besitzabtretung zu verunmöglichen, sollte das Escrow Agreement zudem die Möglichkeit der Besitzanweisung durch einzelne Aktionäre einschränken.
24
Eine bedingte Abtretung ist zulässig, vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 26. Juni
2007/ 4A-96/2007, E. 3.5, m.H. auf den Stand der Lehrmeinungen. Auch das Model Shareholders Agreement der SECA für Venture Capital (<www.seca.ch>) sieht
in Section 14.2 für gewisse Fälle eine bedingte Abtretung der Aktien vor.
25
Zum Problem der Widerruflichkeit vgl. unten, II.3.d)bb).
26
Vgl. vorstehend II.3.c).
157
Dieter Gericke
bb)
Widerruflichkeit?
Obschon die bedingte Abtretung erst mit Bedingungseintritt vollzogen ist,
wird die Verfügungsfreiheit des bedingt abtretenden Aktionärs bei Unterzeichnung der im Aktionärbindungsvertrag verankerten bedingten Abtretung
sofort beschränkt27. Soweit der spätere Aktienerwerber nicht selber Partei
des Aktionärbindungsvertrags ist, liegt ein Vertrag zu Gunsten Dritter vor
(Art. 112 OR), womit sich der abtretende Aktionär zunächst jedoch gegenüber den drag-along-berechtigten Parteien des Aktionärbindungsvertrags
verpflichtet (Art. 112 Abs. 1 OR). Auch bei Ausgestaltung als echter Vertrag
zu Gunsten Dritter (Art. 112 Abs. 2 OR) kann der bedingt Abtretende die
Abtretung daher bis zur Annahme durch den Drittkäufer (nur, aber immerhin) mit Zustimmung der drag-along-berechtigten Parteien des Aktionärbindungsvertrags zurücknehmen (Art. 112 Abs. 3 OR)28.
Demgegenüber ist eine blosse Vollmachtserteilung grundsätzlich einseitig
widerruflich (Art. 34 Abs. 1 und 2 OR), weshalb ein verkaufsunwilliger
Stakeholder die Veräusserung seiner Aktien oder Derivative durch einen
Vollmachtswiderruf hintertreiben könnte. Diesem Problem kann durch eine
gemeinschaftliche Vollmachtserteilung mehrerer oder aller Stakeholder an
die Gesellschaft oder an die drag-along-berechtigten Investoren zum Verkauf
ihrer Aktien oder Optionen entgegengewirkt werden. Auf das so geregelte
Verhältnis unter Stakeholders kommen für Zwecke des gemeinschaftlichen
Verkaufs die Regeln über die einfache Gesellschaft (Art. 530 OR) mindestens analog zur Anwendung. Demnach lässt sich m.E. die gemeinschaftlich
erteilte Vollmacht auch nur gemeinschaftlich widerrufen29.
27
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil II, 9. Aufl. Zürich 2008, N 3541 m.w.H.
28
Da die drag-along-berechtigten Vertragsparteien, die Abtretung zu Gunsten Dritter
angenommen haben, ist dagegen eine einseitige Annullierung der bedingten Abtretung ohne deren Zustimmung nicht möglich, selbst wenn der Zessionar noch nicht
feststeht oder die Abtretung noch nicht angenommen hat (zum anders gelagerten
Normalfall vgl. BSK OR I-GIRSBERGER, Art. 165 N 7).
29
Analog Art. 539 OR. In der Lehre ist dies umstritten, vgl. zum Meinungsstand BSK
OR II-PESTALOZZI/HETTICH, Art. 543 N 16 m.w.H.
158
Trade Sale-Exit
III. Einbezug des Managements
1.
Problemlage
Unternehmen werden durch Private Equity-Investoren gekauft, aber durch
das Management des Unternehmens verkauft. Das Management ist für die
Erstellung des Datenraums und des Information Memorandum, einschliesslich Business Plan, für die Durchführung der Managementpräsentationen
und Q&A-Sessions sowie für Zwecke der Verhandlungsführung oft unerlässlich. Neben dieser Beanspruchung ist es für erfolgreiche Preisverhandlungen
entscheidend, dass das Management während des Verkaufsprozesses operativ
gute Zahlen liefert30.
Während den Managern somit eine Schlüsselrolle zukommt für den erfolgreichen Verkauf, riskieren die gleichen Manager, als Folge des Verkaufs ihre
Position oder Stelle zu verlieren. Namentlich die Finanzchefs der verkauften
Unternehmen werden nach einem Verkauf meistens überzählig, obschon
gerade ihr Einsatz in der Vorbereitung, als Projektmanager und in (Preis-)
Verhandlungen oft sehr wertvoll ist31.
Sofern Manager damit rechnen können, auch nach dem Verkauf in der Unternehmung verbleiben zu können, verschiebt sich zudem im Verlauf einer
Transaktion deren Loyalität zum voraussichtlichen Käufer hin. Die Versuchung ist gross, den potentiellen Käufer nicht zu brüskieren oder diesem
unterschwellig gar zu helfen.
Sodann schauen sich Manager im Zuge einer Transaktion nicht selten im
Arbeitsmarkt um, einerseits aus Unsicherheit über ihre persönliche Zukunft
im Unternehmen, andererseits um ihren Marktwert zu eruieren und ihre Verhandlungsposition zu verbessern.
30
Demgegenüber laden Geschäftszahlen, die sich nicht innerhalb der prognostizierten
Zahlen bewegen, zu Nachverhandlungen des ursprünglich gebotenen Preises ein.
31
Vgl. auch DAENIKER DANIEL/NIKITINE ALEXANDER, Golden Handshakes, Golden
Parachutes und ähnliche Vereinbarungen bei M&A-Transaktionen, in: TSCHÄNI
RUDOLF (Hrsg.), Mergers & Acquisitions IX, Zürich 2007, 124.
159
Dieter Gericke
Aufgrund dieser vielfältigen Interessenkonflikte besteht das Risiko, dass
Manager den Verkaufsprozess gefährden, die Verkäuferinteressen nicht kompromisslos verfolgen oder das Unternehmen inmitten der Transaktion verlassen. Obschon offene Obstruktion selten ist, können frustrierte Manager den
bestmöglichen Verkauf torpedieren.
2.
Anreizsysteme
a)
Vorbestehende Anreizsysteme
Um die widersprüchliche Interessenlage des Managements überwinden zu
können, braucht es ein Anreizsystem32. Ein taugliches Anreizsystem zeichnet
sich i.d.R. dadurch aus, dass es auf einer Aktien- oder Partizipationsscheinbeteiligung beruht, welche werthaltig ist und einen steueroptimierten Kapitalgewinn erlaubt. Dies ist im Rahmen eines Buy-outs zu berücksichtigen
und wird gewöhnlich durch die Ausgestaltung als Management Buy-out (die
Manager beteiligen sich u.a. mit sog. „sweet equity“33 am Erwerb der Unternehmung durch den Private Equity-Investoren) erreicht.
Die Realität bestehender Anreizsysteme sieht oft anders aus: Optionen sind
nicht oder nur wenig im Geld, Vorzugsrechte der Finanzinvestoren reduzieren die durch das Management erzielbaren Erlöse erheblich, und Steuern
sowie Sozialabgaben fressen einen grossen Teil des noch verbleibenden Gewinns weg. Dies namentlich bei ausübungsbesteuerten Optionen, welche für
Mitarbeiteroptionen zur Regel geworden sind. Im Zeitpunkt des Verkaufs
zeigt sich auch, dass ein Anreiz auf dem Prinzip der Hoffnung auf die Zukunft besteht. Wird die Unternehmung verkauft, so entfällt diese Zukunft.
Bestehende Anreizsysteme vermitteln nur noch den konkreten Wert, den sie
im Zeitpunkt des Verkaufs ausweisen. Ist dieser Wert gering, wird seitens
32
Zu Anreizsystemen und ihrer Wirkungsweise im Allgemeinen vgl. FRICK (FN 18),
Rz 209 ff. In der oft moralisierenden Diskussion über Transaktionsboni und deren
Einschränkung geht vergessen, dass Manager nicht dafür eingestellt und entlöhnt
werden, die Gesellschaft zu verkaufen und dabei die bestmöglichen Bedingungen
für Gesellschaft und Aktionäre herauszuholen. Vielmehr geht diese Tätigkeit meistens über das reguläre arbeitsvertragliche Pflichtenheft hinaus und ist zusätzlich zu
erbringen.
33
Vgl. dazu FREY MARTIN, vorne in diesem Tagungsband.
160
Trade Sale-Exit
Investoren gerne darauf hingewiesen, dass es Sinn und Zweck des Anreizsystems entspreche, dass dieses nur dann einen hohen Gewinn abwirft, wenn
die Unternehmung einen herausragenden Erfolg erzielt hat. Motiviert für den
Verkauf ist das Management aber dennoch nicht. Im Gegenteil lässt sich ein
eigentlicher Teufelskreis ersehen: Je schlechter es dem Unternehmen geht im
Zeitpunkt des Verkaufs, umso wichtiger wird der Beitrag des Managements
im Verkaufsprozess und umso geringer ist der Wert bestehender Anreize.
b)
Ad hoc-Anreizsysteme (Transaction Incentive)
Um bestehende, aber unzulängliche Anreizsysteme oder überhaupt fehlende
Anreize für das Management zu kompensieren, kann im Hinblick auf einen
Trade-Sale Exit ein spezifischer Anreiz für den bevorstehenden Verkauf gewährt werden (Transaction Incentive). Der Vorteil solcher ad hoc-Lösungen
besteht darin, dass sie massgeschneidert werden können. Ihr Nachteil liegt
darin, dass die Einführung einer steueroptimierten Lösung unmittelbar vor
einem Verkauf oft unmöglich ist und die vom Management realisierbaren
Erträge daher voll als Einkommen zu versteuern sind, auf welchem auch
Sozialabgaben zu entrichten sind. Entsprechend müssen die Investoren letztlich einen höheren Anteil des Kuchens an das Management abtreten, um die
gleiche Anreizwirkung zu erzielen, wie wenn von Beginn weg eine steuerlich optimierte Anreizstruktur bestanden hätte.
In aller Regel sehen Transaktionsanreize Geldzahlungen vor, abgestuft nach
Verkaufserlös34.
34
Der Incentive kann der Kaufpreiskurve linear folgen. Häufiger ist jedoch eine gewisse Exponentialität nach oben bzw. eine Abschwächung und eine Kick-inSchwelle nach unten. Werden Transaktionsanreize schriftlich festgelegt oder in
Verwaltungsratsprotokollen referenziert, so ist grösste Sorge zu tragen, dass die zugrunde liegenden erwarteten Verkaufserlöse nicht zur Kenntnis der Kaufinteressenten kommen können (etwa als Teil der Due Diligence-Unterlagen). Werden nicht
nur Prozentsätze, sondern Zahlungen in Abhängigkeit von konkret bezeichneten
Kaufpreisschwellen vereinbart, so sollte die Vertragsurkunde beim Transaktionsanwalt der Verkäufer hinterlegt und nicht an die Vertragsparteien ausgehändigt
werden.
161
Dieter Gericke
c)
Parteien eines Transaktionsanreizsystems
Transaktionsanreize werden in der Praxis entweder zwischen den Managern
und den verkaufenden Aktionären, namentlich den Private Equity-Investoren, oder zwischen den Managern und der zu verkaufenden Gesellschaft
vereinbart.
aa)
Einräumung durch verkaufende Aktionäre
Vereinbarungen, die direkt mit den verkaufenden Private Equity-Investoren
abgeschlossen werden, lassen sich im Detail eher geheim halten. Die vorvertraglichen Aufklärungspflichten werden aber auch in einem solchen Fall
gebieten, dem Käufer zumindest die Tatsache der Existenz von solchen
Transaktionsanreizen offenzulegen. Letztlich lässt sich aber die genaue
Summe kaum verheimlichen, da Transaktionsanreize selbst bei Ausrichtung
durch die verkaufenden Aktionäre in der Regel als Einkommen steuerbar
und damit auch auf Stufe der Gesellschaft sozialabgabepflichtig werden.
Gibt es eine Vielzahl von Aktionären, so kann sich eine unmittelbare Verpflichtung aller dieser Aktionäre, einen Teil des Transaktionsanreizes zu
bezahlen, im Vorfeld eines Verkaufs als wenig praktikabel erweisen. Zudem
könnte eine derart breite Abstützung die Datenschutzbedürfnisse der begünstigten Manager beeinträchtigen. Werden aber nicht alle verkaufenden Aktionäre einbezogen, so ist die Folge unerwünschtes Trittbrettfahren, falls sich
die Last der Anreizzahlungen nicht zu einem späteren Zeitpunkt, namentlich
durch Abzug vom Gesamtverkaufserlös gleichmässig verteilen lässt.
bb)
Einräumung durch die zu verkaufende Gesellschaft
Wird der Transaktionsanreiz von der zu verkaufenden Gesellschaft selber
ausgerichtet, so stellen sich zunächst gesellschaftsrechtliche Fragen. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Vereinbarung der Ausrichtung eines solchen
Transaktionsanreizes durch die zu kaufende Gesellschaft an das Management durch Gesellschaftsinteresse und Gesellschaftszweck gedeckt und damit zulässig ist (Art. 717 Abs. 1 OR). Dies ist ohne Weiteres zu bejahen, falls
die Gesellschaft einen unmittelbaren Vorteil aus dem Verkauf zieht, etwa
eine Finanzierungszusage der Käuferin, oder wenn der Verkauf aus strategi162
Trade Sale-Exit
schen Gründen im Interesse der zu verkaufenden Gesellschaft liegt35. Überdies liegt ein Interesse der Gesellschaft schon darin begründet, dass sie sich
im Verkaufsprozess die Loyalität des Managements sichern und die erhöhte
Belastung des Managers abgelten möchte36.
Läuft der Verkauf dem Zweck und Interesse der Gesellschaft entgegen, indem dieser bspw. eine überbordende Belastung mit Finanzierungskosten
droht, so müsste dessen Förderung als faktische Zweckänderung bzw. verdeckte Gewinnausschüttung durch die Aktionäre der Gesellschaft genehmigt
werden. Sollte dies im Rahmen einer Generalversammlung geschehen, wäre
eine Zweidrittelmehrheit erforderlich (vgl. Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1 OR).
Im Übrigen kann die nicht durch das Gesellschaftsinteresse gedeckte Zahlung des Transaction Incentive als verdeckte Gewinnausschüttung i.S.v.
Art. 678 OR an die Manager (falls diese Aktionäre sind) oder an die Aktionäre überhaupt (da diese vom mit der Anreizzahlung geförderten Verkauf
profitieren) qualifizieren und bei gegebenen Voraussetzungen einen Rückforderungsanspruch begründen37.
Bei Leistungen an Manageraktionäre stellt sich schliesslich die Frage der
aktienrechtlichen Gleichbehandlung (vgl. Art. 717 Abs. 2 sowie Art. 706
Abs. 2 Ziff. 3 OR). Die besondere Lage des Managements und ihre Bedeutung für den Verkaufsprozess rechtfertigen normalerweise eine entsprechende Ungleichbehandlung, sofern der Verkauf (auch) im Interesse der Gesellschaft liegt.
Wird der Transaction Incentive durch die Gesellschaft bezahlt, so ist die
Verpflichtung dazu gewöhnlich im Rahmen der Gewährleistungen bzw. Due
Diligence offenzulegen.
35
Bspw. wenn die Eingliederung in die Käufergruppe Zugang zu neuen Märkten verschafft.
36
DAENIKER/NIKITINE (FN 31), 124, 129.
37
Zur steuerlichen Situation vgl. HEUBERGER RETO, vorne in diesem Tagungsband.
163
Dieter Gericke
d)
Lösungen ohne unmittelbaren finanziellen Anreiz
Einzelne der mit Interessenkonflikten des Managements verknüpften Problemzonen können auch durch Lösungen adressiert werden, die nicht auf
einem unmittelbaren finanziellen Anreiz beruhen. So kann ein Arbeitsvertrag
mit einer langen Kündigungsfrist, mit Change-of-control-Zahlungen für den
Fall einer Kündigung während einer bestimmten Frist ab Vollzug des Verkaufs oder mit einer Abgangsentschädigung die Risiken eines Verkaufs für
die betroffenen Manager reduzieren.
Auch ein zwischen Manager und Käufer verhandelter Arbeitsvertrag mit
Mindestdauer und Anreizen ab Vollzug kann motivierend wirken. Wird ein
solcher zu früh verhandelt oder in Aussicht gestellt, ist er aus Verkäufersicht
jedoch nicht unproblematisch, da er das Problem der Verlagerung der Loyalität zum Käufer verschärft. Aus diesem Grund wird das Fenster für Vertragsverhandlungen zwischen verbleibenden Managern und Kaufinteressenten
nach Möglichkeit auf das Ende des Verkaufsprozesses oder auf die Zeit zwischen Signing und Closing gelegt.
3.
Wenn Manager zu Käufern werden
Es kommt immer wieder vor, dass Manager im Vorfeld eines Verkaufsprozesses ein Kaufinteresse entwickeln, einerseits um ihre Stellung abzusichern,
andererseits weil sie Vertrauen in die weitere Wertentwicklung des Unternehmens haben. Dies führt zur Suche nach geeigneten Käufern als Partner
für einen Management Buy-out38. Diese Möglichkeit wird manchmal bereits
in der Verkaufsdokumentation angesprochen39. Häufig geht die Initiative für
den Einbezug des Managements auch von den Kaufinteressenten selber
aus40.
38
Vgl. auch TSCHÄNI RUDOLF, M&A Transaktionen nach Schweizer Recht, Zürich,
Basel, Genf 2003, § 2 Rz 96; FRICK (FN 18), Rz 94 ff.
39
So können Process Letters die Kaufinteressenten auffordern, zur Möglichkeit einer
Beteiligung des Managements im Rahmen des Kaufs oder danach Stellung nehmen.
40
Namentlich Private Equity-Investoren mit Interesse an einem Secondary Buy-out.
164
Trade Sale-Exit
Die potentielle Käuferstellung begründet einen Interessenkonflikt des Managements nicht nur gegenüber den verkaufenden Aktionären, sondern auch
gegenüber der zu verkaufenden Gesellschaft. Gestützt auf die arbeitsvertragliche und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist das Management daher
verpflichtet, ein solches Bedürfnis oder die Kontaktierung durch einen potentiellen Käufer dem Verwaltungsrat der Gesellschaft unverzüglich offenzulegen. Zumeist kommen solche Ideen relativ früh auf den Tisch und können
einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden. Dennoch sind die praktischen Probleme, namentlich im Rahmen einer Auktion nicht unerheblich:
–
Beispielsweise stellt sich die Frage, ob und wie die Angebote Dritter
gegenüber dem kaufinteressierten Management und insbesondere gegenüber seinen Finanzsponsoren geheim gehalten werden können.
–
Tritt das Management (auch) käuferseitig auf, können die kaufenden
Sponsoren noch weniger Gewährleistungen seitens der Private EquityVerkäufer erwarten41. Die verkaufenden Private Equity-Investoren werden daher weitgehend von Gewährleistungen befreit, während das Management entweder im Kaufvertrag oder in einer separaten Vereinbarung mit den Finanzsponsoren für Gewährleistungen in die Pflicht
genommen wird.
–
Auch das Transaktionsmanagement ist gefordert: Manager, die zur Käufergruppe gehören, können nur beschränkt darin eingebunden werden.
Zumindest ist durch ein unabhängiges Gremium der Einfluss der kaufenden Manager auf den Verkaufsprozess abzufedern.
–
Schliesslich stellt sich die Frage, ob die vorvertragliche Informationspflicht gebietet, allen Kaufinteressenten offenzulegen, dass die Manager
ebenfalls an einem Kauf interessiert sind, sei es aus eigener Kraft, im
potentiellen Zusammenwirken mit jedem Kaufinteressent oder in exklusiver Partnerschaft mit einem Bieter. M.E. ist eine solche Aufklärungspflicht zu bejahen, soweit diese Konstellation die Chancen von Drittbietern erheblich reduziert. Sonst können sich die Verkäufer dem Vorwurf
ausgesetzt sehen, die Drittbieter nur in den Prozess aufgenommen zu
haben, um (auf deren Kosten) den Marktpreis, der vom Management
41
Vgl. unten, VI.2.a).
165
Dieter Gericke
und seinem Finanzsponsoren zu bezahlen ist, zu eruieren. Überdies haben die Verkäufer oft ein Eigeninteresse an der Offenlegung, um zwecks
Preisoptimierung allen Kaufinteressenten die Möglichkeit einräumen zu
können, ein Angebot unter Einbezug des Managements abzugeben. In
der Praxis ist die Offenlegung daher die Regel.
Zur Vermeidung von Missverständnissen und Fehlläufen können die Spielregeln für das Management der zu verkaufenden Gesellschaft im Verkaufsprozess schriftlich festgelegt werden. Basis ist gewöhnlich die Vertraulichkeitsvereinbarung (Confidentiality Agreement) zwischen Verkäuferin und Kaufinteressenten, welche nicht nur die Vertraulichkeit gewährleistet, sondern
auch den Direktkontakt mit Kaufinteressenten über den die Auktion organisierenden M&A-Berater42 kanalisiert. Dies wird verkäuferseitig (ebenso wie
käuferseitig) häufig durch eine Vertraulichkeitserklärung (Confidentiality
Undertaking) ergänzt, welche von allen in den Verkaufsprozess involvierten
Personen43 unterzeichnet wird und nicht nur die Vertraulichkeit gegenüber
weiteren Kreisen innerhalb der zu verkaufenden Gesellschaft sowie gegenüber Dritten gewährleistet, sondern den Direktkontakt mit Kaufinteressenten
ohne Zustimmung des Projektmanagers oder des Steering Committees untersagt. Kommt die käuferseitige Involvierung des Managements als Möglichkeit auf den Tisch, so muss das Management daher durch Verwaltungsratsbeschluss ermächtigt werden, sich in Abweichung vom Confidentiality Agreement in einem bestimmten Rahmen käuferseitig zu bewegen. Das Management wird auf diese Weise punktuell von seinen Pflichten gemäss Vertraulichkeitserklärung befreit.
In der Zustimmung zur Gesprächsaufnahme mit einem Kaufinteressenten
und zu käuferseitigem Engagement kann auch eine beschränkte Suspendierung von arbeitsrechtlichen (Treue-)Pflichten gegenüber der Gesellschaft
liegen. Manager mit materieller Organfunktion können von den gesellschaftsrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflichten jedoch nicht allgemein befreit werden. Sofern ihre käuferseitigen Handlungen den Gesellschaftsinter-
42
Dazu unten, IV.1.
43
Demgegenüber ist es unüblich von Rechtsanwälten, die von Berufs wegen einer
Geheimhaltungspflicht unterstehen, die Unterzeichnung von Geheimhaltungserklärungen einzuverlangen.
166
Trade Sale-Exit
essen grundsätzlich zuwiderhandeln, gehen ihre Organpflichten vor44. Bei
potentiell schwerwiegenden Interessengegensätzen, müssen die betreffenden
Manager für die Dauer des Verkaufsprozesses daher auch ganz oder teilweise
in ihrer materiellen (oder auch formellen) Organfunktion suspendiert werden45.
Zunehmend verlangen die Manger selber eine Klärung ihrer Rechte und
Pflichten im Rahmen eines Management Buy-outs, um sich vor dem Vorwurf eines Treuebruchs zu schützen und eine faire und transparente Gestaltung des Verkaufsprozesses zu ermöglichen. Die Verwendung einlässlicher
Verträge mit dem Management und den an einem Management Buy-out
interessierten Private Equity-Investoren zur Regelung solcher Situationen
(Process Agreement, Protocol Letter, Memoranda of Understanding u.ä.) ist
hierzulande jedoch (noch) selten46. Häufiger sind detailliertere Regelungen
in Dokumenten, die im Verhältnis zum Management Weisungscharakter
haben, namentlich Verwaltungsratsbeschlüssen oder vom Steering Committee47 verabschiedeten organisatorischen Massnahmen (Projektmanagement,
Zeitpläne, Verhandlungsteams, Kommunikationskanäle, Offenlegung).
IV. Transaktionsmanagement
1.
Organisation
Ist am Trade Sale Exit nur ein verkaufender Private Equity Fond beteiligt, so
gestaltet sich das Transaktionsmanagement relativ einfach. Sind mehrere
Finanzinvestoren und weitere verkaufende Personen beteiligt, wird es sofort
44
Die Verletzung von Organpflichten eines Managers als Verwaltungsrat kann zudem
nur durch einen (Entlastungs)Beschluss der Generalversammlung gemäss Art. 698
Abs. 2 Ziff. 5 i.V.m. Art. 658 OR teilweise geheilt werden.
45
Bspw. ist dies denkbar, wenn der Kaufinteressent, der die Firma zusammen mit
dem Management erwerben möchte, ein Konkurrent ist. In solchen Fällen kann die
Geschäftsführerfunktion der Gesellschaft vorübergehend an einen Dritten, etwa an
einen Verwaltungsrat übertragen werden.
46
Vgl. dazu FREI MARTIN, vorne in diesem Tagungsband, 39 ff.
47
Vgl. dazu unten, VI.1.
167
Dieter Gericke
komplexer. Grundsätzlich sollte die Transaktionsbegleitung wie bei jeder
M&A-Transaktion in folgende Funktionen eingeteilt werden:
–
–
–
–
Projektleiter
Verhandlungsteam
Sounding Board oder Steering Committee
Approval Body
Der Projektleiter ist für die tägliche Koordination und Kommunikation zuständig, sowohl zwischen Verkäufern und zu verkaufender Gesellschaft und
deren Beratern als auch gegenüber Kaufinteressenten. Er organisiert die Vorbereitung des Datenraums und des Information Memorandum und sorgt für
die Einhaltung des Zeitplans auf Gesellschafts-/Verkäuferseite. In den meisten Fällen wird dieses Projektmanagement durch einen Manager, oft den
CFO der zu verkaufenden Gesellschaft wahrgenommen. Indessen kann es
auch ein Vertreter der Finanzinvestoren sein, der eine gewisse Nähe zur Gesellschaft hat. In keinem Fall sollte die Projektleitung durch die ultimativen
Entscheidungsträger erfolgen. Wird das Projektmanagement an einen externen M&A-Advisor oder an einen der Verkäufer delegiert, so ist dennoch ein
interner Koordinator erforderlich.
Das Verhandlungsteam muss sich fast zwangsläufig sowohl aus Managern
als auch Vertretern der Investoren zusammensetzen. Als effizient hat sich die
Besetzung mit einem oder zwei Managern (darunter der Projektleiter), einem
Vertreter der Investoren sowie dem externen Anwalt für die Verkäuferschaft
erwiesen. Wird für die kommerziellen Verhandlungen ein Financial Advisor
beigezogen, so wirkt dieser je nach Konstellation auch bei den Vertragsverhandlungen mit, zumal sich rechtliche und kommerzielle Punkte nur selten
vollständig trennen lassen.
Das Sounding Board oder Steering Committee ist Ansprechstelle des Projektleiters und dient der Besprechung des Verhandlungszwischenstands, der
Formulierung neuer Verhandlungsziele und der Vorbereitung von Beschlussfassungen durch den Approval Body. Wichtig ist, dass das Sounding Board
vom Verhandlungsteam getrennt ist und als Eskalationsinstanz dienen kann.
Entsprechend soll es im Hintergrund bleiben und höchstens bei am Schluss
verbleibenden Kernfragen auf höchster Stufe in Verhandlungen direkt einbezogen werden. In der Regel umfasst es Vertreter der wichtigsten Investoren
168
Trade Sale-Exit
und einen oder mehrere unabhängige Verwaltungsräte der zu verkaufenden
Gesellschaft48.
Der Approval Body genehmigt die Eckpunkte des Verhandlungsmandats
insgesamt, die abschliessenden Verhandlungsergebnisse und Vertragsdokumentationen. Mit seiner Zustimmung sollte der rechtlich verbindlichen
Durchführung einer Transaktion nichts mehr im Wege stehen. Der Approval
Body sollte sich daher aus den wichtigsten Vertretern der Drag-along berechtigten Verkäufer zusammensetzen, selbst wenn diese intern formell jeweils
die Zustimmung ihrer Investment Committees einholen müssen. Diese Investment Committees werden nie direkt in das Transaktionsmanagement
einbezogen.
Zuweilen wird gefordert, dass das Transaktionsmanagement mit den Zuständigkeiten der verschiedenen involvierten Personen und Komitees formell
vertraglich geregelt wird. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn es mehrere
verkaufende Finanzinvestoren gibt, die unterschiedliche Interessen hegen
oder ein gespanntes Verhältnis zueinander haben, oder bei einer sehr grossen
Zahl von Verkäufern. Im Übrigen kann auf eine formelle vertragliche Regelung des Transaktionsmanagements meistens verzichtet werden. Eine vertragliche Regelung muss auf jeden Fall genügend flexibel sein, um den Verkaufsprozess und die Verhandlungen nicht unnötig einzuschnüren. Vielmehr
sollte das Verhandlungsteam von einem grossen Vertrauensvorschuss aller
Beteiligten profitieren können, um so im richtigen Moment sinnvolle vertragliche Lösungen finden und – unter Genehmigungsvorbehalt – akzeptieren zu können. Auch ohne formelle Regelung ist eine bewusste Organisation
und Aufteilung der Teams und Zuteilung von Kompetenzen stets angezeigt.
Dies kann in einer Präsentation oder in einem Verwaltungsratsbeschluss der
Zielgesellschaft abgebildet werden.
48
Das Steering Committee agiert in der Regel in einem vom Verwaltungsrat der zu
verkaufenden Gesellschaft und ihren Kernaktionären abgesegneten Kompetenzrahmen und handelt damit sowohl als vom Verwaltungsrat mit gewissen Funktionen betreutes Organ der Gesellschaft als auch mit Auftrag der Aktionäre (wobei das
Auftragsverhältnis gewöhnlich als zwischen Gesellschaft und Aktionären eingegangen zu betrachten ist).
169
Dieter Gericke
2.
Berater
a)
Vorbemerkung
Neben Rechtsanwälten für die rechtliche Strukturierung und Begleitung wird
für Trade Sale-Exits häufig ein Financial Advisor bzw. M&A Berater beigezogen, insbesondere wenn der Verkaufsprozess in der Form einer Auktion
von statten gehen soll. Wird ein Vendors’ Due Diligence Report erstellt, so
kann für die Erstellung der nichtrechtlichen Teile desselben bspw. das Transaktionsteam einer Revisionsfirma oder einer Beratungsfirma beigezogen
werden.
Nachstehend werden häufige Fragestellungen, die sich bei Trade Sale-Exits
stellen können, in erster Linie am Beispiel der anwaltlichen Berater dargestellt. In Bezug auf Engagement, Kostentragung und Informationsaustausch
gelten im Verhältnis zu anderen Beratern, namentlich den Financial Advisors
und Revisionsfirmen, die untenstehenden Ausführungen weitgehend analog.
Teilweise sind sie mit etwas anderer Ausprägung verbunden, etwa weil die
Tätigkeit dieser Berater keinem oder einem anderen Berufsgeheimnis untersteht.
b)
Wer vertritt wen?
Formell gibt es im Verkaufsprozess stets mehrere Interessengruppen. Neben
den Aktionären der zu verkaufenden Gesellschaft als formelle Verkäufer hat
die zu verkaufende Gesellschaft ein Eigeninteresse zu verteidigen, und ihre
Manager und sonstigen Mitarbeiter sind ebenfalls stark vom Verkauf betroffen, selbst wenn sie nicht selber als Verkäufer auftreten. Somit stellt sich die
Frage, wer für welche Zwecke eine Anwaltskanzlei bzw. sonstige Berater
engagieren soll. Neben der Vermeidung unnötiger Kosten stehen dabei die
Ziele im Vordergrund, einen reibungslosen Ablauf des Verkaufsprozesses zu
gewährleisten und gegenüber den Kaufinteressenten mit einer Stimme aufzutreten, ohne dass sich Interessenkonflikte auf wesentliche Weise auswirken.
Gewöhnlich genügt eine Transaktionskanzlei für die Erstellung des Datenraums, die Durchführung der Seller Due Diligence, die allfällige Erstellung
eines Vendor’s Due Diligence Report, die Verhandlungen seitens Verkäufer
(und verkaufter Gesellschaft) sowie Entwurf und Nachführung der Vertrags170
Trade Sale-Exit
dokumentation. Manchmal wird diese Transaktionskanzlei formell von der
Gesellschaft engagiert, dabei jedoch beauftragt, auch die Interessen der Verkäufer zu vertreten. Bei offenkundiger Interessenkollisionen, namentlich
zwischen Management und Gesellschaft oder auch zwischen verkaufenden
Private Equity Investoren und verkaufenden Managern, aber auch bei Uneinigkeit zwischen verkaufenden Private Equity Investoren können punktuell
weitere Anwälte beigezogen werden.
Wird die Transaktionskanzlei nicht unmittelbar von den verkaufenden Private Equity-Investoren engagiert, so ziehen diese manchmal zusätzlich zur
Transaktionskanzlei eine Anwaltskanzlei bei, die im Hintergrund prüft, ob
die Verhandlungsergebnisse und Vertragsdokumentation die spezifischen
Interessen der Investoren genügend schützen. Dies kann u.U. angezeigt sein
und ist auch unproblematisch, sofern diese Anwälte im Aussenverhältnis
gegenüber den Kaufinteressenten nicht in Erscheinung treten. Ist diese Trennung nicht gewährleistet, so besteht die Gefahr divergierender Kommunikation und der Begründung verschiedener Verhandlungsebenen, welche von
einem geschickten Käufer ausgenutzt werden können.
Aus anwaltsrechtlicher und auftragsrechtlicher Sicht ist es oft unumgänglich,
in einem schriftlichen Engagement Letter festzuhalten, mit wem der Transaktionsanwalt das Mandatsverhältnis formell eingeht, gegenüber welchen
Parteien er Treue- und Sorgfaltspflichten wahrnehmen soll und wer dem
Transaktionsanwalt gegenüber für die Bezahlung der Honorare aufzukommen hat49. Wichtig ist auch die Regelung der Frage, wer Geheimnisherr ist
und mit wem der Anwalt Informationen teilen kann50. Zur Gewährleistung
eines effizienten Prozesses sollte der Transaktionsanwalt in seiner Kommunikation mit der zu verkaufenden Gesellschaft und den verkaufenden Aktionären grundsätzlich frei sein51.
49
Die definitive Kostenallokation unter den Verkäufern und der verkaufenden Gesellschaft kann von dieser Regelung abweichen. Vgl. unten, IV.2.c).
50
Vgl. unten, IV.2.d) und e).
51
Zur Frage des Anwaltsgeheimnisses und der Rechenschaftspflicht nach Vollzug des
Trade Sale vgl. unten, IV.2.e).
171
Dieter Gericke
c)
Kostentragung und Steuerfolgen
Werden die Transaktionsanwälte vollumfänglich durch die zu verkaufende
Gesellschaft bezahlt, so lässt sich nicht ausschliessen, dass die Kostenübernahme steuerlich teilweise als verdeckte Gewinnausschüttung an die Aktionäre betrachtet wird, mit entsprechenden Steuerfolgen52.
Liegt die Transaktion unmittelbar (auch) im Interesse der Gesellschaft, indem es beispielsweise zu verbindlichen Finanzierungszusagen der Käuferschaft kommt, oder weil der Verkauf für die Gesellschaft bedeutende strategische Vorteile zeitigt, ist das Gesellschaftsinteresse durchaus vorhanden,
weshalb auch die steuerrechtliche Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung weniger naheliegt. Auch Tätigkeiten wie eine Sellers’ Due Diligence erfolgen regelmässig im Interesse der Gesellschaft, welche Probleme
und Altlasten erkennen, diese adressieren und damit einen Wertzuwachs
generieren kann.
Im Spezialfall eines Dual Track-Prozesses, in dem eine Gesellschaft parallel
einen Börsengang vorbereitet und einen Verkaufsprozess startet, die in Konkurrenz zueinander stehen, wird die Übernahme der Transaktionskosten
durch die Gesellschaft steuerlich jedenfalls zu akzeptieren sein, soweit sie
durch das IPO-Projekt gefordert waren (Datenraum, Due Diligence, Prospekterstellung).
Um die Gefahr unverhoffter Steuerfolgen zu vermeiden, kann ein Steuerruling zur Allokation der Transaktionskosten eingeholt werden53. Im Fall
einer erfolgreichen Verkaufstransaktion können die Kosten zudem direkt
durch den Transaktionserlös abgegolten und so den verkaufenden Aktionären
belastet werden.
Aus Verkäufer- und aus Käufersicht spielt es bei einer erfolgreichen Transaktion abgesehen von diesen Steuerfragen letztlich keine Rolle, ob die Transaktionskosten von der zu verkaufenden Gesellschaft oder von den verkaufenden Aktionären bezahlt werden. Werden die Kosten durch die Gesellschaft
52
Verrechnungssteuer von 35%, bei Aufrechnung ins Hundert 53.84%. Vgl. HEUBERin diesem Tagungsband.
GER RETO, vorne
53
172
HEUBERGER RETO, vorne in diesem Tagungsband, 111 ff.
Trade Sale-Exit
bezahlt, so wird der Käufer in der Regel einen entsprechenden Abzug vom
Kaufpreis verlangen, sofern sich dieser nicht automatisch, etwa aus einem
Net Debt Adjustment per Closing ergibt. Denkbar ist zudem, dass der Käufer
für den Fall, dass die Kostentragung steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert wird, Schadloshaltung verlangt.
d)
Kommunikation mit der zu verkaufenden Gesellschaft/Seller Due
Diligence
Die Vorbereitung und Durchführung eines Trade Sale-Exits erfordert intensiven Austausch zwischen der zu verkaufenden Gesellschaft und ihrem Management und der Transaktionskanzlei. Dieser Austausch ist zunächst im Zusammenhang mit der Datenraumerstellung und Seller Due Diligence
erforderlich, je nach Involvierung des Managements der zu verkaufenden
Gesellschaft in den Verhandlungsprozess jedoch auch für Zwecke der eigentlichen Vertragsverhandlungen und Erstellung der Vertragsdokumentation.
Auch für Fragen der Disclosure (haftungsbeschränkende Offenlegung von
Tatsachen) im Datenraum, in den Anhängen zum Kaufvertrag oder in einem
Disclosure Letter ist der Input des Gesellschaftsmanagements oft zentral.
Da die Käuferin nach Vollzug des Kaufs indirekt auf die Daten der Gesellschaft und ihre Server Zugriff bekommt, kann sich der verkäuferseitige Austausch mit der verkauften Gesellschaft als Bumerang erweisen. Manchmal
engagieren Käufer kurz nach Vollzug eines Kaufs spezialisierte Firmen, um
die E-Mail-Korrespondenz zwischen der Gesellschaft, ihrem Verwaltungsrat,
ihren Aktionären und den Transaktionsberatern nach Hinweisen zu durchleuchten, welche auf das Verschweigen eines Mangels hinweisen oder sich
sonst für den Käufer nützlich erweisen könnten (z.B. im Zusammenhang mit
Preisanpassungsklauseln). Selbst wenn diese Korrespondenz kurz vor dem
Closing gelöscht wird, ist sie für Computerspezialisten oft komplett wiederherstellbar. Ausserdem kann im Einzelnen die Aufbewahrungspflicht gemäss
Art. 957 OR der Löschung gewisser Korrespondenz entgegenstehen (namentlich dann, wann diese für die Darstellung der Vermögenslage und Geschäftsergebnisse erforderlich ist).
Aus diesen Gründen kann nur eine vollständige Trennung der Transaktionskorrespondenz von der Geschäftskorrespondenz der Gesellschaft Abhilfe
schaffen. Dies setzt getrennte E-Mail- und Serversysteme voraus. Dass dies
173
Dieter Gericke
kaum je gerechtfertigt und praktikabel ist, liegt auf der Hand. Zudem kann es
Misstrauen erwecken und den Vorwurf einer bewussten Unterdrückung von
wesentlichen Informationen gar unterstützen.
Somit liegt die Lösung meistens weniger in einer Vermeidung der Problematik, als in einem bewussten Umgang damit. Die beteiligten Verkäufer und
Manager sind darauf aufmerksam zu machen, dass ihre Korrespondenz im
Nachhinein durch die Käuferschaft beweiswirksam verfügbar gemacht werden kann. Entsprechend sollten heikle Punkte primär im mündlichen Gespräch diskutiert werden, nicht aber in E-Mail Korrespondenz. Auch Berichte über in einer Seller Due Diligence gefundene substanzielle Problemaspekte sind mit Vorsicht zu behandeln. Da sich vermeintliche grössere Probleme
bei Nachfragen und weiteren Klärungen häufig als inexistent oder lösbar
erweisen, können schriftliche Darstellungen einen falschen Eindruck erwecken, solange nicht klar ist, ob wirklich ein Problem vorliegt54.
e)
Anwaltsgeheimnis und Rechenschaftspflicht
Ein ähnliches Problem stellt sich im Zusammenhang mit dem Anwaltsgeheimnis und der auftragsrechtlichen Rechenschafts- und Herausgabepflicht.
Wird die Transaktionskanzlei formell von der zu verkaufenden Gesellschaft
beauftragt, so kann die Gesellschaft unter Gesichtspunkten des Auftragsrechts (Art. 400 Abs. 1 OR) Rechenschaftsablage und in einem gewissen
Masse Aktenherausgabe oder -einsicht verlangen55. Das Anwaltsgeheimnis
(Art. 13 BGFA und Art. 320 StGB sowie im Verfahren Art. 160 ZPO und
Art. 264 StPO) steht einer solchen Herausgabe grundsätzlich nicht entgegen,
da dieses gegenüber der Klientin normalerweise nicht geltend gemacht werden kann. Dieser Umstand wird in der Praxis von Käufern zuweilen dadurch
ausgenutzt, dass sie nach Vollzug des Kaufs, unter Vorschiebung der verkauften Gesellschaft Briefe an die Transaktionskanzlei senden und diese zur
Herausgabe der Transaktionsakten und sämtlicher Korrespondenz, einerseits
54
Wird ein vermeintliches Problem schriftlich adressiert, das sich in der Folge als
irrelevant erweist, ist auch diese Folgerung schriftlich festzuhalten und zu kommunizieren.
55
FELLMANN WALTER, Anwaltsrecht, Bern 2010, N 1189 ff.
174
Trade Sale-Exit
mit der Gesellschaft selber, aber auch mit Dritten – namentlich den verkaufenden Aktionären – auffordern.
Ob und inwieweit einer solchen Aufforderung Folge geleistet werden muss,
ist ungeklärt. Gegen eine unbeschränkte Rechenschaftspflicht gegenüber der
vorgeschobenen Gesellschaft kann neben Gründen des Rechtsmissbrauchs56
namentlich angeführt werden, dass selbst bei formeller Beauftragung durch
die Gesellschaft, die verkaufenden Aktionäre ebenfalls Geheimnisherren
sind und einer Herausgabe zustimmen müssten. Zudem könnte der mit dem
Vollzug des Verkaufs einhergehende Kontrollwechsel auch als materieller
Untergang des Geheimnisherrn bezeichnet werden57, jedenfalls soweit es um
den Zugang zu Informationen geht, welche für die Beurteilung der Honorarforderung des Transaktionsanwaltes nicht erforderlich sind. M.E. kann das
Risiko einer indirekten Rechenschaftspflicht gegenüber dem Käufer dadurch
reduziert werden, dass im Engagement Letter mit der zu verkaufenden Gesellschaft festgehalten wird, dass sich die Klientenbeziehung auch auf die
verkaufenden Aktionäre bezieht und allfällige Ansprüche der Gesellschaft
auf Rechenschaftsablage sowie Ablieferung oder Akteneinsicht mit Vollzug
der Verkaufstransaktion dahinfallen oder an die verkaufenden Aktionäre abgetreten werden58.
Noch einfacher lässt sich das Problem freilich dadurch vermeiden, dass das
Mandatsverhältnis von Anbeginn weg (auch) mit den verkaufenden Private
Equity-Investoren eingegangen wird.
Seit Inkrafttreten der eidg. ZPO und StPO unterstehen grundsätzlich auch
Anwaltskorrespondenz und -akten, die bei der Klientin liegen, dem Schutz
56
Vgl. FELLMANN (FN 54), N 1198. Letztlich wird durch solche Informationsbegehren der Sinn und Zweck des Anwaltsgeheimnisses beim Verkauf unterlaufen, indem
einer Drittpartei – und zwar der Gegenpartei (Käufer) – ohne Vorliegen eines
schützenswerten Eigeninteresses der Gesellschaft als formeller Auftraggeberin und
Geheimnisherrin Zugang zu den privilegierten Informationen beschafft werden soll.
Im Verhältnis zum Ausland können aus diesem Grund auch Art. 271 und 273 StGB
Schranken setzen. U.U. kann die Thematik auch gesellschaftsrechtlich, unter den
Prämissen des Durchgriffs adressiert werden.
57
Analog kann das Anwaltsgeheimnis nach ständiger Praxis des Bundesgerichts den
Erben des Klienten entgegengehalten werden, BGE 135 III 597.
58
Vgl. BSK OR I-WEBER, Art. 400 N 22.
175
Dieter Gericke
des Anwaltsgeheimnisses. Dennoch kann die Käuferin nach Vollzug indirekt
Zugriff nehmen, weshalb besonders heikle Dokumente bei der Anwaltskanzlei eingesehen und nicht der zu verkaufenden Gesellschaft zugesandt werden
sollten.
V.
Vertragsdokumentation
1.
Verhandlungsdokumentation
Bereits bei der Verhandlungsdokumentation verlangt der Mehrparteiencharakter eines Trade Sale umsichtiges Vorgehen. Oft bleiben die eigentlich
verkaufenden Finanzinvestoren in dieser Frühphase im Hintergrund, weshalb
Vertraulichkeitsvereinbarungen, Letters of Intent, Process Letters, Exclusivity Agreements und dergleichen formell manchmal nicht mit den verkaufenden Finanzinvestoren und sonstigen Aktionären, sondern zwischen der zu
verkaufenden Gesellschaft und den Kaufinteressenten ausgehandelt und abgeschlossen werden59. Auch wenn diese Verträge und Absichtserklärungen in
der Praxis oft keinen Belastungsproben ausgesetzt werden, ist diesem Umstand für den Fall, dass diese doch Bedeutung erlangen, Rechnung zu tragen.
Zunächst gilt dies für die Stellung der Gesellschaft als Vertragspartei: Ohne
entsprechende Vollmachten kann die Gesellschaft ihre Aktionäre nicht verpflichten. Dennoch sehen bspw. Exklusivitätsvereinbarungen zwischen zu
verkaufenden Gesellschaften und Kaufinteressenten nicht selten vor, dass die
Exklusivitätsvereinbarung auch die Aktionäre der zu verkaufenden Gesellschaft binden soll. Unverhofft begibt sich die Gesellschaft auf diese Weise in
eine Garantenstellung, in dem sie sich für ein Verhalten ihrer Aktionäre verbürgt, obwohl sich jene weder ihr noch dem Kaufinteressenten gegenüber zu
einem solchen Verhalten verpflichtet haben.
59
176
Manchmal sieht man auch Verträge zwischen den M&A-Beratern und den Kaufinteressenten. Dies kann, sofern es zur Belastungsprobe kommt, heikel sein, wenn
diese Verträge nicht als echte Verträge zugunsten der Gesellschaft und ihrer Aktionäre als Dritten abgeschlossen werden (Art. 112 Abs. 2 OR).
Trade Sale-Exit
Auch die Aktionäre als zukünftige Verkäufer müssen darauf achten, dass ihre
Interessen gewahrt bleiben, wenn die zu verkaufende Gesellschaft die Verhandlungsverträge abschliesst. Bspw. sehen Standardformulierungen von
Geheimhaltungsvereinbarungen, welche Gesellschaften eingehen, in der
Regel nicht vor, dass vertrauliche Informationen ihrer Aktionäre ebenfalls
geschützt werden. Soll die Information der verkaufenden Aktionäre vom
Geheimhaltungsschutz umfasst werden, muss dies daher in der Vertraulichkeitserklärung verankert werden. Um sicherzustellen, dass sich die Aktionäre
unmittelbar auf eine entsprechende Vertragsbestimmung stützen können,
muss diese überdies als echter Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet werden
(Art. 112 Abs. 2 OR).
Aus Sicht des Käufers gelten umgekehrte Vorzeichen. Er muss darauf achten, dass sich eine Exklusivitätsverpflichtung nicht nur auf die vertragsschliessende Gesellschaft selber bezieht, sondern auch auf deren Aktionäre.
Auch der Kaufinteressent hat ein Interesse daran, dass sich die verkaufenden
Aktionäre selber mindestens der Gesellschaft gegenüber verpflichtet haben,
eine Exklusivitätsklausel zu beachten. Zudem muss ein Kaufinteressent damit rechnen, dass die von ihm eingebrachten Informationen, sofern die Vertraulichkeitserklärung zweiseitig ist, auch an die verkaufenden Aktionäre
weitergegeben werden. Somit wird er besorgt sein müssen, dass diese auch
einer Vertraulichkeitsverpflichtung unterstehen.
2.
Kaufvertrag
Sind verkäuferseitig nur Aktionäre beteiligt, so genügt in aller Regel ein
einziger Kaufvertrag, um alle Verkäufer in den Verkauf einzubinden. Gibt es
überdies noch Kategorien von rechtlich wesentlich anders gestellten Stakeholders, namentlich Optionsinhaber, welche einbezogen werden müssen,
oder gar eine Vielzahl von Mitarbeitern mit Beteiligungen oder Optionen, so
kann sich eine Auftrennung in einen Hauptvertrag einerseits und einfachere
Nebenkaufverträge oder Beitrittserklärungen andererseits aufdrängen.
Zunächst lässt sich die Verkäuferstruktur manchmal dadurch vereinfachen,
dass etwa Mitarbeiteroptionen statt ausgeübt oder weiterverkauft per Vollzug
des Trade Sale durch die Gesellschaft zurückgekauft oder abgegolten werden. Ausserdem kann es sich aus praktischen Gründen aufdrängen, vorhandene Kleinstaktionäre oder -Optionsinhaber von den Haftungsrisiken des
177
Dieter Gericke
Verkaufs grösstenteils zu befreien. Dennoch mag es aus prinzipiellen Gründen (Vermeidung von Trittbrettfahrern) unerwünscht sein. Indessen ist eine
Abwägung vorzunehmen zwischen dem Wunsch nach Einbezug sämtlicher
Verkäufer in die Haftungsrisiken und einer Vereinfachung des Verkaufsprozesses. Sollen auch Kleinaktionäre und -stakeholders dem komplexen Haftungsregime eines typischen M&A-Vertrags ausgesetzt werden, so müssen
diese entsprechend in den Prozess einbezogen werden und über Informationsschreiben und Q&A Sessions über den Inhalt ihrer Pflichten und ihre
Risiken ausreichend aufgeklärt werden60. Werden sie in eine vereinfachte
Regelung eingebunden, so lassen sich negative Auswirkungen von Trittbrettfahrertum durch Escrow-Lösungen vermindern: Trotz teilweise geringerer
unmittelbarer Haftungsexponierung im Aussenverhältnis gegenüber dem
Käufer kann vorgesehen werden, dass ein Teil des Kaufpreises sämtlicher
Verkäufer entweder käuferseitig auf einem Konto zur Bezahlung von Schadensfällen verbleibt oder einen mit dem Käufer vereinbarten Escrow speist61.
Eine weitere Vereinfachung lässt sich dadurch erreichen, dass relativ früh
oder gar vor dem Verkaufsprozess von allen Nebenverkäufern Vollmachten
eingeholt werden, welche später für die Vertragsunterzeichnung und den
Vollzug verwendet werden. Ferner sollten ausstehende Aktienurkunden nach
Möglichkeit noch im Zeitpunkt der Transaktionsvorbereitung eingezogen
und zentral verwahrt werden, um für den Verkauf bereit zu stehen.
Möglich ist schliesslich auch der Einbezug von Nebenverkäufern oder Optionsinhabern in einem Tender-Prozess vor dem Closing oder nach dem
Closing mit den Hauptverkäufern. Nach dem Prinzip „Geld gegen Unterschrift“, werden sie eingeladen, eine einfache Vertragsbeitrittserklärung und
Abtretungserklärung zu unterzeichnen, um dann ihren Anteil am Kaufpreis
ausbezahlt zu bekommen. Dies setzt jedoch eine gewisse Risikobereitschaft
des Käufers voraus und führt zu Preisdruck62.
60
Zur Aktionärsinformation vgl. HONEGGER/KREIS-KOLB, Multi-Seller Transactions,
in: OERTLE/BREITENSTEIN/WOLF/DIEM, M&A, Liber amicorum für Rudolf Tschäni,
Zürich/St.Gallen 2010, 88 ff.
61
Dazu unten, VI.3.
62
Vgl. zu solchen Strukturen HONEGGER/KREIS-KOLB (FN 59), 93 ff.
178
Trade Sale-Exit
VI. Haftungsfragen
1.
Haftung der Verkäufer im Allgemeinen
a)
Solidarhaftung – Teilschuldnerschaft
Das Bundesgericht geht im Zweifelsfall davon aus, dass mehrere verkaufende Aktionäre eine einfache Gesellschaft bilden. Sie haften daher solidarisch
für alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag63.
Um dieser Solidarhaftung zu entgehen, wird in die Vertragsdokumentation
häufig eine Klausel aufgenommen, wonach die Verkäufer nicht solidarisch
haften, sondern nur je einzeln. Damit ist es aber nicht unbedingt getan. Das
Bundesgericht sieht die Grundlage für die solidarische Haftung insbesondere
darin, dass ein Kaufvertrag nicht differenziert, wer welche Aktien verkauft
und wie viel die betreffende Person dafür bekommt. In der Tat ist es aus
Käufersicht nicht möglich, zu ersehen, wofür ein verkaufender Aktionär
Einzelhaftung bzw. keine Haftung beanspruchen möchte, wenn der Vertrag
nicht regelt, was dieser betreffende Aktionär spezifisch verkauft und womit
er dafür abgegolten wird. Somit muss der Kaufvertrag ausdrücklich auflisten, welcher Aktionär welche Aktien verkauft und welchen Anteil am Verkaufspreis er dafür bekommt64. Gerade Letzteres sehen Käufer eher ungern
im Kaufvertrag, weil sie befürchten, in Zwistigkeiten bezüglich Kaufpreisallokation hineingezogen zu werden65. Dennoch ist es aus Verkäufersicht
wichtig, diese Allokation zumindest in einem Annex zum Kaufvertrag festzuhalten, damit die Zuordnung des Kaufpreises für den Käufer sichtbar wird.
Um den Bedenken eines Käufers entgegenzutreten, dass er doppelt zahlen
muss, falls das Geld nicht auf dem Konto der betreffenden Verkäufer ankommt, ist darüber hinaus eine Klausel gebräuchlich, wonach der Käufer
gegenüber allen Verkäufern abschliessend erfüllt hat, sobald der Gesamt-
63
BGE 116 II 707, 712, E. 3.
64
BGE 116 II 707, 710 f., E.2.c.; HONEGGER/KREIS-KOLB (FN 59), 92 f.
65
Aus Datenschutzgründen wird zudem häufig auch der Kreis der Verkäufer mit
Zugang zur vollständigen Preisallokation klein gehalten.
179
Dieter Gericke
kaufpreis auf dem vereinbarten Zahlungskonto eingetroffen ist, und der Käufer für die korrekte Verteilung darüber hinaus keine Verantwortung trägt.
Sodann muss vertraglich geklärt werden, dass jeder Verkäufer bezüglich der
von ihm verkauften Aktien im Sinne der Teilschuldnerschaft allein haftet.
Soweit mehrere Verkäufer für die gleiche Verpflichtung haften sollen, kann
diese demgegenüber als proportionale Haftung eingegrenzt werden. Dabei
kann sich der Haftungsanteil eines Verkäufers entweder auf den Aktienbesitz
beziehen oder auf den auf diesen Aktienbesitz entfallenden Kaufpreis oder
auf den auf diesen Aktienbesitz tatsächlich bezahlten Kaufpreis66.
b)
Haftungsobergrenzen
Vorsicht ist ferner bei der Formulierung von Haftungsobergrenzen (Cap)
angezeigt. Manche Formulierungen lassen sich so interpretieren, dass ein
Käufer gegenüber jedem Verkäufer den vollen Cap geltend machen kann.
Bezieht sich daher nicht bereits der Cap auf die Quote eines haftbaren Aktionärs, so muss klargestellt werden, dass die Haftung eines von mehreren
Verkäufern den Cap jedenfalls im Umfang erfolgter Haftungszahlungen auch
zugunsten der anderen Verkäufern aufzehrt.
2.
Haftung für Gewährleistungen
a)
Interessenlage als Dilemma
Die Interessenlage bezüglich der Übernahme von Gewährleistungen beim
Trade Sale zeigt sich regelmässig wie folgt:
Die Private Equity-Fonds möchten bzw. müssen nach Abschluss des Exits
die Fonds liquidieren oder jedenfalls die realisierten Erträge an ihre Investoren auszahlen können. Es fällt ihnen deswegen schwer, Gewährleistungen
66
180
Der Schlüssel für die Haftungsaufteilung ist in der Regel Sache der Verhandlungen
zwischen den Verkäufern, soweit der Aktionärbindungsvertrag keine klare Regelung vorsieht. Vgl. auch HONEGGER/KREIS-KOLB (FN 59), 95.
Trade Sale-Exit
abzugeben, deren Einhaltung ausserhalb ihrer Kontrolle steht67. Da sie primär finanziell involviert sind und das Unternehmen nicht im Detail kennen,
geben sie ungern Gewährleistungen ab, die über die Zusicherung des unbeschwertem Eigentum der Fonds an den von diesen gehaltenen Aktien hinausgehen. Sie erachten es als Sache des Managements oder der Gründeraktionäre, Gewährleistungen zum Geschäft abzugeben, zumal diese das Geschäft
und allfällige Mängel kennen68, ihre Aktien oft unentgeltlich oder zu einem
Discount erhalten haben69 und die verkaufenden Private Equity-Investoren
ihr Investment bereits auf der Basis von analogen Zusicherungen der Gründer und Manager bzw. unter Annahme der Mängelfreiheit getätigt hatten.
Ausserdem wird die Verantwortlichkeit für Mängel in erster Linie dem Management zugeschrieben.
Das Management kennt das Geschäft und kann eine allfällige Verletzung von
Gewährleistungen am besten abschätzen und kontrollieren70. Indes haben die
Manager nur beschränkte Mittel und sind ungern bereit, die finanziellen
Risiken der Investoren beim Verkauf zu übernehmen. Wenn die Manager
nicht selber vom Verkauf profitieren, so stellt sich zudem die Frage, ob die
Übernahme von Gewährleistungen durch das Management im Zusammenhang mit dem Verkauf der Gesellschaft durch die Private Equity-Eigentümer
als Bürgschaft qualifiziert und daher den entsprechenden Formen entsprechen müsste (Art. 493 OR)71.
Der Käufer schliesslich möchte, dass eine greifbare Partei mit Gewährleistungen für das Geschäft einsteht und im Haftungsfall auch Geld für die Bezahlung von Schadenersatz zur Verfügung steht. Eine ausschliessliche Haf-
67
Vgl. NIKOLAUS SCHRADER, Inhalte des Unternehmenskaufvertrags, in: EILERS
STEPHAN/KOFFKA NILS/MACKENSEN MARCUS (Hrsg.), Private Equity, München
2009, 65, Rz 20.
68
Da es meist um die Haftung für unbekannte Mängel geht (Allokation des Restrisikos), ist bessere Geschäftskenntnis indessen oft nicht unmittelbar relevant. Immerhin lässt sie ein besseres Gefühl für inhärente Risiken zu.
69
War die Aktienzuteilung Teil des Salärs, ist dieses Argument wenig einschlägig.
70
Vgl. MARCUS MACKENSEN, Beteiligung des Managements, in: EILERS/KOFFKA/
MACKENSEN (Hrsg.), Private Equity, München 2009, 369, Rz 76.
71
FREY MARTIN, Investment Agreement – Rechtsfragen und Ausgestaltung, in:
GERICKE DIETER (Hrsg.), Private Equity, Zürich 2011, 31, 62 ff.
181
Dieter Gericke
tung der Manager bietet dabei wenig Sicherheit. Übernimmt der Käufer das
Geschäft mit dem Management, so müsste der Käufer im Gewährleistungsfall gegen das eigene Management vorgehen. Den Argumenten der Private
Equity-Investoren wird die Frage entgegengehalten, weshalb der Käufer
Mängelfreiheit der zu verkaufenden Gesellschaft zugrundelegen bzw. den
diesbezüglichen Zusicherungen des Managements trauen soll, wenn es schon
die verkaufenden Private Equity-Investoren nicht tun. Aber auch ein Einbezug der Private Equity-Fonds in die Geschäftsgewährleistungen löst das
Dilemma nicht wirklich, da diese als zumeist off-shore-Strukturen rechtlich
schwer fassbar sind. Mit noch mehr Fragezeichen behaftet ist die Vollstreckung in deren Vermögen.
b)
Mögliche Lösungen
Letztlich lassen sich diese Standpunkte nie vollständig unter einen Hut bringen. In der Quintessenz geht es um die Frage der Allokation des Schadens
aus unbekannten Risiken. Die konkrete Lösung ist daher oft eine Frage der
Verhandlungsstärke und von Trade-offs zwischen Käufer und Verkäufern
einerseits sowie unter den Verkäufern andererseits. In der Praxis führt dies in
der Regel zu einem der folgenden Lösungsansätze:
–
Der Kaufvertrag enthält keine oder schwache Geschäftsgewährleistungen bzw. tiefe Haftungslimiten (► Risikoverlagerung zum Käufer)
–
Nur das Management haftet für Geschäftsgewährleistungen (► Risikoverlagerung zum Management und faktisch auch zum Käufer)
–
Die Private Equity-Verkäufer geben zwar keine Gewährleistungen ab,
ein allfällig in Escrow befindlicher Kaufpreisanteil der Finanzinvestoren dient jedoch auch als Sicherheit für die Gewährleistungshaftung des
Managements (► Risikoverlagerung zu Management, unter beschränkter Mithaftung der Private Equity-Investoren).
–
Die Finanz- und anderen Investoren haften gleichermassen und möglicherweise auch solidarisch für gewisse Verpflichtungen, aber nur bis
182
Trade Sale-Exit
zum Cap bzw. mit Geldern in Escrow (► Risikoaufteilung unter alle
Parteien, unter Begrenzung der Haftung der Verkäufer)72.
Für die Überbrückung unüberwindlicher Interessengegensätze, bieten sich
daher namentlich Escrow-Lösungen an73.
c)
Individualisierung der Haftung für Gewährleistungen
aa)
Keine Haftung für Unkenntnis?
Oft hört man im Rahmen der Gestaltung der Gewährleistungsordnung und
ihrer Verhandlung das Argument, dass ein Verkäufer ja gar nicht wissen könne, ob eine Zusicherung verletzt sei oder nicht. Im Grunde entspricht dies
jedoch dem Wesen des Gewährleistungsrechts. Die Haftung für Zusicherungen besteht nach dispositiver gesetzlicher Regelung wissens- und verschuldensunabhängig (Art. 197 Abs. 2, Art. 208 Abs. 3 e contrario OR). Ist ein
Mangel bekannt, so ist diesem daher mit Preisabschlägen oder selbständigen
Garantien74 zu begegnen.
In M&A-Transaktionen haben Zusicherungen einen doppelten Zweck. Sie
sollen einerseits die Due Diligence steuern, indem die Verkäufer motiviert
werden, durch vollständige Offenlegung allfälliger Mängel Haftungsrisiken
zu entgehen. Im Übrigen dienen die Gewährleistungen der Zuordnung des
Restrisikos in Bezug auf unbekannte Mängel. Dazu ist festzuhalten, dass das
Bundesgericht die dispositive gesetzliche Gewährleistungshaftung für Mängel, die den Wert oder die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch des
Kaufgegenstands aufheben oder erheblich mindern (Art. 197 Abs. 1 zweiter
Halbsatz OR), nicht auf die Gesellschaft oder ihr Unternehmen bezieht, son-
72
Damit ist nur das Aussenverhältnis angesprochen. Beispielsweise ist möglich, dass
die Private Equity-Investoren im Aussenverhältnis gegenüber dem Käufer mithaften, sich im Innenverhältnis, gegenüber den Managern, gestützt auf back-to-backGewährleistungen aber teilweise schadloshalten können.
73
Dazu unten, VI.3.
74
Schadloshaltungsversprechen, d.h. die sog. Indemnities.
183
Dieter Gericke
dern allein auf die verkauften Aktien75. Enthält der Kaufvertrag keinerlei
Zusicherung in Bezug auf einen gewissen Aspekt des Geschäfts der Gesellschaft, so geht das diesbezügliche Risiko daher auf den Käufer über, selbst
wenn der Mangel das Unternehmen erheblich beeinträchtigt76.
Zur Aufbrechung dieses Konzepts einer wissens- und verschuldensunabhängigen Haftung in Richtung individualisierter Haftungszurechnung werden
die Zusicherungen verkäuferseitig gerne mit sogenannten „Knowledge Qualifiers“ versehen. Mit anderen Worten wird eine Gewährleistung nur auf
Mängel bezogen, welche den Verkäufern wissensmässig zuzurechnen sind.
Welches bzw. wessen Wissen relevant ist, wird in der Regel detailliert definiert77. „Knowledge Qualifier“ mindern daher die Funktion der Risikoallokation bezüglich unbekannten Restrisiken bzw. weisen diese dem Käufer zu.
Sollen die Gewährleistungen nicht ihres Gehalts entleert werden, ist aus
Käufersicht daher namentlich die Anrechnung des Wissens des Gesell-
75
BGE 107 II 419, 422, E.1; 79 II 158. Demgegenüber tritt das Schrifttum wohl
mehrheitlich dafür ein, dass der Verkäufer von Gesetzes wegen nicht nur für die
Mängelfreiheit der Wertpapiere einstehen müsse, sondern auch für die Mängelfreiheit des Unternehmens als Ganzes, sobald die Parteien eines Unternehmenskaufvertrages den Kauf der Gesellschaftsanteile als Mittel zum Kauf eines Unternehmens vereinbaren: so BÖCKLI PETER in: TSCHÄNI RUDOLF (Hrsg.), Mergers &
Acquisitions, Zürich 1998, 62 ff.; WATTER ROLF, Unternehmensübernahmen, Zürich 1990, Rz 316 ff.; TSCHÄNI (FN 37), 166, Rz 72; je m.w.H. Diese Meinung ist
abzulehnen, da sich die Mängelfreiheit eines Unternehmens nicht objektiv bestimmen lässt und Unternehmen oft gerade deshalb (zum betreffenden Preis) verkauft
werden, weil sie gewisse Mängel aufweisen. In der M&A-Praxis ist die Fragestellung weitgehend bedeutungslos, da die Vereinbarung eines abschliessenden Zusicherungskatalogs Standard ist. Mängel des Unternehmens können u.U. zur Geltendmachung von Willensmängeln berechtigen (BGE 107 II 419, 422, E.1). Dies
wird in der heutigen M&A-Praxis jedoch meistens ausgeschlossen.
76
In der Praxis wird käuferseitig manchmal versucht, im Aktienkaufvertrag das Unternehmen selber zum (zusätzlichen) Kaufobjekt und damit zu einer Hauptleistung
zu erheben, um allenfalls zusätzlich zur Sachmängelgewährleistung Ansprüche aus
Nichterfüllung und/oder gesetzlicher Gewährleistung zu erlangen („The Seller
agrees to sell the Shares and thereby the Business …“). Inwieweit solche Formulierungen entsprechenden Schutz bieten, ist ungeklärt.
77
Zu unterschiedlichen Ausgestaltungen und zur Frage, ob solche Gewährleistungen
noch Zusicherungen im Rechtssinne sind, vgl. TSCHÄNI RUDOLF/WOLF MATTHIAS,
Vertragliche Gewährleistungen und Garantien, in: TSCHÄNI RUDOLF (Hrsg.), Mergers & Acquisitions VIII, Zürich 2006, 110 ff.
184
Trade Sale-Exit
schaftsmanagements von Bedeutung78. Aber auch die Geltendmachung einer
Haftung für bekannte, den Verkäufern aufgrund der gemäss „Knowledge
Qualifier“ zuzurechnenden Mängeln wird wesentlich erschwert, da sich der
Beweis der Wissenslage schwierig bis unmöglich gestalten kann79. Aus diesem Grund wird oft auch „Wissenmüssen“, d.h. verschuldetes Nichtwissen80,
als Wissen zugerechnet.
„Knowledge Qualifier“ beeinträchtigen demgegenüber die Funktion von
Zusicherungen für die Steuerung der Due Diligence bzw. der Offenlegung
von bekannten Mängeln kaum. Im Gegenteil halten genau definierte „Knowledge Qualifier“ Verkäufer oft dazu an, diejenigen Personen, deren Wissen
ihnen zugerechnet wird, schriftlich bestätigen zu lassen, dass ihnen nichts
bekannt ist, das den betreffenden Zusicherungen widersprechen könnte.
bb)
Individuelle Abgabe von Zusicherungen?
In der Praxis finden sich oft schon im Vorspann zum Zusicherungskatalog
Formulierungen, welche durch Individualisierung der Abgabe der Zusicherungen die Haftung eines Verkäufers für Gewährleistungsverletzungen anderer Verkäufer ausschliessen sollen, z.B. wie folgt: „Each Seller hereby
represents and warrants individually, not jointly…“. Eine solche Regelung
wirkt jedoch nicht haftungsbeschränkend für die jeweiligen Verkäufer, sondern kann sich aus Verkäufersicht gegenteils als Bumerang erweisen: Der
ausdrückliche Hinweis darauf, dass eine Zusicherung von jedem Verkäufer
individuell abgegeben werde, erschwert den Einwand einer bloss anteilsmässigen Haftung. Die haftungsmässige Exponierung wird damit verschärft.
78
Vgl. auch TSCHÄNI/WOLF (FN 76), 111.
79
„Knowledge Qualifier“ werden nur in Ausnahmefällen als Exkulpationsgründe
(Beweislast Verkäufer) ausgestaltet, weil damit der Beweis eines Negativums
(Nichtwissen) verbunden würde.
80
Die Verträge regeln gewöhnlich eher rudimentär, was unter Wissenmüssen (= Best
Knowledge) verstanden wird. Häufig wird dafür auf den Wissenstand nach „due inquiry“ verwiesen bzw. darauf, was eine Person in der betreffenden Stellung normalerweise weiss.
185
Dieter Gericke
Wollen mehrere Verkäufer durch Individualisierung der Abgabe derselben
Zusicherungen eine Haftungsbeschränkung herbeiführen, so muss diese daher in den Zusicherungen selber erfolgen. Dies ist jedoch nur beschränkt
möglich. In der Praxis kommt eine solche Eingrenzung v.a. bei Zusicherungen vor, welche sich auf die von den jeweiligen Aktionären zu verkaufenden
Aktien beziehen. So kann beispielsweise eine Gewährleistungsbestimmung,
in welcher die Mängelfreiheit der übertragenden Aktien zugesichert wird,
wie folgt beginnen: „Each Seller represents with respect to the Shares sold
by such Seller pursuant to Annex C…“.
Bei Trade Sale-Transaktionen findet sich zudem nicht selten eine Individualisierung durch Differenzierung nach Verkäufergruppe. Wie vorstehend81
ausgeführt, können auf diesem Weg Private Equity-Investoren von der Abgabe gewisser Zusicherungen enthoben werden.
Im Übrigen muss die Individualisierung im Rahmen der Haftungsfolgen
geregelt werden, indem bspw. jeder Verkäufer nur für den Anteil am Schaden
eintreten muss, der seinem Anteil an der Gesellschaft oder am Verkaufspreis
entspricht82.
3.
Escrow und Verrechnung als Sicherungsinstrumente – auch der
Verkäufer?
Bringt ein Kaufinteressent den Vorschlag der Hinterlegung eines Teils des
Kaufpreises zur Absicherung von Haftungsansprüchen des Käufers (Escrow)
oder der Verrechnungsmöglichkeit von Ansprüchen des Käufers mit aufgeschobenen Kaufpreiszahlungen (Earn-out/Milestone) ist der Grundreflex
jedes Verkäufers negativ. Bei einem Private Equity Trade Sale-Exit kann
diese Haltung für einen Käufer indessen zu einem Problem werden. Wie
bereits erwähnt83, sieht sich der Käufer häufig einem oder mehreren offshore Fonds sowie Managern und anderen natürlichen Personen als Verkäufer gegenüber. Er muss davon ausgehen, dass diese Verkäufer im Haftungsfall über kein greifbares Haftungssubstrat verfügen und gerichtlich nur
81
VI.2.a).
82
Vgl. oben, VI.1.a).
83
Vgl. VI.2.a).
186
Trade Sale-Exit
schwer fassbar sind. Würde Solidarhaftung ausgeschlossen, müsste ein Käufer u.U. alle Verkäufer erfolgreich ins Recht fassen, um seine Ansprüche im
vollen Umfang durchsetzen zu können.
Diese Problematik kann sich genauso unter den verschiedenen Verkäufern
auswirken: Wird ein Verkäufer erfolgreich ins Recht gefasst und zur Zahlung
gezwungen, wird er Mühe haben die im Innenverhältnis zwischen den Verkäufern eigentlich für das Problem verantwortlichen Personen seinerseits ins
Recht zu fassen, um sich ganz oder teilweise schadlos zu halten. Der Käufer
wird in der Regel versuchen, primär die „deep pockets“ anzugehen, während
diesen dann die „empty pockets“ als Regressschuldner verbleiben.
Hauptsorge der verkaufenden und möglicherweise haftbaren Private EquityFonds und Manager im Verhältnis zum Käufer ist in der Regel diejenige,
dass sie bereits erhaltene Gelder wieder auf den Tisch legen müssten, um für
Haftungsansprüche einzustehen. Dies kann einen Private Equity-Fonds an
der Liquidierung bzw. an der Auszahlung der Verkaufsgewinne hindern, und
verkaufende Manager werden dazu motiviert, die erhaltene Kaufpreiszahlung vor einem möglichen Zugriff zu verstecken. Eine Investition in leicht
zugängliche Sachwerte, etwa ihre Wohnliegenschaft wird erschwert. Erste
Priorität hat daher aus Sicht der Verkäufer die verlässliche vertragliche Limitierung der Haftungsexponierung sowie die Abschottung der ausbezahlten
Gelder gegen Haftungszugriff.
Bei einer Mehrzahl von Verkäufern kann eine Escrow- oder Verrechnungsregelung einen alle diese Käufer- und Verkäuferinteressen berücksichtigenden Kompromiss bieten. Dieser sieht so aus, dass die Verkäufer zwar einem
Escrow oder einer betraglich begrenzten Verrechnungsmöglichkeit zustimmen. Indessen werden diese Instrumente nicht nur als Sicherungsinstrumente
vereinbart, sondern zum alleinigen Haftungssubstrat – und damit zur Haftungslimite – sowie zur alleinigen Zahlungsquelle erhoben („exclusive payment fund“). Sind Escrow- bzw. Verrechnungsmöglichkeiten erschöpft, so
entfällt auch eine Haftung. Jede Vollstreckung in das übrige Vermögen der
Verkäufer wird vertraglich ausgeschlossen. Selbstverständlich gilt auch ein
solcher Haftungsausschluss lediglich im Rahmen der zwingenden Schranken
von Art. 100/101 bzw. 199 OR.
Escrow oder Verrechnungsmöglichkeit können auf diese Weise auch im unmittelbaren Interesse der Verkäufer liegen: Sie sichern die gemeinschaftliche
187
Dieter Gericke
Schadenstragung (ein Rückgriff auf andere Verkäufer ist nicht mehr erforderlich), sie mindern das „deep pocket“-Problem und schützen vor der Zahlungsunfähigkeit anderer Verkäufer. Die Unantastbarkeit des erhaltenen
Kaufpreises („no money back on the table“) ermöglicht die freie Verfügung
über die erhaltenen Gelder und damit die Auszahlung an die Fonds-Investoren.
VII. Kaufpreisallokation
Die Aufteilung der Kaufpreiszahlung unter Private Equity-Investoren, allfällige Mezzanine-Investoren und sonstige Finanzinvestoren sowie Managerund Gründeraktionäre richtet sich in allererster Linie nach den Verträgen
zwischen diesen Stakeholders, namentlich dem Aktionärbindungsvertrag.
Dieser sieht gewöhnlich gewisse Präferenzen zugunsten der Finanzinvestoren vor und lässt das Management umso mehr partizipieren, je höher der
erzielte Kaufpreis ausfällt. Manchmal werden über Claw-back- und andere
Mechanismen auch Disincentives gesetzt, für den Fall dass im Verkauf gewisse Minimalwerte nicht realisiert werden können. Diese führen gleichzeitig zu einem gewissen Ausgleich zugunsten der Finanzinverstoren.
Diese vertraglichen Regelungen sind nie perfekt und können nicht alle möglichen Szenarien regeln. Was auf den ersten Blick als klare Regelung erscheint, wirft in der Praxis im Zeitpunkt des Trade-Sales oft Fragen auf:
–
Was geschieht bei einer teilweisen Veräusserung der Gesellschaft (bspw.
nach einem Spin-off): Wie kommen die Präferenzen, die IncentiveMechanismen oder die Claw-backs zur Anwendung? Kommen Sie beim
Teilverkauf voll zur Anwendung oder werden sie aufgeteilt auf den verkauften und den zurückbehaltenen Teil?
–
Woraus wird der Escrow gespiesen? Gilt die Summe, die der Käufer in
Escrow bezahlt als ausbezahlt an die Verkäufer (d.h. Speisung auch aus
Präferenzanteilen) oder nicht (d.h. Speisung in erster Priorität aus nicht
präferierten Anteilen)?
–
Was gilt bei aufgeschobenen Kaufpreiszahlungen: Werden die Präferenzen aufgeteilt oder kommen sie bereits bei der ersten Tranche voll zum
Tragen?
188
Trade Sale-Exit
–
Kaufpreisanpassung: Falls der Kaufpreis nach dem Closing reduziert
wird wegen eines Price Adjustments, wessen Kaufpreis wird um welchen Anteil reduziert?
–
Wenn ein Vorzugsaktionär seine Aktien an einen Erwerber veräussert
hat, der dem Aktionärsbindungsvertrag beigetreten ist, wurden die vertraglichen Vorzugsrechte des veräussernden Aktionärs auf bevorzugte
Befriedigung aus dem Verkaufserlös vom Erwerber übernommen?
Es lohnt sich beim Entwerfen der Verträge diese und ähnliche Fragen gestützt auf den konkreten Wortlaut durchzuspielen und sich zu überlegen, ob
die Antworten klar genug ausfallen würden oder ob sich eine Präzisierung
aufdrängt. Ist die Regelung unklar, führt dies oft zu Streit im ungünstigsten
Moment, nämlich mitten in den Verhandlungen mit dem Käufer, wenn sich
allmählich abzeichnet wer, unter Zugrundelegung von welchen Szenarien,
wie viel bekommen könnte. Dabei kann die Antwort auf die oben gestellten
Fragen die Allokation des Kaufpreises ganz erheblich beeinflussen. Dies
wird in der nachfolgenden Grafik am Beispiel der Speisung eines Escrow
aufgezeigt. In diesem Beispiel halten die Private Equity-Investoren 70% des
Kapitals der Gesellschaft, allerdings in Vorzugsaktien, das Management hält
30% in Stammaktien. Der Verkaufspreis liegt bei 100. Davon stehen den
Private Equity Investoren gemäss den vereinbarten Präferenzen 80 zu sowie,
aufgrund des „Double Dip“84, zusätzlich 70% des Restbetrags. Nun möchte
der Käufer als Sicherheit für seine Schadenersatzansprüche den Betrag von
20 einstweilen in Escrow einzahlen.
84
Zu Begriff und Funktion von Double Dip-Regelungen vgl. DIETER GERICKE, Vorzugsrechte des Venture Capital-Investors, in: GERICKE DIETER (Hrsg.), Private
Equity, Zürich 2011, 101, 128 ff.
189
Dieter Gericke
Escrow und Preisallokation
—
—
—
—
Verkaufspreis: 100
Beteiligung: PE-Investor 70% (Vorzugsaktien), Management 30% (Stammaktien)
PE-Investor: Präferenz von 80, plus "double dip" (d.h. 70% des Restbetrags)
Escrow als Sicherheit für Schadenersatzansprüche des Käufers: 20
ohne Escrow
100
Escrow nicht aus
Präferenzanteil gespiesen
Escrow proportional auch aus
Präferenzanteil gespiesen
6
14
20
80
20
4.8
11.2
Escrow
60
Manager
40
80
80
64
20
Double Dip: 70% von
20 bzw. 16
Präferenz
0
Investor: 94
Manager: 6
Investor: 80 (+14)
Manager: 0 (+6)
Investor: 75.2 (+18.8)
Manager: 4.8 (+1.2)
Die mittlere Kolonne bildet die Konstellation ab, in welcher der Escrow in
erster Linie die nicht bevorzugten Kaufpreisanteile belastet. In diesem Fall
bekommt der Private Equity-Investor beim Closing den gesamten nicht in
Ecrow bezahlten Teil des Kaufpreises von 80 ausbezahlt. Die Manager gehen beim Closing leer aus. Der Investor hofft, bei Auszahlung des Escrow
weitere 14 zu bekommen und die Manager, die ihnen zustehenden 6. Die
rechte Kolonne zeigt demgegenüber die Situation, dass der Escrow proportional auch aus dem Präferenzanteil gespiesen wird. In diesem Fall erhält der
Private Equity-Investor beim Closing 75.2 ausbezahlt und hofft, bei Ablauf
des Escrow weitere 18.8 zu bekommen. Auch die Manager erhalten in diesem Beispiel schon beim Closing 4.8 und hoffen auf die verbleibenden 1.2
bei Ablauf des Escrows.
190
Trade Sale-Exit
VIII. Langfristige Aspekte
Ein Trade Sale kann, muss aber nicht mit dem Closing abgeschlossen sein.
Preisanpassungen, die Haftung für Gewährleistungen oder selbständige Garantien (Indemnities, z.B. die Haftung für ein bekanntes Steuerrisiko), die
Verletzung überdauernder Handlungs- oder Unterlassungspflichten (Covenants, z.B. Konkurrenzverbote oder Vertraulichkeitsvereinbarungen) können
zu Schadenersatzansprüchen führen, oder es sind noch bedingte Kaufpreiszahlungen geschuldet (Earn-out/Milestone).
Sind mehrere Verkäufer am Trade Sale beteiligt, stellt sich in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen, z.B.:
–
Wer kann im Namen der Verkäufer Ansprüche einfordern, abwehren,
anerkennen oder vergleichen?
–
Wer trägt die Kosten der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen?
–
Von wem werden die Kosten bis zur definitiven Schadensaufteilung
einstweilen bezahlt?
–
Wer kann, falls nötig, eine Änderung des Kaufvertrags vereinbaren?
In einfacheren Verhältnissen können diese Punkte entweder vernachlässigt
oder direkt im Kaufvertrag mit dem Käufer geregelt werden. In komplexeren
Verhältnissen müssen die Antworten auf diese Fragen in einem separaten
Vertrag (Seller Representative Agreement) geregelt werden. Zu regeln sind
dabei insbesondere folgende Punkte:
–
Beauftragung und Bevollmächtigung eines Seller Representative, der im
Namen aller Verkäufer handeln kann.
–
Zuständigkeiten für Entscheidungen (z.B. Prozessanhebung oder Vergleich) bzw. die Zustimmungen oder Quoren, die es für gewisse Schritte
braucht.
–
Kostentragung: Oft wird für die einstweilige Finanzierung der Kosten
ein kleiner Teil des Kaufpreises auf einem vom Seller Representative
verwalteten Bankkonto zurückbehalten, aus dem er z.B. Anwaltskosten
begleichen kann.
191
Dieter Gericke
–
Haftung im Innenverhältnis unter den Verkäufern (z.B. proportional
zum erhaltenen Kaufpreis, ausser bei erheblichem Verschulden).
–
Auswirkungen einer Schadenersatzzahlung auf die Kaufpreisallokation.
IX. Zusammenfassende Würdigung
Ein Trade Sale-Exit ist eine M&A-Verkaufstransaktion wie viele andere.
Aufgrund der besonderen Konstellation, welche durch den Private EquityHintergrund geprägt ist, ergibt sich jedoch eine Vielzahl von Spezialfragen,
die vorstehend teils angesprochen wurden.
Es bleibt hervorzuheben, dass der Trade Sale-Exit schon beim Einstieg85
beginnt, nach dem Motto „gouverner c’est prévoir“. Sämtliche Aktien und
Derivative (Optionen, Wandelrecht, etc.) sind mit einem klaren, abgesicherten Drag-Along für den Verkauf zu kombinieren, um Hold-Out-Probleme zu
reduzieren. Die Regelungen zur Kaufpreisallokation müssen auch in besonderen Situationen klare Antworten erlauben. Da es unmöglich ist, alle Situationen vorauszusehen, ist die Möglichkeit vorzusehen, die Aktionärbindungsverträge im Falle eines Trade Sales bei Bedarf angemessen und fair
anzupassen, ohne dass stets die Zustimmung eines jeden, allenfalls auch sehr
kleinen Aktionärs oder Stakeholders einzuholen ist.
Sodann ist die Interessenlage der Manager zu eruieren und zu adressieren.
Erfolgsversprechend ist in der Regel eine grosszügig gestaltete Beteiligung
des Managements mit Aktien oder Partizipationsscheinen, nicht mit Optionen. Der Umgang mit Mitarbeiteroptionen in einem Verkaufsfall muss mittels Varianten, welche im Belieben der Gesellschaft stehen, flexibel ausgestaltet werden (Ausübung und Verkauf, Verkauf ohne Ausübung, Barabgeltung, Rückkauf).
Schliesslich ist über das Closing hinauszudenken. Es sind Lösungen zur
angemessenen Eingrenzung der Haftungsrisiken und anderen weiterlebenden
Rechten oder Pflichten zu finden. Dabei kann ein als Haftungsfonds ausgestalteter Escrow, anders als bei gewöhnlichen Verkäufen auch im Interesse
85
192
Buy-out oder Venture Capital-Finanzierungsrunde.
Trade Sale-Exit
der Verkäufer sein. Bei komplexeren Verhältnissen, sind die verkaufenden
Verkäufer zudem weiterhin vertraglich einzubinden, um ihre Handlungsfähigkeit gegenüber dem Käufer sicherzustellen.
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