rheuma Physiot he ra p ie b e i JIA im Wandel de r Zeit von Marianne Spamer Überblick: Wie wirken sich die verbesserten Therapiemöglichkeiten bei Juveniler Idiopatischer Arthritis auf die gezielte Physiotherapie dieser Erkrankung aus. Eine kritische Betrachtung des Garmischer Behandlungskonzeptes und eine Analyse neuer Behandlungsansätze. Einleitung Die Situation für Kinder und Jugendliche mit chronischer Arthritis hat sich in den letzten Jahren zunehmend verändert. Zwar kommen noch immer Kinder mit schwer eingeschränkten Gelenkfunktionen in unsere Behandlung, manche mit langer Krankheitsgeschichte, manche frisch diagnostiziert. Durch verbesserte medikamentöse Therapiemöglichkeiten ist in der Regel jedoch ein deutlicher Rückgang der Arthritis zu erwarten. Zusätzlich beeinflussen gezielte Gelenkinjektionen mit entsprechender Nachbehandlung die Gelenksituation günstig. Die altbewährten Basistherapeutika benötigen nach wie vor einige Zeit, bis sie wirken. Die neuen Basistherapeutika (Biologika) mit schnellem Wirkungseintritt werden auf Grund der noch fehlenden Langzeit-Erfahrungen und der hohen Kosten erst nach belegter unzureichender Wirkung der anderen Medikamente eingesetzt. Doch der Druck auf Kinder und Eltern durch Schule, Ausbildung und Beruf wächst ständig. Die finanzielle Belastung nimmt weiter zu. Zeitdruck und finanzielle Belastung fordern eine intensivierte Behandlung. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Physiotherapie einige Fragen: 1. Ist das Garmischer Physiotherapie Konzept zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit JIA noch zeitgemäß? 2. Gibt es neue physiotherapeutische Methoden für die JIA? Verschieben sich die Schwerpunkte der Physiotherapie bei JIA in eine neue Richtung? Ist das Garmischer Behandlungskonzept für die JIA noch zeitgemäß? Das Garmischer Physiotherapie-Konzept wurde ausführlich in der PHYSIOTHERAPIE med 6/2006 vorgestellt und kann beim Verlag angefordert werden. Kurz erläutert: Das Garmischer Behandlungskonzept entspricht einem Gerüst zur PHYSIOTHERAPIE 11 med 5 | 2006 | | rheuma Behandlung in jeder Krankheitsphase des Patienten. Da das Konzept keine Methode ist, sondern Grundsätze aufzeigt, kann das Konzept immer mit aktuellem Inhalt gefüllt werden. Es gibt keine spezielle krankengymnastische Technik zur Behandlung der JIA. Im Einzelfall wählt jeder Therapeut die augenblicklich sinnvollen Maßnahmen. Die Behandlung orientiert sich immer am Stadium der entzündlichen Erkrankung des jeweiligen Gelenkes und am funktionellen Befund im Zusammenspiel aller Gelenke, des gesamten Körpers und des Kindes. Im akuten Stadium Schmerzlinderung und Muskelentspannung Abb. 1: „Der Bogenschütze“ aus dem Yoga. Besonderes Augenmerk liegt auf der Stabilisation der Schulterblätter und der Extension der rechten Hüfte. Schmerzlinderung und Muskelentspannung bestimmen im akuten Stadium die Therapie. Hier erfolgen vorwiegend passive Maßnahmen wie langsames passives Bewegen aus der Schonhaltung heraus, Massage, Elektrotherapie, Thermotherapie. Sobald die Schmerzen nachlassen, verbessert sich auch die Beweglichkeit in den einzelnen Gelenken. Somit wirken schmerzlindernde Maßnahmen indirekt auch bewegungsfördernd. Als aktive Maßnahme bietet sich im akuten Stadium das Bewegungsbad, sofern die inneren Organe belastbar sind. Durch die Auftriebskraft wird das Gewicht reduziert und die Kinder können sich relativ schmerzfrei bewegen. Erzielt wird eine verbesserte Ausdauer und allgemeine Beweglichkeit oder einfach die Freude an der unbeschwerten Bewegung. Eine wesentliche schmerzlindernde Wirkung im akuten Stadium hat die Teilentlastung der Gelenke. Beim Stehen, Gehen, Rennen verstärkt Vollbelastung die Gelenkschmerzen. Mit jedem Schritt nimmt die Schonhaltung und das gestörte Muskelgleichgewicht zu. Nicht betroffene Gelenke werden zudem oft ebenfalls fehl- oder überlastet. Mit Stützen, Therapierollern, Drei- oder Laufrädern können sich die Kinder selbständig fortbewegen ohne eine Schmerzschonhaltung einzunehmen und die Gelenke in Folge falsch zu belasten. Durch diese Hilfsmittel vergrößert sich der Aktionsradius der Kinder erheblich, so dass sie wieder am sozialen Leben teilhaben. Sie gehen wieder einkaufen, spazieren und sind wieder mit Freunden unterwegs. Auch weitere Hilfsmittel, wie Handschienen, Einlagen, Halskrause etc. helfen durch Stabilisation die Gelenkschmerzen zu lindern. Ihre korrigierende Wirkung führt zu einer verbesserten axialen Belastung und Bewegung der Gelenke, die wichtigste Komponente des Gelenkschutzes. 12 PHYSIOTHERAPIE med 5 | 2006 | | rheuma Abb. 2a: Abweichen des Kniegelenkes in die Pseudo-Valgusstellung. Dies führt zu einem punktuellen und damit verstärkten Druck im lateralen Bereich der Gelenkflächen. Abb. 2b: Aktive Korrektur der Kniestellung rechts. Mit Abklingen des akuten Stadiums Verbessern der Beweglichkeit und zunehmendes Aktivieren Bessert sich die Arthritis, müssen die Therapieschwerpunkte neu definiert werden. Jetzt steht die Verbesserung der Beweglichkeit und das zunehmende Aktivieren der Muskulatur im Vordergrund. Weiches, gelenkschonendes Dehnen erfolgt immer im Einklang mit dem Entspannen des Kindes und dem Lockern der Muskulatur. Lässt das Kind nicht „locker“, aus Angst oder auf Grund von Schmerzen, wird das Dehnen zum Kampf zwischen Therapeut und Kind. Leicht vorzustellen, dass bestenfalls keine Erfolge erzielt werden, schlechtesten falls die Schonhaltung zunimmt und das Kind die Therapie verweigert. Nach dem Dehnen erfolgt das Aktivieren der Muskulatur, die aus der Schonhaltung herauszieht. Das Aktivieren beginnt mit dem Erspüren des Anspannens der richtigen Muskulatur. Das aktive Arbeiten ist immer gekoppelt mit bewusstem Wahrnehmen von Anspannung, Entspannung und der Position des Gelenkes. Zunächst lernt das Kind in der neu erarbeiteten Position die Muskulatur statisch zu aktivieren. Es folgen Bewegungen mit geringem und zunehmend größerem Bewegungsausschlag. Ziel ist das bewusste, selbständige Bewegen (siehe Tab. 1). Im Folgenden lernt das Kind diese Bewegungen in den Alltag zu integrieren und durch häufiges, korrigiertes Wiederholen neu zu bahnen. Beim Gehen – zum Beispiel – ist dies in der Regel ein langer Prozess. Unterstützend hilft, die Bewegung immer wieder in kleine Ausschnitte zu zerlegen und sie bewusst und langsam auszuführen. Das Vergessen des alten Bewegungsmusters wird durch gezielte Teilentlastung gefördert. 13 Ziel ist eine axiale Belastung, eine homogene Bewegungsverteilung sowie harmonische, ökonomische Bewegungen. Ist dies nicht möglich und kommt es beispielsweise immer wieder zu Ausweichbewegungen, muss zu einfacheren Bewegungsaufgaben zurückgekehrt werden (siehe Tab. 1). PHYSIOTHERAPIE med 5 | 2006 | | rheuma Behandlungsschritte einfach schwierig einfache Bewegung komplexe in Entlastung Bewegung in Belastung stabile AGST labile geringe Bewegungsgeschwindigkeit hohe mit visuelle Kontrolle ohne ohne Bewegung in anderen Körperabschnitten mit in Ruhe Körper in Bewegung L L L L L L Für die tägliche Therapie zu Hause bekommen die Kinder ein behandlungszielorientiertes Heimübungsprogramm. Sie erlernen einige wenige, individuelle Übungen korrigiert durchzuführen, bei denen sie nicht in ihre Schonhaltung ausweichen. Bei kleinen Kindern werden die Eltern angeleitet. Diese Übungen müssen immer dem aktuellen Therapieschwerpunkt, also auch der jeweiligen Krankheitsphase angepasst werden. Sportliche Aktivitäten sind für die körperliche und soziale Entwicklung des Kindes wichtig. Welchen Sport ein Kind mit rheumatischer Arthritis treibt, sollte immer individuell mit dem Kind und den Eltern besprochen werden. Ausschlaggebend sind seine persönlichen Neigungen, welche Gelenke und wie akut entzündlich diese betroffen sind. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen dem, was den Gelenken gut tut, und den Wünschen und Impulsen des Kindes. Neue physiotherapeutische Methoden und Schwerpunkte bei JIA? Im Fachgebiet der JIA beobachten wir zur Zeit zwei auffällige Richtungen der Physiotherapie. Zum einen die Entwicklung ein eher ganzheitlichere Ansatz, zum anderen eine vermehrte Integration sportlicher Betätigungen. Ganzheitlicher Ansatz Wir arbeiten zunehmend auf der ganzheitlich wirkenden Ebene, z.B. mit Craniosacral Therapie, Fußreflexzonenmassage, Feldenkrais, Hippotherapie u.ä. Auch Yoga, Pilates und Tai Ji lassen sich hervorragend in die Therapie einbauen. Während einige Methoden immer einen Therapeuten benötigen, lassen sich andere, nach entsprechender Anleitung, problemlos selbständig zu Hause durchführen und gezielt ins Heimprogramm aufnehmen (Abb. 1). 14 PHYSIOTHERAPIE med 5 | 2006 | | rheuma Abb. 3: Kompensation mangelnder Hüftextension durch vermehrte Hyperextension der LWS und somit Überlastung der unteren Lendenwirbelsäule. Sportliche Aktivität in der Therapie Zudem setzen wir für Patienten, die keine akuten Gelenkentzündungen mehr haben, vermehrt aktivierende Maßnahmen ein. Dies sind z.B. Trainingstherapie und gezielte sportliche Betätigungen, wie z.B. Nordic Walking oder Skilanglauf, je nach Gelenksituation. Über die sportliche Bewegung sollen die Gelenke wieder in den gesamten Bewegungsablauf integriert und gezielt bestimmte Muskelgruppen aktiviert werden. Wird die Bewegung nicht harmonisch oder mit Ausweichen durchgeführt, werden die betreffenden Bewegungsabschnitte einzeln geübt und gebahnt. Denn: Nur ein harmonischer, stabiler Bewegungsablauf hilft langfristig Gelenkschäden zu vermeiden. Wie sieht ein harmonischer, stabiler Bewegungsablauf aus? Ein harmonischer, stabiler Bewegungsablauf läßt sich folgendermaßen beschreiben: • Die Gelenkpartner haben während der Bewegung größtmöglichen Flächenkontakt. Dies ermöglicht ein gleichmäßiges Verteilen des Druckes auf die gesamte Gelenkfläche. Lokale Spitzenbelastung wird vermieden (Abb. 2). • Die Gesamtbewegung bezieht die Bewegung jedes einzelnen Gelenkes mit dem entsprechenden Anteil ein. Ansonsten kommt es zur Überbeanspruchung einzelner Bewegungsabschnitte. Häufig tritt dies bei einer Hüftbeugekontraktur auf. Die mangelnde Hüftstreckung wird dann durch verstärkte Hyperextension der LWS kompensiert (Abb. 3) (Lit. 1). Hieraus lässt sich ableiten, dass jede Aktivität schaden kann, sofern sie in der Fehlhaltung ausgeführt wird. Wird z.B. Skilanglauf mit kyphosierter BWS und mangelnder Hüftstreckung durchgeführt, wird sich vor allem die LWS-Lordose verstärken und nicht – wie beabsichtigt – der Rumpf aufrichten. Nur richtig ausgeführt unterstützen sportliche Aktivitäten das Therapieziel. Im Vordergrund sollte – nicht nur bei Kindern und Jugendlichen – immer die Freude an der Bewegung stehen, nicht die Leistung. Leistungsorientierung birgt stets die Gefahr sich zu überfordern und in alte Bewegungsmuster zurückzufal- PHYSIOTHERAPIE 15 med 5 | 2006 | | rheuma 95 % aller Funktionsstörungen werden durch die Selbstheilungskräfte des Körpers behoben. Die APM nach Penzel fördert den Ausgleich des Energiehaushaltes; ermöglicht Schmerzund Beschwerdefreiheit ohne Medikamente; ist keine Apparatemedizin sondern tatsächliche Behandlung; bietet Erfolgschancen auch bei therapieresistenten Patienten. Bitte fordern Sie unsere Ausbildungsinformation an. 16 Lehrinstitut für AKUPUNKT-MASSAGE nach Penzel Willy-Penzel-Platz 1 - 8 D-37619 Heyen bei Bodenwerder Fon 05533/97 37 - 0 Fax 05533/97 37 67 www.apm-penzel.de PHYSIOTHERAPIE med A K U P U N K T- M A S S A G E n a c h P e n z e l Sie sollten von der Gesundheitspolitik keine Wunder erwarten, sondern selbst etwas tun: Ihr privates Standbein sichern Sie mit der APM nach Penzel! 5 | 2006 | | len. Meist verliert sich dann auch das Gespür dafür, wie viel einem gut tut. Wohl dosiert können sich sportliche Aktivitäten positiv auf alle Lebensbereiche auswirken. Fazit Das Garmischer Physiotherapiekonzept geht von Bewährtem aus, öffnet sich neuen Erkenntnissen und Richtungen und baut Integrierbares ein. Diesen Weg werden wir auch in Zukunft weiter beschreiten. Literatur 1. Betz U, Heel Ch, Hüter-Becker A (Hrsg.): Bewegungs- system Band 1, Lehrbuch zum neuen Denkmodell der Physiotherapie, Stuttgart: Thieme; 2002 2. Spamer M, Häfner R, Truckenbrodt H.: Physiotherapie in der Kinderrheumatologie, Das Garmischer Behandlungskonzept, München: Pflaum; 2001 3. Spamer M: Arthritis im Kindesalter – Garmischer Konzept zur physiotherapeutischen Behandlung. IN: PHYSIOTHERAPIE med, 6/2005, S. 5-17 Autorin Marianne Spamer Deutsches Zentrum für Kinderund Jugendrheumatologie Gehfeldstr. 24 82467 Garmisch-Partenkirchen Tel. 08821- 701248 Fax. 08821-73916 E-mail: [email protected]