Biomarkt: Kommt mit dem Boom auch der Betrug?

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Biomarkt: Kommt mit
dem Boom auch der Betrug?
In der EU floriert das Biogeschäft – und immer mehr auch
der Bio-Betrug. Auch in der
Schweiz boomt Bio. Die Bioexperten trafen sich in Frick zu
einer Tagung über Betrugsbekämpfung.
Von Roland Wyss-Aerni
Betrug im Biomarkt – Das passt wie die
Faust aufs Auge. Würde man doch annehmen, dass Bauern und Händler, die hohe
ethische Ansprüche an ihre Produkte stellen,
auch selber etwas anständiger sind als andere. Jedenfalls: Betrug im Biomarkt gibts.
„Der Spiegel” widmete diesem Thema letzt-
Biorüebli: Die Biobranche lebt von der Glaubwürdigkeit. (lid)
tisch der Biobetrug”, sagt Jochen Neuen-
Beate Huber, Expertin für internationale
dorff, Mitarbeiter bei der deutschen Gesell-
Zertifizierung und Ökogesetzgebung beim
schaft für Ressourcenschutz (GfRS), einer
Forschungsinstitut für biologischen Land-
Kontrollorganisation für ökologische Land-
bau (FIBL) in Frick AG, hält die Zustände in
wirtschaft. Biobetrug sei ein wichtiges The-
Deutschland für weit weniger dramatisch
ma, dass man europaweit angehen müsse.
als in der Presse dargestellt. „Der ,Spiegel‘
Den „Spiegel”-Artikel hält er zwar für „po-
hat seit Frühling mit mehreren Reportern
lemisch, er greift eindeutig zu kurz”, in der
recherchiert und offenbar nicht ganz ge-
Fachpresse sei bisher bloss über fünf Be-
funden, was er wollte. Angesichts dessen,
trugsfälle berichtet worden. Dennoch dürfe
wie viel Bioware in Deutschland produziert
man das Thema nicht unter den Tisch wi-
wird, ist die Effizienz der Kontrollen er-
schen.
staunlich hoch.”
Der Betrug kommt mit dem Boom. Und mit
Problemfall Italien
der Angebotsknappheit: Seit die deutschen
Bedenklicher als in Deutschland sind die
DiscounterAldi und Lidl im grossen Stil Bio-
Verhältnisse in anderen Ländern. „Tenden-
produkte einkaufen, werden grosse Men-
ziell gibt es Probleme in Italien und, für
gen Bioprodukte nachgefragt, die die bis-
Produkte aus Übersee, in China”, sagt Neu-
her kleinstrukturierte Branche nur mit
endorff. Untersuchungen in Baden-Württ-
Mühe oder gar nicht liefern kann. Da ist die
emberg zeigten in diesem Sommer tatsäch-
Verlockung gross, konventionelle Produkte
lich, dass bei vier von zehn untersuchten
„Mit der starken Marktausweitung und der
kurzerhand umzudeklarieren und damit
Karotten aus Italien zu Unrecht Bio drauf
Knappheit im Biomarkt kommt automa-
gutes Geld zu verdienen.
stand. Im Schnitt waren 12,7 Prozent der
hin eine 13-seitige Titelgeschichte mit den
gesammelten Missetaten aus der Biowelt:
Konventionelle Mastschweine, die auf dem
Weg zum Schlachthof zu Bioschweinen mutieren, konventionelle Eier, die zu Bioeiern
wurden, Biogummibärchen mit konventioneller Gelatine, gefälschte Zertifikate für Biobananen oder Biokaffee von Produzenten
in Osttimor, die selber nicht einmal wissen,
dass sie angeblich biologisch produzieren.
„Bio-Hafer” und „Bio-Kräuter”
Auch in der Schweiz gab es in den letzten
Jahren zwei Betrugsfälle, die bekannt wurden: Die Mühle Dambach in Villmergen
mischte ihrem Bio-Hafer konventionellen Hafer bei. Und der Genfer Händler Pitschfruit
verkaufte konventionelle Küchenkräuter als
Bio-Kräuter an Coop weiter. Beide Fälle wurden durch den „Kassensturz” aufgedeckt.
Nr. 2843 vom 5. November 2007
Sämtliche Artikel sind unter lid.ch zu finden.
Der Abdruck ist unter Angabe der Quelle frei.
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Biowaren mit verbotenen Rückständen belastet. Die gefundenen Pestizid-Rück-
Neue Biobauern gesucht
standsmengen waren teilweise so gross,
lid. Der Bio-Markt boomt, die Umsätze
Konsumenten wieder vermehrt auf Quali-
dass vermutet werden musste, konventio-
sind im ersten Halbjahr 2007 um 4,7 Pro-
tät setzen.
nelle Früchte und Gemüse seien vom Han-
zent angestiegen, mehr als doppelt so
del umdeklariert worden.
stark als der konventionelle Lebensmittel-
Die Biobranche nimmt den Betrug ernst.
markt mit 2,1 Prozent. Noch deutlicher ist
Das zeigt die Tatsache, dass Anfang Okto-
der Unterschied laut den Zahlen des
ber in Frick eine Tagung zum Thema statt-
Marktforschungsinstituts IHA-gfk bei den
fand. 60 Experten aus zehn EU-Ländern,
Frischprodukten: Bei Milchprodukten, Ei-
aus den USA und China diskutierten darü-
ern, Früchten, Gemüsen und Fleisch wuchs
ber, wie Betrug künftig frühzeitig erkannt
der Bio-Markt um sechs Prozent, der kon-
und verhindert werden kann. Denn: „Bio
ventionelle um 1,7 Prozent. Die Bio Suisse
lebt stark von der Glaubwürdigkeit und ist
führt den Boom darauf zurück, dass die
dadurch verletzlich“, sagt Bio Suisse-Spre-
Vereinzelt kommt es gar zu Lieferengpässen: Bio-Eier etwa sind laut Bio Suisse
Mangelware geworden. Ferner gibt es
nach wie vor zu wenig Bio-Getreide. Aber
auch bei Früchten, Gemüsen, Beeren,
Kräutern, Öl und Kartoffeln liesse sich
mehr verkaufen. Bio Suisse sucht deshalb
einige hundert neue Produzenten. Heute
gibt es in der Schweiz rund 6‘000 Biobauern.
„Das Bio-Wachstum in der Schweiz ist
Beschwerdestelle gefordert
nicht so stark wie in Deutschland”, sagt
Auf europäischer Ebene hingegen muss
Jacqueline Forster. Entsprechend gebe es
gehandelt werden, darüber sind sich die
auch keinen Umstellungsboom bei den
Fachleute einig. Das habe auch die Tagung
Vorteile des kleinen Marktes
Bauern. Und schliesslich: Der Schweizer Bi-
in Frick gezeigt, meint Bio-Betrugsexpertin
Auch in der Schweiz boomt der Biomarkt,
omarkt ist überschaubar. Auch wenn der-
Huber: Der Informationsfluss zwischen den
mit Wachstumsraten doppelt so hoch wie
zeit Bioeier derzeit knapp sind – es sei
verschiedenen Ländern und zwischen Be-
im konventionellen Lebensmittelmarkt (sie-
„kaum denkbar, dass die Eier eines kon-
hörden, Händlern und Kontrollstellen müs-
he Kasten). Heisst das, dass auch in der
ventionellen Produzenten plötzlich zu Bi-
se besser werden. „Im Bio-Markt muss je-
Schweiz die Gefahr von Betrügereien an-
oeiern werden” – so wie es in Deutschland
der seinen Beitrag leisten, damit Betrug
steigt? „Dafür gibt es keine Anzeichen”,
passierte. Der Bioeiermarkt sei sehr gut or-
verhindert werden kann”, sagt sie. Die
sagt Beate Huber, „Das Risiko ist in der
ganisiert, mit nur wenigen Händlern.
Händler müssten beispielsweise konse-
Schweiz geringer, es gibt ein gutes Kon-
Der kleine Schweizer Markt: Für viele Verar-
trollsystem und weniger anonyme Handels-
beiter ist er wegen fehlender Absatzmög-
strukturen als in Deutschland.” Wichtig sei,
lichkeiten ein Problem. Für die Rückverfolg-
dass sich die Grossverteiler selber ein gutes
barkeit und Sicherheit der Lebensmittel ist
Qualitätssystem aufgebaut hätten und sich
er ein Segen. Nicht nur bei Biolebensmit-
bei den Kontrollen engagierten.
teln, sondern auch bei konventionellen.
cherin Jacqueline Forster. „Das Label insgesamt und jeder einzelne Produzent hat einen Ruf zu verlieren.”
Nr. 2843 vom 5. November 2007
quent Unregelmässigkeiten und Rückstände bei Bioprodukten melden, die Behörden
müssten Verdachtsmomente zügig verfolgen und die Ergebnisse auch den Branchen
mitteilen, damit gegenseitiges Vertrauen
herrsche. Und: „Es muss eine EU-Beschwerdestelle geben.”
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