Juliane Köster 1. Was heißt „veränderte Aufgabenkultur im

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Juliane Köster
1. Was heißt „veränderte Aufgabenkultur im
Deutschunterricht“?
(Impulsreferat)
Seit dem PISA-Bericht hat sich Aufgabenkultur als didaktisches
Hochwertwort etabliert. Internet-Suchmaschinen bieten
zahlreiche Treffer – an erster Stelle der Friedrich-Verlag mit
dem Jahresheft „Aufgaben – Lernen fördern – Selbständigkeit
entwickeln“ (2003). Die meisten Nennungen beziehen sich aber
auf den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht. Das
mag mit TIMSS zu tun haben und mit dem Umstand, dass auf
diesem Sektor schon länger alarmierende Befunde vorliegen,
die durch PISA nur bestätigt wurden. Folglich wurde TIMSS
auch „als Katalysator für eine neue Unterrichtskultur“1
bezeichnet. PISA zeigt diesen Effekt nun auch für die
sprachlichen Fächer.
Was den Deutschunterricht betrifft, so hat Gerhard Eikenbusch,
Schulpädagoge und Schulleiter in NRW, vor wenigen Jahren2 die
Bedeutung der Qualitätssicherung im Fachunterricht betont und
dabei der Aufgabenkultur eine prominente Rolle zugewiesen.
Nach Eikenbusch sind es die Aufgaben, die in erheblichem Maße
„den Unterricht gliedern, organisieren und rahmen“, das Lernen
beeinflussen, die Leistungsfeststellung steuern und „als ein
normatives Instrument verwendet werden können“.3 Darüber
hinaus repräsentierten Aufgaben für Schüler und Eltern das
Fach und seien Bezugspunkt für kollegialen Austausch und
Absprachen.4 In der Tat sind Aufgaben neben der Darbietung
des Lerninhalts durch Lehrpersonen oder Lerner das zentrale
Steuerungsinstrument des Deutschunterrichts. In
Leistungssituationen kommt alles auf die Aufgabe an.
Was den fachdidaktischen Diskurs über Aufgaben angeht, so
konstatiert Eikenbusch zu Recht, dass den Texten „eine
erheblich größere steuernde Wirkung zugesprochen [werde] als
den Aufgaben“5 und dass eine Debatte sich im Wesentlichen auf
1
Hans-Wolfgang Henn, TIMSS - Katalysator für eine neue Unterrichtsstruktur. In: Werner Blum
und Michael Neubrand (Hrsg.), TIMSS und der Mathematikunterricht. Hannover 1998 (Schroedel).
2
Gerhard Eikenbusch, Qualität im Deutschunterricht der Sekundarstufe I und II. Berlin 2001
(Cornelsen Scriptor).
3
A.a.O., S. 205.
4
Vgl. a.a.O.
5
A.a.O., S. 204.
2
die „Möglichkeiten und Grenzen handlungs- und
produktionsorientierter Aufgabenformen“6 beschränkt habe.
2. Was ist eine gute Aufgabe?"
Die Antwort muss zunächst enttäuschen: Eine schlechthin gute
Aufgabe gibt es nicht. Vielmehr ist jede Aufgabe auf vier
Aspekte hin zu befragen, um dann ein – notwendig
eingeschränktes – Gütesiegel zu erhalten.
1.Verständigt man sich über die Qualität von Aufgaben,
dann macht sich die Perspektive des Beurteilers deutlich
bemerkbar. Sind es die Lehrpersonen, die die Aufgabe gut
finden, oder sind es die Schülerinnen und Schüler? Eine
Studie an der Universität Jena hat gezeigt, dass
Schülerinnen und Schüler zu anderen Einschätzungen
kommen als Lehrerinnen und Lehrer. Am stärksten zeigt
sich dieser Unterschied in der Beurteilung von MultipleChoice-Aufgaben im Deutschunterricht.
Beispiel:7
Welcher Begleitsatz passt?
„Sollen wir nicht umkehren?“,
a) … befiehlt das Mädchen.
b) … befürchtet das Mädchen.
c) … glaubt das Mädchen.
d) … schlägt das Mädchen vor.
Schülerinnen und Schüler schätzen Multiple-ChoiceAufgaben, weil sie ihnen zugänglich, motivierend und
erfolgversprechend erscheinen. Die Beispielaufgabe ist
zugänglich, weil sie die mit der Aufgabe verbundenen
Forderungen klar und eindeutig umreißt. Sie ist
motivierend, weil die Forderung sinnvoll erscheint und
Interesse an der Lösung weckt. Sie ist erfolgsorientiert,
weil sie eine erfolgreiche Lösung ermöglicht und in hohem
Grad dazu anregt.
6
A.a.O.
Ministère de l’Education Nationale de la Formation Professionelle et des Sports (Hrsg.), Les Cahiers de
l’évaluation. Deutsch. Die standardisierten Prüfungen zum Abschluss der Primärschule. Luxembourg. Mamer
2003, S. 97.
7
3
2. Quer dazu steht die Frage nach der Situation, in der eine
Aufgabe verwendet wird. Handelt es sich um eine Aufgabe
zum Wissens- und Kompetenzerwerb oder handelt es sich
um eine Aufgabe zur Überprüfung des Erworbenen?
Aufgaben für Lernsituationen folgen anderen Regeln als
Aufgaben für Leistungssituationen. Eine Aufgabe kann für die
Lernsituation überaus geeignet sein und für die
Leistungssituation denkbar ungünstig. Denn wer „sich
subjektiv in einer Leistungssituation wähnt“, so der
Lernforscher Franz E. Weinert, „bemüht sich in erster Linie
darum, Erfolge zu erzielen und Misserfolge zu vermeiden.“8
Demgegenüber gehe es in Lernsituationen „darum, Neues zu
lernen, Wissenslücken zu schließen oder unklar Gebliebenes
besser zu verstehen“.9 Während es in der Leistungssituation
Fehler zu vermeiden gilt, sind sie in der Lernsituation
produktiv und damit ein Erkenntnismittel. Folgt man Weinert,
so braucht „[e]rfolgreicher Unterricht beides, und zwar im
Bewusstsein der Schüler möglichst separiert: viele
entspannte Gelegenheiten zum intensiven Lernen und
genügend anspruchsvolle Leistungssituationen“.10 Folglich
erscheint es sinnvoll, für beide Situationen unterschiedliche
Aufgaben zu modellieren. Aufgaben, die das Lernen
befördern, sind oft und zu Recht Aufgaben, die aufeinander
aufbauen. z.B. 1. den Fortgang einer Erzählung oder eines
Gedichts antizipieren und 2. die Lernerprodukte mit dem
Original vergleichen.
Beispiel:11
Joseph von Eichendorff: Winternacht
1. Schreibauftrag im Anschluss an die 2. Strophe:
Was träumt der Baum?
2. Vergleichendes Erschließen der 3. Strophe
8
Weinert, F.E., Die fünf Irrtümer der Schulreformer. In: Psychologie heute, Juli 1999, S. 28-34, S. 33.
A.a.O.
10
A.a.O.
11
Marion Ziesmer, „Verschneit liegt rings die ganze Welt...“. Begegnung mit einem romantischen Gedicht. In:
Praxis Deutsch 183 (2004), S. 16-19, S. 18.
9
4
Folie:
Joseph von Eichendorff
Winternacht
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
ich hab’ nichts, was mich freuet,
verlassen steht der Baum im Feld,
hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume,
da rührt er seinen Wipfel sacht
und redet wie im Träume.
Er träumt von künft’ger Frühlingszeit,
von Grün und Quellenrauschen,
wo er im neuen Blütenkleid
zu Gottes Lob wird rauschen.
In der Leistungssituation sind solche Anschlussaufgaben
ungünstig. Denn wer die erste Aufgabe nicht lösen kann,
der hat keine Grundlage für die Weiterarbeit an den
Folgeaufgaben. Während Aufgaben in der Lernsituation auf
Aktualisierung und Austausch vielfältiger Perspektiven in
der Unterrichtskommunikation angelegt sind und wirksame
Interventionen der Lehrperson vorsehen, geht es in der
Leistungssituation um Einzelarbeit – ohne Möglichkeit zur
Anschlusskommunikation. Folglich kommt in der
Leistungssituation alles auf die präzise Bestimmung des
Überprüfungsgegenstands und auf klare Instruktionen an.
Beispiel:12
Welche Überschrift passt zu welchem Textabschnitt?
Trage die entsprechenden Buchstaben ein.13
--- Die verschiedenen Lebensformen der Indianer
--- Die Vernichtung der Indianer
12
Ministère de l’Education Nationale de la Formation Professionelle et des Sports (Hrsg.), Les Cahiers de
l’évaluation. Deutsch, a.a.O., S. 212.
13
Die Textabschnitte sind durch Buchstaben gekennzeichnet.
5
--- Der Ursprung der Indianer
--- Die Geschichtsschreibung über die Indianer
--- Falsche Bezeichnungen für „Indianer“
Hier sollen Überschriften und Textabschnitte in Beziehung
gesetzt werden. Dabei geht es um die Verknüpfung weit
auseinanderliegender Informationen.
3. Eng damit verbunden ist die Frage nach der Zielstellung
der Aufgabe.
Welches Ergebnis soll die Aufgabe erbringen? Was genau
soll mit Hilfe der Aufgabe erworben oder überprüft
werden? Geht es um intelligentes Wissen oder um
Problemlösungsprozesse? Geht es um die Anwendung von
Techniken und Verfahren oder geht es um Selbstregulation
in Form von selbstständiger Entwicklung von
Lösungswegen. Hier ist jeweils zu entscheiden, ob die
Aufgabe dem beabsichtigten Ziel dienlich ist.
Im folgenden Beispiel geht es um die Aneignung
intelligenten fachlichen Wissens. Die Lerner sollen auf der
Basis einer vorgegebenen Liste (Tätigkeiten zum Schutz
des Waldes) zunächst einen Text in Wir-Form verfassen,
um anschließend zu erkennen, dass manche Verben
trennbar sind und folglich zu zweiteiligen Prädikaten
führen. Z. B.: den Wald aufräumen – wir räumen den Wald
auf.
Beispiel:14
Hier sind Ideen von Kindern, wie sie den Wald
schützen können.
1. Sprecht über die Ideen der Kinder. Wie könnt ihr
den Wald noch schützen helfen?
2. Schreibe mit Hilfe der Stichwörter (Ideenliste)
auf, wie ihr helfen könnt, den Wald zu schützen:
- Wir helfen den Wald zu schützen.
- Wir räumen den Wald auf.
- ...
14
Vgl. Frido Brunold u.a. (Hrsg.), Jo-Jo. Sprachbuch 4. Allgemeine Ausgabe. Berlin 2005, S. 23.
6
3. Unterstreiche in jedem Satz das Prädikat.
Was fällt dir auf?
Zur Überprüfung dieses Wissens müsste die Aufgabe
anders modelliert werden:
Entweder: Unterstreiche im vorliegenden Text alle
zweiteiligen Prädikate.
Oder: Unterstreiche in der Liste alle Verben, die in
der Wir-Form zweiteilig sind.
Schwieriger ist es, Aufgaben zu finden, die
Problemlösungsstrategien entwickeln bzw.
problemlösendes Denken verlangen. Die
Bildungsadministration weist darauf hin, dass
„selbstständiges Lernen, der Aufbau von
Problemlösekompetenzen sowie das Erlernen von
Lernstrategien zum Teil auch eine neue Aufgabenkultur“
erordern.15
Als Beispiel sei zunächst eine Teilaufgabe aus den
Bildungsstandards Deutsch für den Primarbereich16
genannt. Auf der Basis verschiedener Texte über das
Schlafen sollen die Lerner zunächst die Informationen über
Einschlafprobleme finden, wobei die Formulierung „Gründe
für Probleme beim Einschlafen“ so im Text nicht zu finden
ist. Die im Text genannten Ursachen für
Einschlafschwierigkeiten müssen im Hinblick auf das
vorgegebene Kriterium [„leicht zu ändern“] abwägend
beurteilt werden.17
Es gibt verschiedene Gründe für Probleme beim
Einschlafen. Welche Gründe kann man leicht
ändern?
15
http://www.km.bayern.de/imperia/md/content/pdf/lernmittel/10.pdf (Zugriff am 18.08.2005).
http://www.kmk.org/schul/Bildungsstandards/Grundschule_Deutsch_BS_307KMK.pdf, S. 24 (Zugriff am
18.08.2005).
17
Vgl. a.a.O., S. 26.
16
7
Ziel einer neuen Aufgabenkultur ist es, Aufgaben für
unterschiedliche Zielstellungen zu konstruieren. Man braucht
Aufgaben zum Erwerb intelligenten Wissens, Aufgaben, die ein
komplexes Problem präsentieren und Aufgaben, die
differenzierte Hilfestellung bei der Problembewältigung
(Problemlösung) leisten.
Mit Aufgaben ein komplexes Problem zu präsentieren – diese
Absicht richtet sich gegen eine Aufgabenkultur, die auf die
Anwendung von Regel, Prozeduren, auf das Abarbeiten von
Algorithmen gerichtet ist.
Die zweite Absicht, Aufgaben als Hilfestellung zur Lösung
komplexer Probleme anzubieten, stellt den
Problemlösungsansatz nicht in Frage. Er zieht aber
Konsequenzen daraus, dass viele Lerner sich durch die bloße
komplexe Problemstellung überfordert fühlen und dann die
Komplexität so reduzieren, dass sie tun, was sie eben können,
aber zu keiner Lösung des Problems kommen.
Ich werde Ihnen diese beiden Ziele einer wirksamen
Aufgabenkultur am so genannten „Ziegenproblem“
konkretisieren:
Für das Ziel, ein komplexes Problem zu präsentieren, ist die
folgende Aufgabe ein gutes Beispiel:
„Am Ende einer Fernseh-Show darf der Hauptgewinner
durch eine Art Losentscheid seinen Gewinn ermitteln. Er
wählt eine von drei Türen, hinter denen sich
möglicherweise der Gewinn verbirgt. Eine der drei Türen
verbirgt den Hauptgewinn, hinter den beiden anderen
steht jeweils ein Ziegenbock als Symbol für die Niete.
Nachdem nun der Gewinner eine Tür ausgewählt hat, [tut]
der Showmaster [etwas Überraschendes]: Er öffnet eine
der beiden verbliebenen Türen, eine Niete natürlich, und
bietet dem Kandidaten die Chance, seine Wahl
beizubehalten oder auf die dritte noch verbliebene Tür zu
wechseln. Die entscheidende Frage lautet: Erhöhen sich
seine Gewinnchancen, wenn er wechselt, oder bleiben sie
gleich (oder sinken sie gar)?“
http://www.methode.de/dm/mi/dmmi001.htm
8
„Über diese [...] Aufgabe wurde selbst in Fachkreisen ein
erbitterter Streit ausgetragen. Angeblich haben sich sogar
Mathematiker von Weltruf zu gegenseitigen Beleidigungen
hinreißen lassen.
Versuchen Sie, die Frage zu beantworten: Verbessern sich die
Chancen, ja oder nein? Bitte wirklich nachdenken!“ (a.a.O.)
Sie sehen, die Lösung liegt nicht auf der Hand. Deshalb haben
sich Mitarbeiter am MPI für Bildungsforschung in Berlin ein
Aufgabenset ausgedacht, das ein Hilfestellung zur Lösung
dieses komplexen Problems darstellt:
9
Allerdings ist die Frage berechtigt, ob hier noch ein Problem
gelöst wird oder ob es sich nicht um eine Aufgaben-geleitete
Instruktion handelt, an deren Ende Einsicht in die Lösung steht,
d. h. eine Erklärung des Problems. Das hieße wiederum, dass
auch Instruktion, wenn es um den Aufbau systematischen,
kumulativen Wissens (Weinert) geht, interessant und effektiv
realisiert werden kann. Lehrerinduzierte Instruktion ist also
keineswegs nur Lehrervortrag.
10
Folie Weinert: Jedes Lernziel erfordert einen anderen
Unterricht
Lernziele
Lernformen
Intelligentes
Wissen
Systematischer,
kumulativer
Wissenserwerb
Lehrmethoden
Lehrerqualifikationen
Lehrer-gesteuerte Disziplinäre
direkte
Sachkompetenz
Instruktion
Klassenführungs-,
diagnostische und
didaktische Kompetenz
HandlungsPraxisnahes,
Projektarbeit
Transdisziplinäre
kompetenzen erfahrungsgeSachkompetenz
sättigtes, situiertes Gruppenarbeit
Lernen
Didaktische Kompetenz
MetaReflexiv verarbei- Angeleitetes
Diagnostische
kompetenzen teter Wissenserselbstständiges
Kompetenz
werb über eigenes Lernen
Lernen und
Didaktische Kompetenz
Handeln
Automatisierte
Routinen der
Überwachung,
Kontrolle und
Korrektur eigenen
Handelns
4. Dass problemlösendes und entdeckendes Lernen einen
besonders hohen Stellenwert haben, zeigt auch der Blick
in die Bildungsstandards Deutsch. Das gilt sowohl für den
Hauptschulabschluss (9. Jahrgang) als auch für den
Mittleren Schulabschluss (10. Jahrgang) und – nebenbei
erwähnt - auch für den Primarbereich. Bestimmte
Aufgabenmerkmale sind besonders erwünscht: Vor den
Merkmalen „Offenheit“ und „Anwendungsorientierung“
hat das Merkmal „Komplexität“ den prominentesten
Rang. Etwa 20 mal werden in den Bildungsstandards für
den Mittleren Schulabschluss die Begriffe Komplexität bzw.
komplex im Zusammenhang mit Aufgaben genannt.
11
Beispiel:18
Wann fühlst du dich stark?
Wann hast du das Gefühl schwach zu sein?
Tauscht euere Gedanken aus.
Was offene Aufgaben sind, ist gut definiert: Es wird eine
Information in Form einer Frage oder eines Auftrags
gegeben, ohne Antwortmöglichkeiten zu nennen und ohne
eine bestimmte Antwort zu erwarten.19
Folie: Die drei Arten von Aufgaben
Eine Testaufgabe enthält im Kern eine Frage, auf die eine Antwort
erwartet wird. Damit diese gegeben werden kann, ist in der Regel
als Bezugspunkt eine Information nötig. Aus der Form, in der diese
Information gegeben wird, lassen sich drei Arten von Aufgaben
ableiten.
• Offene Aufgaben
Gibt man dem Probanden lediglich eine Information, ohne ihm
Antwortmöglichkeiten zu nennen und ohne eine bestimmte
Antwort zu erwarten, so handelt es sich um eine offene
Aufgabe.
• Halboffene Aufgaben
Stellt man dem Probanden im Anschluss an eine Information
eine Frage und erwartet man eine bestimmte Antwort, ohne
Antwortmöglichkeiten vorzugeben, so handelt es sich um eine
halboffene Aufgabe.
• Geschlossene Aufgabe
Stellt man dem Probanden im Anschluss an eine Information
nicht nur eine Frage, sondern gibt man ihm auch
Antwortmöglichkeiten vor, so handelt es sich um eine
geschlossene Aufgabe.
Was aber sind komplexe Aufgaben? Der Begriff wird
undefiniert verwendet. Folgt man den Bildungsstandards,
dann verlangen sie „das Herstellen von Zusammenhängen
18
19
F. Brunold u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 42.
Vgl. Theodor Rütter, Formen der Testaufgabe. München 1973 (Beck).
12
zwischen verschiedenen Textinformation sowie mit dem
Vorwissen der Kinder“.20
Es geht also um das Denken in Zusammenhängen. Wichtig
ist dabei allerdings, dass die Komplexität einer Aufgabe
keineswegs an deren Offenheit gebunden ist.21 Umgekehrt
sind offene Aufgaben nicht notwendig komplex. Fragt man
z. B. im Anschluss an die Präsentation eines Textes, was
den Schülerinnen und Schülern daran auffällt, dann ist die
Aufgabe offen, aber nicht eigentlich komplex. Daran
gemessen haben Vergleichsaufgaben immer höhere
Komplexität, weil sie das Herstellen von
Zusammenhängen, also geistige Verknüpfungsleistungen
einschließen.
Beispiel:22
Vergleicht die beiden Texte. In welchem Text erfahrt
ihr mehr?
Aufgaben lassen sich also im folgenden Koordinatensystem
platzieren:
Offenheit
Geschlossenheit
Einfachheit
20
Komplexität
http://www.kmk.org/schul/Bildungsstandards/Grundschule_Deutsch_BS_307KMK.pdf, S. 22; 31; 32; 36.
Vgl. dazu: Norbert Groeben, Auf dem Wege zu einer deutschdidaktischen Unterrichtsforschung?! Vortrag auf
den Symposion Deutschdidaktik 2004 in Lüneburg.
21
22
13
Wichtig ist – will man Maximalstandards vermeiden –, dass die
Kombination aus maximaler Offenheit und maximaler
Komplexität vermieden wird. Entsprechendes gilt für das
Zusammengehen von großer Einfachheit und Geschlossenheit
einer Aufgabe. Als günstig erweist sich die Konstruktion eines
begrenzenden Rahmens, der Orientierung gibt, aber
hinreichend Raum für Lerneraktivitäten bietet. Ein flexibles
Gleichgewicht von Offenheit und Komplexität auf mittlerem
Anforderungsniveau begrenzt das Arbeitsfeld, ohne die Lösung
bis ins Detail festzulegen, und spricht dadurch eine große Zahl
von Lernern an. Gute Aufgaben sind folglich so zu
dimensionieren, dass sie bei möglichst vielen Schülern – und
nicht nur bei den Cracks – Produktivität anstoßen. Gefragt sind
Instruktionen, die das In-Beziehung-Setzen von
Information und das dialogische Denken stimulieren. Dafür
bietet die Kombination von mittlerer Offenheit und mittlere
Komplexität günstige Bedingungen. Abschließend seien zwei
Beispiele genannt. Beim ersten handelt es sich um eine
Zuordnungsaufgabe, beim zweiten um einen Erklärungsauftrag.
Auf einer Doppelseite zum Thema Türme finden sich
sechs mit Buchstaben gekennzeichnete Abbildungen
unterschiedlicher Türme und sechs mit Ziffern versehene
Beschreibungen. Die Aufgabe lautet:
Welcher Text gehört zu welcher Abbildung? Ordnet
gemeinsam zu.
Der Text (z. B. Franz Kafka, Der Kübelreiter; Rahel
Hutmacher, Wildfrauen) ist eine phantastische
Erzählung. Erkläre, woran du das erkennst.
Gelungene Aufgaben wecken bei den Lernern das Interesse,
eine Frage zu beantworten, ein Problem zu lösen, etwas
herauszufinden. Sie begrenzen das Arbeitsfeld durch
intelligente Vorgaben so, dass eine situationsangemessene
Problemstellung entsteht, die für die Schülerinnen und Schüler
sowohl ansprechend und zugänglich als auch erkenntnisträchtig
ist.
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