14 K L I N I K & P RA X I S Zahn Krone 2/12 Ästhetik nach Zahntrauma aus implantologischer Sicht Durch die Sofortimplantation und Sofortversorgung mit Implantaten kann ein Zahntrauma kurzfristig, ohne Einschränkung der Lebensqualität und mit ästhetisch vorhersagbarem Erfolg versorgt werden. Doz. Dr. Dieter Busenlechner, Wien D as Zahntrauma stellt für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar – für Patienten, die plötzlich neben Schmerzen auch mit düsteren Prognosen konfrontiert werden, aber auch für die behandelnden Zahnärzte, die Entscheidungen treffen müssen, die, ob der geringen Fallzahlen, nicht immer als Routineentscheidungen bezeichnet werden können. Betrifft das Trauma auch noch Frontzähne im Oberkiefer so wird diese Problemkaskade noch in eine ästhetisch höchst anspruchsvolle Zone transferiert. Behandlungskonzepte wie die Sofortimplantation oder die Sokket-Preservation-Technik scheinen geeignete Maßnahmen, um diese schwierigen Situationen rasch und mit relativ geringem Aufwand befriedigend lösen zu können. Die früher als Unfallursache für Zahntraumen so gefürchtete Wasserrutsche hat mit Scootern, Skates, Karts, Carvern und Boards rege Konkurrenz bekommen. Eine breite Masse nützt die Angebote unserer Konsum- und Freizeitgesellschaft und ist damit für einen Anstieg von Freizeitunfällen auch mit Zahntraumen verantwortlich. Die Lokalisation des Traumas erhöht oft die Dringlichkeit der Behandlung. Betrifft das Trauma die Frontzähne, so steigen die Ansprüche der Patienten bzw. deren Eltern und es werden an den behandelnden Zahnarzt höchste Anforderungen in Bezug auf das funktionelle, phonetische und ästhetische Ergebnis gestellt. Meist muss innerhalb weniger Minuten eine folgenschwere Entscheidung getroffen werden, die die oben angeführten Parameter nachhaltig beeinflusst. Frontzahntrauma der Milchzähne Viele unserer Patienten sind Kinder und damit sind auch viele Milchzähne von diversen Traumen betroffen. Bei einem Frontzahntrauma der Milchzähne gilt es, die bleibenden Zähne nicht zu schädigen. Daher werden die Milchzähne vorzeitig entfernt, um die bleibenden Zähne in ihrer Entwicklung nicht zu schädigen. Eine Sonderstellung haben Intrusionstraumen, welche per se eine Entwicklungsstörung des bleibenden Zahnes nach sich ziehen können. Interventionen bei dieser Art von Traumen sollten gut überlegt werden, da die Gefahr der Schädigung des bleibenden Zahnes hoch und meist ohnehin nach kurzer Zeit ein neuerlicher Durchbruch des Milchzahnes zu beobachten ist. Avulsierte Milchzähne sollten nicht replantiert werden. kürzer die Zeitspanne zwischen Verlust und Replantation ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Restitutio ad integrum. Je länger der Zahn außerhalb des Körpers verbleibt, umso höher ist das Risiko für einen Zahnverlust durch Ankylose und damit teils dramatischen ästhetischen Komplikationen oder schlussendlich durch Resorption. Fallpräsentationen Anhand von drei typischen Fällen soll dargestellt werden, wie einfach oder komplex der Zustand nach Trauma sein kann und wann welcher implantologische Aufwand betrieben werden muss: Fall 1: Sofortimplantat Frontzahntrauma bleibender Zähne Scheint die Behandlung von Milchzahntraumen auf den ersten Blick einfach, da meist defensiv, so ist die Therapie von bleibenden Zähnen nach Traumen um einiges schwieriger. Zähne mit traumatischen Verletzungen von Schmelz und/oder Dentin und/oder Pulpa sollten mit der Hilfe moderner zahnmedizinischer Methoden erhalten werden können. Auch nach Intrusions- und/oder Extrusionstraumen können Zähne durch verschiedene Maßnahmen wieder positioniert und stabilisiert werden. Selbst bei der Avulsion kann eine rasche Behandlung den verlustig gegangenen Zahn wieder retten. Je Eine 24-jährige Patientin kam drei Tage nach einem Sturz auf das Kinn an die Akademie für orale Implantologie. Die Keramikkrone am Zahn 11 war schräg frakturiert, zusätzlich zeigt sich hier ein Zustand nach Wurzelspitzenresektion vor ca. 15 Jahren. Zudem zeigen sich im durchgeführten ICAT neben den Kronenfrakturen auf 22 und 21 auch Wurzelfrakturen, jedoch ohne Beeinflussung des Alveolarfortsatzes, insbesondere mit Erhalt der bukkalen Knochenlamelle. Nach Beratung und Aufklärung der Patientin wurde die Extraktion der Zähne 22 und 21 mit Sofortimplantation und sofortiger Versorgung beschlossen. K L I N I K & P RA X I S Zahn Krone 2/12 15 Fall 1: Sofortimplantation Abb. 1: Klinisches Bild nach Trauma Abb. 2: Zusatnd nach Implantation von 21 und 22 mit prov. Sofortversorgungen auf Copy-Abutments Abb. 4: Nach Beschliff von 11 und „Nachbeschleifen“ der Zirkonabutments auf 21 und 22 Abb. 5: Übergabe der definitiven Krone Direkt im Anschluss an die Implantation wurden Copy-Abutments (Fürhauser et al. 2006) angefertigt, um die ursprüngliche Situation, wie Emergenzprofil, Weichgewebsstütze etc., zu kopieren und nicht später durch einen Zahntechniker interpretieren lassen zu müssen. Diese Copy-Abutments wurden sofort im Labor eingescannt und die Anfertigung der definitiven Zirkonabutments begonnen. Nach Übergabe der Provisorien ca. zwei Stunden nach den Implantationen ging die Patientin wieder mit festsitzendem Zahnersatz auf den Implantaten nach Hause. Beim Kontrolltermin nach einer Woche bekam die Patientin die definitiven Zirkonabutments eingesetzt. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Implantat-Abutment-Verbindungen nie mehr gelöst werden, was deutliche Vorteile in der Hart- und Weichgewebsregeneration mit sich bringt. Nach ca. sechs Monaten bekam die Patientin die definitive Versorgung übergeben. Die Auswirkungen des Traumas wurden grundsätzlich in zwei Sitzungen (Extraktion mit Sofortimplantation und Tausch des Copy-Abutments auf das definitive Zirkonabutment) behoben. Auf einer zehnteiligen Schmerzskala (0 – kein Schmerz bis 10 – maximaler Schmerz) geben die Pa- Abb. 3: Kontrollröntgen nach Tausch auf Zirkonabutments tienten am postoperativen Tag Werte zwischen 0 und 1 an. (Masterthesis Dr. Florian Kunz, 2007) Fall 2: Socket Preservation Wörtlich übersetzt würde man unter Sokket-Preservation-Technik den Erhalt des Zahnfaches verstehen. Nach Verlust des Zahnes unterliegt der Processus alveolaris als zahnabhängige Struktur Abbauvorgängen, die vor allem ab der Defektklasse II (Hämmerle et al. 2004) unbehandelt sehr rasch zu einem insuffizienten Knochenangebot für die Implantation führen. Diese abgebauten Kammformen benötigen in der Regel kosten- und zeitintensive Augmentationen und zusätzliche chirurgische Interventionen. Für den Fall, dass nach der Extraktion die bukkale Knochenlamelle kompromittiert und daher eine Sofortimplantation nicht möglich ist, sucht man seit Langem nach Konzepten, um den bevorstehenden atrophischen Verlust dieses Knochens zu verhindern. Wird mittels Spongiosablock und einem okklusalen Verschluss der Alveole eine Socket-Preservation-Technik durchgeführt, so kann in vielen Fällen die Augmentation vermie- den werden, vor allem aber das Weichgewebe erhalten bleiben. Ein 44-jähriger Patient kam nach einem Schiunfall mit frakturierten mittleren Frontzähnen im Oberkiefer. Die Stiftaufbauten und Kronen in diesen Regionen wurden verloren. Es zeigten sich supragingivale Wurzelfrakturen mit Verdacht auf eine Alveolarfortsatzfraktur in der Regio 21 und zusätzlich nicht ausgeheilte apikale Läsionen. Zunächst erfolgte die Extraktion des Zahnes 11 und eine Socket-Preservation-Technik zum Erhalt des Hart- und Weichgewebes. Danach wurde drei Monate zugewartet und navigiert ein Einzelzahnimplantat gesetzt, welches sofort versorgt wurde. Nach Einheilung des Implantates wurde der Zahn 21 extrahiert und es erfolgte dasselbe Prozedere mit Socket-Preservation-Technik und später navigierter Implantation wie in der Regio 11. Fall 3: Replantation mit Ankylose und Augmentation mit Implantation Die Replantation des total luxierten bleibenden Zahnes ist, wie oben angeführt, die Vorgehensweise der Wahl, um eine Avulsion zu behandeln. Ist der Zahn zu lange extrakor- 16 K L I N I K & P RA X I S Zahn Krone 2/12 Fall 2: Socket Preservation: Abb. 6: Klinische Situation nach Schiunfall mit Fraktur von 11 und 21 Abb. 7: Socketpreservation in reg. 11 mit Schleimhauttransplantat vom Gaumen Abb. 8: Implantat auf 11 mit Zirkonabutment Abb. 9: Socketpreservation: Einbringen eines Bio-Oss Spongiosablocks in die Alveole 21 Abb. 10: Provisorisches Abutment auf 21 Abb. 11: Definitive Zirkonabutment auf beiden Frontzähnen Abb. 12: Röntgenkontrolle der beiden Frontzahnimplantate poral und trocknet dabei die Wurzeloberfläche aus oder kommt es zu Ablösungen des Faserapparates, so sind die Folgeschäden meist gravierend. In der Anamnese der Patientin kam es mit zehn Jahren zur Totalluxation des rechten zentralen Schneidezahns mit Replantation. Vor acht Jahren kam es zu einer Kronenfraktur, seit diesem Zeitpunkt ist der Zahn mit Stift und Krone versorgt. Als ästhetischen Wunsch gab die Patientin an, dass der Zahn möglichst ähnlich dem linken zentralen Schneidezahn werden sollte. Die Fotoanalyse ergab ein mittleres Lachen, die Zahnstellung war ohne Befund, weiters ergab sie eine Tendenz zum offenen Biss, eine hohe Vertikale, die Mittellinie ohne Befund und eine symmetrische Zahnbreite. Der Pink Esthetic Score (PES) wurde mit 8 beurteilt. Abb. 13: Patient verlässt mit definitiven Zirkonabutments und provisorischen Kronen die Akademie zum zuweisenden Kollegen für die Kronenversorgung In der sagittalen Rekonstruktion der Volumentomographie zeigte sich eine Wurzelresorption. Eine Implantation zu diesem Zeitpunkt wäre nur an einer ungünstigen Position möglich gewesen und hätte einen ästhetischen Misserfolg zur Folge gehabt. Daher musste zwei Monate nach der Extraktion des Zahnes ein Knochenblock von retromolar augmentiert werden. Die provisorische Versorgung während dieser Zeit wurde mittels einer Marylandbrücke gewährleistet. Nach einer Einheilzeit von vier Monaten wurde eine Computerplanung mittels schablonennavigierter Implantologie umgesetzt und das Implantat mittels provisorischer Krone sofort versorgt. Nach weiteren sechs Monaten wurde das Implantat mit der definitiven Versorgung neuerlich evaluiert. Der PES wurde nun mit 11 bewertet. Das Ergebnis erfüllte zwar alle Anforderun- gen der Patientin, demgegenüber steht allerdings eine zwölfmonatige Therapiedauer mit drei chirurgischen Interventionen. Zusammenfassung Die oben angeführten Fälle sollen die Bandbreite von Traumen in der ästhetischen Zone verdeutlichen. Traumen in der Oberkieferfront müssen nicht zwangsläufig mit einem ästhetischen Problem enden, können dies aber sehr wohl. Generationen von Patienten mussten sich danach konventionellen Therapiemethoden zum Ersatz von Zähnen unterziehen, welche eventuell langwierig, unkomfortabel und im schlimmsten Fall noch unansehnlich waren. Die rasche und richtig durchgeführte Replantation von Zähnen ermöglicht meist K L I N I K & P RA X I S Zahn Krone 2/12 Fall 3: Replantation mit Ankylose und Augmentation mit Implantation: Abb. 14: Klinische Situation nach Ankylose von 11 Abb. 15: Volumentomographie des Zustandes nach Blockaugmentation in reg.11 Abb.16: Navigiertes Aufbereiten für ein Einzelzahnimplantat reg.11, Implantat in Endposition Abb. 17: Einbringen des definitiven Zirkonabutments den Erhalt eines vitalen Zahnes. Kommt es zur Ankylose oder zu Resorptionen, benötigt die implantologische Versorgung viel Zeit und Geduld sowohl vonseiten des Patienten als auch seines Behandlers. Sollte ein Verlust der bukkalen Lamelle ein Vorgehen mit Socket-PreservationTechnik notwendig machen, kann zumin- Abb. 18: Zustand ca. 9 Monate nach Implantation mit definitiver Versorgung dest ein Erhalt des Weichgewebsangebotes erzielt werden, wenngleich diese Technik noch nicht durch wissenschaftliche Facts eindeutig untermauert scheint. Durch die Sofortimplantation und Sofortversorgung mit Implantaten kann das Trauma kurzfristig, ohne Einschränkung der Lebensqualität und mit ästhetisch vorhersagbarem Erfolg versorgt werden. ■ Doz. Dr. Dieter Busenlechner Breitenfurter Straße 360-368/2/III, 1230 Wien 17