Daniel Skublics

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Daniel Skublics
Historische und natürliche Hochwasserretention entlang der bayerischen
Donau
Kurzfassung
Das Thema Hochwasserrückhalt durch natürliche Hochwasserretention wird nicht erst seit
dem Hochwasserereignis Anfang Juni 2013 lebhaft diskutiert. In der öffentlichen Meinung,
der Presse und in Stellungnahmen der Naturschutzverbände wird die Schuld an den
wiederkehrenden Hochwasserschäden durch Überschwemmungen oft in den flussbaulichen
Maßnahmen der letzten gut 200 Jahre gesucht (Süddeutsche Zeitung, 2013). Das
suggeriert, dass allein durch natürliche Hochwasserretention die Situation entscheidend
verbessert werden könnte.
Allein die Chroniken vergangener Hochwasserereignisse zeigen aber auf der einen Seite,
dass vor der Flusskorrektion und anderen flussbaulichen Maßnahmen schadenbringende
Überschwemmungen durch Hochwasser deutlich häufiger auftraten: „Bei Höchstett waren
die Felder bei 6‘ (Fuß) Pegel durch die Flut bedeckt, so daß in den 40er Jahren fast
alljährlich Steuernachlässe beantragt wurden“ (Kern-Kernried, 1874). Und auf der anderen
Seite, dass extreme Hochwasserereignisse auch vor den Korrektionsmaßnahmen zu
Katastrophen geführt haben: „In jener Zeit“ (im Jahr 1012) „trat die Donau in Bayern über
ihre Ufer und der Rhein ebenfalls. So kam eine unzählbare Menge Menschen und Vieh um,
und auch viele Gebäude und Wälder wurden durch die Gewalten der Fluten zerstört“
(Auszüge aus den Quellentexten zur Witterungsgeschichte von Weikinn zitiert nach LfU,
2008).
Am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München
wurden Untersuchungen durchgeführt, die einen Einblick in die Hochwassersituation vor den
Flusskorrektionen an der Donau geben. Es wurden ausgehend von 2d-hydrodynamischen
Modellen des Ist-Zustandes, hydrodynamische Modelle der Donau zwischen Neu-Ulm und
Straubing erstellt, die den Zustand der Donau um 1800 abbilden. Grundlage dafür waren
historische Karten von Adrian von Riedl (1808) und weitere historische Aufzeichnungen. Die
Modelle wurden mit Ganglinien der Hochwasserereignisse Mai 1999 und August 2005 und in
einen verkleinerten Untersuchungsabschnitt mit synthetischen Ganglinien unterschiedlicher
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Jährlichkeit beaufschlagt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden in Skublics et al.
(2009), Skublics und Rutschmann (under review) und Skublics und Rutschmann (in
preparation) veröffentlicht und sind im Folgenden kurz vorgestellt.
Trotz großer zusätzlich aktivierter Retentionsvolumina im historischen Zustand zeigen die
Simulationsergebnisse bei großen bis extremen Ereignissen keinen signifikanten Einfluss auf
die Höhe des Scheitelabflusses. Einige Konstellationen zeigen sogar höhere Abflussspitzen
im historischen Zustand verglichen mit dem Ist-Zustand. Nur statistisch häufige
Hochwasserereignisse werden im historischen Zustand stärker gedämpft. Die Verzögerung
des Hochwasserscheitels durch die historische Flusslandschaft entspricht dagegen den
allgemeinen Vorstellungen. Die Wirkung der Verzögerung der Hochwasserwelle lässt sich
allerdings schwer bewerten, da dadurch die Überlagerung der Hochwasserwelle mit
Abflüssen aus dem Zwischeneinzugsgebiet beeinflusst wird. In der folgenden Abbildung ist
beispielhaft die Auswirkung eines synthetischen 50-jährlichen Hochwassers in einem 80 km
langen Untersuchungsabschnitt dargestellt. Dargestellt sind die Überschwemmungsflächen
im Ist-Zustand und im historischen Zustand sowie die Zuflussganglinie und die
Abflussganglinien beider Zustände.
Ist-Zustand:
HQ_50 (NEUL)
Qmax,Zu = 1110 m³/s
Qmax,Ab = 878 m³/s
Historischer Zustand:
HQ_50 (NEUL) Qmax,Zu = 1110 m³/s
Qmax,Ab = 927 m³/s
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Durch die weitläufigen Ausuferungen im historischen Zustand werden in diesem Fall ca. 100
Mio. m³ Retentionsraum zusätzlich aktiviert. Dennoch ist der Hochwasserscheitel am
Modellauslauf im Ist-Zustand niedriger. Das liegt unter anderem daran, dass die heute noch
vorhandenen Retentionsvolumina erst bei höheren Abflüssen aktiviert werden und somit bei
Hochwasserereignisses hoher Jährlichkeit effektiver wirken.
Die Siedlung des Menschen an den Flüssen hat historische Gründe und hat zur
wirtschaftlichen
Entwicklung
dieser
Räume
beigetragen.
Durch
die
flussbaulichen
Maßnahmen der letzten 200 Jahre wurde das Auftreten von Überschwemmungen durch
Ausuferung verringert und die Prozesse natürlicher Hochwasserretention nachhaltig
verändert. Das führte aber an der bayerischen Donau für große bis extreme Ereignisse nicht
direkt zu einer Erhöhung der maximalen Abflüsse.
Autor
Daniel Skublics
Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft
Technische Universität München
Arcisstraße 21, D- 80333 München
[email protected]
Literatur
Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) Hrsg. (2008): Leben mit dem Fluss, Hochwasser
im Spiegel der Zeit, Augsburg.
Kern-Kernried, R. (1874): Die Correktion der Donau im Regierungs-Bezirke Schwaben &
Neuburg, Königreich Bayern, Dillingen 1874.
Riedl, A. (1808): Donaustrom von der Schwäbischen Gränze durch Baiern bis an die
Oesterreichische, aus Stromatlas von Baiern, München 1808.
Skublics, D.; Fischer, M.; Rutschmann, P. (2009): Numerical investigation on natural flood
retention at the Bavarian Danube, 33rd International Association of Hydraulic
Engineering & Research (IAHR) Congress. 9.-14 Aug 2009 Vancouver, Canada.
Skublics, D.; Rutschmann, P. (under review): Progress in Natural Flood Retention at the
Bavarian Danube, Natural Hazards, Springer.
Skublics, D.; Rutschmann, P. (in preparation): Hochwasserrückhalt durch natürliche
Hochwasserretention entlang der bayerischen Donau, WasserWirtschaft.
Süddeutsche Zeitung (2013): Interview: „gebt den Flüssen mehr Raum“, Beate Jessel
Bundesamt für Naturschutz, 13. Juni 2013.
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