12. April 2008 Ausgabe 8 87. Delegiertenversammlung des ÄKBV Münchner Ärztevertreter diskutieren über ÄKBV-Haushalt sowie über das „Ulmer Papier“ der Bundesärztekammer Am 3. April fand die erste Sitzung des Münchner Ärzteparlaments nach der Wahl des neuen ÄKBV-Vorstands am 31. Januar statt. Auf der Tagesordnung standen der Jahresabschluss 2007, der Haushaltsplan 2008, die Diskussion des Entwurfs des so genannten Ulmer Papiers, das die Bundesärztekammer auf dem Deutschen Ärztetag in Ulm verabschieden möchte, sowie ein Antrag zur Einrichtung eines Ausschusses zum Thema „Frühe Hilfen im Kindes- und Jugendalter“. Haushalt Als erstes inhaltliches Thema der 87. Delegiertenversammlung wurde der Prüfbericht zum Jahresabschluss 2007 vorgestellt. Nach einer rechtlichen Prüfung wird der Haushalt des ÄKBV immer auch einer Prüfung auf Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit unterzogen. Dafür bestellt der ÄKBV zwei Ärzte als Wirtschaftsprüfer. Einer von ihnen, der Internist Dr. Gerhart Tepohl, stellte der Delegiertenversammlung seine Einschätzung vor und empfahl eine Vorstandsentlastung. Nach wenigen Nachfragen und einer kurzen Diskussion stimmten die Delegierten der Entlastung der Geschäftsführung und des Vorstands für das Jahr 2007 zu. Ausführlicher diskutierte die Versammlung den Haushaltsplan 2008. Zunächst gab der 1. Vorsitzende des ÄKBV, Dr. Christoph Emminger, einen detaillierten Überblick über die einzelnen veranschlagten Haushaltsposten. In der anschließenden Debatte wurde gefordert, den Haushaltsplan so umzustrukturieren, dass deutlicher werde, was der ÄKBV konkret für seine Mitglieder tue. Verschiedene Delegierte sprachen sich für eine klarere Schwerpunktsetzung aus und plädierten dafür, die Haushaltsposten für zweckgebundene Mittel und für Öffentlichkeitsarbeit deutlich zu erhöhen.Einer solchen Erhöhung stimmte die Delegiertenversammlung bei nur wenigen Gegenstimmen und mehreren Enthaltungen mehrheitlich zu. Der gesamte Haushaltsvoranschlag wurde daraufhin bei lediglich einer Enthaltung und ohne Gegenstimmen verabschiedet. Im Rahmen der Haushaltsdebatte wurde des weiteren – auf Antrag des Delegierten Dr. Hans-Jörg Ebell – beschlossen, dass der ÄKBV München die finanziellen Mittel für eine Ausstellung zum 70. Jahrestag des Approbationsentzuges der jüdischen Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stellt. Nach einer Kostenschätzung werden dafür 8000 Euro benötigt. Dr. phil. Caroline Mayer Ulmer Papier Auf dem 110. Deutschen Ärztetag (DÄT) in Münster wurde die Bundesärztekammer (BÄK) durch einen Beschluss des Ärzteparlaments beauftragt, „ein aktuelles gesundheitspolitisches Programm zu entwickeln, das dem 111. Deutschen Ärztetag in Ulm zur Verabschiedung vorgelegt werden soll“. Als Antwort darauf hat die BÄK ein so genanntes „Ulmer Papier“ entworfen, von dem bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits vier Überarbeitungen vorliegen. Der Bayerische Ärztetag, der am 19. 4. in München stattfindet, wird sich zentral mit diesem Papier befassen. Auch die Delegiertenversammlung des ÄKBV widmete dem Thema „Ulmer Papier“ einen Tagesordnungspunkt. Nachdem der 1. Vorsitzende, Dr. Christoph Emminger, in den Münchner Ärztlichen Anzeigen (siehe MÄA 7 vom 29. März, S. 3/4) bereits einen Kommentar zu diesem Papier verfasst hatte, erläuterte der Leiter der Delegiertenversammlung, Dr. Peter Scholze, in einer kurzen Einführung die wesentlichen Punkte des Papiers. Inhaltlich setzt sich das Ulmer Papier aus fünf Blöcken zusammen: – Prolog: Patient und Arzt im Gesundheitswesen – Eckpunkte zur Sicherstellung einer patientenorientierten Gesundheitsversorgung – Teil A – Versorgung – Teil B – Finanzierung – Positionen zum Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen. Die zentralen Themen des A-Teils sind „Rahmenbedingungen“ (Rolle von Staat, Markt und Selbstverwaltung), „Versorgungsbedarf“ (Neue Prioritäten zum Abbau von Unterversorgung) , „Versorgungsstrukturen“ und „Qualität“. Diese zentralen Themen untergliedern sich noch einmal in zahlreiche Unterthemen, zu denen allgemeine Thesen und Forderungen formuliert werden. Insgesamt ist das Papier 88 Seiten lang. Wie schon Dr. Emminger in seinem MÄA-Kommentar äußerten sich mehrere Delegierte kritisch zu dem Entwurf der Bundesärztekammer. Kritisiert wurde vor allem die „Inflation von Versionen“, die Länge, die Methodik und die Sprache des Papiers.Es sei nicht klar,wer damit angesprochen werden solle. Damit das Ulmer Papier nicht ungelesen und ohne öffentliche Wirkung in den Schubladen verschwinde, müsse die Vorgehensweise bei der Erarbeitung des Programms verändert werden. Zwar seien die bisherigen Versionen eine gute Stoffsammlung zur derzeitigen Situation des Gesundheitssystems, der aktuelle Entwurf werde aber dem selbst gesetzten Anspruch nicht gerecht, ein allumfassendes aktuelles gesundheitspolitisches Programm zu formulieren, das eine hohe Akzeptanz bei allen Ärzten hat. Dieses Ziel sei wahrscheinlich zu hoch gesteckt und führe zwangsläufig zu sehr allgemeinen und wenig aussagekräftigen Formulierungen. Einige Delegierte kritisierten, innerärztliche Konflikte würden in dem Papier durch eine allgemeine „Konsenssoße“ zugedeckt. Es sei aber wichtig, die Positionen der einzelnen Berufsgruppen klarzustellen und dann zu versuchen, die Einzelpositionen konsensfähig zusammenzutragen. Am Ende der Diskussion verabschiedeten die Delegierten einen Beschluss, in dem gefordert wird, das Vorgehen beim Erarbeiten des Ulmer Papiers in folgender Weise zu verändern: Auf Grund- 3 münchner ärztliche anzeigen lage der bisher erarbeiteten Versionen des Ulmer Papiers sollen Themen zu Gruppen zusammengefasst und priorisiert werden. Diese Themengruppen sollen anschließend in thematisch zusammenhängenden Modulen erarbeitet werden. Nachdem diese Module einzeln vom Ärztetag abgestimmt und beschlossen worden sind, sollen sie in ein gesundheitspolitisches Programm eingearbeitet werden. Der vollständige Beschluss ist am Ende dieses Artikels abgedruckt (siehe Kasten unten). Einrichtung eines Ausschusses „Frühe Hilfen im Kinder- und Jugendalter“ Auf Antrag der Delegierten Dr. Hermann Gloning und Dr. Nikolaus Weissenrieder beschloss die Delegiertenversammlung einen Ausschuss zum Thema „Frühe Hilfen im Kinder- und Jugendalter“ einzurich- ten, der sich mit den Problemen bei Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen befassen soll. Der Ausschuss soll unter anderem Ärzte zu den genannten Themen informieren (z. B. über Veröffentlichungen in den MÄA), Hilfestellung bei der Definition von Vernachlässigung und Missbrauch leisten, eine Fortbildungsveranstaltung vorbereiten, mit den Kinderschutzgruppen der Kinderkliniken Münchens zusammenarbeiten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kinderund Jugendärzten, Kinder- und Jugendpsychiatern, stationären Kinderchirurgen, Hausärzten sowie Psychotherapeuten fördern. Der Ausschuss wird für die Dauer von zwei Jahren eingerichtet, wobei vier bis sechs Sitzungstermine pro Jahr geplant sind. Als Ausschussmitglieder wurden fol- gende Delegierte benannt: Dr. Hermann Gloning, Dr. Nikolaus Weissenrieder, Dr. Sibille von Bibra, Dr. Stephan Böse O’Reilly, Dr. Edwin Fischer, Prof. Dr. Rainer Grantzow, Dr. Irmgard Pfaffinger, Dr. Andrea Sika, Dr. Marcus Benz und Dr. Hortensia Pfannenstiel. Verschiedenes Ein Antrag des Delegierten Dr. Stephan Böse-O’Reilly auf die Einrichtung eines Ausschusses „Gesundheit und Umwelt“ wurde auf die nächste Delegiertenversammlung verschoben, da den Delegierten der Antrag nicht umgedruckt vorlag. Ein Antrag von Dr. Eugen Allwein zum Thema Rücküberweisung von Patienten aus dem stationären in den ambulanten Sektor, wenn diese eine teure Untersuchung benötigen, wurde an den Vorstand überwiesen. Caroline Mayer Ulmer Papier: Beschluss der 87. Delegiertenversammlung des ÄKBV München am 3. April 2008 Die DV des ÄKBV München unterstützt die Bemühungen von Präsidium und Vorstand der Bundesärztekammer, ein aktuelles gesundheitspolitisches Programm dem 111. Deutschen Ärztetag in Ulm zur Verabschiedung vorzulegen. Die Ärzteschaft ist gut beraten, Grundpositionen bezüglich der ärztlichen Tätigkeit, unseres Selbstverständnisses und der erforderlichen Rahmenbedingungen gemeinsam zu erarbeiten und zu formulieren. Gründe hierfür sind: – die gravierenden demographischen, politischen und ökonomischen Veränderungen – die ungeheure Dynamik innerhalb der Medizin und des Medizinischen Fortschrittes und – die Kritik von aussen an der Ärzteschaft einerseits und andererseits die Spannungen und Konflikte innerhalb der Ärzteschaft selbst. Die in der Vorbereitung der Ärztetage in Umlauf gebrachten Versionen 4.0 und 5.0 des so genannten Ulmer Papiers stellen nach Ansicht der Delegierten des ÄKBV hierzu eine nützliche Stoffsammlung dar, die an vielen Stellen noch zu ergänzen sind. Die DV des ÄKBV fordert ihre Vertreter auf dem Bayerischen und dem Deutschen Ärztetag auf, darauf hinzuwirken, dass folgende Grundsätze bei der Erarbeitung eines aktuellen gesundheitspolitischen Programms der deutschen Ärzteschaft beachtet werden. 1. Die Aussagen erfordern einen breiten Konsens innerhalb der Ärzteschaft und 4 eine hohe Akzeptanz bei allen Ärzten. Sie müssen eine nachhaltige Wirkung nach innen wie nach aussen entfalten können. 2. Es muss klar erkennbar sein, wer mit diesem Programm angesprochen werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein gesundheitspolitisches Programm, welches die aktuellen Probleme umfassend beschreibt und ggf. Lösungsansätze anbieten will, möglicherweise in den einzelnen Teilen unterschiedliche Zielgruppen ansprechen muss. 3. Auf der Grundlage der vorgelegten Versionen 4.0 und 5.0 (und ggf. weiterer Versionen) müssen Themen zu Gruppen zusammengefasst und priorisiert werden, um anschließend in thematisch zusammenhängenden Einzelkapiteln (Modulen) erarbeitet, beschlossen und in ein gesundheitspolitisches Programm eingefügt werden. Das Arbeiten mit Modulen würde u. a. die Chance eröffnen, auf sich dynamisch verändernde Rahmenbedingungen zeitnah und adäquat reagieren zu können. 4. Für die Module bietet sich eine (unvollständige, nicht priorisierte) Auswahl folgender Themen an: – Die Rolle des Arztes in der Gesellschaft, Ärzte als Anwälte der Patienteninteressen, Patienten-Arztverhältnis, Konflikt zwischen Individualund Kollektivinteressen, ärztliches Selbstverständnis im Wandel, ärztliche Selbstverwaltung und Körperschaften. – Herausforderungen der demographischen und ökonomischen Entwicklung, veränderter Versorgungsbedarf, Konflikt zwischen Ethik und Monetik, Fragen der Finanzierung unseres Gesundheitswesens, der ärztliche Beruf als freier Beruf, leistungsorientierte Vergütung. – Organisations- und Strukturfragen der Medizinischen Versorgung, Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen, sektorale Gliederung der ärztlichen Versorgung (ambulante, fach-, hausärztliche Versorgung, klinische Versorgung, Sektoren-Überschreitungen. – Qualität und Qualifikation, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Qualitätssicherung, Fragen des Wettbewerbs im Gesundheitswesen, Förderung und Sicherung des ärztlichen Nachwuchses. – Ethische Fragen in der Medizin, des ärztlichen Berufes, ärztliche Verantwortung zu Beginn und zum Ende menschlichen Lebens, Umgang mit innerärztlichen Konflikten, Lösungsansätze, Umgang mit der Informationstechnologie. Ein gesundheitspolitisches Programm, das von einer breiten Mehrheit der Ärzteschaft gestaltet, akzeptiert und getragen wird, entfaltet nachhaltige Wirkung nach innen und nach aussen und wird ein wichtiger Schritt sein, von aussen herangetragene Versuche der Spaltung der Ärzteschaft erfolgreich abzuwehren.