2 Schule Fürs Leben lernen Mit einer guten Ausbildung stehen alle Türen offen. Mittwoch, 27. April 2016 | Nr. 17 Das „Ü“ ist nicht einfach Mit den Münchner Wochenanzeigern Deutsch lernen und in Arbeit finden München · Die Münchner Wochenanzeiger beschäftigen Hunderte von Zustellern – eine Möglichkeit für Flüchtlinge, Alltag und Arbeitsleben in ihrer neuen Heimat kennenzulernen. Es ist ein Gewinn für beide Seiten: Der Verlag findet zuverlässige Zusteller, die Flüchtlinge können erste Erfahrungen im Arbeitsleben bei uns sammeln. Weil den meisten von ihnen Deutschkenntnisse fehlen, bieten ihnen die Münchner Wochenanzeiger Deutschkurse an. Eine Handvoll junger Leute aus Pakistan, Nigeria und anderen Ländern trifft sich jede Woche mit Tania Tavernese zur „Deutschstunde“ – die momentan oft noch eine „Englischstunde“ ist. Diese Sprache benutzten alle, so dass die ersten gemeinsamen Schritte auf Englisch gegangen werden. „Ich versuche aber, immer mehr Standardfloskeln wie ‘Bis nächsten Montag’, ‘Bitte die Handys weg’, ‘Lies bitte vor’ auf Deutsch einzubringen“, sagt Tavernese. Ihr geht es um Praxis: „Einfach reinspringen“ nennt sie das. Alltagstaugliches Reden, gängige Redewendungen, „Zusteller-Deutsch“ übt sie mit den Neuankömmlingen: Eben alles, was man braucht, wenn man sich in einer Stadt bewegen will. Wissbegierig und hochmotiviert Ihre Schüler erlebe sie wissbegierig und hochmotiviert, so Tavernese, „denn sie wollen ja mit der Firma zusammenarbeiten, da ist sehr viel Ernsthaftigkeit dabei“. Aber auch viele Fragen, die die Flüchtlinge endlich stellen können: Wann etwa sagt man „Tut mir leid“ und wann besser „Entschuldigung“? Die Antwort fällt auch manchem Einheimischen nicht leicht. Oder: Was ist der Unterschied zwischen „mögen“ und „möchte“? Solche Dinge wollen die Kursteilnehmer, die seit einigen Monaten im Land sind, geklärt haben, erzählt Tavernese. „Ich habe selbst einige Sprachen gelernt“, meint sie, „ich kann nachvollziehen, wie es ist, wenn man fremd vor einer neuen Sprache steht und sich da erst einmal hineinfinden muss“. Da sie zudem in der Entwicklungshilfe in Mozambique tätig gewesen ist, sind ihr viele soziale und kulturelle Gegebenheiten in der Heimat ihrer derzeitigen Schüler vertraut. Tania Tavarnese geht auf die Fragen der Neuankömmlinge intensiv ein. Bild: job haben auf ihrer Flucht vieles erlebt, über das sie nicht sprechen. Manchmal sind es scheinbare Kleinigkeiten, die die Last erahnen lassen, die sie mit sich tragen. Tavernese bemerkt, dass eine Schülerin schlecht wahrnimmt, was sie zeigt. „Sie hat auf dem Boot Benzin ins Auge bekommen“, stellt sich heraus. Wie in anderen Sprachkursen gibt es unter den Teilnehmern unterschiedliche Lerntypen. Beim Wochenanzeiger-Kurs kommt deren unterschiedliche Vorbildung und Herkunft dazu. „Ich habe hier Studenten, die schon mit Sprachen zu tun hatten“, berichtet Tavernese, „aber auch Teilnehmer, die kaum Grundkenntnisse von Grammatik haben. Es ist schon schwierig, das zusammenzubringen.“ Ein „normaler“ Unterricht, in dem nach strengen Vorgaben Grammatikregeln erklärt und Vokabeln gepaukt werden, ist hier nicht möglich. „Man muss viel improvisieren und auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Grundvoraussetzungen flexibel eingehen“, meint Tania Tavarnese. Sie hat ihre eigenen Methoden, darauf einzugehen und die Gruppe zusammenzuführen. Sie hat Gesang studiert, sie setzt viele Gesten und Hörtechniken ein. Das hilft. Sogar bei den schwierigen deutschen Lauten wie dem Ü. So werden aus Flüchtlingen Schritt für Schritt Mitarbeiter. job Man muss viel improvisieren Dennoch ist der Wochenanzeiger-Kurs für sie eine ganz neue Erfahrung. „Es ist nicht leicht, sich nicht von Empathie überwältigen zu lassen“, meint die Deutschlehrerin. Die Menschen, De W-Wörter haben es in sich. Die künftigen Mitarbeiter üben die in der kleinen Runde mit „Wer“- und „Wo“-Sätze und versuchen, Deutsch und Englisch ausBild: job ihr die fremde Sprache lernen, einanderzuhalten.