Künstliche Intelligenz wird das All erobern

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Zukunftsforschung
Künstliche Intelligenz wird das All erobern
Samstag, 06.02.2016 – 16:26 Uhr, ein Interview von Christian Stöcker
REUTERS
Mars-Rover Curiosity (Selbstporträt): "Der Asteroidengürtel ist voller Material für selbstreplizierende Roboterfabriken"
Er hat keine Angst vor superintelligenten Maschinen - Jürgen Schmidhuber ist einer der führenden Forscher in Sachen künstliche Intelligenz. Hier erklärt er seine Zuversicht - und warum das All für Roboter
gemacht ist.
Künstliche Intelligenz (KI) macht derzeit rasante Fortschritte: Googles Tochterfirma Deepmind etwa hat gerade ein System vorgestellt, das menschliche Profis
im Spiel Go schlagen kann, was lange als unmöglich galt. Gleichzeitig warnen
Prominente wie der Physiker Stephen Hawking oder Tesla-Gründer Elon Musk
vor den Gefahren einer "Superintelligenz", wie der Oxford-Philosoph Nick
Bostrom so eine übermenschliche KI nennt.
Möglich sind die rasanten Fortschritte dank des Wachstums von Rechenleistung
und Speicherkapazität, aber auch dank immer besserer Algorithmen. Eine zentrale Rolle spielen auch künstliche neuronale Netze, digitale Konstrukte, die grob
der Morphologie menschlicher Gehirne nachempfunden sind. Solche Netzwerke
sind lernfähig und schon jetzt vielerorts im Einsatz, von der Sprach- und Bilderkennung bis hin zu automatischen Übersetzungen.
Einer der Pioniere und weltweit führenden Forscher in diesem Bereich ist der
deutsche Informatiker Jürgen Schmidhuber, heute einer der Leiter des Schweizer KI-Forschungsinstituts IDSIA. Die Arbeiten seiner Forscherteams zu künstlichen neuronalen Netzen revolutionierten unter anderem Handschrifterkennung,
Spracherkennung, maschinelle Übersetzung und automatische Bildbeschreibung, sie können beispielsweise bei der Krebsfrüherkennung helfen.
Heute werden sie von Firmen wie Google, Microsoft, IBM und Baidu eingesetzt.
Ehemalige Schmidhuber-Doktoranden gehören zu den ersten Mitarbeitern des
von Google aufgekauften KI-Unternehmens Deepmind.
Hubert Burda Media
Jürgen Schmidhuber, Jahrgang 1963, will schon seit seiner Kindheit eine sich
selbst verbessernde künstliche Intelligenz bauen, die klüger ist als er selbst.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben bei einem Vortrag kürzlich gesagt, Menschen
werden bald nicht mehr die intelligentesten Wesen auf dem Planeten sein, weil
die KIs sie überholen werden. Macht ihnen das keine Angst?
Schmidhuber: Nein. Mehr Angst habe ich vor anderen Menschen, die mir ähnlich sind, und daher ähnliche Ziele haben, und damit vielleicht auch einen
Grund, sich mit mir zu streiten.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben einen Aufruf unterzeichnet, in dem vor solchen
autonomen Waffen gewarnt wird.
Schmidhuber: Ja, doch die scheinen unaufhaltsam. Natürlich wird KI auch
vom Militär eingesetzt. Jeder General, der weiß, dass sich selbstfahrende Autos
auch als halbwegs intelligente Minensucher verwenden lassen, wird nicht mehr
das Leben seiner Soldaten riskieren wollen, sondern lieber solche Maschinen
einsetzen.
Das ist jedoch harmlos im Vergleich zur gut 60 Jahre alten Technologie der
Wasserstoffbomben. Eine davon hat mehr Zerstörungskraft als alle Waffen des
2. Weltkriegs zusammen, ganz ohne KI. Was braucht eine militärische Supermacht? Wasserstoffbomben und Interkontinentalraketen, um sie innerhalb von
ein bis zwei Stunden zu jedem Punkt der Erde zu transportieren. Wer das kann,
ist militärisch unantastbar. Leute mit einem Finger am Drücker von 7000 Wasserstoffbomben erscheinen mir viel gefährlicher als KIs.
SPIEGEL ONLINE: Aber was ist, wenn die KI am Ende über den Einsatz der
Wasserstoffbomben entscheidet, wie im Film "War Games"?
ddp images
"War Games" (1983): Großrechner gebietet über Atomwaffen
Schmidhuber: Ich merke schon, Sie wollen mit mir heute nicht darüber reden,
wie unsere KIs und künstlichen neuronalen Netze aktuell bereits Milliarden
Menschen helfen können, etwa durch klügere Smartphones und automatische
Krebsfrüherkennung; Sie interessieren sich mehr für mögliche Gefahren der
ferneren Zukunft. Na gut. Im "War Games"-Szenario wäre einiges schiefgelaufen. Sie werden einer KI, mit der Sie wenig Erfahrung haben, kaum ein Atomkraftwerk anvertrauen, sondern lieber einem Menschen. Aber nicht mal bei dem
können Sie sicher sein, dass seine Frau ihn nicht morgen verlässt, er wahnsinnig wird und entscheidet: "Jetzt lasse ich mein Kernkraftwerk hochgehen und
nehme noch ein paar mit." Ebenso wenig, wie man beweisen kann, dass ein
Mensch niemals einen katastrophalen Fehler machen wird, kann man es bei
hinreichend komplexen Systemen.
SPIEGEL ONLINE: Gerade das klingt doch sehr beunruhigend.
Schmidhuber: Aber nicht beunruhigender als das, was wir sowieso schon vom
Menschen kennen. Wie gesagt, ein gewisser langfristiger Schutz besteht eher
darin, dass Konflikte aus gemeinsamen Zielen erwachsen. Wer teilt Ihre Ziele?
Vor allem andere Menschen.
Weniger die KIs, die sich im Sonnensystem mit seinen gigantischen bisher ungenutzten Ressourcen ausbreiten werden und vielleicht nur peripher an der
winzigen Biosphäre interessiert sind, deren Sauerstoff Roboter rosten lässt. Die
superklugen KIs der Zukunft werden sich vor allem für andere superkluge KIs
interessieren und weniger für Menschen und Frösche. Menschen interessieren
sich ja auch mehr für andere Menschen als für Frösche.
Künstliche Intelligenz im Kino: Gnadenlose Schaltkreise
SPIEGEL ONLINE: Sie selbst sprechen manchmal vom "künstlichen Wissenschaftler" ...
Schmidhuber: Tatsächlich können wir schon künstliche Wissenschaftler der
rudimentären Sorte bauen. Die haben ein lernendes Weltmodell, versuchen
vorherzusagen, was passiert, wenn sie dies oder jenes tun, versuchen, die Daten, die sie dabei erfassen, zu komprimieren, so wie Einstein, Newton oder
Kepler das erfolgreich betrieben haben durch das Entdecken einfacher mathematischer Naturgesetze. Das künstliche neuronale Netzwerk das die Experimente erfindet, die zu Daten führen, aus denen man was lernen kann, bekommt dafür interne Belohnungen, motivierende Freudensignale, die es versucht zu maximieren. Der Wunsch nach Selbstständigkeit ist damit schon ins
System eingebaut - es setzt sich bis zu einem gewissen Grade seine eigenen
Ziele, wie ein Kind, hat also schon eine gewisse Freiheit. Wir sprechen auch von
artificial curiosity, künstlicher Neugier.
AFP
Laborratte: Interessante Experimente - an Menschen?
SPIEGEL ONLINE: Nehmen wir mal an, wir haben jetzt so neugierige KIs. Eine davon stellt fest, dass wir gerade dabei sind, die Biosphäre zu zerstören.
Was, wenn die KI entscheidet, dass man uns dringend aufhalten muss?
Schmidhuber: Wenn wir schon wild spekulieren: Eine solche wohlmeinende
KI, die das Leben erforscht, wird wohl auch höchst interessiert sein an der
durch Menschen geprägten Übergangsphase vom nicht so intelligenten Leben
hin zur KI selbst. Sie wird verstehen wollen, wie menschliche Gesellschaften
funktionieren: Was treibt die an? Wie schuf ihre technologische Zivilisation
schließlich die ersten KIs? Ich kann nicht sehen, welches Motiv ein vernünftiger
- unter Umständen auch künstlicher - Wissenschaftler haben könnte, Vertreter
dieses hochinteressanten Teils seiner Geschichte zu eliminieren, so wie in gewissen Schwarzenegger-Filmen.
SPIEGEL ONLINE: Wir Menschen tun unseren Forschungsobjekten, etwa Laborratten, ja zum Teil brutale Dinge an. Was, wenn die KI auch lauter aus ihrer
Sicht interessante Experimente mit Menschen macht?
dpa
Ebola-Virus: Schädliche Lebewesen absichtlich ausrotten?
Schmidhuber: Es gibt etliche menschliche Wissenschaftler, die anderen Tieren
Qualen zufügen, um herauszufinden, wie die funktionieren. Das ist bedenklich.
Aber zumindest will kaum ein Mensch bewusst ganze Arten ausrotten, abgesehen von Krankheitserregern. Ist es gerechtfertigt, das Ebola-Virus zu eliminieren, eines der wenigen wirklich bedrohlichen nicht menschlichen Wesen, mit
denen wir einen krassen Zielkonflikt haben? In der langen Evolutionsgeschichte
wurden immer wieder Lebensformen durch andere ersetzt. Vorherrschende
Wertvorstellungen haben sich dabei oft gewandelt. Vor langer Zeit gab es viele
Methan atmende Bakterien. Wir denken heute, es war gut, dass sich die Sauerstoffatmer durchgesetzt haben, aber was würden die Methanatmer dazu sagen?
SPIEGEL ONLINE: Oder aus der Sicht von Geschöpfen, für die, wie sie es vorhin angesprochen haben, die Atmosphäre der Erde eher ein Hindernis darstellt?
Die der Meinung sind, es wäre schöner, wenn die Erde ein schönes Vakuum
hätte, weil man dann kein Problem mit Rost hat?
Schmidhuber: Man könnte schon naive Science-Fiction-Romane dieser Art
schreiben. Aber es gibt ja bereits eine Menge Vakuum da draußen, da braucht
es nicht noch mehr, und vermutlich gibt es für KIs Millionen Beweggründe, so
eine hochinteressante, komplexe Biosphäre wie die unsere - die einzige, von
der wir bislang wissen - zu erhalten. Menschen finden Naturschutzgebiete ja
auch gut.
"Culture"-Roman von Iain M. Banks: Wohlmeinende Künstliche Intelligenzen
SPIEGEL ONLINE: Wohlmeindende KIs, die sich um die Menschheit kümmern,
das klingt sehr nach den "Culture"-Romanen des verstorbenen Schriftstellers
Iain M. Banks. Eine in einem paradiesischen Zustand lebende, über das Universum verteilte Menschheit und gütige KIs, die im Hintergrund die Fäden ziehen?
Schmidhuber: Banks und früher schon viele andere haben hierzu interessante
Geschichten geschrieben. Die meisten setzen leider die bekannte Physik außer
Kraft. Da gibt es Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit und so weiter. Aus dramaturgischer Sicht sind die zwar wünschenswert für kurzlebige Menschen. Aber
der Weltraum ist nicht für Menschen gemacht, sondern für entsprechend konstruierte Roboter, die sich dort wohlfühlen. Der Asteroidengürtel etwa ist voller
Material für Milliarden selbst replizierender Roboterfabriken.
ddp images/ Paramount/ INTERTOPICS/ mptv
"Raumschiff Enterprise": Die KI braucht keinen Warp-Antrieb
SPIEGEL ONLINE: Künstliche Intelligenz, die Weltraumroboter einsetzt?
Schmidhuber: Klar, denn fast alle Ressourcen in Form von Energie und Materie befinden sich dort draußen. KIs werden vielleicht innerhalb weniger Millionen Jahre die ganze Milchstraße auf recht konventionelle Weise kolonisieren, im
Rahmen dessen, was mit heute bereits absehbaren Technologien physikalisch
möglich ist, sagen wir, mit einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit, zum Beispiel durch lasergetriebene Lichtsegel. Wenn eine selbst replizierende Roboterfabrik mal den großen Sprung zum nächsten Stern geschafft hat, kann sie in
dessen Asteroidengürtel anfangen, die Infrastruktur zu schaffen, die man
braucht, um wirklich elegant zu reisen.
SPIEGEL ONLINE: Elegant zu reisen?
Schmidhuber: Per Radio, mit Lichtgeschwindigkeit. Eine KI, die was auf sich
hält, reist natürlich per Funk von einem Sonnensystem zum nächsten, und wird
dort wieder zusammengebaut. Wie lange wird es dauern, bis die ganze Galaxis
mit entsprechenden Empfangsstationen voll ist? Vielleicht kaum zehn Millionen
Jahre, ein kleiner Bruchteil des galaktischen Jahres.
SPIEGEL ONLINE: Die KI braucht also keinen Warp-Antrieb?
Schmidhuber: Keineswegs. Warpdrive, Hypersprung und so weiter, das ist
menschliches Wunschdenken der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Isaac
Asimovs galaktisches Imperium beruhte darauf, und ich verstehe auch jeden
menschenzentrierten Science-Fiction-Autor, der sich so etwas wünscht, aber es
ist nun einmal so unrealistisch. Die wahre Zukunft im Weltraum gehört nicht
den Menschen, sondern der künstlichen Intelligenz. Sehen wir die Menschheit
als bedeutende Stufe für den nächsten Schritt des Universums hin zu immer
unfassbarerer Komplexität.
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Corbis
Künstliche Intelligenz: Furchtbar schlau - oder furchtbar niedlich
Künstliche Intelligenz
Mensch gegen Maschine live
Das Google-Programm AlphaGo stellt sich der direkten Auseinandersetzung mit dem weltbesten Go-Spieler. Der Match der Software gegen Lee Sedol soll live übertragen werden.
Das Preisgeld beträgt eine Million Dollar.
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5.2.2016, 15:28 Uhr
Google wird das Duell des weltbesten Go-Spielers Lee Sedol gegen seine Software live übertragen. Die fünf Partien vom 9. bis 15. März in Seoul sollen bei
der Videoplattform YouTube gestreamt werden, kündigte Demis Hassabis, der
führende Entwickler des Google-Programms AlphaGo an.
Meilenstein für die künstliche Intelligenz: Die Software hatte im Oktober in allen
fünf Spielen den Europameister Fan Hui geschlagen, wie erst kürzlich bekannt wurde. Es
war ein Meilenstein für die Entwicklung künstlicher Intelligenz. Das alte chinenische Spiel
Go, bei dem abwechselnd weisse und schwarze Steine auf einem Brett platziert werden, galt
bisher als zu komplex für Computer.
Die ultimative Herausforderung: Hassabis' Firma Deep Mind, die seit zwei Jahren zu
Google gehört, ging das Problem mit Hilfe sogenannter neuronaler Netzwerke an. Sie haben Millionen Verbindungen ähnlich wie bei Nervenzellen. Die Software sagt die wahrscheinlichsten Züge des menschlichen Gegenspielers vorher stellt sich darauf ein.
Lee Sedol gilt als der beste Go-Spieler der Gegenwart und damit als ultimative Herausforderung für AlphaGo. Er zeigte sich zuversichtlich, die Maschine - zumindest noch - schlagen zu können. Bei dem Match werde es ein Preisgeld von einer Million Dollar geben,
schrieb Hassabis am späten Donnerstag bei Twitter.
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