Auswirkungen behördlicher Regulierungen auf die Dokumentation in der Medizintechnik Ende 2012 hat die EU-Kommission zusammen mit dem Europaparlament eine neue Medizinprodukteverordnung (MDR) vorgeschlagen, die derzeit im finalen Abstimmungsprozess ist. Diese Novelle schreibt explizit die Mehrsprachigkeit und Verständlichkeit von Dokumentationen vor, sodass viele Medizintechnikunternehmen ihre bisherigen Redaktionsprozesse umstrukturieren und sich zwangsläufig mit dem Thema Übersetzung und Übersetzungsmanagement auseinandersetzen müssen. Dieses White Paper fasst die Änderungen zusammen und stellt dar, wie Unternehmen ihre Abläufe auf die künftigen Regularien abstimmen können. 1 Auswirkungen behördlicher Regulierungen auf die Dokumentation | 2013 Inhalt Voraussichtliche Änderungen ....................................... Seite 2 Die wichtigsten Änderungen im Überblick ....................................... Seite 2 Auswirkungen auf die Dokumentation ....................................... Seite 3 Übersetzen mit Unterstützung eines Translation-Management-Systems ....................................... Seite 3 Fazit ....................................... Seite 5 Auswirkungen behördlicher Regulierungen auf die Dokumentation | 2013 2 Aktuelle Richtlinien und Regularien für die Medizintechnik Die Dokumentation im Bereich Medizintechnik wird durch eine Reihe von Richtlinien und Gesetzen reguliert. Insbesondere die Umsetzung der MDD ins deutsche Recht – das Medizinproduktegesetz – sowie die ähnliche Umsetzung bzgl. invitro-Diagnostika und aktiv implantierbarer Medizinprodukte bilden derzeit den Regulierungsrahmen. Die CE-Richtlinie hat ebenso Auswirkungen auf die Dokumentation wie auch die erst kürzlich modifizierte Norm IEC 60601, die derzeit in der dritten Fassung gültig ist. Darüber hinaus bilden die ISO 13485 und die ISO 9001 einen rechtlich bindenden Rahmen. lichkeit der Dokumentation zwar zwischen „intended user“, Patient und Regulierungsbehörde unterschieden, jedoch in jedem Fall eine klare, einfach verständliche Formulierung genutzt werden, um eine korrekte und sichere Bedienung zu gewährleisten. Dies betrifft die Produktinformationen sowie die Dokumentation klinischer Studien. Die wichtigsten Änderungen im Überblick »» Verpflichtung des Herstellers Alle Richtlinien, die die Technische Dokumentation im AllgeVoraussichtliche Änderungen meinen betreffen, werden mit der MDR in einem separaten Anhang (Annex II) definiert, was die Relevanz dieses Themas Im Unterschied zu den derzeit noch gültigen Regelungen noch einmal verdeutlicht. Hier wird unter anderem festgelegt, wird sich die neue Fassung der MDR stärker an die ame- in welcher Art und Weise die Dokumentation aufgebaut sein rikanischen Regularien der FDA annähern. Zunächst ist es soll. Dabei müssen alle Informationen vom Hersteller geliewichtig zu wissen, dass es sich bei der MDR (Medical De- fert werden, da er selbst für die Korrektheit verantwortlich vices Regulation) um eine Verordnung und nicht wie bisher zeichnet und rechtlich haftend ist. um eine Richtlinie (Medical Devices Directive) handelt. Nach Beschluss der MDR gilt diese unmittelbar in allen EU-LänManufacturers shall draw up the technical docudern, da sie keiner Umsetzung in nationales Recht bedarf. mentation which shall allow assessment of the conformity of the device with the requirements Die wichtigste Motivation für diesen Vorschlag ist natürlich of this Regulation. The technical documentation die Gesundheit des Patienten. Während der gesamten Entshall include the elements set out in Annex II. wicklung bis hin zur Vermarktung eines neuen medizintechnischen Geräts sollen deshalb alle schriftlichen Informationen Quelle: http://ec.europa.eu/health/medical-devices/ gespeichert werden. Besonderes Augenmerk ist in diesem files/revision_docs/proposal_2012_542_en.pdf Zusammenhang auf die deutlichere Regelung der Technischen Dokumentation in einem separaten Anhang (Anhang »»Aufbewahrung II) der MDR zu legen. Während gerade bei Medizinprodukten, Die jeweils aktuelle Dokumentation muss für die benannten die nur durch den „intended user“ genutzt werden, bisher Stellen zukünftig permanent zugänglich sein. Darüber hinaus ein größerer Freiraum bzgl. der Abfassung der Technischen müssen Hersteller alle Unterlagen zu medizintechnischen Dokumentation gegeben ist, wird die neue MDR hier enge Geräten deutlich länger aufbewahren. Betrug die Frist bisher Regularien aufweisen. Außerdem soll bzgl. der Verständ- fünf Jahre, so wird im Vorschlag zur MDR formuliert: 3 Auswirkungen behördlicher Regulierungen auf die Dokumentation | 2013 For a period at least equivalent to the lifetime of the medical device as defined by the manufacturer, but not less than 10 years from the date of product release by the manufacturer, keep at the disposal of the competent authorities. Auswirkungen auf die Dokumentation Die neue Medizinprodukteverordnung hat somit erhebliche Auswirkungen auf die Dokumentation. Dieser muss künftig wesentlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, da sie für alle Beteiligten – Behörden, medizinisches Fachpersonal und Patienten – verständlich sein muss. Bis heute genügte »» Verständlichkeit Alle Informationen müssen leicht verständlich sein und im es für viele medizinische Geräte, eine für Fachleute akzeptaFall der Prüfung auf Anfrage in mehreren Sprachen vorliegen. ble Dokumentation zu erstellen. Das bedeutet, wenn davon auszugehen ist, dass z.B. Englisch verstanden wird, keine Für die Zulassungsbehörden: weitere Übersetzung notwendig ist. Die neue Verordnung besagt allerdings, dass die Dokumentation in allen Landes… in an official Union language which can be sprachen der Zielmärkte verfügbar sein muss. Für Risikoeasily understood by that authority. klasse III und Implantate muss auf klinische Studien im Zu… Upon request by the Commission, those docusammenhang mit dem jeweiligen Gerät zumindest verwiesen ments shall be submitted by the authority in up to werden, auf Anfrage müssen die Studien jedoch verfügbar three official Union languages. sein. Darüber hinaus müssen alle Unterlagen vom Hersteller bereitgestellt werden. Eine offene Frage hierbei ist allerdings, Für Ärzte, medizinisches Fachpersonal und Patienten: ob auch alle Übersetzungen von ihm in Auftrag gegeben werden müssen oder ob diese Aufgabe an den Importeur oder Manufacturers shall ensure that the device is Händler delegiert werden können. Für die Korrektheit der accompanied by the information to be supInhalte ist aber in jedem Fall der Hersteller verantwortlich. plied in accordance with Section 19 of Annex I Die Speicherung der Unterlagen inklusive aller Änderungen in an official Union language which can be easily über 10 Jahre zieht eine enorme Datenmenge nach sich, die understood by the intended user or patient. The language(s) of the information to be supplied by es zu verwalten gilt. Hersteller, die ihre Medizinprodukte inthe manufacturer may be determined by the law ternational vermarkten wollen, müssen sich zukünftig also of the Member State where the device is made zwangsläufig auch verstärkt mit dem Thema Übersetzung available to the user or patient. und Übersetzungsmanagement auseinandersetzen. Effiziente Prozesse, die gleichzeitig die Konsistenz und Qualität »» Umfang der Dokumentation der Texte sicherstellen, setzen eine straffe Organisation und Alle klinischen Studien und deren Ergebnisse müssen bei Ri- softwaretechnische Unterstützung durch ein Übersetzungssikoklasse III oder Implantaten in die Technische Dokumen- managementsystem voraus. tation eingehen. The clinical evaluation and its outcome shall be documented in a clinical evaluation report referred to in Section 6 of Part A of Annex XIII which shall be included or fully referenced in the technical documentation referred to in Annex II relating to the device concerned. Übersetzen mit Unterstützung eines Translation-Management-Systems (TMS) Das Übersetzen ist nicht nur die Übertragung eines Textes von einer Sprache in eine andere, sondern ein komplexer 4 Auswirkungen behördlicher Regulierungen auf die Dokumentation | 2013 Prozess, der neben der sprachlichen Ebene vor allem Terminund Ressourcenplanung, Koordination und Kontrolle beinhaltet. Translation-Management-Systeme als Softwareplattform für alle Sprachressourcen und Übersetzungsprozesse in Unternehmen stellen die notwendigen Komponenten als integrierte Arbeits- und Systemumgebung für alle internen und externen Beteiligten zur Verfügung. Zentrale Komponenten solcher Systeme sind ein Translation Memory, ein Terminologiesystem sowie Werkzeuge zur Projekt- und Workflowsteuerung. »» Mehrfachübersetzungen vermeiden Die Dokumentation für medizintechnische Geräte beinhaltet viele sich wiederholende Textpassagen, die idealerweise nicht mehrfach übersetzt werden sollten. Über ein Translation Memory werden Sätze im Quelltext ihrer zielsprachigen Entsprechung zugeordnet und die so entstandenen Satzpaare in einer relationalen Datenbank hinterlegt. Mit der Zeit entsteht ein immer größerer Datenpool, aus dem die Übersetzer für zukünftige Projekte schöpfen können. Der Übersetzungsspeicher ermöglicht aber nicht nur die Wiederverwendung bereits übersetzter Textstellen. Er unterstützt auch Autoren bei der Quelltexterstellung, indem sichtbar wird, für welche Formulierungen bereits Übersetzungen vorhanden sind. »»Terminologie konsistent verwenden Hierfür sorgt ein Terminologiesystem, in dem der gesamte Fachwortschatz eines Unternehmens definiert und gepflegt wird. In dieser Datenbank können z.B. auch Zusatzinformationen zur Verwendung eines Terms hinterlegt werden. Nutzt ein Übersetzer einen nicht zugelassenen Term, wird er vom System darauf hingewiesen und bekommt eine Alternative vorgeschlagen. »» Prozesse automatisieren Wenn Übersetzungsprozesse besonders zeitkritisch werden, z.B. in Zulassungsverfahren oder kurz vor der Markteinführung eines Produktes, müssen Projekte möglichst effizient abgewickelt werden. Dabei sollten Projektverantwortliche den Überblick über Termine, Arbeitsfortschritt und Kosten behalten. In einer gemeinsamen Arbeitsumgebung, wie es ein Übersetzungsmanagementsystem bietet, werden zu übersetzende Inhalte und alle projektrelevanten Daten direkt an den Sprachdienstleister oder Übersetzer übermittelt. Umgekehrt werden neben den Übersetzungen auch alle neu erstellten Translation-Memory- und Terminologie-Einträge an den Auftraggeber zurückgegeben und zentral gespeichert. Während Redakteure und Übersetzer von hier aus Zugriff auf dieselben konsistenten Daten erhalten, können Projektmanager Aufgaben zuweisen und sich jederzeit über Arbeitsfortschritte informieren. In einigen Systemen besteht die Möglichkeit, wiederkehrende administrative Arbeitsschritte zu automatisieren und damit den Koordinationsaufwand für Projektmanager weiter zu reduzieren. Gerade wenn es um komplexe medizintechnische Geräte geht, sind einheitliche und klar definierte Benennungen von großer Bedeutung für die Verständlichkeit der Dokumentation. Missverständnisse und möglicherweise daraus resultie- »» Displaytexte lokalisieren rende Bedienungsfehler können weitreichende Konsequen- Die meisten elektronischen Geräte geben Bedienfunktionen, zen haben. Daher sollte terminologische Konsistenz sowohl Hinweise und Fehlermeldungen auf Displays wieder. Die in der Dokumentation als auch auf den Bedienelementen der Geräte selbstverständlich sein. Darüber hinaus trägt eine einheitliche Terminologie dazu bei, den Aufwand für Übersetzungen gering zu halten. Abb. 1: Lokalisierung von Displaytexten mit Hilfe eines Translation-Management-Systems 5 Auswirkungen behördlicher Regulierungen auf die Dokumentation | 2013 Lokalisierung der entsprechenden Texte für den Zielmarkt birgt jedoch neben der Einhaltung der korrekten Terminologie besondere Herausforderungen: Die Begrenzung der Textlängen und der zulässigen Pixelanzahl des Displays muss beim Übersetzen genauso beachtet werden wie die Eigenschaften der jeweiligen Schriftart. Bietet ein Translation-ManagementSystem eine Möglichkeit, die Textlängenprüfung direkt in der Übersetzungsumgebung vorzunehmen, erspart dies den Bearbeitern weitere Korrekturschritte. Die Texte können mit einer Vorschau in der Display-Schriftart schon während der Übersetzung an das Layout angepasst werden. Translation Memory und Terminologie stehen dabei wie bei jedem anderen Übersetzungsprojekt zur Verfügung. setzungsprozesse und Review- bzw. Freigabeschritte. Ein geschlossenes System, in dem alle Beteiligten auf gemeinsamer Datenbasis und idealerweise mit unterschiedlichen Zugriffsrechten kooperieren, stellt sicher, dass alle Prozesse nachvollziehbar bleiben und Daten nicht unkontrolliert auf lokalen Rechnern gespeichert werden oder das geschützte System verlassen. Das gilt nicht nur für die zu übersetzenden Texte selbst, sondern ebenso für das Translation Memory und die Terminologiedatenbank. Mit Hilfe eines geeigneten TMS, das unter anderem ein Rechtesystem für die unterschiedlichen Nutzerprofile beinhalten sollte, kann Prozess- und Datensicherheit für Übersetzungsprojekte erreicht werden. »» Prozess- und Datensicherheit Übersetzungsprojekte sind meist stark verteilt organisiert. Selbst für die Übersetzung eines einzelnen Dokuments in Fazit mehrere Sprachen werden verschiedene Personen eingebunden. Nicht selten ergibt sich daraus – mit oder ohne Alle Angaben zu den geplanten Änderungen in der MedizinWissen des Auftraggebers – eine Kette von Bearbeitern, die produkteverordnung sind mit aktuellem Stand unter Vorbehalt. Die Inkraftsetzung wird voraussichtlich im Sommer 2014 erfolgen, sobald sich EU-Parlament und EUMinisterrat geeinigt haben. Es wird voraussichtlich eine dreijährige Übergangsfrist geben – je nach Umfang der notwendigen Änderungen eine sehr kurze Zeit. Es sollten daher ideAbb. 2: Ein geschlossenes System gewährleistet sichere Übersetzungsprozesse alerweise bereits jetzt Überlegungen an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt und mit un- angestellt werden, wie erhöhter Übersetzungsaufwand und terschiedlichen Infrastrukturen an den Dokumenten arbeiten. geänderte Dokumentationen gehandhabt werden können. Vor allem bei sensiblen Inhalten wie der Dokumentation in- Technologische Lösungen können durch sinnvolle Verknüpnovativer Entwicklungen ist es wichtig, die Sicherheit der Da- fung und gemeinsam mit klar definierten Dokumentationsten zu gewährleisten – und dies trotz vieler Übergabeschritte und Übersetzungsprozessen einen wichtigen Beitrag zur Bevon einem Bearbeiter zum nächsten oder komplexer Über- wältigung dieser Herausforderungen leisten. © Across Systems GmbH 2013 Tel. +49 7248 925 425 www.across.net [email protected]