Inhaltsverzeichnis - Institut für Experimentalphysik V

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1
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung................................................................................................. 3
2.
Theoretischer Hintergrund........................................................................ 6
2.1 Grundlegende Annahmen.................................................................................................. 6
2.2 Beschreibung einer Kennlinie..........................................................................................10
2.3 Verteilungsfunktionen......................................................................................................12
2.3.1 Einführung der Verteilungsfunktion..................................................................... 12
2.3.2 Arten von Verteilungsfunktionen.......................................................................... 13
2.3.2.1 Maxwell-Boltzmann-Verteilungen................................................................ 13
2.3.2.2 Druyvesteyn-Verteilungen.............................................................................15
2.3.2.3 Bi-Maxwell-Verteilungen..............................................................................15
2.3.3 Vergleich der Verteilungsfunktionen.................................................................... 16
2.4 Analyse der Stromspannungscharakteristik..................................................................... 18
2.4.1 Sättigungsströme ................................................................................................. 18
2.4.2 Elektronenanlaufstrom.......................................................................................... 22
2.5 Erweiterung der Sondentheorie durch Druyvesteyn........................................................ 23
3.
Konstruktion der Langmuir-Sonde......................................................... 26
3.1 RF-Plasmen......................................................................................................................26
3.1.1 Störung der Kennlinie durch Hochfrequenzspannungen.......................................26
3.1.2 RF-Kompensation................................................................................................. 29
3.1.2.1 Passive Kompensation................................................................................... 29
3.1.2.2 Aktive Kompensation.................................................................................... 30
3.1.3 RF-Filter................................................................................................................ 31
3.2 Mechanischer Aufbau der Sonde..................................................................................... 34
3.3 Messapparatur.................................................................................................................. 36
3.3.1 PC-Karte................................................................................................................ 37
3.3.2 Spannungsquelle und Messwiderstände................................................................ 38
3.3.3 Spannungsmessung .............................................................................................. 39
3.3.4 Strommessung....................................................................................................... 40
3.3.5 Kalibrierung...........................................................................................................40
3.3.6 Elektronische Datenerfassung............................................................................... 41
2
4.
Auswertung einer gemessenen Kennlinie............................................... 44
4.1 Ionenstromkorrektur........................................................................................................ 44
4.2 Bestimmung der zweiten Ableitung ................................................................................46
4.3 Bestimmung von Plasmaparametern................................................................................48
4.3.1 Plasmapotenzial.....................................................................................................48
4.3.2 Bestimmung der Plasmaparameter aus der Kennlinie...........................................49
4.3.3 Bestimmung der Plasmaparameter aus der EEDF................................................ 52
4.4 Messgrenze des Systems..................................................................................................54
4.5 Reproduzierbarkeit der Messungen................................................................................. 55
4.6 Einfluss der Messzeit auf die Kennlinien........................................................................ 56
5.
Messungen in einer GEC-Zelle............................................................... 61
5.1 Messaufbau...................................................................................................................... 61
5.1.1 GEC – ICP – Zelle.................................................................................................61
5.1.2 Leistungseinkopplung und Anpass – Netzwerk.................................................... 63
5.2 Messungen in Wasserstoff............................................................................................... 64
5.2.1 Plasmaparameter als Funktion der Leistung......................................................... 64
5.2.2 Plasmaparameter als Funktion des Drucks ...........................................................71
5.3 Messungen in Argon ....................................................................................................... 75
5.3.1 Leistungsvariation................................................................................................. 75
5.3.2 Druckvariation.......................................................................................................77
5.4 Vergleichsmessung mit einer optischen Sonde................................................................81
5.4.1 Prinzip der optischen Sonde.................................................................................. 81
5.4.2 Berechnung der Anregung anhand der EEDF....................................................... 82
5.4.3 Vergleichsmessung in Wasserstoff....................................................................... 84
5.4.3.1 Leistungsvariation......................................................................................... 85
5.4.3.2 Druckvariation............................................................................................... 87
5.5 Messungen in einer kapazitiv gekoppelten Entladung (CCP)......................................... 90
6.
Zusammenfassung und Ausblick ........................................................... 92
Verzeichnis der verwendeten Symbole.............................................................. 94
Literaturverzeichnis......................................................................................... 96
1.Einleitung
1.
3
Einleitung
Niedertemperaturplasmen haben in den letzten zwei Dekaden immer mehr an Bedeutung
gewonnen, sowohl in der Forschung als auch in der Industrie. So stellt, um nur ein Beispiel zu
nennen, die Untersuchung kinetischer Effekte, die bei Ladungsträgerdichten unter 1013 cm-3
auftreten, einen aktuellen Forschungsschwerpunkt dar. Zu erwähnen seien hochenergetische
Anteile in der Elektronenenergieverteilungsfunktion (engl. electron energy distribution function,
EEDF) [1] oder die Landau-Dämpfung von Plasmawellen [2]. Ein weiteres interessantes Feld ist
die Erforschung von Heizmechanismen in der Übergangsregion zwischen Plasma und Elektrode
bzw. Einkopplungsantenne, der so genannten Randschicht. Diese Randschichten besitzen eine
Dynamik, die bisher wenig untersuchte Phänomene wie so genannte Plasma-Serien-Resonanzen
hervorrufen [3a-3c].
Im Gegensatz zu Hochtemperaturplasmen zeichnen sich Niedertemperaturplasmen dadurch aus,
dass kein thermisches Gleichgewicht vorliegt. Während die Temperatur der Elektronen einige
Elektronenvolt (eV) beträgt, ist die Temperatur der Ionen und der Neutralteilchen in der
Größenordnung der Raumtemperatur (~ 0,03 eV). Die typischen Elektronendichten in
Niedertemperaturplasmen liegen im Bereich zwischen 109 und 1012 cm-3 und somit weit
unterhalb der Dichten, die in Fusionsplasmen vorkommen.
Mitunter wegen der niedrigen Temperatur der Ionen konnten industrielle Anwendungen von
Niedertemperaturplasmen entwickelt werden. In der sich am schnellsten entwickelnden Branche,
der Halbleitertechnologie, sind Plasmen zu einem festen Bestandteil geworden. Durch das
Bombardement von Ionen können gezielt sehr feine Strukturen auf der Oberfläche von SiliziumWafern geätzt werden. Die permanente Nachfrage nach Computerprozessoren mit immer
kleineren Strukturen, die bis in den Sub-µm-Bereich gehen, erfordert den Einsatz modernster
Plasmatechnologien, die hohe Ätzraten bei niedrigen Drücken im Bereich von bis zu 0,01 Pa und
gleichzeitig homogenen Plasmaprofilen bei hoher Ladungsträgerdichte (bis zu 1013 cm-3)
realisieren sollen. Um diese Anforderungen zu erfüllen ist u.a. die Neutral-Loop-Discharge
(NLD) entwickelt worden [4], in der ein induktiv gekoppeltes Plasma von Ringspulen derart
eingeschlossen wird, dass im Plasma eine Region verschwindender Magnetfeldstärke, der so
genannte Neutral Loop, entsteht. Diese Konfiguration erlaubt bei Drücken bis zu 0,01 Pa durch
Variation des Durchmessers des Neutral Loops ein homogenes Profil bei gleichzeitig hohen
Dichten [5]. Weitere Einsatzgebiete von Niedertemperaturplasmen finden sich in der
Plasmapolymerisation von Kunststoffen, der Oberflächenbeschichtung, der Ionenimplantation
sowie in der Sterilisation von medizinischen Geräten [43]. In diesen industriellen Branchen und
in der Forschung dominieren Plasmen, die durch eine äußere Frequenz (im Radiofrequenzbereich) betrieben werden. Im Vergleich zu Gleichspannungsentladungen wird das Gas in RFPlasmen effizienter ionisiert, so dass höhere Dichten bei gleicher Einkopplungsleistung erreicht
1.Einleitung
4
werden. Insbesondere sind in RF-Plasmen nicht-leitende Substrate bearbeitbar, was in DCEntladungen nicht möglich ist.
Die Erforschung von Plasmen erfordert eine detaillierte Untersuchung der das Plasma charakterisierenden Kenngrößen. Diese werden maßgeblich bestimmt durch die EEDF, die angibt, in
welcher Anzahl Elektronen mit einer bestimmten Energie vorzufinden sind. Aufgrund ihrer
höheren Temperatur und somit Geschwindigkeit sind hauptsächlich Elektronen an Vorgängen
wie Ionisation, Anregung und Diffusion beteiligt. Die Kenntnis der EEDF bietet Zugang zu
wichtigen Plasmaparametern wie Elektronendichte, mittlere Energie der Elektronen und
Plasmapotenzial. Die Bestimmung dieser Plasmakenngrößen kann mithilfe verschiedener
Diagnostikmethoden erfolgen. Beispiele solcher Diagnostiken [51] sind Laserinduzierte Fluoreszenz (LIF), optische Emissionsspektroskopie (OES) oder Thomson-Streuung. Eine moderne
Diagnostik stellt die Fluoreszenz-Dip-Spektroskopie (FDS) [6] dar, die u.a. in der oben
erwähnten Untersuchung von Randschichten zum Einsatz kommt. Doch die älteste und mitunter
am häufigsten verwendete Diagnostikmethode ist die elektrische Sonde, die ihrem Erfinder zu
Ehren „Langmuir-Sonde“ genannt wird. Diese Sonden erlauben es insbesondere ortsaufgelöst die
EEDF zu bestimmen.
Bereits 1924 erkannten Irving Langmuir und Harold Mott-Smith [7], das die Strom-Spannungskennlinie eines in einer DC-Entladung befindlichen Kollektors bereits Informationen über
Elektronendichte und -temperatur enthält. Langmuir erarbeitete eine Theorie, die unter der
Annahme, dass die EEDF eine bestimmte Form aufweist, die Plasmaparameter liefert. Die darauf
folgende Ausarbeitung der Sondentheorie durch Druyvesteyn, die 1930 zur so genannten
Druyvesteyn-Formel [8] führte, stellt einen Meilenstein in der Sondentheorie dar, weil eine
direkte Beziehung zwischen der zweiten Ableitung der Strom-Spannungs-Kennlinie und der
EEDF
hergestellt
wird.
Da
die
Druyvesteyn-Formel
generell
für
alle
isotropen
Verteilungsfunktionen gilt, können Elektronendichte und mittlere Energie der Elektronen auch
für nicht-maxwellsche Verteilungsfunktionen bestimmt werden, die in der Regel in den in dieser
Arbeit untersuchten RF-Plasmen vorkommen.
Langmuir-Sonden stellen somit ein sehr fruchtbares Instrument dar um mit relativ geringem
technischem Aufwand wichtige Parameter zu determinieren. Doch schon Langmuir erkannte,
dass die einfache experimentelle Umsetzung nicht im Verhältnis zu der Komplexität der
Sondentheorie steht. Die Erweiterung der Sondentheorie auf Problemstellungen wie magnetisierte oder hochfrequente Plasmen ist immer noch Gegenstand aktueller Forschung.
Ziel dieser Arbeit ist es ein Langmuir-Sondensystem aufzubauen und an Radio-FrequenzPlasmen zu testen. Das System besteht aus der Sonde APS3 (Lehrstuhl für Allgemeine
Elektrotechnik und Plasmatechnik, Prof. Dr. P. Awakowicz, Ruhr-Universität Bochum), einem
Schrittmotor, der die Verfahrbarkeit in radialer Richtung gewährleistet, und einem eigens
konstruierten Messsystem. Die Messung wird von einer kommerziellen PC-Karte aus gesteuert.
1.Einleitung
5
Das integrale System aus Sonde, Schrittmotorsteuerung, PC-Karte und Messsystem ist in einer
Visual-Basic 6.0 Oberfläche eingebettet.
Diese Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: Zunächst wird die zugrunde liegende Sondentheorie
behandelt. Dieses Kapitel beinhaltet die Einführung der auftretenden Kenngrößen wie EEDF,
Plasmapotenzial, Elektronendichte und Temperatur sowie deren Herleitung aus der StromSpannungskennlinie. Im dritten Kapitel erfolgt die Beschreibung der Sondenkonstruktion und
der Messapparatur. Sondenmessungen in Hochfrequenzplasmen erfordern zusätzliche Bauelemente, wie RF-Filter und eine Kompensationselektrode, die in diesem Kapitel eingehend
untersucht werden. Im vierten Kapitel wird darauf eingegangen, wie aus einer gemessenen
Kurve die Plasmaparameter gewonnen werden. Zudem wird der Einfluss der Messzeit auf die
Kennlinien und die Plasmaparameter untersucht. Das fünfte Kapitel ist Messungen in RFPlasmen mit dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Sondensystem gewidmet. Es wurden
Sondenmessungen in Wasserstoff und Argon in einer GEC-Zelle durchgeführt und ausgewertet.
Die Messergebnisse werden hier präsentiert und mit den Literaturwerten verglichen. Ein
besonderes Augenmerk ist auf eine Vergleichsmessung mit einer neuartigen Diagnostikmethode
gerichtet, der optischen Sonde, mit deren Hilfe Intensitätsprofile bestimmter Linien (z.B. H αLinie in Wasserstoff) innerhalb eines Plasmas gemessen werden können. Schließlich werden die
erzielten Ergebnisse zusammengefasst und es wird ein Ausblick auf mögliche Erweiterungen
gegeben.
2. Theoretischer Hintergrund
2.
6
Theoretischer Hintergrund
Abb. 2.1: Prinzip der Langmuir-Sonde
Das Prinzip einer Langmuir-Sonde ist in Abb. 2.1 gezeigt. Langmuir-Sonden sind kleine
metallische Elektroden, die in das Plasma ragen. Die Sonde ist angeschlossen an eine einstellbare
Spannungsquelle, welches die Sonde auf Potenziale bringt, die positiv, negativ oder gleich
gegenüber dem Potenzial des Plasmas in Bezug auf die Masse sind. Das „Plasmapotenzial“ wird
weiter unten ausführlich erläutert. Der Strom, der durch den Leiter fließt, gibt Aufschluss über
Plasmaparameter wie Ladungsträgerdichte oder mittlere Energie der Ladungsträger.
Langmuir-Sonden können zylinderförmig, sprich ein Draht mit Radius r S und Länge l,
kugelförmig oder planar sein. Da in dieser Arbeit eine zylinderförmige Sonde verwendet wird,
ist im weiteren Verlauf nur von Zylindersonden die Rede, falls nicht ausdrücklich anders
erwähnt. Um den Leiter herum befindet sich die isolierende Sondenhalterung.
2.1 Grundlegende Annahmen
In diesem Abschnitt sollen die Annahmen erläutert werden, die der Sondentheorie zu Grunde
liegen. Diese Annahmen werden gemacht, weil eine theoretische Behandlung der komplexen
physikalischen Vorgänge, die während einer Sondenmessung stattfinden, sonst nicht
durchführbar ist.
Jede leitende Oberfläche, die in das Plasma eingeführt wird, ist einer Wechselwirkung mit den
im Plasma befindlichen Ladungsträgern ausgesetzt. Sie stellt einen Störkörper aus der Sicht des
Plasmas dar, welcher zum Beispiel das Ionisationsgleichgewicht oder die Energieverteilung der
Elektronen innerhalb des Plasmas unter Umständen erheblich stören kann. Damit eine Sonden-
2. Theoretischer Hintergrund
7
messung sinnvolle Ergebnisse liefern kann, muss dafür gesorgt werden, dass die Sonde bzw. die
leitende Sondenoberfläche das Plasma so gering wie möglich stört. Um dieses Kriterium zu
erfüllen, müsste man idealerweise Sonden verwenden, die infinitesimal kleine Ausdehnungen
besitzen. Für den Fall, dass die Abmessungen der Sonde sehr viel kleiner gegenüber der
mittleren freien Weglänge der Elektronen λe sind, wird angenommen, dass die Präsenz der Sonde
einen vernachlässigbaren Einfluss auf das Plasma ausübt. Die mittlere freie Weglänge der
Elektronen gibt an, wie weit ein Elektron im Mittel kommt, bis es mit einem weiteren Teilchen
(Ion, Atom oder Elektron) stößt. Sie ist eine charakteristische Größe des Plasmas:
e ≫r s .
(2.1)
Des Weiteren sollte bei einer zylinderförmigen Sonde die Drahtlänge viel größer sein als der
Drahtradius, damit störende und schwer behandelbare Randeffekte vernachlässigt werden
können.
Aufgrund der Tatsache, dass Elektronen eine um ca. vier Größenordnungen kleinere Masse als
Ionen haben, übertragen sie bei elastischen Stößen mit Ionen oder Neutralteilchen nur wenig
Energie auf diese. Elektronen besitzen demnach eine größere mittlere Energie und somit auch
eine größere mittlere Geschwindigkeit. Der Elektronenfluss pro Einheitsfläche, die
Elektronenstromdichte, ist somit auch größer als die Ionenstromdichte. Als Konsequenz dessen
treffen pro Zeiteinheit mehr Elektronen als Ionen auf die geerdete Plasmakammerwand oder die
Sonde. Dieser Unterschied in den Stromdichten für Elektronen und Ionen führt zu einer kleinen
Abweichung der Quasineutralität. Das bedeutet aber, dass sich ein elektrisches Feld bildet.
Dieses so genannte „ambipolare“ Feld sorgt dafür, dass sich Elektronen verlangsamen und Ionen
beschleunigen, bis sich ein Gleichgewicht eingestellt hat, in der Elektronen und Ionen mit
derselben Geschwindigkeit driften. Die Diffusion der Ladungsträger, die durch ambipolare
Felder hervorgerufen wird, wird ambipolare Diffusion genannt. Das Potenzial, dass das Plasma
aufgrund ambipolarer Diffusion im Gleichgewicht bezüglich der geerdeten Kammerwand
annimmt, wird „Plasmapotenzial“ genannt.
Wird nun eine Sonde in das Plasma eingeführt und auf ein Potenzial VS ungleich dem
Plasmapotenzial Vpl gebracht, so werden Ladungsträger zur Sonde hin beschleunigt oder
gebremst. Falls die Sondenspannung gerade genau dem Plasmapotenzial entspricht, gibt es keine
Potenzialdifferenz zwischen Sonde und Plasma und somit auch keinen Fluss von Ladungsträgern
zur Sonde hin. Wird eine gegenüber Vpl stark negative Spannung an die Sonde angelegt, so
werden positive Ionen zur Sonde hin beschleunigt. Das Anziehen von positiven Ladungsträgern
und das gleichzeitige Abstoßen von Elektronen, die die durch die Sonde hervorgerufene
Potenzialbarriere nicht überwinden können, hat zur Folge, dass sich eine Schicht, ein Gebiet
positiver Raumladung, herausbildet, welche die Sonde umgibt. Durch die Raumladung entsteht
um die Sonde herum ein elektrisches Feld, dass die Ionen zur Sonde hin beschleunigt, wo sie
2. Theoretischer Hintergrund
8
neutralisiert werden und einen messbaren Strom erzeugen. In dieser Schicht ist die
Quasineutralität im Gegensatz zum Plasmabulk nicht mehr gegeben. Die Verletzung der
Quasineutralität tritt dann ein, wenn die Ionen eine größere Geschwindigkeit als die
Ionenschallgeschwindigkeit oder Bohm-Geschwindigkeit u B besitzen [9]:
v ionu B ,
uB=

(2.2a)
kT e
.
mi
(2.2b)
Die Schichtdicke s hängt von der Differenz zwischen Plasma- und Sondenspannung ab. Je
negativer oder positiver die Sondenspannung ist, desto größer ist die Ausdehnung der Schicht.
Dieser Sachverhalt lässt sich durch das Child-Langmuir-Gesetz beschreiben. Es besagt, dass die
Stromdichte an einer Elektrode mit VS3/2 skaliert und umgekehrt proportional zu s2 ist:
 
4
2e
j s = 0
9
mi
1/ 2
3/ 2
Vs
s2
.
(2.3)
Die Stromdichte an der Schichtkante ist durch die Bohm-Geschwindigkeit gegeben:
1
j s = e n0 u B ,
4
(2.4)
wobei n0 die Ladungsträgerdichte im Plasma ist. Durch Gleichsetzen beider vorhergehender
Ausdrücke kann ein Zusammenhang zwischen der Schichtdicke und der Sondenspannung
hergeleitet werden. Die dabei auftretende charakteristische Länge ist die Debye-Länge λD:
 
2eV s
2
s= 
3
 D=
D

3/ 4
kT e
0 k T e
2
e n0
,
.
(2.5)
(2.6)
Alternativ kann man versuchen die Poisson-Gleichung zu lösen; unter der Voraussetzung, dass
die Elektronen im thermischen Gleichgewicht sind, ergibt sich, dass auch hier die Schichtdicke
in der Größenordnung der Debye-Länge liegt. Die Debye-Länge ist ein Maß für die
Abschirmung einer lokalen Störung im elektrischen Potenzial. Somit ist eine Größenskala
definiert, ab der die Quasineutralität erfüllt ist und ab der von einem Plasma gesprochen werden
kann. Die Debye-Länge hängt von der Dichte und der Temperatur der Elektronen ab.
2. Theoretischer Hintergrund
9
Allgemein wird angenommen, dass der gesamte Spannungsabfall zwischen Plasma- und
Sondenpotenzial hauptsächlich über der Randschicht um die Sonde stattfindet, d.h. in der
Vorschicht, in der die Ionen auf die Bohm-Geschwindigkeit beschleunigt werden und die
mehrere zehn Debye-Längen lang sein kann, soll es keinen merklichen Potenzialabfall geben. In
der Vorschicht herrscht im Gegensatz zur Randschicht annähernd Quasineutralität.
Für die untersuchten Plasmen sei die Gasdichte im Plasma hinreichend klein, so dass Stöße der
Elektronen in der Schicht um die Sonde vernachlässigt werden können.
Falls die Schichtdicke im Vergleich zum Radius dünn ist (s << rS), gelangen sämtliche Ladungsträger in der Randschicht auf die Sonde. Im Zentralkraftfeld um die Sonde herum ist somit der
Strom allein durch die Ausmaße der Raumladungsschicht und der Diffusionsstromdichte der
Ladungsträger begrenzt und nicht abhängig vom Potenzialverlauf innerhalb der Schicht. Man
spricht hier vom „space charge limited current“. Einen Ausdruck für die Stromdichte ist in dieser
Näherung für die Zylinder- und Kugelsonde von Langmuir selbst hergeleitet worden [10].
Gesetzt den Fall einer dicken Sicht (s >> rS) erreichen nicht alle Ladungsträger, die sich in der
Schicht befinden, die Sonde, sondern nur diejenigen, die einen nicht zu großen Drehimpuls
haben. Andernfalls werden diese abgelenkt und treffen nicht auf die Sonde. Hier spricht man von
„orbital motion limited (OML) current “. Für diesen Fall wird im Abschnitt 2.4 ein Ausdruck für
den Strom angegeben.
Zusammenfassend seien hier noch einmal die Annahmen und Bedingungen aufgelistet:
1. Die Schicht um die Sonde sei stoßfrei, das heißt der Druck bzw. die Gasdichte im Plasma
sei hinreichend klein.
2. Alle Sondenabmessungen wie Sondenradius oder Sondenhalterung seien kleiner als die
mittlere freie Weglänge:
e ≫r s .
(2.1)
3. Die Debye-Länge sei viel kleiner als die mittlere freie Weglänge:
 D ≪e .
(2.7a)
4. Der Sondenradius rS sei viel kleiner als die Sondenlänge l. Dies ist gleichbedeutend mit
der Aussage, dass der Strom pro Längeneinheit auf der Sonde konstant ist:
Is
=const. .
l
(2.7b)
5. Es bilden sich keine Randschichten um Sondenhalterungen und -führungen.
6. Der gesamte Spannungsabfall ereigne sich über der Randschicht um die Sonde.
7. Die Sonde emittiere keine Sekundärelektronen. Es trete zudem keine Reflexion von
Elektronen auf der Sondenoberfläche auf.
2. Theoretischer Hintergrund
10
Es wird sich herausstellen, dass trotz der zum Teil strengen Kriterien die daraus entwickelte
Sondentheorie auf die in dieser Arbeit betrachteten Plasmen anwendbar sein wird und durch die
erzielten Messergebnisse bestätigt werden kann. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass sich
diese Annahmen auf nicht magnetisierte Plasmen beziehen und auch turbulente oder chemisch
aktive Plasmen ausgeschlossen werden.
2.2
Beschreibung einer Kennlinie
In diesem Abschnitt soll eine Strom-Spannungskennlinie beschrieben werden. Wie bereits
erwähnt, besteht die Langmuir-Sonde aus einem Leiter, der in das Plasma ragt und mit einer
regelbaren geerdeten Spannungsversorgung VS auf Potenziale gebracht wird, die positiver bzw.
negativer in Bezug auf das Plasmapotenzial sein können. Durch den Fluss der Ladungsträger auf
die Sonde entsteht ein messbarer Strom. Trägt man diesen Sondenstrom graphisch gegen die
angelegte Sondenspannung VS auf, so erhält man eine Strom-Spannungskennlinie, die auch
Charakteristik genannt wird. Abb. 2.2 zeigt eine typische Kennlinie für eine Zylindersonde:
3.0
Ar 2 Pa 40W
2.5
Strom in mA
C
B
A
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
-0.5
-20
Vpl
Vfl
-15
-10
-5
0
5
10
15
20
25
Sondenspannung in V
Abb. 2.2: Typischer Verlauf einer Sondenkennlinie
Man unterteilt dabei die Sondenkennlinie in drei Teilbereiche: Teilbereich A wird
Ionensättigungsbereich genannt, Teilbereich B ist der so genannte Elektronenanlaufbereich und
Teilbereich C wird der Elektronensättigungsbereich genannt. Wenn im Weiteren von negativer
oder positiver Sondenspannung die Rede ist, so ist damit die angelegte Spannung im Vergleich
zum Plasmapotenzial gemeint.
2. Theoretischer Hintergrund
11
Im Ionensättigungsbereich ist die Sondenspannung sehr negativ. Hier fließen hauptsächlich
Ionen auf die Sonde, da Elektronen die Potenzialbarriere nicht überwinden können. Mit
zunehmender negativer Spannung vergrößert sich die Schicht um die Sonde (siehe Gl. 2.5) und
damit steigt der Ionenstrom an.
Die mittlere Geschwindigkeit der Elektronen und damit auch die mittlere Energie ist viel größer
als die der Ionen. Elektronen mit ausreichender Energie können die durch die Sonde
hervorgerufene Potenzialbarriere durchdringen und auf die Sonde gelangen. Dies ist der
Teilbereich B, der Elektronenanlaufbereich, in der der Strom nicht mehr nur von den Ionen
getragen wird, sondern ein Elektronenstrom zur Sonde hinzukommt. Die Anzahl der Elektronen
mit ausreichender Energie nimmt mit immer kleiner werdender negativer Spannung stetig zu und
hängt von der Form der Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen ab (siehe Abschnitt 2.3).
Der Anteil der Elektronen am Gesamtstrom nimmt aufgrund ihrer Geschwindigkeitsverteilung
sehr schnell zu. An einem gewissen Punkt ist die Sondenspannung gerade so groß, dass der Fluss
der Ionen und der Elektronen sich gerade gegenseitig kompensieren, der Gesamtstrom also
verschwindet. Das Potenzial, bei der diese Bedingung erfüllt ist, nennt man das „FloatingPotenzial“. Der Anteil der Ionen nimmt nun stetig ab, der der Elektronen stetig zu. Je mehr sich
die Sondenspannung dem Plasmapotenzial nähert, desto kleiner wird der Ionenstrom und desto
größer der Elektronenstrom. Schon kurz nach dem Floating-Potenzial ist der Anteil des
Ionenstromes am Gesamtstrom gegenüber dem Elektronenstrom vernachlässigbar. Das wird
später deutlich, wenn die zugehörigen Formeln (siehe Abschnitt 2.4) für Ionen- und
Elektronenstrom abgeleitet worden sind. Befindet sich die Sonde auf dem Plasmapotenzial, gibt
es idealerweise keine Schicht um die Sonde. Die im Plasma diffundierenden Ionen und
Elektronen „spüren“ keine Potenzialbarriere mehr und der Stromwert I(Vpl) entspricht gerade der
Differenz der Diffusionsströme von Ionen und Elektronen.
Wird nun eine Spannung um die Sonde angelegt, die größer als das Plasmapotenzial ist, werden
Elektronen angezogen und Ionen abgestoßen. Hier beginnt der Elektronensättigungsbereich C.
Es bildet sich nun eine Schicht aus Elektronen um die Sonde. Ionen spielen hier keine Rolle
mehr, da ihre Energie nur ein Bruchteil der Energie der Elektronen entspricht. Aufgrund der
verschiedenen Stromverläufe vor und nach dem Plasmapotenzial, ergibt sich ein Wendepunkt in
der Kennlinie beim Plasmapotenzial. Dies ist gleichbedeutend mit einem Nulldurchgang in der
zweiten Ableitung des Stromes nach der Spannung.
Der Verlauf des Elektronensättigungsstroms ist abhängig von der Form der Sonde. Im Fall einer
Zylindersonde ist dieser proportional zur Wurzel der Sondenspannung. Für eine Kugelsonde
verläuft der Elektronenstrom linear mit VS. Eine planare Sonde weist einen konstanten
Sättigungsstrom auf, falls keine Randeffekte auftauchen [9].
Die Form der Kennlinie hängt von der Form der Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen ab.
Das Ziel von Sondenmessungen ist die Bestimmung der Geschwindigkeitsverteilungsfunktion
2. Theoretischer Hintergrund
12
bzw. der Energieverteilungsfunktion (EEDF) der Elektronen ausgehend von der gemessenen
Kennlinie, denn anhand der EEDF können Plasmaparameter determiniert werden. Wegen ihrer
großen Bedeutung soll im nächsten Abschnitt näher auf Verteilungsfunktionen eingegangen
werden, bevor der Stromverlauf der Kennlinie quantitativ beschrieben wird.
2.3
2.3.1
Verteilungsfunktionen
Einführung der Verteilungsfunktion
Die in einem Plasma im thermischen Gleichgewicht befindlichen Teilchen weisen die
verschiedensten Geschwindigkeiten auf. Theoretisch müsste man jede dieser Geschwindigkeiten
kennen um eine vollständige Beschreibung des Plasmas zu erzielen. Dies ist bei Teilchendichten
von Ne ≈ 1010 Teilchen pro Kubikzentimeter nicht möglich. Um trotzdem eine Charakterisierung
des Plasmas durchführen zu können, führt man eine Verteilungsfunktion f  r , v , t  ein. Die
Verteilungsfunktion gibt die Wahrscheinlichkeit an ein Teilchen an einem Ort r mit der
Geschwindigkeit v vorzufinden. Das ursprüngliche Vielteilchenbild reduziert sich auf sieben
Dimensionen. Für wichtige Prozesse im Niedertemperaturplasmen wie Dissoziation, Ionisation
oder Anregung sind hauptsächlich Elektronen verantwortlich, denn deren mittlere Energie ist
viel größer als die der Ionen. Aufgrund dessen hat die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion der
Elektronen eine besondere Bedeutung. Die Verteilungsfunktion der Elektronen als Funktion der
Energie wird Elektronenenergieverteilungsfunktion (EEDF) genannt.
Das Integral über alle Geschwindigkeiten ergibt die Dichte der Teilchen im Ortsraum:
n r ,t =∫ f r , v , t d v .
3
(2.8)
Die Dichte wird auch nulltes Moment der Geschwindigkeitsverteilungsfunktion genannt, wenn
man das n-te Moment mn folgendermaßen ansetzt:
n
n
3
m =∫ v f  r , v ,t d v .
(2.9)
Die mittlere Geschwindigkeit ⟨v ⟩ ist das erste Moment der Verteilungsfunktion:
3
⟨ v ⟩=∫ v f  r , v , t d v .
(2.10)
Falls Stöße zwischen den Teilchen vernachlässigt werden, ergibt eine Analyse der Bewegung
2. Theoretischer Hintergrund
13
einer Teilchenmenge innerhalb eines Volumens, dass die Verteilungsfunktion zeitlich konstant
bleibt [28]. Dies drückt sich im so genannten Liouville-Theorem aus:
df
=0 .
dt
(2.11a)
Hieraus ergibt sich die Vlasov-Gleichung, wenn nicht die totale Ableitung, sondern die partielle
Ableitung betrachtet wird:

df ∂ f
F
=

v ∇ r f  ∇ v f =0 .
dt ∂t
m
(2.11b)
Die Vlasov-Gleichung berücksichtigt keine Umverteilung durch Stöße oder eventuelle
Teilchenproduktion durch Ionisation. Werden diese Prozesse mit eingeschlossen, gelangt man
zur Boltzmann-Gleichung:
 

df ∂ f
F
∂f
=

v ∇ r f  ∇ v f =
dt ∂t
m
∂t
.
(2.12)
Stoß
Die Boltzmann-Gleichung ist die Bestimmungsgleichung für die Verteilungsfunktion. Der Term
auf der rechten Seiten beinhaltet alle Prozesse, in denen durch Stöße eine Modifikation der
Verteilungsfunktion erfolgt. Eine analytische Lösung der Boltzmann-Gleichung ist nur in den
einfachsten Fällen möglich.
2.3.2
Arten von Verteilungsfunktionen
2.3.2.1
Maxwell-Boltzmann-Verteilungen
Das bekannteste Beispiel einer Verteilungsfunktion ist die Maxwell-Boltzmann-Verteilung (kurz
Maxwell-Verteilung):
2
mv
f M v = A exp{−
} .
2kT
(2.13)
Eine Maxwell-Verteilung stellt sich ein, wenn sich alle Elektronen durch elastische Stöße im
thermischen Gleichgewicht befinden. Dies entspricht einem Zustand maximaler Entropie. Man
kann sich natürlich auch eine Ionengeschwindigkeitsverteilung vorstellen, die maxwellsch ist,
falls nur elastische Stöße zwischen Ionen betrachtet werden. Es wird die Annahme gemacht, dass
die Stoßraten für Elektron-Elektron-Stöße bzw. Ion-Ion-Stöße viel größer sind als die Stoßraten
für Elektron-Ion-Stöße und dass die Stoßfrequenz nicht von der Geschwindigkeit der Teilchen
abhängt [30]. Die Normierungsbedingung Gl. 2.8 determiniert den Wert von A in Gl. 2.13, falls
2. Theoretischer Hintergrund
14
n = 1 gesetzt wird, zu:

m
A=
2 k T

3/ 2
.
(2.14)
Für die Wahrscheinlichkeitsfunktion f ∣v∣ ergibt sich:
f ∣v∣=4  v 2 A⋅exp {−
2
mv
} .
2kT
(2.15)
Das heißt, die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen in absoluter Ruhe (v = 0) vorzufinden ist gleich
Null. Die mittlere Geschwindigkeit ⟨ v ⟩ ist für eine Maxwell-Verteilung:
1/ 2


8k T
⟨ v ⟩=
m
.
(2.16)
Die Konstante T im Exponenten ist ein Maß für die Halbwertsbreite der Verteilungsfunktion und
wird „Temperatur“ genannt. Der Grund für diese Bezeichnung wird ersichtlich, wenn man sich
die
mittlere
kinetische
Energie
pro
Teilchen,
welche
dem
zweiten
Moment
der
Verteilungsfunktion entspricht, berechnet.
∞
⟨ E kin ⟩=
1
2
3
m v f 
vd v
−∞ 2
∫
∞
∫
−∞
3
f  v d v
=
3
kT .
2
(2.17)
In Anlehnung an die Thermodynamik entspricht die Konstante einer Elektronentemperatur Te. Es
muss jedoch betont werden, dass das Konzept der Elektronentemperatur nur für den Fall einer
Maxwell-Verteilung gerechtfertigt ist.
2.3.2.2
Druyvesteyn-Verteilungen
Mit zunehmendem Druck und bei Gasen mit Ionen hoher Masse ist die Stoßfrequenz für
Elektron-Elektron-Stöße nicht mehr konstant. Die Stoßraten zwischen Ionen und Elektronen
bedingt durch elastische Stöße zwischen ihnen können nicht mehr vernachlässigt werden und es
findet ein Energieübertrag von Elektronen auf Ionen statt. Die Elektronen gehorchen in diesem
Fall einer Verteilung, die nach ihrem Entdecker [11] „Druyvesteyn-Verteilung“ genannt wird
und folgende Form hat:
2. Theoretischer Hintergrund
15
2
f D
v  ∝ exp{− v
2

kT
} .
(2.18)
Bei einer Druyvesteyn-Verteilung ist die Anzahl hochenergetischer Elektronen niedriger als bei
einer Maxwell-Verteilung [12], was schon in Gl. 2.18 erkennbar ist.
2.3.2.3
Bi-Maxwell-Verteilungen
Neben den beiden vorhergehenden Verteilungen gibt es so genannte Bi-Maxwell-Verteilungen.
Sie treten dann auf, wenn zwei Gruppen von Elektronen vorhanden sind, die jeweils eine
Maxwell-Verteilung aufweisen, jedoch unterschiedliche Temperaturen besitzen. Die Verteilung
besteht aus einem „kalten“ Anteil T1 und einem heißen Anteil T2:
2
2
mv
mv
f BM  
v = A⋅exp {−
} B⋅exp {−
} .
2k T1
2k T2
(2.19)
Bi-Maxwell-Verteilungen finden sich häufig in kapazitiv gekoppelten RF-Plasmen bei Drücken
von etwa 1-10 Pa und bei angelegten RF-Spannungen größer als 100 V. Es hat sich dabei
herausgestellt, dass eine Zwei-Temperatur-Verteilung ein Hinweis dafür ist, dass stochastisches
Heizen der Elektronen vorliegt [13]. Stochastisches Heizen beschreibt die Beschleunigung von
Elektronen, die durch mehrfache Reflexionen an oszillierende Randschichten ähnlich einem
Tennisball beim Aufprall auf den Tennisschläger an Energie gewinnen und auf diese Weise das
Plasma aufrecht erhalten. Stochastisches Heizen macht sich dann bemerkbar, wenn Elektronen
bei niedrigen Drücken ihre Energie nicht mehr durch Stöße übertragen können [29].
2.3.3 Vergleich der Verteilungsfunktionen
Bei Messungen der Elektronenenergieverteilungsfunktion wie sie mit Langmuir-Sonden
durchgeführt werden ist es von Interesse aus der Form der Verteilungen Rückschlüsse auf die
Eigenschaften des Plasmas zu ziehen. Der erste Schritt besteht demnach darin, festzustellen
welche Art von Verteilung vorliegt. Zunächst einmal drückt man die verschiedenen Geschwindigkeitsverteilungsfunktionen der Elektronen als Funktion der Energie aus (EEDF). Mit E = (½)
mv2 gilt:
f M E  ∝
 E⋅exp{−
E
} ,
kT
(2.20a)
2. Theoretischer Hintergrund
16
f BM  E  ∝


E
E
}  B⋅exp{−
}
 E⋅ A⋅exp{−
k T1
k T2
 
E
f D  E  ∝  E⋅exp {−
kT
,
(2.20b)
2
} .
(2.20c)
Abb. 2.3 zeigt den Verlauf der drei auf die Fläche normierten Verteilungen.
1.0
flächennormierte EEDF
Druyvesteyn (T = 1 eV)
0.5
Maxwell (T = 1 eV)
Bi-Maxwell (T1 = 1 eV, T2 = 4 eV, B = 0.25*A)
0.0
0
5
10
Elektronenenergie in eV
Abb. 2.3: Verlauf der verschiedenen Verteilungsfunktionen
Wie erwartet, ist die Dichte der höher energetischen Elektronen bei einer DruyvesteynVerteilung geringer als bei einer Maxwell-Verteilung.
Meistens ist jedoch keine so klare Unterscheidung der EEDF möglich. Mit dem Ziel eine
deutliche Klassifikation der EEDF vornehmen zu können, ist in der Literatur [14] der Begriff der
EEPF, der so genannten Elektronenenergiewahrscheinlichkeitsfunktion (engl. electron energy
probability function) eingeführt worden:
f  E =
1
f  E .
E
(2.21)
Für die betrachteten EEDF heißt dies:
E
} ,
kT
(2.22a)
E
E
} B⋅exp{−
} ,
k T1
k T2
(2.22b)
fM E  ∝ exp{−
f BM E  ∝ A⋅exp {−
2. Theoretischer Hintergrund
17
 
2
E
fD  E  ∝ exp {−
} .
kT
(2.22c)
Wenn man nun die EEPF logarithmisch gegen die Energie aufträgt (Abb.2.4), so ergibt sich im
Falle einer Maxwell-Verteilung eine Gerade, dessen Steigung die Elektronentemperatur angibt.
Bei einer Bi-Maxwell-Verteilung ergeben sich zwei lineare Bereiche mit unterschiedlicher
Steigung. Schließlich weist die EEPF einer Druyvesteyn-Verteilung einen konvexen Verlauf auf.
Auf diese Weise ist es möglich, die drei Verteilungen definitiv zu unterscheiden.
flächennormierte EEPF
1.00
Druvesteyn
T1
0.10
Bi-Maxwell
T2
0.01
Maxwell
0
5
10
Elektronenenerge in eV
Abb. 2.4: Verlauf der verschiedenen EEPF
Die
Begriffsbildung
ist
bei
der
EEPF
ein
wenig
irreführend,
da
sie
eine
Wahrscheinlichkeitsfunktion suggeriert. Jedoch ist schon bei ihrer Definition Gl. 2.21 erkennbar,
dass sie keine Wahrscheinlichkeitsfunktion im strengen mathematischen Sinne sein kann, da sie
bar jeglicher Normierung ist. Tatsächlich handelt es sich bei der EEPF um den isotropen Teil der
Geschwindigkeitsverteilungsfunktion aufgetragen als Funktion der Energie.
2.4
Analyse der Stromspannungscharakteristik
In diesem Abschnitt sollen quantitative Ausdrücke gegeben werden für die Ströme in den
Teilbereichen A, B und C der Kennlinie, die in Abschnitt 2.2 beschrieben wurden. Zunächst
sollen die Sättigungsströme behandelt werden.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die im folgenden auftretenden Ströme unter den in
Abschnitt 2.1 gemachten Annahmen gelten. Dazu muss zunächst gewährleistet werden, dass die
2. Theoretischer Hintergrund
18
Schicht um die Sonde stoßfrei ist. Der Druck der in dieser Arbeit untersuchten Plasmen variiert
zwischen einem und einigen zehn Pascal. Die mittlere freie Weglänge der Elektronen variiert für
Argon in diesem Druckbereich etwa zwischen 10 mm und 100 mm und für Wasserstoff etwa
zwischen und 2 mm und 20 mm [15].
Die Debye-Länge kann folgendermaßen [13] abgeschätzt werden:
 D mm=7430

T eV 
ne cm−3 
,
(2.23)
Für Argon (Te ~ 3 eV, ne ~ 1011 cm– 3) resultiert eine Debye-Länge von ca. 0,04 mm, bei
Wasserstoff (Te ~ 1 eV, ne ~ 1010 cm
–3
) ist sie etwa 0,08 mm. Das heißt, in beiden Plasmen ist
die Annahme einer stoßfreien Randschicht erfüllt, da λD << λe.
Der Sondendraht, der in dieser Arbeit zum Einsatz kam, besitzt einen Durchmesser von d = 50
µm und eine Länge von l = 10 mm. Damit können Randeffekte an der Sonde vernachlässigt
werden.
Wichtiger jedoch ist, dass die Drahtabmessungen ebenfalls viel kleiner sind als die mittlere freie
Weglänge der Elektronen. Kritisch wird es bei den Sondenhalterungen und – führungen. Das
Keramikrohr in dem die elektrische Verbindung zwischen Sondendraht und Spannungsquelle
verläuft, besitzt einen Radius von etwa 8 mm. Das liegt in der Größenordnung der mittleren
freien Weglänge der Elektronen. Dieser Umstand wird bei den Messungen in Kapitel 5 eine
gewisse Rolle spielen. Es sei hier nur darauf verwiesen.
2.4.1 Sättigungsströme
In dem vorherigen Abschnitt wurde abgeschätzt, dass der Sondenradius in der Größenordnung
der Debye-Länge liegt. Da die Debye-Länge wiederum eine charakteristische Größe für die
Ausdehnung der Schicht um die Sonde darstellt, folgt man hieraus, dass die Annahme einer
dünnen Schicht und der Ansatz eines „space charge limited current“ nicht gerechtfertigt sind. Für
den Fall nicht vernachlässigbarer Schichten um die Sonde muss die bereits erwähnte „OMLTheorie“ angewandt werden, die besagt, dass nicht alle Ladungsträger, die in die Schicht
eindringen, auf die Sonde treffen, sondern nur diejenigen, dessen Drehimpuls nicht zu groß ist.
Dies soll im folgenden eingehender analysiert werden.
Zunächst sollen monoenergetische Ladungsträger mit der Geschwindigkeit v0 betrachtet werden,
die in die Schicht eindringen (Abb. 2.5). Um die Sonde herum ist ein Zentralkraftfeld.
2. Theoretischer Hintergrund
19
Abb. 2.5: Zur Veranschaulichung der Trajektorie eines Ladungsträgers um die Sonde
Die Trajektorie eines Ladungsträgers, dessen Geschwindigkeit und Drehimpuls einen gewissen
Wert überschreitet, entspricht der Strecke ABMDE. An der Stelle M erreicht er den Punkt
größter Annäherung zur Sonde. An diesem Punkt besitzt der Ladungsträger nur eine tangentiale
Komponente in der Geschwindigkeit. Falls der Ladungsträger einen nicht zu großen Drehimpuls
besitzt, trifft er mit der Geschwindigkeit vR auf die Sonde. Drehimpulserhaltung erfordert:
m v0 p 0 = m v R R .
(2.24)
p0 ist dabei der Stoßparameter. Aus der Energieerhaltung ergibt sich:
1
1
2
2
m v 0 = m v Rq V s ,
2
2
(2.25)
wobei q die Ladung, VS die Sondenspannung und m die Masse der Ladungsträger darstellt.
Die Kombination aus Gl. 2.24 und Gl. 2.25 ergibt falls q V 0=1/ 2 mv 02 die Anfangsenergie
der Ionen ist:
p0 =R  1V S /V 0 .
(2.26)
Dies repräsentiert einen effektiven Radius der Sonde, der größer als R ist und somit auch eine
größere effektive Sondenoberfläche Aeff nach sich zieht, die abhängig von der Sondenspannung
VS ist. Der Strom Is zur Sonde lässt sich in Abhängigkeit der effektiven Sondenoberfläche
schreiben zu:
I s= j⋅Aeff ,
(2.27a)
Aeff = As⋅F ,
(2.27b)
2. Theoretischer Hintergrund
20
wobei j die Stromdichte und AS die Sondenoberfläche darstellt. Der Korrekturfaktor F ist durch
Gl. 2.26 bestimmt.
Nun haben die Ladungsträger an der Schichtkante nicht nur eine Geschwindigkeit. Vielmehr sind
die auftretenden Geschwindigkeiten gemäß einer Verteilung f u , v  verteilt. Die Teilchen
besitzen in tangentialer und radialer Richtung die Geschwindigkeiten u und v. In den oben
aufgeführten Gleichungen ist zudem die Schichtdicke s nicht eingegangen. Das Problem muss
allgemeiner angegangen werden.
Der gesamte Spannungsabfall erfolge über die Schicht. Energie- und Drehimpulserhaltung an der
Schichtkante bei r = s und an der Sondenoberfläche bei r = R ergeben:
u 2s v 2s =u2Rv 2R 
2qV s
,
m
m vs s = m vR R .
(2.28a)
(2.28b)
Eine nähere Analyse [9] ergibt, dass die Teilchen nur dann auf die Sonde treffen, wenn
∣v s∣≤v *s gilt mit:
*
s
v =

2
u R−2qV s / m
2
2
s / R −1
.
(2.29)
Wenn man annimmt, dass die Verteilung der Geschwindigkeiten an der Schichtkante einer
zweidimensionalen Maxwell-Verteilung entspricht, erhält man durch Integration über u und v
die Stromdichte zu:
∞ v*s
j=n∫ ∫ u f u ,v du dv .
(2.30)
0 −v*s
Die Berechnung dieser Integrale [9,10] mündet in komplizierten Fehlerfunktionen, die jedoch
durch Grenzbetrachtung für den Fall dicker Schichten handhabbar sind. Der Korrekturfaktor F
aus Gl. 2.27b ergibt sich zu:
≝−
eV
kT
F=
2
 1 ,

,
V =V s −V

pl
(2.31)
 0 .
(2.32)
Angewandt auf den Ionensättigungsstrom (T = Ti , m = mi) erhält man, wenn man berücksichtigt,
dass die mittlere Ionengeschwindigkeit an der Schichtkante der Bohm-Geschwindigkeit Gl. 2.2b
entspricht:

4 kT e
1
1
,
j ion =− ni e u B =− e ni
4
4
 mi
(2.33)
2. Theoretischer Hintergrund
21
sat
I ion
= As⋅ jion⋅F =−
e ni A s

 
kT e
mi
−
eV
1 .
kT i
(2.34)
Die Elektronen besitzen an der Schichtkante die thermische Geschwindigkeit ⟨ v ⟩ gemäß Gl.
2.16. Der Elektronensättigungsstrom ist dementsprechend:
I sat
el =
 
e ne A s 2kT e
me

eV
1 .
kT e
(2.35)
Wenn man den Ionensättigungsstrom quadriert und gegen die angelegte Sondenspannung VS
aufträgt, ergibt sich gemäß (Gl. 2.34) im Ionensättigungsbereich ein linearer Verlauf, wie in
Abb. 2.6 ersichtlich ist.
Iges = Iion
2
-3
mA
0.8
0.6
Iges = Iion+ Iel
2
Strom in 10
B
A
1.0
0.4
0.2
0.0
-15
-10
-5
0
5
10
Vfl15
20 V
pl
25
Sondenspannung in V
Abb. 2.6: Zur Veranschaulichung des Ionenstroms
Für zwei Sondenspannungen, die symmetrisch um das Plasmapotenzial liegen, kann man den
Quotienten der beiden Sättigungsströme bilden. Gemäß Gl. 2.34 und Gl. 2.35 erhält man für den
Fall, dass kTe >> kTi ist:
=
∣I el∣
∝
∣I ion∣

mi
.
me
(2.36)
Für Wasserstoff ist γ ≈ 43 und für Argon γ ≈ 270. Das heißt der Ionenstrom kann in der Nähe
des Plasmapotenzials vom Gesamtstrom abgezogen werden, weil er sehr viel kleiner als der
Elektronenstrom ist.
Die hier aufgeführte Theorie ist eine vereinfachte Theorie für dicke Schichten. In der Literatur
2. Theoretischer Hintergrund
22
[16-19] finden sich Berechnungen der Ionenströme für einen sehr weiten Bereich von r S/λD mit
Verfeinerungen der Theorie, die immer noch Gegenstand aktueller Diskussionen sind.
2.4.2 Elektronenanlaufstrom
In dem Übergangsbereich B der Kennlinie treffen sowohl Elektronen, die genügend Energie
besitzen um gegen das abstoßende Feld der Sonde anzulaufen, als auch positiv geladene Ionen
auf die Sonde. Wenn die EEDF maxwellsch ist, also die Elektronen sich im thermischen
Gleichgewicht befinden, folgt die Dichte ne' in der Schicht dem Boltzmann-Gesetz.
n e ' V =ne⋅exp[−]= n e⋅exp[
eV
] .
kT e
(2.37)
ne ist dabei die Elektronendichte im Plasma. Damit ergibt sich für den Elektronenanlaufstrom:
I e = As j =

e ne As 8kT e
eV
exp[
] .
4
kT e
 me
(2.38)
Trägt man ln(Ie) im Bereich des Anlaufstroms gegen V auf, ergibt sich eine Gerade (Abb. 2.7),
aus deren Steigung die Elektronentemperatur und -dichte berechnet werden können.
-4
ln(Elektronenstrom)
Ar 2Pa 90W
Vpl = 17.8 V
-5
B
C
-6
-7
-8
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Sondenspannung inV
Abb. 2.7: Zur Veranschaulichung des Elektronenstroms Ie
Gemäß Gl.2.34 und Gl. 2.35 erwartet man, dass der Elektronensättigungsbereich C im ln(Ie)-VDiagramm eine merklich andere Steigung aufweist als der Elektronenanlaufbereich B. Am
2. Theoretischer Hintergrund
23
Übergangspunkt, dem Plasmapotenzial, erwartet man einen Knick. Durch Extrapolation einer
Geraden im Elektronenanlaufbereich und dem Anpassen einer Funktion, die im Elektronensättigungsbereich mit ln  V s  skaliert, ist es möglich, das Plasmapotenzial, welches sich als
Schnittpunkt der beiden angepassten Funktionen erweist, zu bestimmen (Abb.2.7).
Im Falle einer Bi-Maxwell-Verteilung ergeben sich im ln(Ie)-V-Diagramm zwei lineare Bereiche
entsprechend den zwei Elektronentemperaturen der Verteilung.
2.5
Erweiterung der Sondentheorie durch Druyvesteyn
Die Langmuirsche Sondentheorie beruht sowohl für die Sättigungsströme als auch für den
Elektronenanlaufstrom maßgeblich auf der Annahme einer Maxwell-Verteilung. In dem von
Langmuir 1924 untersuchten Quecksilber-Entladungen stellte sich heraus, dass diese Annahme
berechtigt war [7] und dass der Elektronenstrom im Anlaufbereich B einen linearen Verlauf
aufwies. 1930 veröffentlichte Druyvesteyn seinen Artikel „Der Niedervoltbogen“ [8]. Die in
diesem Artikel erweiterte Sondentheorie ist weitaus allgemeiner gehalten. Vor allem die
einschränkende Annahme einer Maxwell-Verteilung wird fallen gelassen. Motiviert ist seine
Arbeit durch Sondenmessung in einem Niedervoltbogen in der die Langmuirsche Sondentheorie
nicht anwendbar ist, da die Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen keiner MaxwellVerteilung entspricht. Ein Niedervoltbogen ist eine Gasentladung mit glühender Kathode, in der
die Spannung zwischen Anode und Kathode kleiner gehalten wird als die Anregungsenergie der
Gasatome. Druyvesteyn gelangte zu der nach ihm benannten Formel:

 
2eV
v= −
m
2
 = e A −V  dV
4me
d Ie
2
2
.
(2.39)
s
ρ(v) ist dabei die Geschwindigkeitsverteilung, V = VS – VPl < 0 die Sondenspannung bzgl. des
Plasmapotenzials und d 2 I e /dV 2 die zweite Ableitung des Elektronenstroms nach der
angelegten Spannung. Die Druyvesteyn-Formel Gl. 2.39 gilt für isotrope Geschwindigkeitsverteilungen, d.h. die Verteilung ist nicht abhängig von dem Azimuthalwinkel. Sie ist
insbesondere für nicht-maxwellsche Verteilungsfunktionen anwendbar.
In
der
Praxis
ist
es
häufig
nützlich,
die
EEDF
zu
berechnen
anstatt
der
Geschwindigkeitsverteilungsfunktion. Dazu bedient man sich folgender Umrechnung:
f v = f  E 
dE
dE
= f E
.
dv
 2mE
(2.40)
2. Theoretischer Hintergrund
24
Damit schreibt sich Gl. 2.39 mit der Konvention ε = - eV zu:
2
d Is
2
f = 2  2 m 
.
e As
dV 2
(2.41)
Mit Hilfe der Druyvesteyn-Formel kann man aus der Sondencharakteristik bzw. durch
zweimalige Differenziation die EEDF bestimmen. Falls man zusätzlich die EEPF gemäß Gl. 2.21
bildet, so kann eine klare Entscheidung getroffen werden, um welche Art von Verteilungsfunktion es sich handelt.
Bevor die EEDF ermittelt wird, muss der Ionenstrom von dem Gesamtstrom subtrahiert werden,
um den reinen Elektronenanlaufstrom zu erhalten, denn in Gl. 2.39 geht nur der Elektronenstrom
ein. Die Ionenstromkorrektur wird in Kapitel 4.1 ausführlich behandelt. Abb. 2.8 zeigt eine
Kennlinie mit deren zweiten Ableitung.
0.8
9.0
Zweite Ableitung
Kennlinie
8.0
7.0
0.4
6.0
5.0
0.2
4.0
0.0
3.0
Strom in mA
d 2 I / dV 2 in mA / V 2
H2 20Pa 800W
0.6 V = 10.6 V
pl
2.0
-0.2
1.0
-0.4
Vpl
-0.6
-10
-5
0
5
0.0
-1.0
10
Sondenspannung in V
Abb. 2.8: Typische Kennlinie und deren zweite Ableitung
Am Plasmapotenzial erfolgt der Übergang von Elektronenanlauf- zu Elektronensättigungsbereich. Hier befindet sich der Nulldurchgang der zweiten Ableitung. Für die Berechnung der
EEDF ist der Elektronensättigungsstrom irrelevant. Deswegen werden Kennlinien nur bis einige
wenige Volt hinter dem Plasmapotenzial aufgenommen. Zudem besteht durch hohe positive
Sondenspannungen das Risiko von Sekundärelektronen-Emission. Die Abbildungen 2.9 und 2.10
zeigen die zu Abb. 2.8. gehörende EEDF und EEPF in halblogarithmischer Skala.
2. Theoretischer Hintergrund
25
H2 20Pa 800W
H2 20Pa 800W
10
10
10
-3/2
EEPF in cm
-3
-3
EEDF in cm
10
eV
eV
-1
10
10
9
10
9
10
8
10
7
8
0
5
10
15
20
0
5
Elektronenenergie in eV
10
15
20
Elektronenenergie in eV
Abb. 2.9 und 2.10: EEDF und EEPF der Kennlinie aus Abb. 2.8
Hier sieht man die Linearität der EEPF über drei Größenordnungen, womit eine MaxwellVerteilung der Elektronen vorliegt.
Die Dichte der Elektronen ergibt sich durch Integration der EEDF über die Energie:
∞
n e=∫ f d  .
(2.42)
0
Die mittlere Energie der Elektronen ergibt sich aus dem ersten Moment der EEDF:
∞
∫
 f  d 
∫
f d 
⟨⟩ = −∞
∞
−∞
∞
1
=
∫  f  d  .
ne 0
(2.43)
Zur Vergleichbarkeit definiert man eine effektive Temperatur, die im Falle einer MaxwellVerteilung der Temperatur der Elektronen entspricht.
2
T eff ≝ ⟨⟩ .
3
(2.44)
Die effektive Elektronentemperatur ist von der Elektronentemperatur, die nur für maxwellsche
Verteilungen definiert ist, klar zu unterscheiden. Die Einheit der EEDF ist [cm -3 eV -1], die der
EEPF [cm-3 eV -3/2].
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
3.
26
Konstruktion der Langmuir-Sonde
Die Langmuir-Sonde stellt einen elektrischen Leiter im Plasma dar, deren charakteristische
Längen klein sind im Vergleich zu anderen in der Apparatur vorkommenden Größen.
Der Sondendraht, der in dieser Arbeit verwendeten Sonde besteht aus Wolfram von der Firma
Goodfellow und weist einen Reinheitsgrad von 99,9 % auf. Er besitzt einen Durchmesser von 50
µm und eine Länge von 10 mm. Die Wahl fiel auf dieses Material, weil es eine hohe
Schmelztemperatur besitzt. Andere in Frage kommende Materialien sind Platin, welches den
Vorteil hat chemisch nicht bzw. nur sehr gering reaktiv zu sein, oder Molybdän. Die hohe
Schmelztemperatur ist deswegen notwendig, weil der Sondendraht aufgrund von Ablagerungen
regelmäßig ausgeglüht werden muss. Gerade bei RF-Plasmen entstehen Kontaminationen durch
abgesputtertes Material der RF-Elektroden. Dies hat zur Folge, dass die Kapazität und die
Leitfähigkeit der Sonde verändert werden. Ein weiteres Problem, welches durch Sondenablagerungen entsteht, ist die unkontrollierbare Variation der Austrittsarbeit des Sondenmaterials
[20]. Denn dann entspricht die Spannung an der Grenze zwischen Schicht und Sonde nicht mehr
der angelegten Spannung, was wiederum die Messergebnisse verfälscht. Das Ausglühen der
Sonde erfolgt durch Anlegen einer hohen positiven Spannung (bis zu +100 V) um einen
möglichst hohen Elektronenstrom zu erzielen. Jedoch ist es auch möglich in Gasen mit schweren
Ionen durch Anlegen einer hohen negativen Spannung den Draht in Folge eines
Ionenbombardements zu reinigen.
3.1 RF-Plasmen
3.1.1 Störung der Kennlinie durch Hochfrequenzspannungen
Die in dieser Arbeit untersuchten Plasmen werden mit einer Hochfrequenz (hier 13,56 MHz)
betrieben, weswegen sie auch Radiofrequenz(RF)-Plasmen genannt werden. Das Anlegen einer
hochfrequenten Wechselspannung kann jedoch nicht ohne Konsequenzen für die im Plasma
befindliche und auf Gleichspannung liegende Sonde bleiben.
Langmuir selbst hat in Gleichspannungsentladungen Sondenmessungen gemacht [10]. Daran hat
sich lange Zeit nichts geändert, denn Gleichspannungs- und Afterglow-Entladungen standen
noch bis zu Beginn der letzten Dekade im Mittelpunkt der Forschung. Mit dem Aufkommen der
Materialbeschichtungsindustrie
und
der
Halbleitertechnologie
ist
das
Interesse
an
Wechselspannungsentladungen immer weiter gestiegen. So sind in RF-Plasmen auch nicht
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
27
leitende Werkstoffe bearbeitbar, was in einer DC-Entladung nicht möglich ist.
Die grundlegende Schwierigkeit bei Sondenmessungen in kapazitiv gekoppelten RF-Plasmen
liegt darin, dass das Plasmapotenzial anders als in DC-Entladungen nicht invariant mit der Zeit
bleibt, sondern im Takt der angelegten Frequenz variiert. Abb. 3.1 zeigt den zeitlichen Verlauf
des mit einem Oszilloskop gemessenem Gleichspannungsanteils des Floating-Potenzials der
verwendeten Sonde.
2.5
~74 ns
Floating-Potenzial in V
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
-0.5
-1.0
-1.5
-2.0
0
50
100
150
200
250
Zeit in ns
Abb. 3.1: Zeitliche Variation des Floating-Potenzials
Man erkennt darin deutlich die Periode der Variation in der Zeitspanne von ca. 74 ns, was der
Frequenz von 13,56 MHz entspricht. Diese Messung ist in einer kapazitiven asymmetrischen
Entladung durchgeführt worden. Die Abweichungen von einem sinusförmigen Verlauf rühren
von der Asymmetrie der Entladung und von den Nichtlinearitäten in der Randschicht um die
getriebene Elektrode.
Eine Variation des Floating-Potenzials ist gleichbedeutend mit einer Variation des
Plasmapotenzials, da gezeigt werden kann [9], dass der Abstand zwischen Floating-und
Plasmapotenzial konstant ist und somit das Floating-Potenzial ein ähnliches zeitliches Verhalten
aufweist wie das Plasmapotenzial. Abb. 3.1 steht also repräsentativ für das Plasmapotenzial.
Wenn nun der Potenzialabfall über der Randschicht einer hochfrequenten Fluktuation ausgesetzt
ist, so ist einleuchtend, dass der gemessene Strom auf die Sonde ebenfalls in der Zeit variiert.
Strommessungen, die
zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines RF-Zyklus gemacht
werden, ergeben nicht denselben Messwert des Stromes. Die Sondenmessung ist hier eine
zeitgemittelte Messung. Nun ist die Kennlinie nicht linear und der Mittelwert des gemessenen
Stromes entspricht nicht dem Stromwert des zugehörigen Sondenpotenzials, sondern dieser
Mittelwert wird größer sein als der tatsächliche Strom. Es ergeben sich deshalb zeitgemittelte
Kennlinien, die eine sinnvolle Auswertung ausschließen und unverlässliche Plasmaparameter zur
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
28
Folge hat. In der Regel wird das Floating-Potenzial zu negativeren Werten verschoben. Die
Elektronentemperatur wird dabei überschätzt, wohingegen die Elektronendichte unterschätzt
wird [21].
Der zeitlich gemittelte Wert für den Elektronenanlaufstrom kann folgendermaßen angegeben
werden [22] gemäß Gl. 2.38:
T
e ne A s 1
e V s t −V pl t 
⟨ I e ⟩t =
v e ∫ exp [−
] dt .
4
T 0
kT e
(3.1)
v e ist dabei die thermische Elektronengeschwindigkeit Gl. 2.16, VS(t) und Vpl(t) sind jeweils
das zum Zeitpunkt t vorliegende Sonden- bzw. Plasmapotenzial.
Im Elektronenanlaufbereich folgt das Plasmapotenzial der äußeren Anregung ohne maßgebliche
Störung durch die Sonde. Das Sondenpotenzial ist gegeben durch die angelegte Gleichspannung
und der Impedanz zwischen Sonde und Masse. Somit sind sowohl das Sonden- als auch das
Plasmapotenzial periodisch und können folgendermaßen beschrieben werden:
V pl , rf t =V pl , dc  V pl , ac t  ,
(3.2a)
V s , rf t =V s , dc  V s , ac t  .
(3.2b)
Damit lässt sich Gl. 3.1 in einen zeitabhängigen und in einen zeitunabhängigen Faktor unterteilen:
en A
⟨ I e ⟩ t = 4e s v e
T
T
e V s ,dc −V pl , dc 
e V s , ac t −V pl , ac t
1
] dt
exp [−
]dt (3.3a)
∫ exp[−
∫
kT e
T 0
kT e
0

r
e ne A s
⟨ I e ⟩t =
ve
4
T
r
∫ exp[−
0
e V s , dc −V pl , dc 
] dt .
kT e
(3.3b)
Setzt man für Vs,dc das Floating-Potenzial Vfl ein, ergibt sich nach Logarithmierung die Verschiebung des Floating-Potenzials in Abhängigkeit von r zu:
V fl =V pl , dc −
kT e
en A v
ln [ e s e ] .
e
4 r ⟨ I e ⟩t
(3.4)
Für den Idealfall, dass der Wechselspannungsanteil der Sonde gleich dem des Plasmapotenzials
ist, nimmt r den Wert 1 an:
r =1 ⇔
V s ,ac = V pl , ac .
(3.5)
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
29
Bei sinusförmiger RF-Spannung können für r analytische Lösungen gefunden werden [21].
In den Gl. 3.3a und Gl. 3.3b ist der Effekt der Hochfrequenzstörung am deutlichsten zu sehen.
Falls das Integral r einen Wert größer als eins einnimmt, ist die durch RF-Störung verschobene
Elektronentemperatur größer als der wahre Wert, wohingegen die Elektronendichte einen
niedrigeren Wert annehmen wird. Aus Gl. 3.4 wird ersichtlich, dass wenn die RF-Spannung
steigt, das Floating-Potenzial abnimmt. Bei diesem verzerrten Floating-Potenzial treffen über
einem RF-Zyklus gemittelt die gleiche Anzahl von Elektronen und Ionen auf die Sonde. Das ist
ein Unterschied zum „wahren“ Floating-Potenzial, wo zu jedem Zeitpunkt gleich viele
Ladungsträger entgegengesetzter Ladung auf die Sonde treffen.
3.1.2 RF-Kompensation
Aufgrund der im vorherigen Abschnitt behandelten RF-Störung der Messwerte muss eine
Methode gefunden werden, diese Störung zu kompensieren, damit vertrauenswürdige
Messergebnisse erzielt werden können. Es muss gewährleistet werden, dass die Sonde den
Schwankungen des Plasmapotenzials folgt, denn nur dann ist die Potenzialdifferenz zwischen
Plasma- und Sondenpotenzial konstant.
Die in dieser Arbeit verwendete Sonde besitzt eine so genannte passive RF -Kompensation, die
nun vorgestellt werden soll. Daran anschließend wird die aktive RF-Kompensation, die
alternative Methode, analysiert.
3.1.2.1 Passive Kompensation
Abb. 3.2 zeigt eine Prinzipschaltung der passiven Kompensation.
Abb. 3.2: Prinzip der passiven Kompensation
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
30
Die Idee der passiven Kompensation besteht darin, neben der Sonde eine zusätzliche Elektrode
in das Plasma hinein zu führen. Diese Elektrode, die auch Kompensations- oder
Referenzelektrode genannt wird, besitzt die Kapazität CE zum Plasma und tastet die Variation
des Plasmapotenzials ab. Damit die Kopplung zum Plasma gut genug ist, sollte die
Kompensationselektrode eine vergleichsweise größere Fläche besitzen als die Sondenspitze.
Jedoch muss auch hier ein Kompromiss gefunden werden, denn allzu groß darf diese Fläche
nicht sein aufgrund der evtl. damit einhergehenden Störung des Plasmas. Die Elektrode sollte
zudem in der unmittelbaren Nähe des Drahtes sein, damit sie der gleichen Variation des
Plasmapotenzials ausgesetzt ist wie die Sonde. Der Kondensator CB dient dazu die
Kompensationselektrode von der Gleichspannung der Sonde abzublocken. Andernfalls fungierte
die Elektrode als zusätzliche Sonde.
Das von der Elektrode abgegriffene Signal wird dann gekoppelt an den Draht der Sonde. Der
Tiefpassfilter TPF besteht bei der hier verwendeten Sonde aus fünf LC-Schwingkreisen, die so
abgestimmt
werden,
dass
hochfrequente
RF-Spannungen
vom
restlichen
Stromkreis
herausgefiltert werden. Auf diese Filter wird in Abschnitt 3.1.3 näher eingegangen werden.
Somit gibt es eine konstante Spannung VS zwischen Plasma und Sonde. In der Literatur [23, 24]
wurde die passive Kompensation in RF-Plasmen erfolgreich getestet.
3.1.2.2 Aktive Kompensation
Abb. 3.3. demonstriert die Funktionsweise einer aktiven Kompensation.
Abb. 3.3: Prinzip der aktiven Kompensation
Die Idee bei der aktiven Kompensation ist die folgende [25, 20]: Man greift einen Bruchteil der
RF-Spannung ab und hat somit ein Signal, welches die gleiche Frequenz und eine feste
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
31
Phasenbeziehung bzgl. des Plasmapotenzials besitzt. Durch eine geeignete Abstimmung mittels
eines Phasenschiebers und eines Amplitudenverstärkers wird das Signal abgestimmt und dann
kapazitiv an das Sondensignal gekoppelt. Der Tiefpassfilter hat hier dieselbe Funktion wie bei
der passiven Kompensation. Die Abstimmung des RF-Signals wird so lange wiederholt, bis das
Floating-Potenzial seinen niedrigsten negativen Wert annimmt.
Je nach Bedarf hat die eine bzw. die andere Kompensationsmethode ihre Vorteile und Nachteile.
Die passive Kompensation hat den Vorteil, dass sie ohne größeren technischen und finanziellen
Aufwand realisierbar ist. Jedoch ist die Präsenz einer zusätzlichen Elektrode, die großflächig
sein sollte, damit die Impedanz zwischen Sondenschicht und Plasma klein gehalten wird, nicht
immer erwünscht. Dies erübrigt sich im Falle einer aktiven Kompensation. Der Nachteil hier
besteht in der aufwändigen Anpassung von Phase und Amplitude der RF-Spannung.
3.1.3 RF-Filter
Der RF-Filter (siehe Abb. 3.2) ist ein Tiefpassfilter und besteht aus LC-Schwingkreisen. Jeder
dieser Sperrkreise besteht aus einem Kondensator der Kapazität C und einer selbst gewickelten
Ringkernspule der Induktivität L, die parallel zueinander geschaltet sind. Gemäß
2  f =1/ C L werden die Induktivität und die Kapazität nun so eingestellt, dass bei der RFFrequenz und deren Harmonischen der Sperrkreis einsetzt und hochohmig wird, so dass die
Frequenzen abgeblockt werden. Bei der hier verwendeten Sonde sind fünf Sperrkreise vorhanden
entsprechend der Grundfrequenz bei 13,56 MHz und den ersten vier Harmonischen. Die
Parameter der Schwingkreise sind (beginnend mit den Werten für die Grundfrequenz): 33 pF
(4,2 µH), 15pF (2,3 µH), 10 pF (1,5 µH), 8 pF (1,1 µH), 5,5 pF (1 µH). Abb. 3.4 zeigt das
Ergebnis der Filterung.
Floating-Potenzial in V
2.5
nicht gefiltertes Signal
gefiltertes Signal
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
-0.5
-1.0
-1.5
-2.0
-100
-50
0
50
Zeit in ns
Abb. 3.4: Zur Effizienz der RF-Filter
100
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
32
Zunächst sieht man das in Abb. 3.1 schon gezeigte Signal, welches die Variation des Floatingsbzw. des Plasmapotenzials darstellt (gestrichelte Linie). Dieses Signal ist unmittelbar vor den
RF-Filtern während des Plasmabetriebs abgegriffen worden. Danach wurde das Signal hinter den
Filtern abgegriffen (durchgezogene Linie). Man sieht, dass die Amplituden um ein Vielfaches
reduziert sind. Die Fourier-Analysen des gefilterten und ungefilterten Signals sind in den
Abbildungen 3.5 und 3.6 gezeigt.
FFT nicht gefiltert
Amplitude
1.5
ω = 13,56 MHz
1.0
0.5
2ω
3ω
0.0
0
50
100
150
Frequenz in MHz
Abb. 3.5: Fourier-Analyse des ungefilterten Signals
0.07
8ω
FFT gefiltert
0.06
Amplitude
0.05
0.04
0.03
7ω
9ω
0.02
0.01
0.00
0
50
100
150
Frequenz in MHz
Abb. 3.6: Fourier-Analyse des gefilterten Signals
Bei dem ungefilterten Signal ist die Grundfrequenz wie erwartet die dominierende Frequenz. Das
gefilterte Signal weist Frequenzkomponenten ab der sechsten Harmonischen auf, was auf eine
gute Filterung hinweist.
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
33
Um die wirkliche Filterleistung ohne Einflüsse des Plasmas gesondert zu untersuchen wurde die
Sonde direkt an einem Frequenzgenerator angeschlossen, der ein Signal auf die Sondenspitze
gab (Abb. 3.7). Bei dem zu untersuchenden Frequenzen wurde mittels eines Oszilloskops die
Eingangsamplitude vor den Filtern und gleichzeitig die Ausgangsamplitude hinter den Filtern
gemessen.
Abb. 3.7: Zur weiteren Filteranalyse
Die Transmission T ist das Verhältnis von Eingangsamplitude zu Ausgangsamplitude. Die
Transmission als Funktion der Frequenz ist in Abb. 3.8 dargestellt.
0.05
Transmission
0.04
0.03
0.02
0.01
0.00
13,56
27,12
40,68
54,24
67,8
Frequenz in MHz
Abb. 3.8: Zur Transmissionsanalyse
Die Transmission nimmt bei den RF-Frequenzen einen Wert an, der deutlich kleiner als 1 ist.
Das heißt, dass dort eine effiziente Filterung stattfindet. Lediglich bei der vierten Harmonischen
ist die Filterung nicht mehr so effizient wie bei den vier vorherigen. Der Grund liegt darin, dass
parasitäre Streukapazitäten zum Gehäuse die Kapazität des Kondensators (5,5pF) verfälschen.
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
34
Die Streukapazitäten rühren von der Tatsache her, dass die RF-Filter der verwendeten Sonde
sich nicht direkt hinter der Sondenspitze befinden, sondern außerhalb des Sondenmesskopfs in
ca. 30 cm Entfernung. Dies ist offensichtlich nicht von Vorteil. Filter, die direkt hinter der
Sondenspitze positioniert sind, haben nicht das Problem von Streukapazitäten, doch birgt diese
Anordnung zwei wesentliche Risiken, die nicht zu unterschätzen sind. Zum einen wird der
Radius der Sondenhalterung notwendigerweise vergrößert, was das Plasma mehr stört. Zum
anderen werden die Filter bei hohen Leistungen vor allem in induktiv gekoppelten RF-Plasmen
durch Erwärmung der sie umfassenden Halterung zerstört.
3.2
Mechanischer Aufbau der Sonde
Abb. 3.9: Sondenaufbau und mechanischer Messkopf gemäß [42]
In Abb. 3.9 sind der Sondenaufbau und der mechanische Messkopf dargestellt. Der bis zu 300
mm ausfahrbare Messkopf bietet die Möglichkeit ortsaufgelöster Messungen. Die Sondenspitze
(1) ist 10 mm lang und hat einen Durchmesser von 50 µm. Sowohl Drahtdicke als auch -länge
können variiert werden. Der Draht wird bis auf die Sondenspitze umgeben von einem dünnen
Kapillarröhrchen (Ø 0,5 mm), welches aus Keramik besteht und den Draht gegenüber dem
Plasma isoliert. Es besteht die Möglichkeit die Sondenspitze in das Kapillarröhrchen
zurückzuziehen. Dies ist vorteilhaft in reaktiven Plasmen um den Draht vor Beschichtungen und
Ätzwirkungen zu schützen. Das dünne Kapillarröhrchen ist umgeben von einer etwas dickeren
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
35
Kapillare (Ø 1 mm). Die Keramikkapillare sind mit speziellen Keramikkleber (Typ Ceramabond
571), welcher vakuumtauglich ist, an der HF-Kompensationselektrode (3) befestigt. Diese
Kompensationselektrode hat einen Durchmesser von 10 mm. Die Fläche beträgt ca. 141 mm².
Das daran anschließende Keramikrohr (4) hat einen Durchmesser von 8 mm und beinhaltet die
Führung für den elektrischen Kontakt mit der Sondenspitze. Der Vakuumflansch (5) ist vom Typ
DN40 ISO-KF. Unmittelbar unterhalb des Vakuumflansches sind der Schrittmotor (6) und die
Bremse (7) positioniert. Bei dem Schrittmotor handelt es sich um einen Gleichstrommotor, bei
dem ein drehbares Motorteil mit Welle, der Rotor, bei richtiger Wahl der angesteuerten
Statorspulen (nicht drehbar) gezielt um einen Winkel gedreht werden kann. In diesem Falle
entspricht ein Schritt 1,8°. Ein Vollkreis ist demnach nach 200 Schritten vollzogen und
entspricht einem Verfahrweg von 11 mm. Das Haltemoment beträgt 120 Ncm. Das heißt, bis zu
dieser Kraft kann der Motor belastet werden, bis sich die Achse um einen oder mehrere Schritte
durch die Belastung verdreht. Der maximal zulässige Strom pro Wicklung der Spulen, der so
genannte Nennstrom beträgt ca. 2 Ampère. Die Bremse greift permanent an der Welle des
Motors. Sie wird eine Sekunde, nachdem der Rechner den Befehl zum Fahren der Sonde gibt,
gelöst. Nach wieder einer Sekunde erst setzt sich die Sonde in Bewegung. Ist die Sonde an der
gewünschten Position, verläuft der Prozess in die umgekehrte Richtung. Die Wartezeiten dienen
als zusätzlicher Schutzmechanismus vor unkontrolliertem Hineinfahren der Sonde. Ein
Faltenbalg sorgt für die Vakuumdichtung. Am Ende des Gehäuses (8) befinden sich die RFFilter. Die Verkabelung der Sonde erfolgt über ein Koaxialkabel.
3.3
Messapparatur
Um eine Kennlinie aufnehmen zu können sind gemäß Abb. 3.10 eine Spannungsquelle, zwei
Spannungsmessgeräte und ein Messwiderstand notwendig.
Abb. 3.10: Prinzipschaltbild zur Aufnahme einer Kennlinie
Die in dieser Arbeit verwendete Messapparatur ist vollständig PC-gesteuert. Ebenso erfolgt die
Auslesung der Strom- und Spannungsmessung über die Schnittstelle mit dem PC.
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
36
Das Blockschaltbild des kompletten Messsystems ist in Abb. 3.11 gezeigt, auf dessen einzelne
Komponenten im folgenden näher eingegangen wird.
Abb. 3.11: Blockschaltbild des Messsystems
3.3.1 PC-Karte
Kernstück des rechnergesteuerten Messsystems ist die PC-Karte. Es handelt sich dabei um das
Modell PCI – 6035 E der Firma National Instruments. Sie enthält einen Digital-AnalogUmsetzer für die Ausgabe der Spannungen, der eine Auflösung von 12 Bit gestattet. Zudem ist in
der PC-Karte ein 8-Kanal Analog-Digital-Umsetzer mit 16 Bit Auflösung integriert, der präzise
Spannungsmessungen für die Strom- und Spannungsmessung erlaubt. An die PC-Karte ist die
Signal-Conditioning-Box (siehe Abb. 3.11) angeschlossen. Neben 16 analogen Eingängen und
zwei analogen Ausgängen bietet die Karte auch acht digitale Ein – und Ausgänge. Der analoge
Ausgang der Karte kann maximal ±10 Volt an der Stelle U-Out (Abb. 3.11) ausgeben. Die
Spannung am analogen Eingang darf maximal ± 10 V betragen.
Für
die
Aufnahme
einer
Stromspannungskennlinie
sind
ein
Ausgang
für
die
Spannungsversorgung der Sonde und zwei Eingänge für die Strom- bzw. Spannungsmessung
notwendig. Zudem sind vier digitale Ausgänge vonnöten um das aus vier Widerständen
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
37
bestehende Relais zu steuern. Für die Messung analoger Signale werden Messverstärker
benötigt, die die Signale verarbeiten. Die drei Messverstärker sind untereinander und mit der
Karte galvanisch getrennt um Masseschleifen zu vermeiden und elektrische Einstreuungen zu
minimieren.
3.3.2 Spannungsquelle und Messwiderstände
Die Spannungsquelle (Abb. 3.12) besteht aus einem Digital-Analog-Umsetzer (DAC), der wie
oben erwähnt maximal ±10 Volt ausgeben kann. Da dies für eine Sondenmessung nicht
ausreicht, ist ein vom Institut Experimentalphysik V konstruierter Verstärker nachgeschaltet.
Dieser Verstärker erlaubt bei einem Verstärkungsfaktor von ca. 13 eine Spannungsausgabe von –
130 V bis + 130 V. Somit kann die Sonde sowohl mit Hilfe großer positiver Spannung durch
Elektronenheizung ausgeglüht werden als auch bei hohen negativen Spannungen durch
Ionenbombardement gesäubert werden. In dem Gehäuse des Messverstärkers ist auch das
Widerstandsrelais bestehend aus 4 Widerständen (125 Ω, 250 Ω, 500 Ω, 1000 Ω) eingebettet.
Abb. 3.12: Schaltbild der Spannungsquelle
Da die Digital-Analog-Umsetzung mit einer Auflösung von 12 Bit vonstatten geht, resultiert
daraus ein minimaler einstellbarer Spannungsabstand von etwa 65 mV, denn die gesamte
Spannungsbreite von 260 V wird in 2
11
– 1 = 4095 Einheiten unterteilt. Die Auflösung
vermindert sich um ein Bit, wenn die Spannungausgabe symmetrisch ist. Der Grund, warum die
Messwiderstände in das Gehäuse des Messverstärkers eingebettet sind, ist, dass durch den
geringen Abstand zum Hochspannungsoperationsverstärker (Modell PA241 der Firma Apex)
Streukapazitäten der Zuleitungen minimiert werden. So werden unerwünschte Effekte wie
Schwingungen im Operationsverstärker unterbunden. Um den Messbereich an den Strom
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
38
anpassen zu können stehen mehrere Messwiderstände zur Verfügung. Dazu wird vor jeder
eigentlichen Messung eine Kennlinie im Voraus aufgenommen. Diese Vormessung dient dazu
den maximalen Wert des Stroms bei hohen positiven Spannungen zu bestimmen und wird mit
dem kleinsten Messwiderstand durchgeführt, damit zunächst der größtmögliche Messbereich
abgedeckt wird. Je nach gemessenem Wert wird dann derjenige Messwiderstand ausgewählt,
welcher den vollen Bereich des Stroms ebenfalls abdeckt. Auf diese Weise wird der Wert des
Spannungsabfalls so gut an den Messbereich angepasst, wie dies die Messwiderstände erlauben.
Es besteht die Möglichkeit neben den vier angezeigten Messwiderständen noch zwei weitere
Widerstände zu benutzen. Falls keiner der vier Messwiderstände durch die PC-Karte angesteuert
wird, liegt ein Messwiderstand von 2000 Ω vor, der in dem Verstärker fest eingebaut ist. Falls
alle vier Messwiderstände angesteuert werden, liegt eine Parallelschaltung dieser vor, die einen
Gesamtwiderstand von 74 Ω ergibt.
3.3.3 Spannungsmessung
Abb. 3.13: Spannungsmessung und Prinzipschaltbild eines Spannungsteilers
In Abb. 3.13 ist das Prinzip der Spannungsmessung dargestellt. Das hinter dem Verstärker
abgegriffene Spannung wird durch einen Spannungsteiler verringert, trifft dann auf einen
10fach-Messverstärker und schließlich wandelt der Analog-Digital-Umsetzer (ADC) das analoge
Signal mit einer Auflösung von 16 Bit in ein digitales Signal um. Der Spannungsteiler dient dazu
die Sondenspannung an den Messbereich anzupassen. Das Prinzip der Spannungsteilung ist im
unteren Teil der Abb. 3.13 abgebildet. Das zu messende Signal Vm splittet sich dabei in die
Signale V1 und V2 ab, die jeweils die Spannungsabfälle über R1 und R2 repräsentieren. Gemäß
dem ohmschen Gesetz V = R∙I ergibt sich für die Spannung Vmess:
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
39
V mess=V m
R2
.
R1 R2
(3.6)
Die beiden Widerstände R1 und R2 sind jeweils so gewählt, dass das in den Verstärker gehende
Signal maximal ± 1 V beträgt, damit die maximal an dem Eingang der PC-Karte eingehende
Spannung ±10 V beträgt. Das vor dem Messwiderstand Rmess anliegende Potenzial Vm kann dann
einfach berechnet werden.
Das Potenzial an der Sondenspitze VSonde entspricht jedoch nicht exakt Vm, da noch Spannungsabfälle über dem Messwiderstand und dem Widerstand RSonde zu berücksichtigen sind. Eine
Messung ergab, dass zwischen der Sondenspitze und dem Innenleiter des Koaxialausgangs der
Sonde ein Widerstand RSonde von 3 Ω existiert, der hauptsächlich durch Induktivitäten auftritt.
Die Genauigkeit der Spannungsmessung liegt bei der 16-Bit-Auflösung bei ca. 8 mV, falls man
von -130 V bis +130 V misst. Die Messkarte verfügt jedoch über die Eigenschaft zwischen vier
voreingestellten Messbereichen zu variieren. Damit kann die Empfindlichkeit der Messung
erhöht werden, wenn nicht der gesamte Spannungsbereich von -130 V bis +130 V gebraucht
wird. Man kann zwischen den Bereichen ±130 V, ±65 V, ±6,5 V und ±0,65 V wählen und
gewinnt damit mit jedem kleiner werdenden Bereich einen Faktor 2 bzw. 10 in der
Empfindlichkeit. Dies ist auch möglich für den analogen Eingang für die Strommessung.
3.3.4
Strommessung
Für die Strommessung gelten im Prinzip die gleichen Bedingungen wie für die
Spannungsmessung, da die gleichen Module (siehe Abb. 3.11.) verwendet werden. Auch hier gilt
eine 16-Bit-Auflösung und auch hier kann man zwischen vier Messbereichen für die Spannung,
die hinter dem 10fach-Messverstärker anliegt, wählen: ±1 V, ±0,5 V, ±0,05 V und ± 0,005 V.
Das heißt für ein Messwiderstand von 2000 Ω ergibt sich eine Empfindlichkeit von 30 nA bei
einem Spannungsbereich von ±10 V. Der maximale Strom, der bei dem kleinsten Widerstand (74
Ω) in dem größten Spannungsmessbereich (± 1V) gemessen werden kann, beträgt 1 V / 74 Ω =
13,5 mA. Man kann auch hier an Auflösung gewinnen, wenn man asymmetrische
Spannungsbereiche wählt. Diese sind deswegen gerechtfertigt, weil der Betrag des
Ionensättigungsstroms bei hohen negativen Sondenspannungen gemäß Gl. 3.6 in der Regel zwei
Größenordnungen kleiner ist als der Elektronensättigungsstrom.
3.3.5 Kalibrierung
Zur Kontrolle der Messapparatur wurde diese mit einem 16-Bit-Multimeter verglichen. Der
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
40
Vergleich in der Strommessung ergab, dass die Abweichung über den gesamten
Spannungsbereichs im einstelligen µA-Bereich lag, was ca. 0,1 % Abweichung entspricht.
Eine weitere Vergleichsmessung wurde für die Spannungsmessung gemacht. Mit dem
Multimeter wurde die Spannung, die an der Sonde liegt (an der Stelle U-Probe in Abb. 3.11),
gemessen und mit dem Wert, den die PC-Karte maß, verglichen. Hier betrug die Abweichung
zwischen Multimeter und PC-Karte über den gesamten Spannungsbereich etwa 0,7 %. Sowohl
für die Spannungs- als auch Strommessung sind die auftretenden Abweichungen in Form von
Korrekturfaktoren in dem Datenauswerteprogramm mitberücksichtigt.
In Abb. 3.14 ist das Ergebnis des Kalibrierungsprozesses für den Verstärker abgebildet.
Gemessen wurde die Spannung am Ausgang der Karte, also vor dem Verstärker und direkt hinter
dem Verstärker. Die Spannung sowohl vor als auch nach dem Verstärker wurde jeweils mit
einem Digital-Multimeter gemessen. Durch Anpassen einer Gerade ergab sich der
Verstärkungsfaktor und ein Offset. Die aus beiden Kalibrierungen ermittelten Konstanten sind
Ausgangsspannung Verstärker in V
ebenfalls in dem Auswerte- und Steuerungsprogramm mitberücksichtigt worden.
150
100
50
0
-50
Lineare Regression
Y=A+B*X
A = 0.092
B = 12.991
-100
-150
-10
-5
0
5
10
Eingangsspannung Verstärker in V
Abb. 3.14: Zur Kalibrierung des Verstärkers
3.3.6 Elektronische Datenerfassung
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Ausgabe von Spannungen und der elektronischen
Datenerfassung durch die PC-Messkarte.
Um eine möglichst schnelle Messung durchführen zu können ist folgende Methode zur
Aufnahme einer Kennlinie gewählt worden: Zunächst wird eine Spannungsrampe durch die
Eingabe des Start- und Endwerts und der Schrittweite, mit der die Spannungen ausgegeben
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
41
werden sollen, im Steuerprogramm vorgegeben. Der Digital-Analog-Umsetzer generiert dann die
gewünschte Spannungsrampe. Die Zeit, die für die Ausgabe der kompletten Spannungsrampe
benötigt wird, hängt vom Start- und Endwert, der Schrittweite und von den internen Timereinstellungen der Karte ab und variiert je nach Einstellung zwischen 5 ms und einigen Sekunden.
Wie und ob die Messzeit die Messung beeinflusst, wird detailliert in Kapitel 4.5 behandelt.
Das Einlesen der Spannungswerte für die Spannungs- und Strommessung gemäß den
Abschnitten 3.3.3 und 3.3.4 erfolgt mit einer Auflösung von 16 Bit und ist somit genauer als die
Spannungsausgabe. Dabei misst die PC-Messkarte unmittelbar, nachdem die Spannung
ausgegeben wurde, aufeinander folgend die Sondenspannung und den Sondenstrom. Die
Spannungsquelle benötigt etwa 50 µs um eine stabile Spannung einzustellen. Da das Einlesen
der Strom- und Spannungswerte in einer Zeitspanne von etwa 5 µs stattfindet, werden somit
auch Stromwerte aufgenommen, die Sondenspannungen entsprechen, die zwischen den
einzelnen Spannungswerten liegen.
Abb. 3.15 zeigt die von der Karte gelesenen Daten für die Spannungs- und Strommessung als
Funktion von Z, der Anzahl der Messungen, die die Karte vollzogen hat. Weil die Zeit zwischen
zwei Messprozessen konstant ist, steht Z stellvertretend für die Messzeit.
20
14.0
7.5 ms
15
12.0
10
10.0
Spannung in V
8.0
0
-5
6.0
-10
4.0
-15
2.0
-20
0.0
-25
0
1000
2000
3000
Strom in mA
5
-2.0
4000
Anzahl der Messungen Z
Abb. 3.15: Strom und Spannung als Funktion der Zeit
Indem die Zeit für die Ausgabe der Spannungsrampe und die Frequenz für das Auslesen der
Daten variiert wird, kann die Anzahl der Messungen pro eingestellter Spannung einstellt werden.
So werden in der Messung, die in Abb. 3.15 gezeigt ist, pro eingestellter Sondenspannung etwa
20 Datenpaare gelesen, denn die Zeit zwischen zwei Messprozessen beträgt 5 µs und zwischen
zwei Spannungswerten vergehen 100 µs. Das entspricht ca. 750 Datenpaaren (bei einer
Spannungsrampe von -20 V bis +17 V in 0,5 V Schritten) pro Kennlinie.
Die aufgenommenen Messdaten werden in einem Zwischenspeicher gespeichert. Wenn eine
3.Konstruktion der Langmuir-Sonde
42
Weiterverarbeitung der Daten während des Messvorgangs durchgeführt wird, verlangsamt dies
den Messprozess erheblich. Aufgrund dessen erfolgt die Datenverarbeitung, nachdem alle
Messdaten gespeichert worden sind. Die Messung von Strom und Spannung geschieht
kontinuierlich. Es wird demnach auch dann gemessen, wenn sich die Ausgangsspannung ändert.
Der erste Schritt der Datenverarbeitung besteht darin die Datenpaare, die während der
Übergangsphase zwischen zwei Spannungswerten aufgenommen wurden, heraus zu filtern. Die
Filterung dieser Datenpaare erfolgt über die erste Ableitung des Stroms nach der Zeit bzw. nach
Z, denn nur wenn die Spannung stabil ist, sind die Stromwerte konstant. Dann streuen die Werte
für den Differenzenquotienten um den Wert Null (siehe Abb. 3.16). Während der
Übergangsphase zweier Spannungen ist jedoch ein großer Anstieg des Stroms zu verzeichnen,
hier nimmt der Differenzenquotient einen Wert an, der deutlich größer als Null ist. Durch
Vorgeben eines Toleranzintervalls (Abb. 3.16) werden dann diejenigen Datenpaare, die keiner
eindeutigen Spannung zugeordnet werden können, selektiert. Über die Datenpaare, denen eine
eindeutige Spannung zugeordnet werden kann, wird das arithmetische Mittel gebildet. Auf diese
Weise wird jedem Spannungswert ein gemittelter Stromwert zugeordnet.
0.40
14
12
0.30
10
0.25
8
0.20
0.15
6
0.10
4
Ableitung in mA
Strom in mA
0.35
Strom
Ableitung
0.05
2
0.00
0
-0.05
3200
3300
3400
3500
3600
3700
Anzahl Messungen Z
Abb. 3.16: Bildung des Differenzenquotienten zur Filterung der Strom-Spannungs-Datenpaare
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
4.
43
Auswertung einer gemessenen Kennlinie
In diesem Kapitel soll beschrieben werden, wie aus einer gemessenen Stromspannungscharakteristik Plasmaparameter bestimmt werden. Die Auswertung der Kennlinie basiert auf der
Bestimmung der EEDF, die in der Regel nicht maxwellsch ist. Benötigt wird dafür der
Elektronenstrom. Das bedeutet, dass vom gemessenen Gesamtstrom der Anteil der Ionen
subtrahiert werden muss (Abschnitt 4.1). Nachdem die Ionenstromkorrektur erfolgt ist, kann die
EEDF aus der zweiten Ableitung gemäß Gl. 2.39 bestimmt werden (Abschnitt 4.2). In Abschnitt
4.3 wird dann beschrieben, wie Plasmaparameter aus der EEDF und im Falle einer MaxwellVerteilung aus der Kennlinie bestimmt werden können. Darauf folgt eine Analyse der Auflösung
des Messsystems (Abschnitt 4.4) sowie der Reproduzierbarkeit von Messungen (Abschnitt 4.5).
Abschließend wird der Einfluss der Messzeit auf die Sondenkennlinien untersucht.
4.1 Ionenstromkorrektur
Sowohl die Bestimmung der Plasmaparameter, wie sie Langmuir [10] durchführte, als auch die
Druyvesteyn-Formel Gl. 2.39 erfordern, dass der Anteil der Ionen vom Gesamtstrom subtrahiert
wird um den reinen Elektronenstrom im Elektronenanlaufbereich der Kennlinie zu erhalten.
Aufgrund Gl. 2.34 erwartet man im Bereich des Ionensättigungsstroms einen linearen Verlauf,
falls man das Quadrat des Sondenstroms gegen die angelegte Sondenspannung aufträgt (siehe
Abb. 2.6). An der Stelle, an der I2 dem linearen Verlauf nicht mehr folgt, beginnt der
Elektronenanlaufbereich. Der Einfluss der Elektronen macht sich hier sehr schnell bemerkbar,
weil der Elektronenanlaufstrom Gl. 2.35 einem exponentiellen Gesetz folgt. Die Spannung, bei
der I2 minimal wird, entspricht dem Floating-Potenzial Vfl. In der Realität ist der
Ionensättigungsstrom nicht immer exakt proportional zur Wurzel aus der Sondenspannung,
sondern es ergeben sich Abweichungen, wenn zum Beispiel keine Maxwell-Verteilung vorliegt
oder eine oder mehrere der in Kapitel 2.1 gemachten Annahmen nicht vollkommen erfüllt sind.
Um trotzdem eine Abschätzung des Ionenstroms vornehmen zu können ist folgender Ansatz
gemacht worden:
1 /b
I ion ∝ V s −V pl 
⇔
b
∣I ion∣ ∝ V s−V pl 
.
(4.1)
Der Exponent b nimmt idealerweise den Wert 2 an, kann jedoch so lange variiert werden bis I b
linear mit (Vs – Vpl) skaliert. Abb. 4.1 zeigt den Verlauf von I
b
bei drei verschiedenen Werten
für b. Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Kurven auf den Maximalwert normiert und nur bis
zum Floating-Potenzial (I b = 0 ) gezeigt. Zu erkennen ist, dass die Kurve für b = 2 am besten
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
44
einer Geraden entspricht. An diese Kurve ist dann eine lineare Regression durchgeführt worden
Ausgehend von den Regressionsparametern kann der Ionenstrom bis zum Plasmapotenzial
berechnet vom Gesamtstrom abgezogen werden. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die
Regressionsgerade die Abszisse nicht exakt beim Plasmapotenzial schnitt. Zwar ist der absolute
Wert des Ionenstroms in der Nähe des Plasmapotenzials gemäß Gl. 2.36 vernachlässigbar, doch
machen sich kleinste Änderungen in der Krümmung der Kurve bemerkbar, womit die zweite
Ableitung verfälscht werden kann. Durch Variation des Bereichs des Stroms, an der eine Gerade
angepasst werden soll, kann erreicht werden, dass die Regressionsgerade die Abszisse beim
Plasmapotenzial schneidet.
Vpl = 12.9 V
b=2
b = 1.7
b = 1.5
H2 300W 10Pa
0.5
I
b
(normiert)
1.0
0.0
-25
-20
-15
-10
(VS - Vpl) in V
Abb. 4.1: Zur Bestimmung des Ionenstroms
In Abb. 4.2 und 4.3 sind der Elektronenanlauf- und Ionensättigungsstrom sowie der
Gesamtstrom in einer gemessenen Kennlinie in Argon und in Wasserstoff dargestellt.
Strom in mA
1.5
H2 10 Pa 300W
12.0
Vfl= 6.2 V
Vpl = 11.2 V
10.0
1.0
Elektronenstrom
0.5
Gesamtstrom
Ar 2Pa 90W
Vfl= 6.9 V
Vpl = 17.7 V
8.0
6.0
4.0
Elektronenstrom
2.0
0.0
-0.5
-20
Strom in mA
2.0
Ionenstrom
-15
-10
-5
0
5
Sondenspannung in V
10
15
Gesamtstrom
0.0
-20
Ionenstrom
-15
-10
-5
0
5
10
15
20
Sondenspannung in V
Abb. 4.2 und 4.3: Anteil von Ionen- und Elektronenstrom zum Gesamtstrom einer Kennlinie in
Wasserstoff und in Argon
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
45
Gemäß Gl. 2.36 ist anzunehmen, dass das Verhältnis von Ionen- zu Elektronenstrom bei festem
Abstand zum Plasmapotenzial in Wasserstoff größer ist als bei Argon, wie es in den
Abbildungen ersichtlich ist. Vergleicht man z.B. den Wert Iel (Vpl + 1 V) ≈ 2,2 mA mit Iion (Vpl 1 V) ≈ 60 µA für Wasserstoff, so ergibt sich ein Verhältnis von Elektronen- zu Ionenstrom von γ
= 38, was mit Gl. 2.36 sehr gut übereinstimmt. Für Argon erhält man: I el (Vpl + 2 V) ≈ 12,7 mA
mit Iion (Vpl - 2 V) ≈ 48 µA und somit γ = 265, was dem erwarteten Wert von γ = 270 sehr nahe
kommt.
Es ist ebenso interessant den Einfluss des Ionenstroms auf die EEDF zu untersuchen. Dazu
wurden in Wasserstoff und in Argon jeweils die EEDF einmal mit und einmal ohne
Ionenstromkorrektur bestimmt. Das Ergebnis ist in den Abbildungen 4.4 und 4.5 dargestellt.
10
-3
EEPF in cm
EEPF in cm
ohne Ionenstromkorrektur
10
8
mit Ionenstromkorrektur
10
10
-3/2
9
eV
10
10
H2 10 Pa 300W
-3
eV
-3/2
10
7
0
5
10
11
Ar 2Pa 90W
10
10
9
10
8
10
7
8
10
ohne Korrektur
mit Korrektur
7
10
16
15
0
Energie in eV
5
10
18
15
20
20
25
Elektronenenergie in eV
Abb. 4.4 und 4.5: Einfluss der Ionenstromkorrektur auf die EEPF einer Kennlinie in Wasserstoff
und in Argon
Es ist zu sehen, dass eine Abweichung in der EEDF in Wasserstoff festzustellen ist, wohingegen
in Argon nur ansatzweise im hochenergetischen Bereich der EEDF, wo die Auflösungsgrenze
des Systems (siehe Abschnitt 4.4) liegt, überhaupt Unterschiede auftreten. Die Auswirkung des
Ionenstroms
auf
die
Elektronendichte
und
effektive
Temperatur
ist
gering,
die
Ionenstromkorrektur wird dennoch immer durchgeführt.
4.2
Bestimmung der zweiten Ableitung
Mit Hilfe der Druyvesteyn-Methode kann die EEDF für alle isotropen Verteilungen bestimmt
werden. Wie schon erwähnt ist hierzu die zweite Ableitung des Elektronenstroms nach der
angelegten Sondenspannung erforderlich.
Die Differenziation von verrauschten Daten geht stets mit einer Verstärkung von Rauscheffekten
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
46
einher. Für eine zweimalige Differenziation bedeutet dies, dass eine große Anzahl von
Mittelungen erforderlich ist um das Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu minimieren, welches
umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Anzahl der Messpunkte ist.
Eine gängige Methode zur Glättung und Differenziation ist die nach ihren Entdeckern benannte
Savitzky-Golay-Methode [26]. Diese ist eine Methode der kleinsten Quadrate, bei der die
Datenpunkte mit einem Satz von Konstanten, den so genannten Savitzky-Golay-Konstanten,
multipliziert werden. Diese Konstanten kommen durch einen polynomialen Fit zweiten oder
auch höheren Grades an die Datenpunkte zustande. Neben der Bedingung, dass die zu glättende
Kurve zusammenhängend sein muss, setzt die Savitzky-Golay-Glättung äquidistante Messpunkte
bezüglich der Abszisse voraus. Bezogen auf die Kennlinie bedeutet dies, dass die Schrittweite
der angelegten Spannung konstant gehalten werden muss. Das ist allerdings nicht möglich, weil
die in Kapitel 3.3.3 behandelte Spannungsfehlerkorrektur erfolgt, die die Spannungsabfälle über
den Messwiderstand und den Sondenwiderstand berücksichtigt. Somit ist die Savitzky-GolayMethode bei Sondenmessungen nur dann anwendbar, wenn bei der Spannungsausgabe schon im
Vorhinein die Spannungsfehler kompensiert werden, so dass die Spannungsschrittweite konstant
bleibt. Diese Herangehensweise setzt jedoch voraus, dass keine anderen die Spannungsschrittweite verzerrenden Spannungsverluste wie etwa durch lange Kabel oder zusätzliche
Bauteile auftreten.
Eine andere Möglichkeit der Differenziation ist die in dieser Arbeit verwendete DreipunktMethode [27]. Dabei werden drei Datenpunkte f(x), f(x-h) und f(x+h) betrachtet, wobei zunächst
die Schrittweite h konstant sei. Die zweite Ableitung schreibt sich dann wie folgt:
2
f  xh−2f  x f  x−h
d f
=
.
2
2
dx
h
(4.2)
Die Taylor-Entwicklungen von f um die Stelle x im Abstand h1 vor x und im Abstand h2 hinter x
liefern Ausdrücke für f(x-h1) und f(x+h2), wobei Terme fünfter Ordnung vernachlässigt werden.
Durch Bilden der Summe von h2*f(x-h1) und h1*f(x+h2) erhält man eine Erweiterung der Formel
(4.2) auf irregulär gestreute Messdaten.
d 2 f h 1 f  xh2 −h1h 2  f  x h2 f  x−h
=
2
.
1
dx
h1 h2 h1h 2 
2
(4.3)
Für h1 = h2 = h erhält man wieder Gl. 4.2. Wendet man Gl. 4.3 auf Sondenmessungen an, ergibt
sich nach Umsortieren:
I 3− I 2
I 2− I 1
d2I
1
=
[
−
] .
2
V 3 −V 2 V 3 −V 2 V 2−V 1
dV
(4.4)
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
47
Um den Effekt der Spannungsfehlerschaltung zu visualisieren ist in Abb. 4.6 eine EEDF
abgebildet,
die
einmal
ausgehend
von
Gl.
4.2
ohne
Berücksichtigung
der
Spannungsfehlerkorrektur und das andere mal ausgehend von Gl. 4.4 unter Berücksichtigung der
Spannungsfehlerkorrektur bestimmt worden ist.
10
10
H2 10Pa 300W
10
EEPF in cm
-3
eV
-3/2
mit Spannungskorrektur
9
8
10
7
ohne Spannungskorrektur
10
6
10
0
5
10
15
Elektronenenergie in eV
Abb. 4.6: EEPF mit und ohne Spannungsfehlerkorrektur
Die Bestimmung der zweiten Ableitung erfolgt nach der Messung. Eine Differenziation während
der Messung ist zwar prinzipiell möglich und auch getestet worden. Jedoch hat sich
herausgestellt, dass das gleichzeitige Ablesen und Differenzieren der Daten die Messung selbst
erheblich verlangsamt. Wie groß der Einfluss der Messzeit auf die Kennlinie ist, wird in
Abschnitt 4.5 erläutert. Aufgrund dieser „Verlangsamung“, hervorgerufen durch die simultane
Differenziation, ist die Option der schnellen Messung mit anschließender Differenziation
gewählt worden. Eine hohe Mittelungszahl von etwa 70000 Datenpunkten pro Messung
gewährleistet ein gutes Signal-zu-Rausch-Verhältnis.
4.3
Bestimmung von Plasmaparametern
4.3.1 Plasmapotenzial
Zur Bestimmung des Plasmapotenzials stehen zwei Methoden zur Verfügung. Zum einen ist das
die Schnittpunkt-Methode und zum anderen die Bestimmung des Nulldurchgangs der zweiten
Ableitung des Stroms nach der Sondenspannung. Der erstere Fall ist in Abb. 2.7 veranschaulicht.
Im Bereich des Elektronenanlaufstroms gehorcht der Elektronenanlaufstrom gemäß Gl. 2.38
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
48
einem exponentiellen Gesetz, falls eine Maxwell-Verteilung vorliegt. Trägt man demnach den
Strom logarithmisch gegen die Sondenspannung auf, so ergibt sich neben dem linearen Bereich
des Anlaufstroms ein weiterer Bereich, nämlich der des Elektronensättigungsstroms, der sich
deutlich von dem linearen Bereich unterscheiden sollte. Durch Anlegen einer Ausgleichsgeraden
in
dem
Elektronenanlaufbereich
und
dem
Anpassen
eines
Polynoms
im
Elektronensättigungsbereich bestimmt man das Plasmapotenzial, indem die Fits bis zu einem
Schnittpunkt extrapoliert werden. Idealerweise liegt dieser Schnittpunkt am Plasmapotenzial.
Die alternative Methode zur Bestimmung des Plasmapotenzials bedient sich der zweiten
Ableitung des Stroms. Aufgrund der Tatsache, dass Elektronenanlauf- und Elektronensättigungsstrom Krümmungen mit unterschiedlichem Vorzeichen aufweisen, sollte die Kennlinie an dem
Punkt, wo beide Stromverläufe aufeinander treffen, einen deutlichen Wendepunkt haben. Dies ist
gleichbedeutend mit einem Nulldurchgang der zweiten Ableitung. Im Prinzip müsste die zweite
Ableitung am Plasmapotenzial eine Sprungstelle aufweisen. Doch in der unmittelbaren
Umgebung des Plasmapotenzials machen sich, wie in Kapitel 3.1.1 besprochen, Effekte der RFVariation des Potenzials bemerkbar, so dass dieser Sprung geglättet wird (siehe Abb. 2.8).
In dieser Arbeit wird die zweite Methode verwendet, weil sie nicht die Annahme einer MaxwellVerteilung für den Elektronenanlaufstrom voraussetzt. Zudem müsste man bei der ersten
Methode bei Sondenspannungen messen, die weit über das Plasmapotenzial hinausgehen um
einen guten Fit an den Elektronensättigungsstrom zu erreichen. Das birgt jedoch das Risiko von
Sekundärelektronenemission und Veränderung der Austrittsarbeit des Sondenmaterials; Effekte,
welche die Kennlinie verfälschen. Um den Nulldurchgang der zweiten Ableitung zu bestimmen
ist eine Gerade zwischen dem letzten positiven Wert und dem ersten negativen Wert der zweiten
Ableitung angelegt und dessen Nulldurchgang berechnet worden (Abb. 2.8).
4.3.2
Bestimmung der Plasmaparameter aus der Kennlinie
In diesem Abschnitt soll erläutert werden, wie unter Annahme einer maxwellschen
Geschwindigkeitsverteilungsfunktion Elektronentemperatur und -dichte direkt aus der Kennlinie
bestimmt werden können. Abb. 4.7 zeigt den reinen Elektronenstrom der Kennlinie in
Wasserstoff bei 20 Pa und 800 W Einkopplungsleistung logarithmisch gegen die
Sondenspannung aufgetragen.
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
1
Elektronenstrom in mA
10
49
H2 20Pa 800W
0
Te = 2,7 eV
10
-1
10
-2
10
Vfl = 4.4 V
-3
10
Vpl = 12.2 V
-10
-5
0
5
10
Sondenspannung in V
Abb. 4.7: Bestimmung der Elektronentemperatur aus dem Elektronenstrom
Man sieht deutlich, dass der Elektronenanlaufstrom über einen großen Bereich linear verläuft. Es
liegt demnach eine Maxwell-Verteilung vor. Die Steigung der Geraden ergibt für die Elektronentemperatur 2,7 eV. Die Dichte der Elektronen erhält man mittels Gl. 2.38 und dem hier
bestimmten Wert der Elektronentemperatur. Für ein Strom-Spannungs-Wertepaar, das im
linearen Bereich liegt, ergibt sich dann für die Dichte ne = 1,4 *1011 cm-3.
Im folgenden soll eine weitere Methode zur Bestimmung der Elektronentemperatur aus der
Kennlinie vorgestellt werden. Die Motivation liegt darin, dass diese Methode in der
kommerziellen Langmuir-Sonde der Firma Scientific Systems angewandt wird. Diese Sonde ist
im Verlauf dieser Arbeit als Vergleichssonde zum Einsatz gekommen. Hier geht man von Gl.
2.38 aus:
I e = As j =

e ne As 8kT e
eV
exp[
]
4
kT e
 me
, V =V s −V pl .
(2.38)
Am Plasmapotenzial Vpl gilt:
I pl ≝ I e V pl =

(4.5)
eV
} .
kT e
(4.6)
e ne A s 8 k T e
.
4
 me
Damit schreibt sich Gl. 2.38 zu:
I e= I pl exp {
Integriert man nun über den Elektronenanlaufstrom, gelangt man unter der Annahme, dass der
Beitrag des Elektronenanlaufstroms vor dem Floating-Potenzial vernachlässigbar ist, zu
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
50
folgendem Ausdruck:
V pl
V pl
V pl
∫ I e dV s≈∫ I e dV s=I pl ∫ exp {
−∞
V fl
= I pl
e V s−V pl 
V fl
kT e
}dV s
kT e
e V −V 
[1−exp { fl pl } ]
e
kT e

.
(4.7)
≪1
Der Term mit der Exponentialfunktion ist deswegen vernachlässigbar, weil der Abstand
zwischen Floating- und Plasmapotenzial mehrere kTe beträgt [9]. Schließlich gelangt man zu:
1
kT e eV =
I pl
V pl
∫ I e dV s
.
(4.8)
V fl
Die Dichte ergibt sich dann gemäß Gl. 4.5. Das heißt, dass durch Integration über die Kennlinie
vom Floating- bis zum Plasmapotenzial ebenfalls die Plasmaparameter ermittelt werden können.
Dies ist in folgender Abbildung dargestellt:
12.0
H2 20Pa 800W
Elektronenstrom in mA
10.0
8.0
Vfl = 4.4 V
Vpl = 12.2 V
6.0
Te = 2.8 eV
4.0
2.0
0.0
-15
-10
-5
0
5
10
15
Sondenspannung in V
Abb. 4.8: Bestimmung der Plasmaparameter durch Integration
Wendet man diese Methode nun auf die oben behandelte Kennlinie an, ergeben sich folgende
Werte für die Elektronentemperatur und -dichte: Te = 2,8 eV und ne = 1,3 *1011 cm-3 .
Wie erwartet stimmen die durch die zwei Methoden erzielten Ergebnisse gut überein. Die
Abweichungen in Dichte und der Temperatur der Elektronen betragen 7 %. Man sollte jedoch
immer beachten, dass die Bestimmung der Plasmaparameter aus der Kennlinie nur unter der
Annahme der Maxwell-Verteilung der Elektronen gerechtfertigt ist. Die allgemeinere Methode
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
51
der Parameterberechnung geht von der EEDF aus, die im folgenden Abschnitt behandelt wird.
4.3.3 Bestimmung der Plasmaparameter aus der EEDF
Zur Bestimmung der EEDF bzw. EEPF durch die zweite Ableitung nach der DruyvesteynMethode muss eine Transformation der Sondenspannung erfolgen. Gemäß Gl. 2.39 bis Gl. 2.41
transformiert sich die zweite Ableitung folgendermaßen:
V =V s−V pl ,
2
d I
2
dV s

(4.9)
2
d I
2
dV
.
(4.10)
Da man bei einer Messung keine infinitesimal kleine Schrittweite erreicht werden kann, liegen
die Messgrößen in diskreten Werten vor. Dies gilt für die zweite Ableitung ebenso wie für die
EEDF. Somit schreibt sich Gl. 2.41 zu:
2
d I V i 
2
f i = 2  2 m i
,
e As
dV 2i
(4.11)
i =−e V i =−e V s , i − V pl   0 .
(4.12)
Die Integration Gl. 2.42 geht im Falle diskreter Werte in eine Summe über:
∞
n e =∑ f i  i ,
(4.13)
 i=1 − i−1 .
(4.14)
i=1
In Gl. 4.14 ist berücksichtigt, dass Δεi nicht konstant sein muss. Gemäß Gl. 2.44 ergibt sich für
die effektive Temperatur bzw. die mittlere Energie der Elektronen:
2
1 ∞
T eff = ⟨⟩= ∑  i f i  i .
3
ne i =1
(4.15)
Mit Hilfe von Gl. 4.13 und Gl. 4.15 können Elektronendichte und effektive Elektronentemperatur der im vorherigen Abschnitt ausgewerteten Kennlinie aus der EEDF berechnet
werden. Die EEDF und EEPF der untersuchten Kennlinie sind in den Abb. 4.9a und Abb. 4.9b
gezeigt:
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
10
52
11
H2 20Pa 800W
EEPF in cm eV
-3
-3
EEDF in cm eV
10
10
10
H2 20Pa 800W
10
-3/2
10
-1
10
10
9
8
Te = 2.7 eV
10
9
10
8
10
7
7
0
5
10
15
20
0
5
10
15
20
Elektronenenergie in eV
Elektronenenergie in eV
Abb. 4.9a und 4.9b: EEDF und EEPF der in Abb. 4.7 dargestellten Kennlinie
Hier ist zu erkennen, dass die EEPF über ein großes Energiespektrum linear verläuft. Die
Annahme einer Maxwell-Verteilung bestätigt sich demnach auch hier. Ein linearer Fit an die
EEPF determiniert die Elektronentemperatur zu Te = 2,7 eV, die sich hieraus ergebende Dichte
beträgt ne = 1,4 *1011 cm-3. Die Integration über die EEDF liefert folgende Werte: ne = 1,2 *1010
cm-3 und Teff = 2,8 eV. Zum Vergleich seien die Werte der Parameter, die aus der Kennlinie und
der EEDF folgen, hier nochmal aufgelistet:
H2 20Pa 800W
ne in 1011 cm-3 Te ,T eff in eV
ln(I) – V – Diagramm (EEDF maxwellsch)
1,4
2,7
Integration über Kennlinie (EEDF maxwellsch)
1,3
2,8
Linearer Fit an EEPF (EEDF maxwellsch)
1,4
2,7
Integration über EEDF (EEDF isotrop)
1,2
2,8
Tab. 4.1: Vergleich der Methoden zur Bestimmung der Plasmaparameter
Der Vergleich der verschieden Methoden zeigt, dass die Ergebnisse für die Temperatur gut
übereinstimmen (4% Abweichung). Die durch Integration über die EEDF ermittelte Dichte
erscheint etwas zu gering auszufallen. Dieser Umstand könnte darauf zurückzuführen sein, dass
bei Sondenspannungen in der Nähe des Plasmapotenzials der Strom hauptsächlich durch die
thermische Bewegung der Ladungsträger gegeben ist. Dieser Strom ist sehr störanfällig (siehe
Kapitel 5.3.1) und macht sich in einer Abflachung der EEDF und EEPF bei Elektronenenergien
um 0 eV herum bemerkbar. Idealerweise sollte die EEPF bei einer Maxwell-Verteilung bis zur
Ordinate linear verlaufen, doch wie man in Abb. 4.8b sieht, ist dies nicht der Fall. Extrapoliert
man die EEPF bis zur Energie 0 eV und korrigiert die EEPF und EEDF, so erhält man für die
Dichte ne = 1,3 *1010 cm-3 und Te = 2,7 eV. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass für den
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
53
Fall einer Maxwell-Verteilung die Bestimmung der Parameter direkt aus der Kennlinie nur
gering von den aus der EEDF bestimmten Parametern abweicht. Doch ist die Integration über die
EEDF zu bevorzugen, da sie allgemein gültig ist.
4.4
Messgrenze des Systems
Es ist möglich aufgrund der in Kapitel 3.3 durchgeführten Untersuchung der Messapparatur eine
Schätzung bzgl. der Auflösung des Systems zu machen. Ziel ist es eine untere Grenze für den
kleinsten messbaren Abstand zwischen zwei Stromwerten und damit auch den kleinsten
messbaren Abstand zwischen zwei Werten der EEDF anzugeben.
Wenn ΔVI den Messbereich des Strommessgerätes in Volt angibt und Rmess den Messwiderstand,
so ergibt sich der Fehler ΔI der Strommessung entsprechend der 16-Bit-Auflösung des
Strommessgerätes zu:
 I=
V I
.
65535 R mess
(4.16)
Für die Auflösung der zweiten Ableitung gilt, falls ΔV den (beliebigen) Abstand zwischen zwei
Spannungswerten darstellt:
2
I
d
 I =
2
2 .
dV
V
(4.17)
Eingesetzt in Gl. 2.41 kann der kleinste noch messbare Wert der EEDF abgeschätzt werden:
 f =
V I
I
2
2
1
= 2  2 m
.
 2 m
2
2
e As
V
e As
V 65535 R mess
2
(4.18)
Man beachte, dass der Fehler auch vom Wert der Elektronenenergie ε abhängt. Bei einem
Spannungsbereich von -1 V bis +1 V für die Strommessung ist der Fehler bei einem 125 Ω
Messwiderstand ΔI = 230 nA. Im Bereich um 15 eV beträgt der Fehler in der EEDF gemäß Gl.
4.18 folgenden Wert, wenn die Sondenoberfläche 0,0157 cm² ( l = 10 mm, d = 50 µm) beträgt:
7
−3
 f 15 eV  ≈ 1,24∗10 cm eV
−1
.
Das bedeutet, dass alle gemessenen Werte der EEDF, die unter diesem Wert liegen (bei 15 eV),
keine Aussagekraft haben, da sie nur das Messrauschen repräsentieren.
Durch die symmetrische Spannungsausgabe geht jedoch ein Bit an Auflösung verloren. In der
Praxis erwartet man also einen um den Faktor 2 größeren Fehler Δf.
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
54
4.5 Reproduzierbarkeit der Messungen
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, inwieweit Messdaten bei denselben Plasmaparametern zu verschiedenen Zeiten reproduziert werden können. Dazu wurden einmal zu
Anfang und einmal am Ende einer Messreihe Kennlinien unter den selben Bedingungen
aufgenommen. Insbesondere ist das Plasma nicht ausgeschaltet worden. Bei der Messreihe
handelt es sich um eine Druckvariation von 5 Pa bis 25 Pa bei 300 W Einkopplungsleistung in
einem Wasserstoff-Plasma. Das Ziel dieser Vergleichsmessung ist es, Schwankungen des
Plasmas abzuschätzen. Abb. 4.10 zeigt die EEDF der ersten Messung zu Anfang der Messreihe
und der zweiten Messung etwa eine Stunde später 40 mm vom Zentrum der Entladung entfernt.
Wie erwartet stimmen die beiden Verteilungsfunktionen fast identisch überein. Unterschiede
treten im niederenergetischen Bereich zwischen 2 und 5 eV auf. Die größte Abweichung beträgt
etwa 1*108 cm-3 eV -1, was einer Abweichung von etwa 2,5 % entspricht. Wie sich dies auf die
Integration über die EEDF auswirkt, ist in Abb. 4.11 dargestellt.
5.0
H2 300W 10Pa
Elektronendichte in 10
3.0
9
-3
10
-1
cm
-3
4.0
EEDF in 10 cm eV
3.0
1. Messung
2. Messung
2.0
1.0
0.0
0
5
10
15
Elektronenenergie in eV
20
25
1. Messung
2. Messung
H2 300W 10 Pa
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
0.0
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 4.10 und Abb. 4.11 : Zur Reproduzierbarkeit der EEDF und der Elektronendichte
Die Dichte ist aufgetragen gegen die Sondenposition. Für die in Abb. 4.10 gezeigte EEDF
(Sondenposition - 40 mm) ergibt sich eine Abweichung von 2*108 cm-3 in der Elektronendichte.
Die größte zu beobachtende Abweichung liegt im Bereich von etwa 1*109 cm-3 (relative
Abweichung 6 %). Abb. 4.12 zeigt die effektive Temperatur als Funktion der Sondenposition.
Auch hier stimmen die Messkurven überein. Die größte Abweichung liegt bei 0,2 eV (relative
Abweichung 7 %).
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
55
3.0
Eff. Temperatur in eV
2.5
H2 300W
2.0
1.5
1.0
1. Messung
2. Messung
0.5
0.0
-150
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 4.12: Zur Reproduzierbarkeit der effektiven Elektronentemperatur
Nicht abgebildet sind der Vergleich der Kennlinien und der radiale Verlauf des
Plasmapotenzials. Die jeweils größten auftretenden Abweichungen liegen für den Sondenstrom
bei 5 µA (relative Abweichung 0,1 %) und für das Plasmapotenzial bei 0,25 V (relative
Abweichung 5 %).
Fazit: Die hier auftretenden Abweichungen im Strom und in der EEDF sind größer als die im
vorherigen Abschnitt berechneten Fehler des Messsystems. Die Schwankungen des Plasmas
bedingen eine größere Ungenauigkeit in den Parametern als das Sondensystem.
4.6 Einfluss der Messzeit auf die Kennlinien
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, welche Rolle die Messzeit bei Sondenmessungen
spielt. Die Frage der Messzeit geht einher mit der Frage, inwieweit die Sonde das Plasma stört.
Damit Sondenmessungen sinnvolle Ergebnisse liefern, ist es wichtig, dass die Messzeit tMess viel
größer ist als die Zeit tTransit, die ein Ladungsträger braucht um die Schicht in der Sonde zu
durchqueren. Dann ist sicher gestellt, dass genügend Zeit vergangen ist, damit die Ladungsträger
auf die von der Sonde verursachten Änderungen reagieren können und dass sie sich in dem
elektrischen Feld der Sonde im Gleichgewicht befinden. Da Ionen viel langsamer als Elektronen
sind, ist deren Transitzeit maßgeblich. In [15] ist eine Abschätzung für tTransit der Ionen gemacht
worden:
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
56
t Transit ≈
 
 0 mi
ne e
1/ 2
.
2
(4.19)
Für Wasserstoff ergibt sich bei den hier auftretenden Dichten (ne ~ 1016 m-3) eine Transitzeit von
etwa 0,1µs und für Argon (ne ~ 1017 m-3) liegt sie bei etwa 0,5 µs. Für die Messung bedeutet dies,
dass zwischen der Einstellung zweier Spannungen vor der Strommessung mindestens 1 µs
vergehen sollte.
Um dies zu kontrollieren wurde direkt hinter dem Messverstärker (an der Stelle „U-probe“ in
Abb. 3.11) das Spannungssignal mit einem Oszilloskop gemessen (Abb. 4.13a).
10
~50 -100 µs
9
9
8
8
7
7
Spannung in V
Spannung in V
10
6
5
4
3
6
5
4
3
2
2
1
1
0
-50
5µs
0
0
50
100
Zeit in µs
150
-2
-1
0
1
2
3
4
5
6
Zeit in µs
Abb. 4.13a und 4.13b: Spannungssignal am Ausgang des Messverstärkers (linkes Bild) und am
Ausgang der PC-Karte (rechtes Bild)
Man sieht, dass die Transitzeit um den Faktor 50 - 100 kleiner ist als die Messzeit.
Es sollte jedoch erwähnt werden, dass die PC-Karte die Signale schneller generieren kann. Abb.
4.13b zeigt das Spannungssignal, welches direkt hinter dem Ausgang der Spannungsquelle (an
der Stelle „U-in“ in Abb. 3.11) mit einem Oszilloskop abgegriffen wurde. Aus diesen
Abbildungen ist ersichtlich, dass zwar die Spannungsquelle der PC-Karte ziemlich schnell
Spannungen generieren kann. Jedoch ist das Messsystem in gewisser Hinsicht „träge“. Es
benötigt circa zehn Mal länger für die Spannungsgenerierung als die PC-Karte. Die Zeitspanne
von circa 50 bis 100µs entspricht der Bandbreite des Hochspannungsoperationsverstärkers von
etwa 10 kHz. Das bedeutet also, dass mindestens 50 µs vergehen, bis eine stabile Spannung
generiert ist. Die PC-Karte kann die Zeit zwischen zwei Spannungswerten variieren. Die
Anstiegszeit ist konstant. Somit ist eine Variation der Messzeit möglich. Mit Messzeit ist im
Weiteren die Messzeit pro Spannungswert, also die Zeit, die zwischen der Generierung zweier
Spannungen vergeht, gemeint. In Abb. 4.14a und 4.14b ist die Änderung der Kennlinie bei
verschiedenen Messzeiten abgebildet.
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
5.0
H2 10Pa 300W
Ar 2Pa 40W
100µs
1ms
10ms
100ms
100µs
1ms
10ms
100ms
4.0
2.0
Strom i n mA
Strom in mA
3.0
57
1.0
3.0
2.0
1.0
0.0
0.0
8
9
10
11
12
13
14
15
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Sondenspannung in V
Sondenspannung in V
Abb. 4.14a und 4.14b : Änderung der Kennlinie in Wasserstoff und Argon bei Variation der
Messzeit
Man sieht, dass mit der Zunahme der Messzeit eine Verschiebung der Kennlinie ab dem Bereich
des Elektronenanlaufstroms zu niedrigeren Stromwerten einhergeht, wohingegen der
Ionensättigungsbereich sich bei allen Kennlinien deckt. Es ist zu erkennen, dass eine deutliche
Verschiebung der Kennlinie bei Wasserstoff erst zwischen einer Messzeit von 1 ms und 10 ms
stattfindet, während bei Argon diese Verschiebung zwischen 10 ms und 100 ms zu beobachten
ist. Aus den beiden vorhergehenden Abbildungen lässt sich damit schließen, dass je länger an
einer eingestellten Spannung gemessen wird, desto geringer der Mittelwert des Stromwerts
ausfällt.
20
Ar
Plasmapotenzial in V
19
18
H2
13
12
10
2
10
3
10
4
10
5
Messzeit in µs
Abb. 4.15: Abhängigkeit des Plasmapotenzials von der Messzeit
Die Verschiebung der Kennlinie ist gleichbedeutend mit einer Zunahme des Plasmapotenzials.
Wenn man diese gegen die Messzeit aufträgt (Abb. 4.15), erkennt man eine leichte Erhöhung des
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
58
Plasmapotenzials von etwa 0,4 V (2 %) bei Wasserstoff und eine Erhöhung um etwa 1 V (6 %)
bei Argon. Eine mögliche Erklärung dafür wäre die folgende: Je länger gemessen wird, desto
mehr energiereiche Elektronen können zur Kammerwand diffundieren und so das
Plasmapotenzial erhöhen. Werden die Kennlinien gegen die um das Plasmapotenzial
verschobene Sondenspannung aufgetragen, so sind sämtliche Kurven beinahe identisch. D.h.,
dass bei gleichen Sondenspannungen (bezogen auf das Plasmapotenzial) fast der gleiche Strom
gemessen wird. Ob und wie sich nun dieser Effekt der Messzeitverlängerung auf die
Elektronendichte und effektive Temperatur der Elektronen auswirkt, ist in den folgenden
Abbildungen ersichtlich. Die Sonde wurde dabei in radialer Richtung verfahren, von der Wand
über dem Zentrum der Entladung bis zur gegenüber liegenden Wand (siehe auch Kapitel 5.1).
H2 10Pa 300W
Dens100µs
Dens1ms
Dens10ms
Dens100ms
3.5
1.0
H2 10Pa 300W
3.0
Eff. Temperatur in eV
Zentrum
Elektronendichte in 10
1.5
Kammerwand
2.0
10
cm
-3
2.5
0.5
2.5
2.0
1.5
1.0
Te100µs
Te1ms
Te10ms
Te100ms
0.5
rAnt
0.0
-100
-50
0.0
0
50
-100
100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Sondenposition in mm
Abb. 4.16a und 4.16b: Radiale Profile der Elektronendichte und der effektiven Temperatur in
Wasserstoff als Funktion der Messzeit
4.0
4.5
Dens100µs
Dens1ms
Dens10ms
Dens100ms
Ar 2Pa 40W
3.5
3.0
Eff. Temperatur in eV
Elektronendichte in 10
10
cm
-3
4.0
3.0
2.5
2.0
1.5
1.0
Ar 2Pa 40W
3.5
2.5
2.0
1.5
Te100µs
Te1ms
Te10ms
Te100ms
1.0
0.5
0.5
0.0
0.0
-100
-50
0
Sondenposition in mm
50
100
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 4.17a und 4.17b: Radiale Profile der Elektronendichte und der effektiven Temperatur in
Argon als Funktion der Messzeit
4. Auswertung einer gemessenen Kennlinie
59
Die gezeigten Plasmaparameter sind aus der EEDF ermittelt worden gemäß Kapitel 4.3.3 . In
den Dichteprofilen schlägt sich der Effekt der Messzeitverlängerung in einer Verringerung der
Elektronendichte nieder. In Abb. 4.16a und Abb. 4.17a erkennt man, dass mit steigender
Messzeit die Dichte abnimmt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Sonde mit zunehmender
Messzeit immer mehr Ladungsträger vernichtet. Die Verringerung der Dichte beträgt etwa 10%
für Wasserstoff und für Argon etwa 3%. Die effektive Temperatur hingegen steigt mit
zunehmender Messzeit. Die Abweichung beträgt im Zentrum der Entladung in Wasserstoff 20%
und in Argon 25%. Ein möglicher Grund für die Erhöhung der Temperatur könnte sein, dass mit
zunehmender Messzeit der Transport der Elektronen zur Sonde durch Diffusion zunimmt.
Dadurch gelangen mehr heiße Elektronen zur Sonde.
Es sollte erwähnt werden, dass eine Kontamination des Sondendrahtes ebenfalls als Erklärung in
Frage käme. Da aber eine Verschiebung der Kennlinie auch in Argon zu verzeichnen ist, spricht
dies gegen eine Kontamination des Sondendrahtes, denn Argon ist ein sehr reaktionsträges Gas.
Es kann zwar sputtern, aber die Sondenspannungen und die Einkopplungsleistungen sind relativ
gering, weshalb ein Sputtern unwahrscheinlich ist.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Einfluss der Messzeit auf die Plasmaparameter
nicht zu vernachlässigen ist. Eine schnelle Messung bedeutet weniger Störung der Kennlinie.
Deswegen ist die Messung mit 100 µs Messzeit für alle folgenden Messungen gewählt worden.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
5.
60
Messungen in einer GEC-Zelle
In diesem Kapitel werden Messergebnisse, die mit dem Langmuir-Sondensystem erzielt worden
sind, vorgestellt. Gemessen wurde in Argon und in Wasserstoff in einer modifizierten induktiv
gekoppelten (ICP) GEC-Zelle (Abschnitt 5.1). Anschließend werden die Verläufe der EEDF, der
Elektronendichte, der mittleren Energie und des Plasmapotenzials bei Variation von Druck,
Leistung und Sondenposition in Wasserstoff (Abschnitt 5.2) und in Argon (Abschnitt 5.3)
analysiert und diskutiert. Zudem ist eine Vergleichsmessung mit einer vom Institut
Experimentalphysik V entwickelten neuartigen Diagnostikmethode, der optischen Sonde,
gemacht worden. Im Abschnitt 5.4 wird das Prinzip der optischen Sonde vorgestellt und die
mittels der EEDF berechnete Anregungsrate für direkte Elektronenstoßanregung mit der von der
optischen Sonde gemessene Emission des Plasmas verglichen. Im darauf folgenden Abschnitt
werden Messungen in einer kapazitiv gekoppelten Zelle vorgestellt. Es wird sich dabei
herausstellen, dass das Sondensystem in kapazitiv gekoppelten Plasmen nur begrenzt anwendbar
ist.
5.1 Messaufbau
5.1.1 GEC – ICP – Zelle
Die in dieser Arbeit durchgeführten Messungen fanden in einer modifizierten GECReferenzzelle statt. Die Details der Konstruktion der Kammer finden sich in [39]. Die
Modifikation besteht darin, dass die untere Elektrode entfernt wurde. Das Plasma dehnt sich
demnach auf ein größeres Volumen aus als in der Standard-GEC-Zelle. Zudem ist im Gegensatz
zur Standard-GEC-Zelle die Antenne nicht durch einem Metallzylinder mit Quartzplatte vom
Plasma getrennt, sondern durch ein Quartzgefäß (Abb. 5.1). Dadurch werden Verluste aufgrnd
von Wirbelströmen minimiert, so dass eine effizientere Leistungseinkopplung stattfindet. Des
Weiteren ist eine eigens konstruierte Doppelspiralantenne verwendet worden, die sich in der
Geometrie von der Standard-Spiralantenne unterscheidet. Mit dieser Antenne weist das
induzierte axiale elektromagnetische Feld eine größere Symmetrie auf [31]. Abb. 5.1 zeigt eine
schematische Ansicht der Messapparatur und die Doppelspiralantenne, in Abb. 5.2 ist eine
Draufsicht auf die GEC-Zelle dargestellt.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
61
Abb. 5.1: Experimenteller Messaufbau GEC-Zelle und Doppelspiralantenne (Angaben in mm)
Abb. 5.2: Draufsicht auf die GEC-Zelle (Angaben in mm)
5. Messungen in einer GEC-Zelle
62
Die Plasmakammer (1) besitzt einen Durchmesser von 250 mm und ist 226 mm hoch. Durch vier
Gaseinflussrohre strömt gleichförmig Gas in die Kammer ein. Der Gasfluss wird reguliert über
einen Tylan 2900 Mass Flow Controller (MFC), welcher Gasflüsse von 1 bis 100
Standardkubikzentimeter (sccm) einstellen kann. Falls das Plasma nicht in Betrieb ist, wird die
Kammer durch das offene Plattenventil (4) hindurch evakuiert. Während des Plasmabetriebs
wird dieses Plattenventil geschlossen. Die Kammer wird dann durch kleine Löcher im
Kammerboden evakuiert. Der Druck in der Kammer wird eingestellt, indem das Butterfly-Ventil
(6) bei permanenter Gaszufuhr die Pumpleistung bei offenem Plattenventil (5) regelt. Dazu
variiert das Ventil die Querschnittsfläche, über die gepumpt wird, bis sich ein konstanter Druck
in der Kammer eingestellt hat. Das Pumpsystem besteht aus einer Membran-Vorpumpe die ein
Vakuum von etwa 50 Pa in der Kammer herstellen kann, bevor die Pfeiffer-TMU 521
Turbopumpe (3) einsetzt. Diese erreicht einen Enddruck in der Kammer von einigen 10-5 Pa.
Die Leistungseinkopplung in das Plasma geschieht über eine planare Spule (7), die durch ein 130
mm hohes Quartzgefäß (8) mit 10 mm Wandstärke vom Plasma getrennt wird. Die Antenne ist
eine Doppelspirale aus 6 mm dicken Kupferrohren mit 3 Wicklungen in jeder Spirale. Der
Durchmesser der Spule beträgt 122 mm. Die Antenne wird getrieben von einem RF-Generator
(9), dem ein luftgekühltes Anpass-Netzwerks (10) nachgeschaltet ist. Die in dieser Arbeit
durchgeführten Messungen sind 2,5 cm unterhalb des Quartzgefäßes durchgeführt worden. Die
Sonde ist dabei in radialer Richtung von der Kammerwand über dem Entladungszentrum bis zur
gegenüber liegenden Kammerwand verfahren worden (Abb. 5.2). Die Schrittweite beträgt 10
mm.
5.1.2. Leistungseinkopplung und Anpass – Netzwerk
Die Leistungsversorgung geschieht mittels eines Dressler-RF-Generators vom Typ Cesar 1312.
Dieser operiert bei der Frequenz von 13,56 MHz. Um Leistung vom Generator in die Spule
einzukoppeln ist ein Anpass-Netzwerk (Matching) notwendig. Denn stellt man sich die
Leistungsversorgung als Spannungsquelle mit in Serie geschaltetem Widerstand ( hier 50 Ω) vor
(siehe Abb. 5.3), käme es aufgrund der Tatsache, dass der Plasmawiderstand nur etwa 10 Ω
beträgt, zu Reflexionen. Hohe reflektierende Leistungen vermindern nicht nur die Effizienz der
Leistungseinkopplung, sondern sie können den Generator beschädigen.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
63
Abb. 5.3: Ersatzschaltbild des Anpass-Netzwerks und der Antenne
Um Reflexionen im Schaltkreis zu minimieren werden zusätzliche LCR-Schaltkreise benötigt.
Die Antenne selbst stellt bei induktiven Entladungen eine ausreichend große Induktivität dar, so
dass zwei Kondensatoren ausreichen. Die Induktivität der Antenne beträgt 618 nH, die Impedanz
etwa 53 Ω (bei 13,56 Mhz). Details zur Funktionsweise des Anpass-Netzwerks sind in [13]
beschrieben. In der Praxis besteht das Matching aus zwei variablen Kondensatoren, die so lange
angepasst werden bis die reflektierte Leistung minimal bzw. die absorbierte Leistung maximal
ist. Der zur Spannungsquelle parallel geschaltete Kondensator C2 wird Load-Kondensator, der
zur Spule in Serie geschaltete Kondensator C1 Tune-Kondensator genannt. Die Anpassung der
beiden Kapazitäten C1 und C2 wird automatisch geregelt.
5.2
Messungen in Wasserstoff
5.2.1 Plasmaparameter als Funktion der Leistung
In einer ersten Messreihe ist eine Leistungsvariation in Wasserstoff durchgeführt worden. Bei
einem Druck von 20 Pa sind Sondenkennlinien bei vier verschiedenen Leistungen (300 W, 400
W, 600 W und 800 W) aufgenommen worden.
In Abb. 5.4 sind die EEPF für die verschiedenen Leistungen abgebildet:
5. Messungen in einer GEC-Zelle
64
Abb. 5.4: EEPF als Funktion der Leistung im Zentrum der Entladung
Es ist deutlich zu erkennen, dass in allen vier Fällen der Verlauf der EEPF linear ist. Es liegen
somit Maxwell-Verteilungen vor. Über einen weiten Bereich der Elektronenenergie dominieren
elastische Elektron-Elektron-Stöße. Die Form und die Amplitude der EEPF geben Aufschluss
über die Temperatur und die Dichte der Elektronen. So ist zu beobachten, dass die Steigung der
EEPF mit der Leistung nur gering variiert, d.h. dass die Elektronentemperatur konstant ist. Die
Amplituden der EEPF hingegen nehmen mit steigender Leistung zu. Aufgrund dessen ist zu
erwarten, dass die Dichte der Elektronen proportional zur ins Plasma eingekoppelten Leistung
ist. Typisch für Sondenmessungen ist eine Abnahme der EEPF bei kleinen Elektronenenergien.
Theoretisch ist zu erwarten, dass die EEPF bis zur Energie Null (d.h. bis zum Plasmapotenzial)
den linearen Verlauf fortsetzt. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass am Plasmapotenzial der
Fluss der Ladungsträger allein aus der thermischen Bewegung resultiert, da die Sonde für die
Ladungsträger weder attraktiv noch repulsiv wirkt. Der Strom zur Sonde ist hier sehr
fehlerbehaftet. Eine Korrektur kann nur im Falle einer Maxwell-Verteilung durch Extrapolation
der EEPF bis zur Energie Null gemacht werden. Die Abweichung beträgt etwa 10 %. Die
Korrektur ist nicht gemacht worden, weil die EEDF in der Regel nicht maxwellsch ist.
20Pa
300W
400W
600W
800W
rAnt
-100
-50
0
0.9
0.8
H2 20Pa
300W
400W
600W
800W
0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
rAnt
50
1.0
normierte Elektronendichte
H2
Zentrum
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
65
Kammerwand
Elektronendichte in 10
10
cm
-3
5. Messungen in einer GEC-Zelle
100
-100
Sondenposition in mm
-50
0
Sondenposition in mm
Abb. 5.5a und 5.5b: Radialer Verlauf der Elektronendichte und der normierten Elektronendichte
bei verschiedenen Leistungen
Abb. 5.5a zeigt die radialen Profile der Elektronendichte bei verschiedenen Leistungen. Man
erkennt, dass im Abstand von etwa 10 mm vor dem Entladungszentrum die Dichte am höchsten
ist und zum Rand hin abnimmt. Zur Orientierung sind die Position des Antennenrands (-61 mm
und +61 mm) und der Kammerwand mit eingezeichnet. In Abb. 5.5a ist zu erkennen, dass das
Plasma mit zunehmender Leistung dichter wird. Wenn anstelle absoluter Werte der
Elektronendichte die auf den Maximalwert normierten Werte gegen die Sondenposition
aufgetragen wird (Abb. 5.5b), können die Dichten besser verglichen werden. Man sieht, dass die
Dichteprofile konstant sind.
In [31] ist eine Druckvariation in Wasserstoff bei 300 W und 20 Pa durchgeführt worden. Dort
ist ein vergleichbarer Verlauf der Dichte beobachtet worden, doch liegen die absoluten Werte für
die Elektronendichte um einen Faktor 4 höher als die in Abb. 5.5a gezeigten Werte. Hierbei
muss berücksichtigt werden, dass in [31] eine Gegenelektrode 50 mm unterhalb des
Quartzgefäßes vorhanden ist. Das heißt, dass die Ausdehnung des Plasmas in axialer Richtung
dort auf 50 mm begrenzt ist, während die in dieser Arbeit verwendete Anordnung der
Plasmakammer eine Ausdehnung des Plasmas in axialer Richtung von etwa 140 mm zulässt. Die
in das Plasma eingekoppelte Leistung verteilt sich hier über ein größeres Volumen aus als in
[31], womit die geringere Ladungsträgerdichte erklärt werden kann.
In Abb. 5.6 ist die Variation der Dichte und der Elektronentemperatur mit der Einkopplungsleistung gezeigt. Zunächst soll nur die Dichte betrachtet werden.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
66
3.0
10
Elektronendichte in 10
H2 20Pa Zentrum
2.5
10
2.0
8
1.5
6
1.0
4
Dichte
Temperatur
2
0
100
Eff. Temperatur in eV
cm
-3
12
0.5
0.0
200
300
400
500
600
700
800
Leistung in W
Abb. 5.6: Elektronendichte und effektive Temperatur als Funktion der Leistung
Es ist deutlich zu erkennen, dass die Elektronendichte linear mit der Leistung skaliert. Um dies
zu verstehen muss der Prozess der Leistungseinkopplung im induktiv gekoppelten Plasma (ICP)
eingehender untersucht werden. Bei induktiven Entladungen wird über die Spule und das
Dielektrikum (Quartzgefäß) ein elektromagnetisches Feld in dem Plasma induziert. Wie weit die
elektromagnetische Welle in das Plasma eindringt, hängt von der Dichte des Plasmas ab. Bei
sehr hohen Dichten kann die Welle schon innerhalb des Plasmavolumens gedämpft werden. Die
Dämpfung geschieht dabei exponentiell. Die Reichweite, bei der die Amplitude der Welle auf
1/e seines Anfangswertes abgefallen ist, wird Skintiefe δ genannt. Sie skaliert mit der Dichte wie
folgt:
 ∝ 1/  n e .
(5.1)
Ausgehend vom so genannten „Transformatormodell“ [13] des ICP kann eine Beziehung
zwischen der Elektronendichte und der vom Plasma absorbierten Leistungen hergestellt werden.
In diesem Modell stellt das Plasma eine einzelne Sekundärwicklung und die Antenne die
Primärwicklung eines Transformators dar. Analog zu einem Transformator induziert die Antenne
einen Strom IRF in dem Plasma (Abb. 5.7).
Abb. 5.7: Zum Transformatormodell
Die Induktivität und der Widerstand des Plasmas bilden zusammen mit der Induktivität der
5. Messungen in einer GEC-Zelle
67
Antenne eine effektive Induktivität LS und Widerstand RS. Die Impedanz ZS der Antenne beträgt
ZS = -iωLS + RS. Die vom Plasma absorbierte Leistung schreibt sich dann zu:
1
2
P abs = RS I RF .
2
(5.2)
Im Falle hoher Dichten, wenn die Skintiefe δ viel kleiner als die Ausdehnungen des Plasmas ist,
ergibt sich, dass der transformierte Widerstand RS wie folgt skaliert [13]:
R S ∝ 1/  ne
⇒
2
P abs ∝ I RF /  ne .
(5.3)
Gl. 5.3 beschreibt den Fall kleiner Skintiefen. Der von der Spule in das Plasma induzierte Strom
IRF fließt in einem kleinen Bereich in der Nähe des Quartzgefäßes.
Gesetzt den Fall, dass die Skintiefe etwa in der Größenordnung des Plasmas liegt, so ist die
Feldverteilung des elektromagnetischen Feldes ähnlich der einer Spule ohne Plasma. Für den
Widerstand RS und der absorbierten Leistung gilt dann:
R S ∝ ne
⇒
2
P abs ∝ I RF⋅ne .
(5.4)
Für den in Abb. 5.6 gezeigten linearen Verlauf der Dichte trifft somit Gl. 5.4 zu. Die Skintiefe ist
demnach in der Größenordnung der typischen Länge des Plasmas. Eine Abschätzung der
Skintiefe [31] ergibt, dass sie für Wasserstoff bei 10 Pa und 300 W (n e ~ 1011 cm-3) etwa 10 cm
beträgt und bestätigt somit die Annahme großer Skintiefen. Der lineare Verlauf der
Elektronendichte mit der Leistung ist typisch für induktiv gekoppelte Plasmen. Man kann eine
Gerade an den linearen Verlauf der
Elektronendichte anpassen (Abb. 5.6) und bis zum
Schnittpunkt mit der Abszisse extrapolieren. Bei der Leistung, an dem die Elektronendichte
verschwindet, kann das Plasma induktiv, also durch ohmsche Heizung, nicht mehr aufrecht
erhalten werden. In diesem Fall liegt diese Leistung bei etwa 180 W. Unterhalb dieser Leistung
wird das Plasma kapazitiv aufrecht gehalten. Das bedeutet, dass die Antenne als RF-Elektrode
fungiert. Das Plasma wird nicht mehr durch Stöße geheizt, sondern durch stochastisches Heizen
[32, 46-48] (siehe auch Kapitel 2.3.2.3). Der Übergang vom induktiven, so genannten „HModus“, zum kapazitiven „E-Modus“ zeigt einen Hysterese-Effekt [33, 34, 49]. Bezüglich
Messungen in kapazitiv gekoppelten Plasmen sei auf Abschnitt 5.5 verwiesen.
Im Folgenden soll nun die Elektronentemperatur analysiert werden. In Abb. 5.8 ist die Variation
der EEPF während eines radialen Scans bei 300 W und 20 Pa gezeigt.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
68
10
10
9
-3
10
EEPF in cm eV
-3/2
H2 300W 20Pa
8
10
7
10
Zentrum
rAnt
5
10
15
-100 mm
Elektronenergie in eV
Abb. 5.8: Änderung der EEPF bei Variation der Sondenposition
Eine Änderung der Steigung mit der Position der Sonde ist festzustellen. In der Nähe der
Kammerwand (-100 mm) ist die Steigung größer als am Rand der Antenne. Zum Zentrum hin
werden die EEPF flacher. Danach nimmt die Steigung wieder zu. Dies weist auf eine Änderung
der Elektronentemperatur mit der Sondenposition hin, wie die folgende Abbildung beweist:
3.0
Eff. Temperatur in eV
2.5
2.0
1.5
H2 20Pa
1.0
300W
400W
600W
800W
0.5
0.0
-150
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.9: Radialer Verlauf der effektiven Temperatur bei Variation der Leistung
Aufgetragen ist die effektive Temperatur als Funktion der Sondenposition bei verschiedenen
Leistungen. Die effektive Temperatur erhöht sich mit zunehmender Leistung. Beachtenswert ist,
5. Messungen in einer GEC-Zelle
69
dass die Temperatur für alle Leistungen bei etwa 2/3 des Radius der Antenne (rAnt = 61 mm)
Maxima aufweist, während in 10 mm Entfernung vom Zentrum ein Minimum vorzufinden ist.
Dies ist konsistent mit dem in Abb. 5.8 dargestellten Verlauf der Verteilungsfunktion. Der
Verlauf der Elektronentemperatur kann folgendermaßen erklärt werden: In Wasserstoff sind die
Verluste durch inelastische Stöße groß und die Energie bilanziert sich nur lokal [35]. Das heißt,
dass die mittlere Energie der Elektronen nicht über das gesamte Plasma hinweg konstant ist.
Untersuchungen ergaben [31], dass das durch den Dichtegradienten hervorgerufene ambipolare
elektrische Feld und die dadurch erzeugten Diffusionsströme in dem hier untersuchten
Druckbereich einen kleineren Beitrag zur Heizung des Plasmas beitragen als das von der
Antenne induzierte Feld. Die Energie ist lokal hauptsächlich von dem von der Spule induzierten
elektrischen Feld abhängig. Ab initio-Berechnungen des induzierten elektrischen Feldes im
Vakuum und im Plasma [31] zeigen, dass sich das elektrische Feld in einem Abstand von etwa
40 mm um das Zentrum herum torusförmig anordnet (Abb. 5.10). Im Zentrum der Entladung ist
das elektrische Feld minimal. Somit lässt sich der Verlauf der effektiven Temperatur erklären:
Die mittlere Energie der Elektronen ist gegeben durch den lokalen Wert des elektrischen Feldes.
Die Verläufe der effektiven Temperatur repräsentieren damit indirekt das induzierte elektrische
Feld im Plasmavolumen. In den radialen Profilen in Abb. 5.9 ist deutlich erkennbar, dass die
beiden Maxima der Elektronentemperatur etwa 40-50 mm vom Zentrum entfernt sind. Dies
stimmt sehr gut mit den Positionen der Maxima des induzierten elektrischen Feldes überein.
Abb. 5.10: Profil des berechneten induzierten azimuthalen elektrischen Feldes [31] (die durchgezogene Linie repräsentiert die Ebene, in der die Messungen stattfinden )
Die Tatsache, dass die gemessene effektive Elektronentemperatur auf der Längsachse der
Entladungen nicht verschwindet (wie es die E-Feld-Berechnungen vorhersagen), kann dadurch
erklärt werden, dass die Sondenspitze eine endliche Ausdehnung besitzt und in dem Bereich
5. Messungen in einer GEC-Zelle
70
verschwindenden E-Feldes „heiße“ Elektronen aus der Umgebung zur Sonde gelangen.
In Abb. 5.6 ist neben der Dichte auch die effektive Temperatur in Abhängigkeit der Leistung
dargestellt. Man erwartet, dass bei konstantem Druck die Elektronentemperatur nicht abhängig
von der Leistung ist. Doch ist in Abb. 5.6 und 5.9 festzustellen, dass die effektive Temperatur
der Elektronen mit der Leistung zunimmt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die
Neutralgastemperatur mit der Leistung zunimmt. Messungen mittels eines UV-Laserstrahls
erlauben die Bestimmungen der Neutralgastemperatur durch Dopplerverbreiterung [31]. Es
wurde ein linearer Zusammenhang zwischen Leistung und Gastemperatur festgestellt. Bei 300 W
Einkopplungsleistung beträgt die Gastemperatur etwa 400 K, während sie bei 800 W einen Wert
von 700 K annimmt [31]. Die Heizung des Gases entsteht durch inelastische Stöße der
Elektronen mit dem Hintergrundgas übertragen und führen somit zu einer Reduzierung der
Neutralgasdichte. In [31] wird gezeigt, dass die Elektronentemperatur umgekehrt proportional
zur Neutralgasdichte ist. Dies ist dadurch zu erklären, dass mit der Abnahme der
Neutralgasdichte weniger Ionisationsprozesse stattfinden. Eine höhere mittlere Energie der
Elektronen führt zu einer höheren Ionisationsrate zur Kompensation der Verluste.
5.2.2 Plasmaparameter als Funktion des Drucks
Neben einer Leistungsvariation ist in Wasserstoff eine Druckvariation bei 300 W durchgeführt
worden. Die Plasmaparameter und die Verteilungsfunktionen sind bei 5 Pa, 10 Pa, 15 Pa, 20 Pa
und 25 Pa bestimmt worden. Abb. 5.11 zeigt die gemessenen EEPF im Zentrum der Entladung:
H2 300W Zentrum
10
10
-3
EEPF in cm eV
9
10
8
7
10
25Pa
20Pa
15Pa
10Pa
5Pa
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Elektronenenergie in eV
Abb. 5.11: EEPF bei Variation des Drucks
-3/2
10
5. Messungen in einer GEC-Zelle
71
Es ist zu erkennen, dass die Verteilungen von 5 Pa bis 15 Pa in guter Näherung maxwellsch sind.
Bei 20 Pa und 25 Pa liegen Bi-Maxwell-Verteilungen vor. Die induktive Kopplung ist hier
schlechter und es existiert ein kapazitiver Anteil. Es ist eine leichte Erhöhung der Steigung der
EEPF mit zunehmendem Druck zu beobachten, was auf eine Erniedrigung der Temperatur
hinweist.
In Abb. 5.12a und 5.12b sind die radialen Profile der effektiven Temperatur einmal in absoluter
und einmal in normierter Skala dargestellt:
H2 300W
1.0
H2 300W
2.5
2.0
1.5
1.0
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
25Pa
0.5
0.0
-100
-50
0
50
100
normierte Temperatur
Eff. Elektronentemperatur in eV
3.0
0.5
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
25Pa
0.0
Position in mm
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.12a und 5.12b: Radialer Verlauf der effektiven Temperatur und der normierten
Temperatur bei Variation des Drucks
Die im vorherigen Abschnitt behandelte torusartige Form des induzierten elektrischen Feldes ist
in den radialen Verläufen der Elektronentemperatur deutlich erkennbar. Bei allen Drücken ist der
Torus in etwa gleich ausgeprägt. Im Vergleich zur Leistungsvariation (Abb. 5.9) sind die
Verläufe der effektiven Elektronentemperatur nicht mehr so symmetrisch. Dies kann
folgendermaßen erklärt werden: Mit Zunahme des Drucks geht eine Verkürzung der mittleren
freien Weglänge der Elektronen einher. Bei 15 Pa beträgt sie in Wasserstoff einige mm [15]. Der
Durchmesser des Keramikrohrs der Sonde beträgt 8 mm. Das heißt, dass die in Abschnitt 2.1
aufgestellte Bedingung Gl. 2.1 nicht mehr erfüllt ist. Die Sonde stört demnach das Plasma. Diese
Störung wird um so größer, je weiter die Sonde in das Plasma ragt und je höher der Druck ist.
Auch in der Dichte ist diese Störung sichtbar. So ist in Abb. 5.13a (siehe unten) zu sehen, dass
die Dichte bei Sondenpositionen über dem Zentrum hinaus kleinere Werte annimmt als bei
gleichem Abstand vor dem Zentrum, weil es zu nicht vernachlässigbaren Verlusten an
Elektronen durch Neutralisation an der Keramikröhre kommt. Die Elektronentemperatur im
rechten Maximum ist etwas größer (0,2 - 0,4 eV). Diese Tatsache könnte durch den Verlust an
Elektronen erklärt werden, denn lokal wird dieser durch eine größere Ionisationsrate
ausgeglichen, womit sich die Elektronentemperatur erhöht.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
72
In Abb. 5.13a und 5.13b sind die Dichteprofile (in absoluter und normierter Skala) bei Variation
des Drucks dargestellt:
H2 300W
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
25Pa
10
Elektronendichte in 10 cm
-3
3.0
2.5
2.0
1.5
1.0
1.0
normierte Elektronendichte
3.5
H2 300W
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
25Pa
0.5
0.5
-100
-50
0
50
100
0.0
-100
Position in mm
-50
0
Sondenposition in mm
Abb. 5.13a und 5.13b: Dichteprofile in absoluter und normierter Skala bei Variation des Drucks
Die Abbildungen zeigen, dass die Dichte bei allen Drücken im Zentrum maximal ist, weil es
einen Transport durch Diffusion zum Rand hin gibt. In Abb. 5.13b ist zu konstatieren, dass die
Dichteprofile mit steigendem Druck kontrahieren. Bezüglich der absoluten Werte der Dichte
kann ein Vergleich mit [31] gemacht werden, wo bei gleichen Parametern gemessen wurde. Für
10 Pa liegt eine relativ gute Übereinstimmung vor. Während in [31] die Dichte im Zentrum bei
etwa 4*1010 cm-3 und am Rande des Quartzgefäßes bei etwa 3*1010 cm-3 liegt, beträgt sie in Abb.
5.13a im Zentrum etwa 2,8*1010 cm-3 und am Antennenrand 2,3*1010 cm-3. Dies entspricht einer
Abweichung von 25 % - 30 %. Bei 20 Pa ist die Abweichung deutlich größer. In der in dieser
Arbeit verwendeten Anordnung der GEC-Zelle sind bei 20 Pa Dichten gemessen worden, die um
den Faktor 4 kleiner sind als in [31]. Diese Abweichungen können durch den bereits
geschilderten Volumeneffekt erklärt werden.
Andererseits sollte erwähnt werden, dass in [31] ein analytisches „globales“ Modell für das
Wasserstoffplasma vorgestellt wird, welches eine Berechnung von Plasmaparametern erlaubt.
Die exakte Berechnung würde die Lösung der Boltzmann-Gleichung Gl. 2.12 für jede Spezies
erfordern. Dies ist aber bei weitem zu kompliziert. Das globale Modell geht daher von den ersten
drei Momenten der Boltzmann-Gleichung, das heißt Kontinuitätsgleichung, Impuls- und
Energieerhaltung, aus. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass Transportkoeffizienten und
Stoßraten von der Form der EEDF abhängen, so dass selbst diese Vereinfachungen nicht zu
entkoppelten Gleichungen führen. Die Annahmen des globalen Modells zur Umgehung dieses
Problems
sind:
Eine
isotrope
Verteilungsfunktion,
eine
konstante
Dichte
an
der
Randschichtkante und eine konstante Ionentemperatur über das gesamte Plasmavolumen. Das
Modell heißt global, weil es eine globale Balance zwischen der im Plasma deponierten Leistung
5. Messungen in einer GEC-Zelle
73
und den Energieverlustprozessen herstellt. Dies erlaubt dann eine analytische Lösung. Bezogen
auf die Dichte stimmen die Berechnungen in [31] gut mit den hier ermittelten Werten überein,
wie die folgenden Abbildungen zeigen:
4.0
3.0
2.5
1.5
2.0
1.0
H2 300W Zentrum
1.5
Temperatur
Dichte
1.0
-3
0.5
10
Eff. Temperatur in eV
3.0
2.0
Elektronendichte in 10 cm
3.5
2.5
0.5
0.0
0.0
5
10
15
20
25
Druck in Pa
Abb. 5.14 und 5.15:
Gemessene Elektronendichte und effektive Temperatur in Abhängigkeit
des Drucks in dieser Arbeit (oberes Bild) und Berechnungen der Dichte
aus [31] (unteres Bild) bei 300 W. Die Dichte ist in 1011 cm -3 angegeben.
Die durchgezogene Linie berücksichtigt die Neutralgasheizung.
Die obere Abbildung gibt die Druckabhängigkeit der in dieser Arbeit gemessenen Dichte und der
Elektronentemperatur wieder, im unteren Bild sind die Berechnungen aus [31] gezeigt. Man
sieht, dass der Verlauf der Dichte sehr gut mit den Berechnungen übereinstimmen. Die Abnahme
der Dichte bei höheren Drücken hat seine Ursache in der Zunahme der Vibrationsanregung von
Wasserstoff-Molekülen durch inelastische Stöße mit Elektronen.
Bezüglich der Druckabhängigkeit der Elektronentemperatur (Abb. 5.14) beobachtet man, dass
mit zunehmendem Druck die effektive Temperatur abnimmt. Dies muss auch so sein, da mit
5. Messungen in einer GEC-Zelle
74
zunehmendem Druck der Transport von Teilchen zur Wand durch ambipolare Diffusion
langsamer vonstatten geht. Die Verlustrate sinkt und mit ihr die Erzeugungsrate. Dies bedeutet
eine niedrigere Elektronentemperatur.
5.3
Messungen in Argon
5.3.1 Leistungsvariation
.
In Argon ist eine Variation der Leistung bei einem Druck von 2 Pa durchgeführt worden. Die
EEPF und die daraus resultierenden Plasmaparameter sind bei Leistungen von 20 W, 30 W, 40
W, 50 W und 75 W bestimmt worden. Abb. 5.16 zeigt die Verteilungsfunktionen im Zentrum der
Entladung bei verschiedenen Leistungen:
Abb. 5.16: EEPF bei Variation der Leistung
Zu erkennen ist, dass bei niedrigen Leistungen eine konkave Zweitemperaturverteilung mit
ausgeprägtem Anteil niederenergetischer Elektronen vorliegt, die bei Erhöhung der Leistung in
eine Maxwell-Verteilung übergeht. Bei einer Leistung von 75 W ist ein Übergang zu einer
Maxwell-Verteilung festzustellen. Bei niedrigen Leistungen geschieht die Leistungseinkopplung
überwiegend kapazitiv und stochastische Heizmechanismen dominieren. Mit zunehmender
5. Messungen in einer GEC-Zelle
75
Leistung nimmt der kapazitive Anteil der Leistungseinkopplung ab und elastische ElektronElektron-Stöße nehmen zu, was zu einer Angleichung der Temperaturen führt. Bei niedrigen
Leistungen findet hauptsächlich eine direkte Ionisation der Argonatome statt, während bei
höheren Leistungen die Ionisation in mehreren Schritten verläuft [36].
In den folgenden Abbildungen ist der Verlauf der Elektronendichte bzw. der normierten
Elektronendichte bei Variation der Leistung gezeigt:
12
11
Ar 2Pa
20W
30W
40W
50W
75W
9
1.0
8
normierte Dichte
Elektronendichte in 10
10
cm
-3
10
7
6
5
4
3
Ar 2Pa
20W
30W
40W
50W
75W
0.5
2
1
0.0
0
-100
-50
0
50
-100
100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Sondenposition in mm
Abb. 5.17a und 5.17b: Radiale Verläufe der Elektronendichte und der normierten
Elektronendichte bei Variation der Leistung
Die Elektronendichte ist bei allen Leistungen etwa 10 mm vor dem Entladungszentrum maximal
und nimmt zu den Kammerwänden hin stetig ab. Es ist ein Anstieg der Dichte mit zunehmender
Leistung feststellbar. Zudem ist in Abb. 5.17b eine leichte Verbreiterung des Dichteprofils mit
zunehmender Leistung zu verzeichnen.
Eff. Elektronentemperatur in eV
3.0
2.5
2.0
1.5
Ar 2Pa
1.0
20W
30W
40W
50W
75W
0.5
0.0
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.18: Radialer Verlauf der effektiven Temperatur bei Variation der Leistung
5. Messungen in einer GEC-Zelle
76
Die radialen Profile der Elektronentemperatur sind in Abb. 5.18 abgebildet. Die bei Wasserstoff
ausgeprägte Torusform des induzierten elektrischen Feldes ist hier nur andeutungsweise
erkennbar. Dies ist dadurch erklärbar, dass die Skintiefe in Argon bei den hier auftretenden
Dichten nur etwa 2 cm beträgt [36]. Das induzierte elektrische Feld ist an den Positionen, an
denen die Sondenmessungen stattfinden, sehr abgeschwächt. Im Vergleich zu Wasserstoff sind
die Dichteprofile breiter und nehmen zum Rand hin nur wenig ab. Dies liegt daran, dass
Elektronen in Argon keine inelastische Stöße unterhalb der Anregungsenergie (11,55 eV)
ausführen und somit auch nicht ihre Energie abgeben können.
12
4.0
Ar 2Pa Zentrum
3.5
10
Elektronendichte in 10
3.0
8
2.5
6
2.0
1.5
4
1.0
Dichte
Temperatur
2
Eff. Temperatur in eV
cm
-3
10
0.5
0
0.0
10
20
30
40
50
60
70
80
Leistung in W
Abb. 5.19: Dichte und effektive Temperatur als Funktion der Leistung
Wird die Dichte im Zentrum gegen die Leistung aufgetragen (Abb. 5.19), so zeigt sich ein
eindeutiger linearer Zusammenhang. Es liegt also vorrangig ohmsche Heizung im Plasma vor
(H-Modus). Die Extrapolation der Geraden ergibt einen Schnittpunkt mit der Abszisse bei einer
Leistung von etwa 8 W, bei dem der Übergang zum kapazitiven E-Modus erfolgt.
Bei der Temperatur ist ein ähnlicher Verlauf zu beobachten wie in Wasserstoff (siehe Abb. 5.6).
Mit zunehmender Leistung erhöht sich die effektive Temperatur, was auf eine Erhöhung der
Gastemperatur zurückzuführen ist (siehe Abschnitt 5.2.1).
Die Werte für Dichte und Temperatur stimmen gut mit den in [36] gefundenen Werten überein.
Auch in [36] ist ein eindeutiger linearer Zusammenhang zwischen Dichte und Leistung
festgestellt worden.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
77
5.3.2 Druckvariation
Bei 20 W Einkopplungsleistung sind bei 2,5 Pa, 5 Pa, 7,5 Pa, 10 Pa, 15 Pa und 20 Pa
Sondenkennlinien aufgenommen worden. In Abb. 5.20 ist die Evolution der EEPF bei Variation
des Drucks dargestellt:
Abb. 5.20: EEPF bei Variation des Drucks
Deutlich erkennbar ist der Übergang von konkaver Bi-Maxwell-Verteilung zu MaxwellVerteilung sowie der Übergang von Maxwell-Verteilung zu konvexer Druyvesteyn-Verteilung.
Dass bei 20 Pa tatsächlich eine Druyvesteyn-Verteilung vorliegt, wird in Abb. 5.21 deutlich.
Aufgetragen ist die EEPF gegen die Elektronenenergie zum Quadrat. Gemäß Gl. 2.22c ist im
Falle einer Druyvesteyn-Verteilung eine Gerade zu erwarten, was bis auf den niederenergetischen Bereich auch zutrifft.
Bei niedrigem Druck (2,5 Pa bis 7,5 Pa) und relativ kleiner Leistung sind Zwei-Temperaturverteilungen typisch in ICP-Plasmen [37, 38]. In diesem Bereich sind stochastische Heizmechanismen neben ohmscher Heizung für die Aufrechterhaltung des Plasmas verantwortlich.
Die Spule fungiert sowohl als Antenne als auch als RF-Elektrode. Mit der RF-Frequenz
expandiert und kontrahiert die Randschicht um die Elektrode und verleiht den hochenergetischen
Elektronen bei jeder Oszillation Energie [29].
5. Messungen in einer GEC-Zelle
78
Ar 20W 20Pa
10
10
9
10
8
10
7
-3
EEPF in cm eV
-3/2
10
0
50
100
150
2
200
2
Elektronenenergie in eV
Abb. 5.21: Nachweis der Druyvesteyn-Verteilung
Mit höherer Dichte nimmt die Anzahl der elastischen Elektron-Elektron-Stöße zu, was zu einer
Annäherung der EEPF an eine Maxwell-Verteilung führt. Bei noch höherem Druck nehmen
elastische Stöße zwischen Elektronen und Neutralteilchen immer mehr zu. Dies führt zu einer
Reduzierung des Anteils der hochenergetischen Elektronen und somit der beobachteten
Druyvesteyn-Verteilung.
Die Entwicklung der Elektronendichte mit dem Druck ist in Abb. 5.22a und 5.22b gezeigt:
16
Ar 20W
1.0
12
2.5Pa
5Pa
7.5Pa
10Pa
15Pa
10
8
6
normierte Dichte
Elektronendichte in 10
10
cm
-3
14
Ar 20W
2.5 Pa
5 Pa
10 Pa
15 Pa
20 Pa
0.5
4
2
0
-100
-50
0
Position in mm
50
100
0.0
-100
-50
0
Sondenposition in mm
Abb. 5.22a und 5.22b: Radialer Verlauf der Elektronendichte bei Variation des Drucks
Das Maximum der Dichte liegt bei allen Drücken (außer bei 15 Pa) etwa 10 mm vor der
Entladungsmitte und nimmt zu den Kammerwänden hin drastisch ab. Bei Normierung der Dichte
zeigt sich, dass mit Zunahme des Drucks eine geringfügige Kontraktion des Dichteprofils
stattfindet.
Die effektive Temperatur bei verschiedenen Drücken ist in Abb. 5.23 abgebildet.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
79
3.0
Eff. Elektronentemperatur in eV
Ar 20W
2.5
2.0
2.5Pa
5Pa
7.5Pa
10Pa
15Pa
1.5
1.0
-100
-50
0
50
100
Position in mm
Abb. 5.23: Radialer Verlauf der effektiven Elektronentemperatur bei Variation des Drucks
Man konstatiert, dass die Torusform des poloidalen induzierten elektrischen Feldes mit
abnehmendem Druck ausgeprägter ist. Dies ist konsistent mit der Annahme, dass bei
niedrigerem Druck das elektromagnetische Feld der Spule tiefer in das Plasma reicht.
Abb. 5.24 zeigt die Druckabhängigkeit der Plasmaparameter:
20
3.0
Ar 20W Zentrum
18
-3
Plasmapotenzial in V
cm
10
Elektronendichte in 10
14
2.0
12
10
1.5
8
1.0
6
4
Dichte
Plasmapotenzial
Temperatur
2
0
0.5
Eff. Elektronentemperatur in eV
2.5
16
0.0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Druck in Pa
Abb. 5.24: Dichte, effektive Temperatur und Plasmapotenzial als Funktion des Drucks
Dichte steigt zunächst linear, weist jedoch eine Tendenz zur Sättigung bei hohen Drücken auf.
Dies ist auch bei induktiven Entladungen mit zylindrischer Geometrie festgestellt worden [50].
Während die Dichte wie erwartet mit zunehmendem Druck steigt, zeigt die Temperatur einen
auffälligen Verlauf. Denn mit abnehmendem Druck steigt die Temperatur bis 10 Pa. Unterhalb
von 10 Pa sinkt die Temperatur, wohingegen erwartet wird, dass sie weiter zunehmen sollte
5. Messungen in einer GEC-Zelle
80
(siehe Abb. 5.14 und die dazugehörige Beschreibung). Es findet sich hierfür keine physikalische
Erklärung. Wahrscheinlich hat diese Unstimmigkeit ihre Ursache in der Art und Weise, wie die
effektive Temperatur bestimmt wird. Sie wird gemäß Gl. 4.15 durch Integration über die EEDF
ermittelt. In Abb. 5.20 wird aber deutlich, dass zwischen 2 Pa und 10 Pa der Anteil der
niederenergetischen Elektronen mit kleinerer Temperatur in der EEDF größer ist als der Anteil
aller anderen Elektronen (man achte auf die logarithmische Skala). Dies schlägt sich nieder in
der Integration. Zur Untermauerung dieser These ist in Abb. 5.24 auch das Plasmapotenzial
dargestellt. Mit abnehmendem Druck steigt der Transport und damit die Verluste an Elektronen
im Plasmabulk, wodurch das Plasmapotenzial steigt. Dass Plasmapotenzial und effektive
Temperatur korrelieren, ist auch in der Literatur [13, 37] beobachtet worden. Da das Plasmapotenzial unabhängig von der EEDF bestimmt wird, ist es wahrscheinlich, dass die Temperatur
mit abnehmendem Druck zunimmt.
5.4
Vergleichsmessung mit einer optischen Sonde
In diesem Abschnitt werden die in dieser Arbeit gemachten Sondenmessungen und die daraus
ermittelten Plasmaparameter verglichen mit einer anderen Diagnostikmethode. Es handelt sich
dabei um eine optische Sonde, die vom Institut Experimentalphysik V entwickelt worden ist um
radial und axial orts- und zeitaufgelöste Emissionsspektroskopie durchführen zu können. Die
Intensität bestimmter Linien in Wasserstoff und Argon, die die Sonde detektiert, ist proportional
zu der Anregungsrate durch direkte Elektronenstoßanregung. Mittels der durch die LangmuirSonde bestimmten EEDF kann diese Anregungsrate berechnet werden. Zunächst einmal soll das
Prinzip der optischen Sonde kurz vorgestellt werden.
5.4.1 Prinzip der optischen Sonde
Klassische Emissionsspektroskopie hat den Vorteil nicht invasiv zu sein. Es kann jedoch keine
gute Ortsauflösung erreicht werden. Um diesen Nachteil zu umgehen ist eine optische Sonde
konstruiert worden, dessen Konzept in Abb. 5.25 dargestellt ist. Eine eingehende Analyse der
Konstruktion, des Messprinzips und der Messungen mit einer optischen Sonde ist in [40]
vorzufinden.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
81
Abb. 5.25: Konzept der optischen Sonde
Eine 550 mm lange Keramikröhre (Innendurchmesser 4 mm, Außendurchmesser 6,2 mm) wird
innerhalb des Plasmas, welches als homogene Lichtquelle aufgefasst wird, verfahren. Das durch
die Röhre eintretende Licht durchläuft am Ende der Röhre eine kreisförmige Blende
(Durchmesser 3,4 mm), welches an der Keramikinnenwand gestreutes Licht unterdrückt, und
wird von der Linse (Brennweite 100 mm) auf einen Lichtleiter fokussiert. Detektiert wird das
Lichtsignal von einem Photomultiplier. Das gemessene Signal S(x) lässt sich folgendermaßen
ausdrücken:
1
S  x =∫ I x ' ⋅g x ' −x dx ' .
(5.5a)
x
I(x) stellt die lokale Emissivität und g(x) ein Geometriefaktor dar. Dieser Faktor berücksichtigt,
dass auch Licht detektiert wird, welches unter einem gewissen Akzeptanzwinkel in die Röhre
eindringt. Dieser Akzeptanzwinkel kann durch korrekte Justage der Linse und Minimierung des
Durchmessers des Glasfaserkabels (100 µm) sehr klein gehalten werden, so dass der Geometriefaktor praktisch den Wert 1 annimmt (1,008). Damit ist das detektierte Signal direkt proportional
zum Linienintegral über die Emissivität. Das Intensitätsprofil des emittierten Lichts kann durch
Differenziation nach dem Ort x berechnet werden:
dS
∝ g⋅I  x  .
dx
(5.5b)
5.4.2 Berechnung der Anregung anhand der EEDF
In diesem Abschnitt wird geschildert, wie die Anregung aus der mit der Langmuir-Sonde
bestimmten EEDF berechnet werden kann. Die berechnete Anregung wird dann mit der von der
optischen Sonde gemessenen Emission verglichen.
Ausgangspunkt für die folgende Theorie ist das Korona-Modell [45]. In diesem Modell wird die
5. Messungen in einer GEC-Zelle
82
Annahme gemacht, dass die Anregung neutraler Atome allein durch Elektronenstöße von
energiereichen Elektronen im Plasma mit Neutralteilchen erfolgt. Bei einem Stoß wird ein
gebundenes Elektron vom Grundzustand mit der Besetzungsdichte n0 in ein höheres Niveau i mit
der Besetzungsdichte ni angeregt. Die Abregung des Atoms solle dabei hauptsächlich durch
spontane Emission eines Photons erfolgen. Insbesondere sollen Vorgänge wie Anregung von
metastabilen Zuständen, Kaskadenabregungen oder eine Reabsorption ausgeschlossen werden
(optisch dünnes Plasma). Ebenso werden so genannte „Quenching-Prozesse“ nicht berücksichtigt. Dabei handelt es sich um das strahlungslose Abregen der angeregten Atome durch Stöße mit
anderen Atomen. Unter diesen Voraussetzungen schreibt sich die Ratengleichung für die
Besetzungsdichte im angeregten Niveau wie folgt:
d ni t 
=n0 E i t − Ai ni t  .
dt
(5.6)
Ei ist die Anregungsrate für direkte Elektronenstoßanregung vom Grundzustand in das Niveau i.
Die Konstante Ai berücksichtigt alle Vorgänge von Abregung durch spontane Emission vom
Niveau i in den Grundzustand oder in andere erlaubte Niveaus.
Die von der optischen Sonde gemessene Emission ṅ ph , i aus dem Niveau i ist direkt proportional zu der Besetzungsdichte ni und der Wahrscheinlichkeit Aik , für eine Emission aus diesem
Niveau in ein unteres Niveau k :
ṅ ph ,i = Aik n i .
(5.7)
Das von der optischen Sonde gemessene Signal ist zeitgemittelt. Das heißt, dass die Besetzungsdichte im Niveau i als konstant betrachtet werden kann. Die zeitliche Ableitung in Gl. 5.6 ist
dann identisch Null. In diesem Falle ergibt sich für die Emission:
ṅ ph ,i =
Aik
n E .
Ai 0 i
(5.8)
An dieser Stelle kann nun eine Beziehung zwischen der von der optischen Sonde gemessenen
Emission und der mit der Langmuir-Sonde bestimmte EEDF hergestellt werden, denn die
Anregung Ei wird durch die Verteilungsfunktion festgelegt. Dies soll im Folgenden erklärt
werden.
Ein Elektron kann ein Neutralteilchen durch inelastische Stöße nur dann anregen, wenn seine
Energie eine gewisse Schwelle überschreitet. Diese Grenzenergie wird die Anregungsschwelle
εex genannt. Der Ratenkoeffizient kex für Elektronenstoßanregung gibt die Häufigkeit an, mit der
ein Teilchen (Elektron) der Geschwindigkeit v1 mit einem anderen Teilchen (Atom) der
Geschwindigkeit v2 mit dem Wirkungsquerschnitt σex inelastisch stößt.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
83
k ex =ex⋅v R .
(5.9)
vR stellt dabei die Relativgeschwindigkeit der beiden Teilchen dar: vR = |v1 - v2 |. Da Elektronen
eine viel größere Geschwindigkeit als die Neutralteilchen besitzen, kann die Geschwindigkeit
der Atome vernachlässigt werden, und es gilt: vR ≈ v1 = v. Zudem muss berücksichtigt werden,
dass die Teilchen eine gewisse Energieverteilung aufweisen. Es muss über diese Verteilungen
gemittelt werden. Der Ratenkoeffizient ergibt sich dann zu:
1
k ex =⟨ ex⋅v⟩=
ne
∞
∫ f ⋅ ex ⋅v 
d .
(5.10)
0
Die Verteilungsfunktion ist in Abhängigkeit der Elektronenenergie angegeben. Der Vorfaktor
entstammt der Normierung der Verteilungsfunktion (siehe Gl. 2.8). Die Anregungsrate Ei ergibt
sich, wenn der Ratenkoeffizient mit der Elektronendichte multipliziert wird:
∞
E i =k ex⋅ne=∫ f ⋅ ⋅V  d 
0
.
(5.11)
Die von der optischen Sonde gemessene Intensität Gl. 5.8 ist demnach bis auf Konstanten mit
der Anregung Gl. 5.11 identisch und kann so direkt verglichen werden.
5.4.3 Vergleichsmessung in Wasserstoff
Bei den in Abschnitt 5.2 beschriebenen Parametern ist in Wasserstoff eine Vergleichsmessung
zwischen optischer und Langmuir-Sonde durchgeführt worden. Die Messungen sind an dem
gleichen Flansch an der GEC-Kammer durchgeführt worden.
Betrachtet wird in den folgenden Messungen die Balmer-α-Emission (Hα – Linie) von
Wasserstoff bei 656,218 nm. Dabei wird ein Elektron im Grundzustand des Atoms
(Hauptquantenzahl n = 1) auf das atomare Energieniveau mit der Hauptquantenzahl n = 3
angeregt. Die Emission erfolgt beim Übergang von diesem Niveau auf das energetisch niedriger
liegende Niveau mit n = 2. Die Anregungsschwelle εex beträgt 12,07 eV. Der Wirkungsquerschnitt für direkte Elektronenstoßanregung in Abhängigkeit der Elektronenenergie ist mittels
einer in der Literatur angegebenen semi-empirischen Approximation [44] berechnet worden:
-15


2,394⋅10
 ex =
0,178⋅ln [
−0,284]0,327
38,468
2  ex

2
[cm ] .
(5.12)
5. Messungen in einer GEC-Zelle
e+H*(n=3)
e+H(n=1)
-17
10
σ Ex in cm2
84
-18
10
-19
10
-20
10
10
15
20
25
30
Eletronenenergie in eV
Abb. 5.26: Wirkungsquerschnitt für direkte Elektronenstoßanregung für die Balmer-α-Emission
gemäß [44]
Es muss erwähnt werden, dass neben dem hier aufgeführten Wirkungsquerschnitt auch noch der
Wirkungsquerschnitt für die dissoziative Anregung gemäß der Reaktion
e -H 2  H  H *eberücksichtigt werden muss. Jedoch ist dieser Wirkungsquerschnitt um eine Größenordnung
kleiner als der Wirkungsquerschnitt für atomare Anregung und hat zudem einen gleichen Verlauf
[44], womit die berechneten Anregungsprofile sich nicht maßgeblich ändern.
5.4.3.1 Leistungsvariation
Abb. 5.27 zeigt die Variation der mittels der optischen Sonde gemessenen Intensität I(x) mit der
Leistung bei einem Druck von 20 Pa.
Zunächst ist in Abb. 5.52 eine Zunahme der Intensität mit der Leistung festzustellen. Dies ist
verständlich, da mit höherer Leistung die Anzahl der Elektronen, die genügend Energie besitzen
um Neutralteilchen anzuregen, steigt (siehe auch Abb. 5.5a und 5.6). Beachtenswert ist, dass die
im vorherigen Abschnitt behandelte Torusform (siehe Abb. 5.9) sich auch in der Emission
widerspiegelt. Man beobachtet eine Asymmetrie bezüglich der Maxima.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
85
H2 20Pa
Intesität in bel. Einh.
0.015
300W
400W
600W
800W
0.010
0.005
0.000
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.27: Radiales Profil der Intensität bei verschiedenen Leistungen
Abb.5.10 zeigt, dass das induzierte elektrische Feld symmetrisch um die Entladungsmitte
angeordnet ist. Die Intensität zeigt jedoch eine leichte Abweichung von dieser Symmetrie. Ein
möglicher Grund hierfür wäre, dass die 6 mm dicke Keramikröhre der optischen Sonde das
Plasma insofern stört, dass bei Positionen über dem Zentrum hinaus die lokale Energiebilanz
verzerrt wird. Es käme aufgrund der Tatsache, dass die mittlere freie Weglänge der Elektronen
nicht mehr viel größer als die Abmessungen der Sonde ist (siehe Abschnitt 5.3.2), zu mehr
Neutralisationen der Ladungsträger auf der Keramikröhre und somit zu einer Verringerung der
Elektronendichte, was in einer Senkung der Anregungsrate und damit der Emission mündet. Ein
andere Ursache für diese Asymmetrie könnte eine Schieflage der Antenne sein.
In Abb. 5.28 ist das Ergebnis der Berechnung der Anregungsrate gemäß Gl. 5.11 dargestellt:
2.2
300W
400W
600W
800W
2.0 H2 20Pa
Anregungsrate in s
-1
1.8
1.6
1.4
1.2
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.28: Radiales Profil der berechneten Anregungsrate bei Variation der Leistung
5. Messungen in einer GEC-Zelle
86
Wie erwartet ist die Anregung ebenfalls proportional zu der Einkopplungsleistung. Die
Torusform ist eindeutig wieder erkennbar. Die folgenden Abbildungen zeigen die normierten
Profile der Anregungsrate und der Emission.
H 20 Pa
2
1.2
300 W
Emission (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-100
-50
0
50
normierte Intesität / Anregungsrate
normierte Intensität/Anregungsrate
1.2
H2 20 Pa
400 W
Emission (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-100
100
-50
Sondenposition in mm
H2 20 Pa 600 W
Emssion (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
1.2
normierte Intensität / Anregungsrate
normierte Intenstät / Anregungsrate
1.2
0
50
100
Sondenposition
Emission (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
H2 20 Pa 800 W
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
0.0
-100
-50
0
50
100
-100
-50
Sondenposition in mm
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.29a bis 5.29d: Normierte Profile der Anregungsrate und der Intensität bei verschiedenen
Leistungen
Hier ist deutlich zu erkennen, dass nicht nur die Positionen von Maxima und Minima sehr gut
übereinstimmen, sondern auch der Verlauf nahezu identisch ist. Kleine Abweichungen treten
beim zweiten Maximum auf. Bei dieser Position sind beide Sonden tief im Plasma. Es ist
wahrscheinlich, dass beide Sonden das Plasma stören, wie weiter oben beschrieben wurde.
5.4.3.2 Druckvariation
Die Abbildungen 5.30a und 5.30b zeigen die mit der optischen Sonde gemessenen
Intensitätsprofile bei einer Variation des Drucks bei 300 W Leistung:
5. Messungen in einer GEC-Zelle
87
0.0030
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
Intensität in bel. Einh.
0.0020
0.0015
0.0010
1.0
normierte Intensität
H2 300W
0.0025
H2 300W
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0005
0.0000
0.0
-100
-50
0
50
100
-100
Sondenposition in mm
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.30a und 5.30b: Radiale Intensitätsprofile und normierte Intensitätsprofile bei Variation
des Drucks
Man erkennt, dass eine eindeutige Modulation der Torusform bei Variation des Drucks
stattfindet. Die beiden Intensitätsmaxima nähern sich mit zunehmendem Druck dem Zentrum.
Dies ist geht einher mit der Kontraktion des Dichteprofils, welche in Abb. 5.13b verdeutlicht ist.
Die Intensität nimmt mit zunehmenden Druck ab. Dies kann durch Abnahme der mittleren
Energie mit dem Druck (siehe Abb. 5.14) erklärt werden. Das Verhältnis von erstem Maximum
zu zweitem Maximum ist vergleichbar mit dem bei der Leistungsvariation. Die Position des
Minimums variiert wenig.
Wird über die EEDF erst ab 12,07 eV integriert, so erhält man den Anteil derjenigen Elektronen,
die genügend Energie besitzen um Neutralteilchen anzuregen. Diese „Anregungselektronendichte“ ist in Abb. 5.31 abgebildet. Der Vergleich mit Abb. 5.14 zeigt, dass der Anteil der
energiereichen
Elektronen
mit
einer
Energie
über
12,07
eV
etwa
5-10
%
der
Gesamtelektronendichte beträgt. Das Dichteprofil der Anregungselektronen weist wie die
Intensitäts- und Anregungsprofile die Torusform des induzierten elektrischen Feldes auf, was
auch zu erwarten war. Ebenfalls zu erkennen ist, dass die Dichte der Anregungselektronen mit
dem Druck abnimmt. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass mit zunehmendem Druck die
Verluste der hochenergetischen Elektronen aufgrund von Diffusion zur Kammerwand größer
wird. Diese Verluste werden durch eine höhere Ionisationsrate kompensiert, was wiederum eine
Senkung der mittleren Energie der Elektronen bedeutet (siehe Abb. 5.14). Somit nehmen sowohl
die mittlere Energie der Elektronen als auch die Anregungselektronendichte mit dem Druck ab,
womit zu erwarten ist, dass die Anregungsrate abnehmen wird.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
88
-3
0.20
H2 300W
cm
0.18
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
Anregungselektronendichte in 10
10
0.16
0.14
0.12
0.10
0.08
0.06
0.04
0.02
0.00
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.31: Dichteprofil der Elektronen mit einer Energie größer als 12,07 eV
Die berechnete Anregungsrate ist in den folgenden Abbildungen dargestellt:
Anregungsrate in s
-1
0.8
1.2
H2 300W
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
H2 300W
normierte Anregungsrate
0.9
5Pa
10Pa
15Pa
20Pa
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.1
0.0
0.0
-100
-50
0
50
Sondenposition in mm
100
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.32a und 5.32b: Radiale Profile der berechneten Anregungsrate in absoluter und in
normierter Skala bei Variation des Drucks
Wie erwartet, nimmt auch die Anregung je Elektron mit dem Druck ab. In der normierten
Darstellung kann eine Tendenz zur Kontraktion des Torus' festgestellt werden. Ein direkter
Vergleich der Emission und der Anregung ist in den folgenden Abbildungen gezeigt.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
H2 300 W
1.2
5 Pa
Emission (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-100
-50
0
50
normierte Intensität/Anregungsrate
normierte Intensität / Anregungsrate
1.2
89
H2 300 W
10 Pa
Emission (Opt. Sonde)
Aregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
100
-100
-50
Sondenposition in mm
50
100
1.2
H2 300 W
15 Pa
Emission (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
-100
-50
0
50
normierte Intensität/Anregungsrate
1.2
normierte Intensität/Anregungsrate
0
Sondenposition
H2 300 W
20 Pa
Emission (Opt. Sonde)
Anregung (Lang.-Sonde)
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
100
Sondenposition in mm
-100
-50
0
50
100
Sondenposition in mm
Abb. 5.33a bis 5.33d: Normierte Profile der Anregungsrate und der Intensität bei Variation des
Drucks
Auch bei der Druckvariation liegt eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen
beider Diagnostiken vor. Die Positionen der beiden Maxima und des Minimums korrespondieren
sehr gut und der Verlauf der Profile ist nahezu identisch.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Vergleichsmessung sehr gute Ergebnisse
geliefert hat. Obwohl in der Berechnung (Abschnitt 5.5.2) von einem sehr einfachen Modell für
Anregung und Emission ausgegangen worden ist, stimmen die mittels der gemessenen EEDF
berechneten Anregungsraten mit den von der optischen Sonde gemessenen Intensitäten sehr gut
überein.
5. Messungen in einer GEC-Zelle
5.5
90
Messungen in einer kapazitiv gekoppelten Entladung (CCP)
Neben den Messungen in induktiv gekoppelten Plasmen sind auch Messungen in einer kapazitiv
gekoppelten Entladung (CCP) in einer GEC- Zelle durchgeführt worden. Der Aufbau ist derselbe
wie in Abb. 5.1 mit dem Unterschied, dass statt der Antenne und dem Quartzgefäß eine RFElektrode montiert war. Es wurde keine Gegenelektrode verwendet, womit in axialer Richtung
eine Asymmetrie vorlag. Motivation dieser Messungen war die Untersuchung von stochastischen
Heizmechanismen. Gemessen wurde in Krypton und in Neon bei Drücken zwischen 1 Pa und 10
Pa und bei Leistungen zwischen 8W und 50W. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass in
kapazitiven
Entladungen
Sondenmessungen
nicht
durchführbar
sind,
weil
die
Hochfrequenzkompensationselektrode (Abb. 3.9) eine zu geringe Fläche besitzt. Wie in Kapitel
3.1.2.1 besprochen sollte die Kompensationselektrode eine ausreichend große Fläche aufweisen,
damit die Kopplung zum Plasma möglichst groß ist und die Schwankungen des RF-Potenzials
ausgeglichen werden können. Ein Indikator für eine unzureichende Kompensation des RFSignals ist die Form der zweiten Ableitung. In Abb. 5.34ist eine typische Kennlinie und deren
zweite Ableitung in Krypton dargestellt.
0.1
Zweite Ableitung
Kennlinie
Kr 10Pa 20W Zentrum
Vfl = 12.4 V
2.0
Vpl = 18.1 V
1.5
0.0
1.0
-0.1
0.5
-0.2
0.0
-0.3
-15
Strom in mA
Zweite Ableitung in mA / V
2
0.2
-0.5
-10
-5
0
5
10
15
20
Sondenspannung in V
Abb. 5.34: Kennlinie und zweite Ableitung einer Sondenmessung in einer CCP-Entladung
Dieses Muster ist durchgehend bei Sondenmessungen in Krypton und Neon festgestellt worden.
Die zweite Ableitung weist statt einem signifikantem Maximum zwei Maxima in etwa 1,4 V
Abstand auf. Idealerweise sollte beim Plasmapotenzial ein scharfes Maximum mit darauf
folgendem ausgeprägtem Minimum erkennbar sein (Abb. 2.8). Der Abstand zwischen Maximum
und Minimum sollte bei funktionierender Kompensation nicht mehr als kTe betragen [20, 41].
Mit einer anderen Sonde (SmartProbe der Firma Scientific Systems) wurde die zugehörige
Temperatur zu 1,1 eV bestimmt. Der Abstand zwischen dem ersten Maximum und dem
5. Messungen in einer GEC-Zelle
91
Minimum beträgt hingegen 2,1 eV. Eine solche Deformation der Zweiten Ableitung lässt eine
Bestimmung der EEDF nicht zu.
Eine Methode, dieses Problem zu beheben, besteht darin zusätzliche Metallflügel an die
Kompensationselektrode zu montieren, wie z.B. in [24] vorgeschlagen wird. Doch dies birgt das
Risiko, dass das Plasma durch die notwendigermaßen größeren Abmessungen der Sonde
erheblich gestört werden kann. Somit können Sondenmessung in kapazitiv gekoppelten Plasmen
mit diesem Sondensystem nur bedingt durchgeführt werden. Aber auch im E-Mode in induktiv
gekoppelten Plasmen sind Einschränkungen zu erwarten. Dies ist der Grund für die Wahl der
Parameter von Druck und Leistung der in den Abschnitten 5.2 bis 5.4 gemachten Messreihen.
6.Zusammenfassung und Ausblick
6.
92
Zusammenfassung und Ausblick
Ein Langmuir-Sondensystem bestehend aus einem Sondenmesskopf, einem Schrittmotor und
einem Messsystem ist erfolgreich entwickelt und getestet worden. Das System ist vollständig
rechnergesteuert. Dazu ist ein Steuerungs- und ein Auswerteprogramm in der Programmiersprache Visual-Basic 6.0 geschrieben worden. Die einzelnen Elemente des Systems sind auf ihre
Funktionstüchtigkeit hin geprüft worden. Die RF-Filter blockieren fast ideal die Grundfrequenz
und die ersten vier Harmonischen. Die Kalibrierung mit einem Multimeter hat ergeben, dass die
Abweichung in der Strommessung über dem gesamten Spannungsbereich nur 0,1 % beträgt.
Somit können präzise Sondenkennlinien aufgenommen werden. Die Zeit für die Aufnahme einer
Kennlinie wurde auf bis zu 5 ms reduziert um besonders schnelle Messungen zu realisieren und
somit eine minimal-invasive Messung zu gewährleisten. Zudem wurde untersucht, inwieweit
sich eine Verlängerung der Messzeit auf die Plasmaparameter auswirkt. Dabei stellte sich heraus,
dass mit zunehmender Messzeit die Elektronendichte abnahm. Die Elektronentemperatur
hingegen erhöhte sich mit der Messzeit.
Messungen in einer induktiv gekoppelten Entladung in Wasserstoff und Argon bei Variation von
Einkopplungsleistung und Druck sind durchgeführt worden. Die mit dem entwickelten
Sondensystem erzielten Messergebnisse weisen die erwarteten Tendenzen auf und stimmen
teilweise sehr gut mit den in der Literatur angegebenen Messergebnissen überein. Die
Leistungsvariation in Wasserstoff ergab, dass die EEDF bei allen gemessenen Leistungen
maxwellsch sind. Die radialen Profile der Elektronentemperatur spiegeln die torusförmige
Anordnung des von der Antenne induzierten elektrischen Feldes wider und bestätigen die in der
Literatur durchgeführten Berechnungen und Messungen vollkommen. Die Dichte nimmt mit
zunehmender Leistung linear zu, wie die Theorie es auch vorhersagt. In der Temperatur ist der
Effekt der Neutralgasheizung demonstriert worden. Die Druckvariation ergab, dass sowohl
Elektronentemperatur als auch die Elektronendichte die erwarteten Verläufe annehmen.
Die bei einer Leistungs- und Druckvariation erzielten Messergebnisse in Argon bestätigen
ebenfalls die erwarteten Abhängigkeiten der Elektronendichte und der mittleren Energie. Zudem
konnte bei Abnahme des Drucks und der Leistung ein Modenübergang vom H-Modus zum EModus beobachtet werden, was sich u.a. in den EEDF ausdrückte. Hier konnte ein Übergang von
Druyvesteyn-Verteilung bei hohem Druck zu Maxwell-Verteilung bei abnehmendem Druck
verzeichnet werden. Bei noch kleineren Drücken ist ein Übergang von Maxwell-Verteilung zu
einer Bi-Maxwell-Verteilung festgestellt worden.
Die Vergleichsmessung mit der optischen Sonde zeigte, dass die Profile der mit der optischen
Sonde gemessenen Intensität mit der Anregungsrate, die ausgehend von den mittels der
Langmuir-Sonde bestimmten EEDF berechnet wurde, sehr gut übereinstimmen. Diese
Vergleichsmessung kann somit als Bestätigung beider Diagnostiken aufgefasst werden.
6.Zusammenfassung und Ausblick
93
Während der Durchführung der Messungen stellte sich heraus, dass die Sonde nicht geeignet ist
für einen Einsatz in kapazitiv gekoppelten Plasmen. Die Fläche der Kompensationselektrode
erwies sich als zu klein. Abhilfe könnten zusätzlich angebrachte Metallflügel schaffen. Wie groß
der Einfluss dieser zusätzlichen Bauteile auf das Plasma und die Sondenkennlinie ist, sollte in
Zukunft untersucht werden. Dazu ist die Vergleichsmessung mit der optischen Sonde bestens
geeignet. Eine weitere Herausforderung wären zeitaufgelöste Sondenmessungen in gepulsten
Plasmen. Das System erlaubt zeitaufgelöste Messungen mit minimalen Zeiten von 5 µs. Dies
ermöglicht zwar keine Auflösung innerhalb eines RF-Zyklus, aber E-H-Modenübergänge oder
die Dynamik gepulster Plasmen können untersucht werden.
Verzeichnis der verwendeten Symbole
94
Verzeichnis der verwendeten Symbole
Aik
As
Aeff
E ,
⟨ E ⟩ , ⟨⟩
Ei
0
ex
e
f
f 
f RF
f BM
fD
fM
f
j ion
sat
sat
I el , I ion
Ie
⟨ I e ⟩t
k
k ex
D
e
me
mi
n0
ne
ni
rS
 v 
s
 ex
Te ,T
Wahrscheinlichkeit für Emission vom Niveau i ins Niveau k
Sondenoberfläche [m²]
Effektive Sondenoberfläche [m2]
Energie der Teilchen [eV] (1 eV = 1,6021 * 10-19 J)
Mittlere Energie der Elektronen [eV]
Anregungsrate für direkte Elektronenstoßanregung in das Niveau i [s-1]
Dielektrizitätskonstante des Vakuums (8,8542 *10-12 F m-1)
Anregungsschwelle für direkte Elektronenstoßanregung [eV]
Elementarladung (1,6201 *10-19 As)
Verteilungsfunktion der Elektronen
Elektronenenergieverteilungsfunktion EEDF [cm-3 eV-1]
RF-Frequenz (in dieser Arbeit 13,56 *106 s-1)
Bi-Maxwell-Verteilung
Druyvesteyn-Verteilung
Maxwell-Verteilung
Elektronenenergiewahrscheinlichkeitsfunktion EEPF [cm-3 eV-3/2]
Ionenstromdichte [As m-2 s-1]
Elektronen- und Ionensättigungsstrom [A]
Elektronenanlaufstrom [A]
Zeitlich gemittelter Elektronenanlaufstrom [A]
Boltzmann-Konstante (1,381 *10-23 J K-1)
Ratenkoeffizient für direkte Elektronenstoßanregung [cm³ s-1]
Debye-Länge [m]
Mittlere freie Weglänge der Elektronen [m]
Ruhemasse des Elektrons (9,1091 * 10-31 kg)
Ruhemasse des Ions [kg]
Elektronendichte im Plasmabulk [m-3]
Elektronendichte [m-3]
Ionendichte [m-3]
Sondenradius [m]
Geschwindigkeitsverteilungsfunktion [s³ m-6]
Schichtdicke der Schicht um die Sonde / Elektrode [m]
Wirkungsquerschnitt für direkte Elektronenstoßanregung [cm2]
Elektronentemperatur im Falle einer Maxwell-Verteilung [eV] (1 eV = 11600 K)
Verzeichnis der verwendeten Symbole
T eff
t Transit
uB
v e , ⟨v ⟩

V fl
V pl
Vs
Effektive Temperatur der Elektronen [eV]
Transitzeit der Ionen [s]
Bohm-Geschwindigkeit [ m s-1]
Mittlere thermische Geschwindigkeit der Elektronen [m s-1]
Floating-Potenzial [V]
Plasmapotenzial [V]
Sondenpotenzial [V]
95
Literaturverzeichnis
96
Literaturverzeichnis
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