Maßgeschneiderte Biokatalysatoren für eine süßere Chemie

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MET H ODE N & AN WE N DU NGEN
Protein-Engineering
Maßgeschneiderte Biokatalysatoren
für eine süßere Chemie
statikum) und Ivermectin (antiparasitärer
Wirkstoff) [1].
kosylierungsmusters kann sowohl die pharmakologischen als auch die pharmakokinetischen Eigenschaften eines Wirkstoffs drastisch verändern. Naturstoffforscher machen
sich diese Tatsache zunutze und entfernen
Zucker von Glykosiden, bauen sie ein oder
tauschen sie aus.
Die „klassische Chemie“ findet in diesem
Bereich aufgrund der Komplexität der Naturstoffe nur begrenzte Anwendung. Die chemische Synthese ist in den meisten Fällen nur
mit aufwendigen Reaktionen, gekoppelt mit
dem Einsatz von Schutzgruppen, möglich.
Enzyme dagegen, die Glykosyltransferasen
(GTs), katalysieren den Zuckertransfer unter
physiologischen und hochspezifischen Bedingungen.
Glykosyltransferasen als Werkzeug
zur Herstellung neuer Wirkstoffe
Glykosyltransferasen mit breiter
Substratspezifität
Die Bedeutung von Zuckern als Komponenten von Naturstoffen wurde lange Zeit unterschätzt. Doch heute ist bekannt, dass die
Zuckerkomponenten oft direkt mit dem Target interagieren. Eine Modifizierung des Gly-
Eine Reihe von GTs eignet sich aufgrund ihrer
wenig stringenten Substratspezifität zur Verknüpfung strukturell unterschiedlicher Substrate. Einen Überblick der meisten bisher
untersuchten flexiblen GTs stellten Härle und
Bechthold 2009 vor [2]. Im Rahmen unterschiedlicher Glyko-Technologien, sowohl
in vitro als auch in vivo, wurden GTs zur Glykodiversifizierung eingesetzt. Das Zusammenstellen von künstlichen Biosynthesewegen
wird als Kombinatorische Biosynthese bezeichnet. Hierbei trugen GTs wesentlich zur
Herstellung neuer interessanter modifizierter Naturstoffe bei (Abb. 1, [3]).
Allerdings sind die Möglichkeiten dieser
Technik begrenzt; die Substratspezifität der
meisten GTs verhindert einen breiten Ein-
JOHANNES HÄRLE, BENJAMIN LAUINGER, KATJA DIETMANN, ANDREAS BECHTHOLD
INSTITUT FÜR PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFTEN, LEHRSTUHL FÜR
PHARMAZEUTISCHE BIOLOGIE UND BIOTECHNOLOGIE, UNIVERSITÄT FREIBURG
Der Einsatz von bakteriellen Naturstoff-Glykosyltransferasen zur Diversifizierung von physiologisch aktiven Naturstoffen stößt an seine Grenzen.
Protein-Engineering ist vielversprechend und eröffnet nahezu unendliche
Möglichkeiten, die natürlichen Schranken zu überwinden.
The application of bacterial natural product glycosyltranferases for
diversifying bioactive compounds is limited. Protein Engineering is a promising tool to overcome this natural boundary.
ó Bakterielle Sekundärmetabolite stellen
eine äußerst heterogene Stoffgruppe dar. Für
den Produzenten selbst dienen sie als Botenstoffe zur Steuerung wichtiger zellulärer und
interzellulärer Prozesse. Glykosylierte Naturstoffe werden zur Behandlung zahlreicher
Krankheiten eingesetzt. Bekannte Beispiele
sind Erythromycin (Antibiotikum), Cyclosporin (Immunsuppressivum), Amphotericin B (Antimykotikum), Doxorubicin (Zyto-
¯ Abb. 1: Beispiel aus der Kombinatorischen Biosynthese: Gene aus drei unterschiedlichen Biosynthesewegen dienten zur
Herstellung der neuen Substanz 9-C-(Olivo1-4-olivosyl)premithramycinon. Die Olivosyltransferasen UrdGT2 (aus Streptomyces
fradiae) und LanGT1 (aus S. cyanogenus
S136) wurden in S.argillaceus M3G4
heterolog exprimiert [10].
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satz der Glykodiversifizierung von Wirkstoffen.
Modifizierung von Glykosyltransferasen über Protein-Engineering
Moderne Techniken, wie das Synthetisieren
von Genen, das Errechnen von Proteinstrukturen mittels Röntgenkristallografie und die
Möglichkeit, Proteine Rechner-gestützt zu
modellieren, eröffnen neue Wege zur Konstruktion maßgeschneiderter Biokatalysatoren. Die Forschungsdisziplin des Protein-Engineerings birgt nahezu unendliche Möglichkeiten, Enzyme in ganz unterschiedlicher Art
und Weise für ein bestimmtes Ziel zu optimieren. So existieren bereits zahlreiche Beispiele, in welchen die Substratspezifität,
Regio- und Stereoselektivität, Funktion sowie
Thermo- und Lösungsmittelstabilität von
Enzymen erfolgreich verändert wurden [4].
Aufgrund der Relevanz von GTs als Schnittstelle zur Bioaktivität von vielen Naturstoffen wird weltweit intensiv daran gearbeitet,
auch diesen Enzymen über Protein-Engineering neue Eigenschaften zu verleihen. Aus
unserer Arbeitsgruppe können hierfür
anschauliche Beispiele vorgestellt werden.
˚ Abb. 2: Generierung einer Glykosyltransferase mit neuer Substratspezifität. Über saturierte
Mutagenese eines bestimmten Bereichs (18 Aminosäuren) erlangte das UrdGT1b-Derivat die
Fähigkeit, ein bisher unbekanntes verzweigtes Glykosylierungsmuster zu katalysieren.
Sequenzbasierte Modifizierung von
Glykosyltransferasen
Über ein einfaches alignment der Primärsequenzen von GTs können unter Umständen
die Bereiche, die die Substratspezifität bestimmen, identifiziert werden. So gelang es Dirk
Hoffmeister, einem der Pioniere des ProteinEngineering, an bakteriellen Naturstoff-GTs,
die Funktion der L-Rhodinosyltransferase
UrdGT1c und der D-Olivosyltransferase
UrdGT1b über die Substitution von 15 Aminosäuren auszutauschen. Darüber hinaus konnte er mittels der saturierten Mutagenese (Austausch einer Aminosäure durch alle restlichen)
UrdGT1b-Derivate mit einer völlig neuen Substratspezifität generieren (Abb. 2, [5]).
˚ Abb. 3: LndGT1 ist eine monofunktionale Glykosyltransferase (GT), die die Verknüpfung von nur einem Zucker während der Biosynthese von Landomycin E in Streptomyces globisporus katalysiert. LanGT1 ist eine bifunktionale GT, die die Verknüpfung von zwei Zuckern während der Biosynthese von
Landomycin A in Streptomyces cyanogenus S136 katalysiert. Über Substitution von Aminosäuren in LndGT1 mit Aminosäuren aus LanGT1 konnte eine
Bifunktionalität in LndGT1 eingeführt werden.
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¯ Abb. 4: Zusammenführen von
gewünschten Donorund Akzeptor-bestimmenden Substratspezifitäten. In das GlykosyltransferasenChimär GtfAH1 wurde über domain switching die Akzeptorspezifität aus GtfA
mit der Donorspezifität aus Orf1 kombiniert.
Nicht nur bezüglich der Interaktion mit
dem Angriffsziel sind manche Zuckerbausteine an Naturstoffen von großer Bedeutung,
vielmehr können sie auch unmittelbar die
Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs beeinflussen. So kann beispielsweise durch die Elongation der Zuckerkette die Zellwandpermeabilität eines Antibiotikums erhöht werden.
Christine Krauth verfolgte diesen Ansatz und
modifizierte über Protein-Engineering eine
nicht iterativ arbeitende GT in ein bifunktionelles Enzym (Abb. 3, [6]).
Strukturbasierte Modifizierung von
Glykosyltransferasen
Mittels Röntgenkristallografie konnten bereits
Proteinstrukturen vieler GTs aufgeklärt werden. Aufgrund der vorkommenden unterschiedlichen Topologie werden bisweilen
Enzyme dieser Gruppe in vier verschiedene
Superfamilien (GT-A bis GT-D) eingeteilt [7],
wobei die Mehrzahl aller Naturstoff-GTs der
GT-B-Familie zugeordnet werden kann. Alle
bisher kristallisierten GT-B-Modelle zeigen
trotz ihrer variierenden Primärsequenzen
einen hochkonservierten Strukturaufbau,
bestehend aus zwei Domänen mit jeweils
einem β/α/β-Rossmann-Faltungs-ähnlichen
Motiv. Bakterielle Naturstoff-GTs der GT-BSuperfamilie binden ihren Zuckerakzeptor
im N-terminalen Bereich, während der aktivierte Zucker über den C-Terminus gebunden
wird. Dieser modulare Aufbau der Zweido-
weitaus breitere Substratspezifität sowie eine
bis zu 150fache Aktivitätssteigerung aufweisen [9].
ó
Literatur
[1] Khosla C (1997) Harnessing the biosynthetic potential of
modular polyketide synthases. Chem Rev 97:2577–2590
[2] Härle J, Bechthold B (2009) The power of glycosyltransferases to generate bioactive natural compounds. Methods
Enzymol 458:309–333
[3] Luzhetskyy A, Mendez C, Salas JA et al. (2008)
Glycosyltransferases, important tools for drug design. Curr
Top Med Chem 8:680–709
[4] Petrounia IP, Arnold FH (2000) Designed evolution of
enzymatic properties. Curr Opin Biotechnol 11:325–330
[5] Hoffmeister D, Wilkinson B, Foster G et al. (2002)
Engineered urdamycin glycosyltransferases are broadened
and altered in substrate specificity. Chem Biol 9:287–295
[6] Krauth C, Fedoryshyn M, Schleberger C et al. (2009)
Engineering a function into a glycosyltransferase. Chem Biol
16:28–35
[7] Unligil UM, Rini JM (2000) Glycosyltransferase structure
and mechanism. Curr Opin Struct Biol 10: 510?517
[8] Truman AW, Dias MV, Wu S et al. (2009) Chimeric glycosyltransferases for the generation of hybrid glycopeptides.
Chem Biol 16:676–685
[9] Williams GJ, Goff RD, Zhang C et al. (2008) Optimizing
glycosyltransferase specificity via »hot spot« saturation mutagenesis presents a catalyst for novobiocin glycorandomization.
Chem Biol 15:393–401
[10] Trefzer A, Blanco G, Remsing L et al. (2002) Rationally
designed glycosylated premithramycins: hybrid aromatic polyketides using genes from three different biosynthetic pathways. J Am Chem Soc 124:6056–6062
mänenstruktur veranlasste die Arbeitsgruppe von Jonathan B. Spencer über eine Art Baukastenprinzip N- und C-Termini von unterschiedlichen GTs miteinander zu kreuzen
(domain switching). Dabei konnten erfolgreich
GT-Chimäre hergestellt werden, in welchen
die Substratspezifität der einzelnen Domänen erhalten blieb (Abb. 4, [8]).
Gerichtete Evolution von Glykosyltransferasen
Liegt die Möglichkeit eines HochdurchsatzScreenings von vielen hergestellten Proteinderivaten vor, so kann eine Enzymoptimierung nach dem Prinzip der gerichteten Evolution durchgeführt werden. Dabei können
Tausende unterschiedliche Enzymderivate,
die zuvor über PCR-basierte Mutagenese konstruiert wurden, über ein schnelles Verfahren auf ihre Aktivität hin getestet werden.
Der Arbeitsgruppe von John Thorson gelang
es mittels einer fluoreszenzbasierten Selektion die glykosylierende Aktivität von GT-Derivaten zu identifizieren, welche zuvor über
eine Fehler einbauende PCR (error-prone-PCR)
generiert wurden. Über die Sequenzierung
der aktivsten Derivate wurden die entscheidenden Aminosäuren (hot spots) identifiziert
und im Anschluss miteinander kombiniert.
In einer weiteren Optimierungsrunde wurden die hot spots über saturierte Mutagenese
variiert, bis schließlich Enzymderivate vorlagen, welche gegenüber der nativen GT eine
Benjamin Lauinger, Andreas Bechthold,
Katja Dietmann und Johannes Härle (v. l. n. r.)
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Andreas Bechthold
Institut für Pharmazeutische Wissenschaften
Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie und
Biotechnologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Stefan-Meier-Straße 19
D-79104 Freiburg
Tel.: 0761-203-8371
Fax: 0761-2038383
[email protected]
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