12 Nr. 56 | 23. Februar 2016 Siemens MedMuseum Blick ins Herz Eine interaktive Sonderausstellung der Universität Münster im Siemens MedMuseum Die Sonderausstellung Blick ins Herz ist noch bis zum 12. März in Erlangen zu sehen. Foto: Siemens MedMuseum Blutfluss in den großen Schlagadern am Herzen Foto: Universität Münster Mitten in der Nacht wachte sie schweißgebadet auf und war ohne ersichtlichen Grund völlig beunruhigt. Ihre Arme fühlten sich schwer wie Blei an. Schließlich hielt Nina Gerigk es nicht mehr aus und rief einen Notarzt. Das war ihr Glück. Denn sie hatte einen Herzinfarkt, der bei Frauen oft sehr unspezifische Symptome aufweist. Bei Nina Gerigk mussten zwei verengte Herzkranzgefäße geweitet und ein Stent gesetzt werden. Einige Monate nach dem Eingriff stand fest, dass keine schweren Vernarbungen am Herzen zurückbleiben werden. Nina Gerigk ist eine von vier Patienten, deren Geschichte in der aktuellen Sonderausstellung Blick ins Herz der Universität Münster im Siemens MedMuseum in Erlangen vorgestellt wird. Besucher finden dort Antworten auf viele Fragen rund ums Herz – zum Beispiel darauf, wie sich die Aufnahmen gesunder Herzen von Bildern kranker Herzen unterscheiden. Außerdem können Besucher erfahren, wie sich das individuelle Herzinfarktrisiko sichtbar machen lässt. Die acht interaktiven Exponate der Wanderausstellung Blick ins Herz sind das Ergebnis der Arbeit von Experten des Sonderforschungsbereichs „Molekulare kardiovaskuläre Bildgebung“ der Universität Münster. Dort forschen mehr als 80 Spezialisten aus Medizin, Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und Informatik seit Jahren in einem interdiszipli- nären Verbund an neuen Verfahren für die HerzBildgebung. Sie wollen Infarkte und andere Herzerkrankungen frühzeitig erkennen und verhindern helfen. Denn immer noch gehören Erkrankungen des Herzens und des Gefäßsystems zu den größten Herausforderungen in der Medizin. Die Erfolge und Ziele ihrer wissenschaftlichen Arbeiten stellt die Ausstellung nun für jedermann verständlich dar. Von den biologischen Grundlagen von Herzerkrankungen über die Entwicklung von Spürstoffen für den Blick ins Herz bis zur Optimierung der technischen Methoden der Bildgebung – die Ausstellung zeigt Einblicke in die aktuelle Forschung auf diesem Gebiet. Vorträge und Ausstellung machen Mit einem kleinem Blitz fing alles an Der „Blitzapparat“ nach Dessauer, gebaut von den Veifa-Werken, einer der Vorgängerfirmen von Siemens Healthcare Foto: Siemens MedMuseum Produktbroschüre des Angiographen aus dem Jahr 1951 Foto: Siemens MedMuseum Der Strom des „Blitzapparates“ wird eingeschaltet, es kommt zu einer kleinen Explosion, die Röntgenröhre blitzt kurz auf – und dann ist die Aufnahme im Kasten. Wenig später hält der Arzt ein Röntgenbild in der Hand, auf dem die Konturen des Herzens scharf zu sehen sind. Scharfe Bilder des Herzens sind heute selbstverständlich, aber 1909 waren sie spektakulär und ein wichtiger Meilenstein in der Kardiologie. Das Herz des lebenden Menschen zu erforschen, war bis Anfang des 20. Jahrhunderts nämlich kaum möglich. Eine entscheidende Wende brachte die Entdeckung der Röntgenstrahlen. Mit ihrer Hilfe konnte man erstmals das schlagende Herz im Körperinneren sichtbar machen. Allerdings musste der Patient für eine Röntgenaufnahme anfangs minutenlang völlig bewegungslos stillhalten. In dieser Zeit schlug sein Herz hunderte Male. Das Organ auf den Röntgenbildern war daher nur unscharf zu erkennen. Der entscheidende Durchbruch gelang Friedrich Dessauer mit der Konstruktion seines sogenannten „Blitzapparates“ im Jahr 1909. Mit diesem Röntgengerät konnten Ärzte erstmals innerhalb weniger Milli-Sekunden Aufnahmen anfertigen, auf denen das Herz klar zu erkennen war. Allerdings sagt selbst ein gelungenes Röntgenbild noch nichts über die Aktivität des Herzmuskels aus. Um Erkrankungen wie etwa Herzrhythmus-Störungen diagnostizieren zu können, bedurfte es einer weiteren entscheidenden Innovation: der Elektro­ kardiographie (EKG). Die Grundlagen für dieses Untersuchungsverfahren legte der niederländische Arzt Willem Einthoven ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ab 1911 wurden bei Siemens Elektrokardiographen hergestellt. Zunächst zeich- neten die EKGs mit einer Bogenlampe, Spiegeln, Spulen und Linsen die Spannungskurve des Herzens auf einem Kleinbildfilm auf, der erst noch entwickelt werden musste. Dieses Verfahren war zeitaufwendig und nicht besonders genau, da man nur circa 50 bis 80 Herzimpulse pro Sekunde messen konnte. Erst mit der Entwicklung eines neuartigen Elektrokardiographen änderte sich das: Dieser war der erste Tintenstrahldrucker überhaupt und machte es möglich, bis zu 900 Herzimpulse pro Sekunde zu erfassen. Er zeichnte die Kurven der Herzaktivität direkt auf Papier. Den ersten Drucker dieser Art, den Mingografen, entwickelte der Schwede Rune Elmqvist für die Siemens-Tochterfirma Elema im Jahr 1950. Elmqvist war es auch, der die Kardiologie mit einer weiteren Entwicklung entscheidend voran gebracht hat. Frühe Herzschrittmacher hatten Anfang der 1950er Jahre noch die Größe eines Röhrenfernsehers und man musste sie wie einen Einkaufswagen vor sich herschieben. 1958 wurde dann der von Elmqvist erfundene Prototyp eines voll implantierbaren Herzschrittmachers einem schwedischen Eishockeyspieler erfolgreich eingepflanzt. Elmqvist sah seine eigene Erfindung zunächst als technische Kuriosität an, heute ist sie in der Herzmedizin unverzichtbar. Hingegen war der junge Assistenzarzt Werner Forßmann von Anfang an von seiner Idee überzeugt, dass man mit einem Katheter das Innere des Herzens und dessen Gefäße erkunden kann. 1929 schob er in einem waghalsigen Selbstversuch einen Gummischlauch über einen Venenzugang bis in sein Herz und bewies damit, dass Herzkatheter-Untersuchungen möglich sind. Niemand sonst glaubte zunächst an den Erfolg dieser Untersuchungsmethode. Erst ab den 1950er Jahren kamen Herzkatheteruntersuchungen gezielt zum Einsatz. Siemens stellte 1950 mit dem Angiographen das erste System vor, mit dem der Katheter auf seinem Weg durch die Blutgefäße bis ins Herz auf einem Leuchtschirm beobachtet werden konnte. Katharina Bakes Wie sich die Kardiologie in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt hat, zeigt die Broschüre „Meilensteine in der Kardiologie“. Sie ist im Siemens MedMuseum gratis erhältlich. aber auch deutlich, dass noch viele Fragen unbeantwortet sind. „Ein Herzinfarkt entsteht durch eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, die Arteriosklerose. Die aktuelle Bildgebung schaut nur auf die Auswirkungen dieser Erkrankung, wie Durchblutungsstörungen“, sagt Prof. Michael Schäfers, Leiter des Sonderforschungsbereichs in Münster. Den Forschern gehe es aber darum, die Ursachen der Erkrankung zu untersuchen, um einen drohenden Herzinfarkt früher und genauer erkennen zu können. So ist eins der Ziele, Entzündungen in den Arterien aufzuspüren und sichtbar zu machen. Es bleibt also spannend. Bianca Braun Termine Sonderausstellung Die Ausstellung Blick ins Herz ist bis zum 12. März 2016 im Siemens MedMuseum zu sehen. Sonderausstellung, Vorträge und Führungen sind kostenfrei. Vortrag Scharfe Bilder aus der „Röhre“ Wie lässt sich vermeiden, dass medizinische Bilder „verwackeln“? Donnerstag, 3. März 2016, 17 Uhr Großer Vortragssaal von Siemens Healthcare, Henkestr. 127 in Erlangen Bei medizinischen Bildern kann Unschärfe problematisch werden, denn sie erschwert medizinische Diagnosen. Unschärfe entsteht, weil Patienten während der minutenlangen Untersuchung natürlich atmen, auch ihr Herz schlägt weiter. Der Physiker Florian Büther und Nuklearmediziner Thomas Vehren sagen nun: Bewegen erlaubt! Das Museum hat nach dem Vortrag bis 20 Uhr geöffnet. Weitere Informationen auf www.blick-ins-herz.de Führungen Eine kostenlose Führung durch die Sonderausstellung findet am Samstag, 5. 3. 2016 um 14 Uhr statt. Anmeldung nicht erforderlich. Öffentliche Führungen durch das Siemens MedMuseum an jedem 2. Samstag im Monat jeweils um 14 Uhr: 12. 3., 9. 4., 14. 5., 11. 6., 9. 7. 2016 Weitere Termine Auch am internationalen Museumstag, dem 22. Mai 2016, ist das Siemens MedMuseum geöffnet und mit vielen Aktionen dabei. Weitere Informationen unter: www.siemens.de/medmuseum oder Tel. (09131) 73 60 00