Schuldenkrise in Euroland: Schwellenländer bislang kaum von

Werbung
Aktueller Kommentar
Schuldenkrise in Euroland: Schwellenländer bislang kaum von Ansteckung bedroht
– wird das so bleiben?
3. August 2011
Während der derzeitigen Schuldenkrise im Euroraum haben sich die Schwellenländer als robuster
erwiesen als noch im Frühjahr 2010. Damals waren die Ansteckungseffekte allerdings auch geringer als
zur Zeit des Zusammenbruchs von Lehman Brothers. Vielleicht wurde die Eurokrise bislang noch nicht
als ”systemisch” erachtet, was sich mit Sicherheit ändern würde, wenn Spanien oder auch Italien in die
gleiche Lage gerieten wie Griechenland (von einer ausgewachsenen Krise in den USA ganz zu
schweigen). Tatsächlich ist die Korrelation zwischen den CDS-Spreads der Schwellenländer und
Spaniens erheblich größer und umfasst wesentlich mehr Länder als dies bei Griechenland der Fall ist. Mit
Blick auf die „fundamentalen“ Ansteckungsfaktoren erscheinen die Länder Mittel- und Südosteuropas am
anfälligsten für eine weitere Verschlechterung der Lage in Griechenland, wohingegen einige Länder
Lateinamerikas über den Bankenkanal besonders eng mit Spanien verbunden sind.
Während der derzeitigen Schuldenkrise im Euroraum haben sich
die Schwellenländer als robuster erwiesen als noch im Frühjahr
2010, als die Griechenland-Krise ausbrach. Damals waren die
Ansteckungseffekte wiederum geringer als zur Zeit des LehmanBankrotts. Natürlich kann dies damit zusammenhängen, zu
welchem Grad eine Krise als „systemisch“ erachtet wird, aber auch
mit der Widerstandsfähigkeit der Schwellenländer gegenüber der
globalen Finanzkrise, was zahlreiche Investoren dazu veranlasst
haben dürfte, die Risiko-Rendite-Gleichung der Schwellenländer,
insbesondere im Vergleich mit den entwickelten Volkswirtschaften,
zu überdenken.
Um die Ansteckungsgefahr bewerten zu können, ist eine Analyse
der fundamentalen sowie der marktbedingten Faktoren erforderlich.
Die fundamentalen Faktoren ergeben sich aus den Handels- und
Finanzbeziehungen mit dem betroffenen Land (z.B. Griechenland).
Marktfaktoren zeigen die Anfälligkeit eines Landes für eine
wachsende Risikoaversion der internationalen Anleger (z.B.
anhand des VIX-Index). Unter anderem wird ein Land anfälliger für
marktbedingte Ansteckung, wenn es hohen externen Finanzierungsbedarf hat, eine große Beteiligung globaler
Anleger an seinen heimischen Märkten verzeichnet bzw. seine Finanzinstrumente aktiv an den internationalen
Märkten gehandelt werden.
Im derzeitigen Stadium der Krise im Euroraum deuten die fundamentalen Faktoren hauptsächlich auf
Anfälligkeiten in Mittel- und Osteuropa hin, und hier insbesondere auf die Balkanstaaten (sowie Zypern). Neben
den intensiven Handelsbeziehungen mit Griechenland sind auch die Auslandsforderungen der griechischen
Banken (grenzüberschreitende Kredite sowie durch lokale Niederlassungen ausgereichte Kredite) recht
umfangreich. In Bulgarien, zum Beispiel, machen diese Kredite nahezu 30% des lokalen BIP aus.
Seite 1 von 3
Aktueller Kommentar
Was die Finanzmärkte der Schwellenländer betrifft, waren die von
Griechenland ausgehenden Ansteckungseffekte für den CDS-Markt
bisher begrenzt. Die Analyse der jeweiligen Bewegungen der CDSSpreads Griechenlands sowie der Schwellenländer zeigt eine
geringe, gar keine oder sogar eine negative Korrelation. Diese
Korrelation wird jedoch positiv und signifikanter, wenn man den
Vergleich mit spanischen (bzw. italienischen) CDS-Spreads
anstellt. Zugegebenermaßen ist die simple Korrelation eine grobe
Messgröße und variiert in ihrer Höhe je nach betrachtetem
Zeitraum. Wie der IWF in seinem jüngsten „Euro area spillover
report“ darstellt, schließen „grobe“ Korrelationen sowohl die
länderspezifische Ansteckung (z.B. aufgrund von
Handelsverflechtungen oder Finanzbeziehungen) als auch die
allgemeinen Markteffekte ein (sozusagen die allgemeine Nervosität
am Markt). In jedem Fall ist es wichtig, Spanien bzw. Italien in
Bezug auf mögliche Ansteckungseffekte für die Schwellenländer im
Auge zu behalten. Die starke Präsenz der spanischen Banken in
Lateinamerika bedeutet eine besondere Anfälligkeit der Region (vergleichbar mit der Anfälligkeit der
Balkanstaaten für Ereignisse in Griechenland). Gemäß unserer, auf BIZ-Daten basierenden, eigenen
Berechnungen belaufen sich die Auslandsforderungen spanischer Banken auf 30% des BIP in Chile und 13% des
BIP in Mexiko.
Trotz der bisher geringen Ansteckung lohnt es, die potentielle Anfälligkeit der Schwellenländer für globale
Marktschocks zu beleuchten. Länder wie die Türkei, die Ukraine, Polen, Rumänien, Südafrika und Ungarn haben
einen hohen externen Finanzierungsbedarf (gemessen an ihrem Leistungsbilanzdefizit zuzüglich der
Auslandsverschuldung mit Fälligkeit innerhalb der kommenden 12 Monate). In diesen Ländern ist der externe
Finanzierungsbedarf höher als der Bestand an Devisenreserven, was im Prinzip auf eine erhöhte Anfälligkeit
hindeutet. Allerdings handelt es sich im Falle von MOE-Ländern, in denen ausländische Banken stark vertreten
sind, bei einem signifikanter Anteil der fälligen Auslandsschulden um Kredite von Muttergesellschaften an ihre
ausländischen Niederlassungen, die nur in einer sehr ernsten Krise nicht verlängert würden.
Wie bereits erwähnt, liegt eine weitere Quelle potentieller
Ansteckung in von ausländischen Anlegern gehaltenen
inländischen Wertpapieren. Dies trifft insbesondere auf die
Aktienmärkte zu; in ca. 20 Schwellenländern halten ausländische
Investoren mehr als 10% der Aktienmarktkapitalisierung. Dass die
Aktienmärkte der Schwellenländer sehr sensibel auf die Stimmung
an den globalen Märkten reagieren, zeigt sich auch in den sehr
kräftigen (gegenläufigen) Bewegungen des MSCI-Aktienindex der
Emerging Markets sowie des VIX-Index. Was inländische Anleihen
anbelangt, wird In Indonesien, Mexiko, Polen, Ungarn, der Türkei
und Südafrika ein erheblicher Teil (18% und mehr) von
ausländischen Anlegern gehalten. Sollten die Investoren aufgrund
der Unruhe im Euroraum dort rasch aus dem Markt aussteigen
wollen, würde das Problem sinkender Anleihekurse noch durch die
Schwäche der heimischen Währung verschärft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Länder Mittel- und
Südosteuropas am anfälligsten für eine Ansteckung durch die
Schuldenkrise im Euroraum erscheinen, obwohl auch andere
Schwellenländer - insbesondere in Lateinamerika – in Mitleidenschaft gezogen werden könnten, sollte sich die
Krise auf Spanien bzw. Italien ausweiten. Damit wäre ein neues Stadium der Krise erreicht, die dann
möglicherweise – wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers – als systemisch eingestuft würde.
Diese Analyse der Ansteckungsgefahren lässt sich auch auf andere potentielle Auslöser von Krisen, wie z.B. die
Haushaltslage in den USA, anwenden. In diesem Fall wäre es allerdings notwendig, die Auswirkungen eines
möglichen US-Dollar-Crash auf die Währungen der Schwellenländer, die Reaktion der Rohstoffmärkte sowie die
Seite 2 von 3
Aktueller Kommentar
äußerst negativen Ausstrahlungseffekte von Finanzmarktentwicklungen (z.B. im US Treasuries-Markt) in die
Analyse einzubeziehen. Dies dürfte ernsthafte Auswirkungen auf viele Schwellenländer, einschließlich der
asiatischen, haben.
Die Aktuellen Kommentare im Audio-Format finden Sie hier...
...mehr zum Research-Bereich Emerging Markets
Aktuelle Kommentare - Archiv
Maria Laura Lanzeni (+49) 69 910-31723
© Copyright 2011. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe
„Deutsche Bank Research“ gebeten.
Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers
wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige
Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten,
einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder
sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der vorstehenden Angaben oder Einschätzungen wird
keine Gewähr übernommen.
In Deutschland wird dieser Bericht von Deutsche Bank AG Frankfurt genehmigt und/oder verbreitet, die über eine Erlaubnis der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht verfügt. Im Vereinigten Königreich wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG London, Mitglied der London Stock Exchange,
genehmigt und/oder verbreitet, die in Bezug auf Anlagegeschäfte im Vereinigten Königreich der Aufsicht der Financial Services Authority unterliegt. In Hongkong
wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG, Hong Kong Branch, in Korea durch Deutsche Securities Korea Co. und in Singapur durch Deutsche Bank AG,
Singapore Branch, verbreitet. In Japan wird dieser Bericht durch Deutsche Securities Limited, Tokyo Branch, genehmigt und/oder verbreitet. In Australien sollten
Privatkunden eine Kopie der betreffenden Produktinformation (Product Disclosure Statement oder PDS) zu jeglichem in diesem Bericht erwähnten
Finanzinstrument beziehen und dieses PDS berücksichtigen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen.
Seite 3 von 3
Herunterladen