Thieme: Endspurt Vorklinik – Anatomie 1

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3.1 Knochen
21
3 Obere Extremität
3.1 Knochen
Die obere Extremität umfasst den Schultergürtel, bestehend
aus dem dem Schlüsselbein (Clavicula) und dem Schulterblatt
(Scapula), sowie die freie obere Extremität mit Oberarm, Unterarm und Hand. Die Hand setzt sich aus Handwurzel (Carpus
mit Ossa carpi), Mittelhand (Metacarpus mit Ossa metacarpi)
und Fingern (Digiti manus mit Ossa digitorum) zusammen.
Lerntipp Die Röntgenanatomie der oberen Extremität von Schulter bis
Handwurzel ist bei Prüfern beliebt, weshalb Sie die größeren
Knochenvorsprünge und Rinnen kennen sollten.
3.1.1 Clavicula (Schlüsselbein)
Die Clavicula ist ein 12−14 cm langer, s-förmig gebogener
Knochen, der annähernd waagerecht zwischen dem Brustbein
(Sternum) und dem Schultergelenkbereich (Acromion der Sca­
pula) liegt. Die Knochenenden der Clavicula sind demnach am
Sternum die Extremitas sternalis mit ihrer Gelenkfläche (Facies
articularis sternalis) und in Richtung Scapula die Extremitas
acromialis mit ihrer Gelenkfläche (Facies articularis acromialis)
(Abb. 3.1c).
An der Unterseite der Clavicula liegt medial die Impressio
ligamenti costoclavicularis und lateral die Tuberositas ligamenti coracoclavicularis mit dem Tuberculum conoideum als
Höcker nahe dem akromialen Ende und lateral davon die Linea
trapezoidea. Diese Knochenvorsprünge sind Ansatzstellen
von Bändern. In der Mitte der Knochenunterseite findet sich
eine Einkerbung (Sulcus m. subclavii) als Ansatzstelle für den
M. subclavius.
3.1.2 Scapula (Schulterblatt)
Die Scapula ist ein platter Knochen und hat die Form eines Drei­
ecks. Ihre Ränder heißen Margo medialis, Margo lateralis und
Margo superior, die dazugehörigen Winkel sind der Angulus
superior (oben medial), der Angulus lateralis (oben lateral) und
der Angulus inferior (unten).
Ihre dem Körper zugewandte Seite (Facies costalis) ist flach
und der Rückwand des Brustkorbs aufgelagert. Sie besitzt eine
konkave Fossa subscapularis für den M. subscapularis (S. 30).
Die sichtbare Seite des Schulterblatts ist die Facies dorsalis.
Sie wird durch einen Knochenkamm (Spina scapulae) in zwei
Bereiche geteilt. Dieser steigt medial vom Trigonum spinae
nach lateral auf und endet als sog. Schulterhöhe (Acromion).
Oberhalb der Spina scapula befindet sich die kleinere Fossa supraspinata und unterhalb eine größere Fossa infraspinata für
den M. supraspinatus und M. infraspinatus.
Medial des Acromions befindet sich die Gelenkfläche für das
Schlüsselbein (Facies articulare acromii). Am Angulus lateralis
befindet sich die Schultergelenkpfanne (Cavitas glenoidalis),
die den Humeruskopf aufnimmt. Die Cavitas glenoidalis besitzt
oben und unten jeweils einen kleinen Höcker, das Tuberculum
supraglenoidale (oben) und das Tuberculum infraglenoidale
(unten). Das Tuberculum supraglenoidale ist Ursprung der Seh­
ne des M. biceps brachii (Caput longum), am Tuberculum infra­
glenoidale entspringt das Caput longum des M. triceps brachii.
Oberhalb der Cavitas glenoidalis erhebt sich der Processus
coracoideus (Rabenschnabelfortsatz). Er dient als Schutz für
das darunterliegende Schultergelenk und knickt nach ventro­
lateral um fast 90 ° ab. Gleichzeitig ist er Ansatzstelle für Mus­
keln und Bänder. Zusammen mit dem Acromion und dem Lig.
coracoacromiale bildet der Proc. coracoideus das Schultergelenkdach (Abb. 3.1a, b). Wie sein Name schon sagt, zieht das Lig.
coracoacromiale vom Proc. coracoideus zum Acromion.
Medial des Processus coracoideus findet sich am Oberrand
der Scapula eine Einkerbung (Incisura scapulae). Über diese
Kerbe zieht das Lig. transversum scapulae superius. Oberhalb
dieses Bandes verläuft die A. suprascapularis, darunter der
N. suprascapularis.
3.1.3 Humerus (Oberarmknochen)
Lerntipp Die Lagen von Collum chirurgicum und Collum anatomicum
zu kennen, ist wichtig, da oft nach Nervenverletzungen in diesen
Bereichen gefragt wird.
Der Humerus ist ein langer Röhrenknochen. Man unterscheidet:
▪▪Corpus humeri (Humeruskörper)
▪▪Caput humeri (Humeruskopf)
▪▪Condylus humeri (distaler Gelenkflächenteil).
▶▶Caput humeri. Der Gelenkkopf ist um ca. 20 ° nach hinten ge­
dreht. An das Caput humeri schließt sich das Collum anatomicum an. Hier ist die Gelenkkapsel verankert.
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 1 (ISBN 9783131533722) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
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Lernpaket 2
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3 Obere Extremität
Margo superior
Processus coracoideus
Facies articularis acromii
Processus coracoideus
Abb. 3.1 Scapula.
a Dorsalansicht. b Lateral­
ansicht. c Clavicula.
Angulus superior
Acromion
Fossa
supraspinata
Spina
scapulae
Tuberculum
supraglenoidale
Angulus lateralis
Trigonum
spinae
Cavitas
glenoidalis
Tuberculum
infraglenoidale
Fossa
infraspinata
Margo lateralis
Margo
medialis
Angulus inferior
a
b
Corpus claviculae
Extremitas sternalis
Facies articularis acromialis
Extremitas acromalis
Impressio ligamenti costoclavicularis
Linea trapezoidea
Facies articularis sternalis
nach Wurzinger et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 2010
c
Tuberculum conoideum
Sulcus m. subclavii
Clavicula
Angulus superior
scapulae
Acromion
Articulatio
acromioclavicularis
Caput
humeri
Tuberculum
majus
Processus
coracoideus
Scapula
Sulcus intertubercularis
Tuberculum
minus
a
Cavitas
glenoidalis
Margo lateralis
scapulae
b
Abb. 3.2 Schulter im Röntgenbild. a Röntgenaufnahme der linken Schulter a.–p. b Erklärung der erkennbaren Strukturen.
Apropos
Collum chirurgicum. Bewegt man sich vom proximalen Ende ausgehend am
Schaft des Oberarmknochens entlang nach distal, erreicht man die Region,
in der die meisten Oberarmbrüche auftreten. Daher wird dieser Abschnitt
klinisch als Collum chirurgicum bezeichnet (Abb. 3.3).
Bei der Ansicht des Oberarmknochens von vorne finden sich
dicht unterhalb des Caput humeri zwei Knochenhöcker:
▪▪lateral das Tuberculum majus mit der weiter nach distal
verlaufenden Crista tuberculi majoris
▪▪medial das Tuberculum minus mit der Crista tuberculi minoris.
Lerntipp Sie sollten auf einem Röntgenbild der Schulter (Abb. 3.2) den
Processus coracoideus, das Acromion, die Clavicula sowie
das Tuberculum majus und minus erkennen können! Das
Tuberculum supraglenoidale ist Ursprung der Sehne des Caput
longum m. biceps brachii. Lassen Sie sich nicht verwirren: In
Prüfungsfragen werden Ihnen dazu gerne auch mal andere
Muskeln vorgeschlagen, die Sie dann als falsch erkennen müssen.
Die Lagebeschreibungen der einzelnen Teile der Schulter sind im
folgenden Text für Sie noch einmal kenntlich gemacht.
Zwischen den Knochenkämmen liegt eine Rinne (Sulcus intertubercularis) für die Sehne des langen Bizepskopfes (S. 33).
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▶▶Corpus humeri. Der Humerusschaft hat im Wesentlichen zwei
Caput humeri
Tuberculum
majus
Beide Knochenränder verlaufen nach distal als Knochenkämme
weiter (Crista supraepicondylaris medialis und lateralis) und
gehen letztlich in den Epicondylus medialis und Epicondylus
lateralis über.
Lateral am Humerusschaft befindet sich eine aufgeraute
Knochenfläche, die als Ansatzstelle des M. deltoideus dient (Tuberositas deltoidea). An der Hinterfläche des Humerus findet
sich der Sulcus n. radialis, in dem der N. radialis verläuft und
sich um den Schaft windet.
Tuberculum
minus
▶▶Condylus humeri. Das distale Humerusende wird durch eine
Flächen (Abb. 3.3):
▪▪Facies anteromedialis, begrenzt durch die Margo medialis
▪▪Facies anterolateralis, begrenzt durch die Margo lateralis.
Collum
anatomicum
Collum chirurgicum
Sulcus
intertubercularis
Tuberositas deltoidea
Knochenrolle (Trochlea humeri) gebildet. Auf ihrer Vorderflä­
che liegt die Fossa coronoidea, medial davon findet sich der Sulcus n. ulnaris für den N. ulnaris und das Capitulum humeri mit
Fossa radialis. An der Hinterfläche, leicht oberhalb der Trochlea,
befindet sich die Fossa olecrani. Lateral und medial am distalen
Humerusende befinden sich zwei Epikondylen als Ansatzstel­
len für Muskeln.
Corpus humeri
Lerntipp Sulcus n. radialis
Den Verlauf des N. ulnaris sollten Sie gut kennen und ihn auch
auf einem Röntgenbild des Ellenbogens zuordnen können
(Abb. 3.4). Wenn Sie in der Prüfung unsicher sind, überlegen Sie
kurz, wo es am Ellbogen so gemein schmerzt, wenn Sie sich den
„Musikantenknochen“ stoßen: Das ist dann der N. ulnaris!
Fossa radialis
3.1.4 Ulna und Radius (Elle und Speiche)
Fossa coronoidea
Fossa olecrani
Ulna (Elle)
Sulcus
n. ulnaris
Die Ulna besteht aus dem Corpus ulnae (Schaft) sowie der
Extre­mitas proximalis in Richtung Ellenbogengelenk und der
Extremitas distalis zu den Handwurzelknochen hin.
Epicondylus
medialis
Trochlea humeri
▶▶Olecranon. Das proximale Ellenende wird durch das Olecra­
Capitulum humeri
Epicondylus lateralis
a
b
nach Wurzinger et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 2010
Abb. 3.3 Humerus. a Von vorne. b Von hinten.
non gebildet. Dieser Hakenfortsatz der Ulna ist an der Bildung
des typischen Scharniergelenkes im Ellenbogen beteiligt. Vent­
ral am Olecranon befindet sich die konkave Incisura trochlearis
mit dem vorne aufsitzenden Processus coronoideus und der
Abb. 3.4 Ellenbogengelenk im Röntgenbild. a Aufnahme des rechten Ellenbogengelenks a.–p. b Erklärung der erkennbaren Strukturen.
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3.1 Knochen
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3 Obere Extremität
Caput radii
Circumferentia
articularis
Collum radii
Incisura
trochlearis
Olecranon
Processus
coronoideus
Caput
radii
Incisura
radialis
Collum radii
Tuberositas
ulnae
Tuberositas radii
Fovea
articularis
Circumferentia
articularis
Abb. 3.5 Ulna und
­Radius. a Von vorne.
b Von hinten.
Tuberositas radii
Margo
interosseus
Margo
interosseus
Margo interosseus
Margo
interosseus
Corpus
ulnae
Corpus radii
Incisura ulnaris
Caput
ulnae
Processus
styloideus
radii
a
Corpus
ulnae
Facies articularis
carpalis
Circumferentia
articularis
Corpus radii
Incisura
ulnaris
Caput
ulnae
Processus
styloideus ulnae
Processus
styloideus
radii
b
lateral zum Radius hin gelegenen Incisura radialis als Gelenk­
fläche für die Zirkumferenz des Speichenkopfes (s. u.).
weiterer Knochenvorsprung, die Tuberositas radii. Hier setzt
der M. biceps brachii (S. 33) an.
▶▶Corpus ulnae. Der Ulnaschaft hat drei Seiten, die voneinander
▶▶Corpus radii. Auch der Schaft des Radius besitzt drei Seiten
und die dazugehörigen drei Kanten, ihre Benennung ist iden­
tisch mit den Strukturen der Ulna. Auf Schaftmitte findet sich
eine raue Fläche, die Tuberositas pronatoria. Hier setzt der
M. pronator teres an.
Auf der Ventralfläche des Ulnaschafts befindet sich eine raue
Fläche (Tuberositas ulnae), die als Ansatzstelle für den M. bra­
chialis (S. 33) dient. Nach lateral zum Radius hin findet sich
zudem ein Knochenkamm (Crista m. supinatoris) für den M. su­
pinator. Mittig am Corpus ulnae liegt das Foramen nutricium.
Dabei handelt es sich um eine Öffnung im Knochen für ernäh­
rende Gefäße, die an der Ulna besonders gut zu sehen ist.
▶▶Distales Radiusende. Das distale Ende des Radius ist verdickt
mit drei Rändern abgegrenzt werden (Abb. 3.5):
▪▪Facies anterior mit Margo anterior
▪▪Facies medialis mit Margo interosseus (lateral)
▪▪Facies posterior mit Margo posterior.
▶▶Caput ulnae. Es stellt das distale Ende der Ulna dar. Hier be­
finden sich die Circumferentia articularis für das distale Radio­
ulnargelenk sowie ein kleiner Knochenvorsprung, der Processus styloideus ulnae.
Radius (Speiche)
▶▶Caput radii. Das proximale Ende des Radius bildet das walzen­
förmige Caput radii. An dessen Oberseite besteht eine leichte
Vertiefung (Fovea articularis), die mit dem Humerusköpfchen
artikuliert. Sie setzt sich in die Circumferentia articularis radii fort. An das Caput radii schließt sich der Radiushals (Collum
radii) an. Am Übergang vom Collum zum Corpus radii liegt ein
und bildet die Crista suprastyloidea, die sich fortsetzt in den
Processus styloideus radii. Medial liegt die Incisura ulnaris für
die distale Gelenkverbindung zur Ulna, nach distal gerichtet
befindet sich die Facies articularis carpalis für das Handgelenk
(Abb. 3.5). Auf der Rückseite des Radius tastet man durch die
Haut ein Knochenhöckerchen, das Tuberculum dorsale, das als
Umlenkrolle für die Sehne lateral des 3. Sulcus dient (s. u.), so­
wie verschieden stark ausgeprägte knöcherne Furchen (Sulci)
für die Sehnen der langen Strecker.
Lerntipp ▶▶Tuberositas ulnae → Ansatz des M. brachialis
▶▶Tuberositas radii → Ansatz des M. biceps brachii
▶▶Tuberositas pronatoria → M. pronator teres
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3.1 Knochen
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Phalanx distalis
Phalanx proximalis
(Grundglied)
Os capitatum
Os trapezoideum
a
b
Os trapezium
Os scaphoideum
Processus styloideus radii
Os lunatum
distaler Radius
distale Ulna
Caput ossis
metacarpi
Corpus ossis metacarpi
Basis ossis metacarpi
Os hamatum
Os triquetrum
Os pisiforme
Processus styloideus
ulnae
Articulatio radioulnaris
distalis
Abb. 3.6 Hand im Röntgenbild. a Röntgenaufnahme einer rechten Hand a.–p. b Erklärung der erkennbaren Strukturen. rot: distales, blau: proxi­ma­
les Handgelenk.
3.1.5 Handknochen
Ossa carpi (Handwurzelknochen)
Lerntipp Unbedingt prüfungsrelevant sind Lage und Aussehen der Hand­
wurzelknochen. Dieser Vers für die Reihenfolge der Handwurzel­
knochen dient schon seit Generationen als Merkhilfe:
„Ein Kahn, der fuhr im Mondenschein im Dreieck um das
Erbsenbein. Vieleck groß, Vieleck klein, am Kopf, da muss der
Haken sein!“
Und noch ein Tipp: Lernen Sie die Handwurzelknochen gleich
von Anfang an anhand von Abb. 3.6!
Die 8 Handwurzelknochen (Ossa carpi) werden anhand ihrer
Lage in eine proximale und eine distale Reihe eingeteilt (Abb.
3.6):
▪▪Proximale Reihe:
–– Os scaphoideum (Kahnbein)
–– Os lunatum (Mondbein)
–– Os triquetrum (Dreieckbein)
–– Os pisiforme (Erbsenbein)
▪▪Distale Reihe:
–– Os trapezium (großes Vieleckbein)
–– Os trapezoideum (kleines Vieleckbein)
–– Os capitatum (Kopfbein)
–– Os hamatum (Hakenbein)
Das Os capitatum ist der größte, das Os pisiforme der kleinste
Knochen der Handwurzel. Das Erbsenbein ist als sog. Sesam­
bein in die Sehne des M. flexor carpi ulnaris eingebettet und
dient als „Umlenkrolle“ (Hypomochlion) für die Muskelzugrich­
tung des M. flexor carpi ulnaris, wodurch ein größerer Hebel­
arm entsteht. Das Os trapezium weist eine knöcherne Furche
für den M. flexor carpi radialis auf. Das Os hamatum besitzt
einen knöchernen Fortsatz (Hamulus ossis hamati), der palmar
an der Handwurzel hervortritt.
Apropos
Kahnbeinfraktur. Die Fraktur des Os scaphoideum ist die häufigste
Karpalknochenfraktur. Unfallursache ist meist ein Sturz auf die ausge­
streckte Hand. Für die Prognose ist die Lokalisation der Fraktur von großer
Bedeutung. Das distale und mittlere Drittel des Kahnbeins sind gut durch­
blutet, hier erfolgt meist eine folgenlose Ausheilung. Das proximale Drittel
hat eine schlechtere Blutversorgung, Frakturen in diesem Bereich benötigen
daher eine deutlich längere Ruhigstellung. Außerdem besteht die Gefahr
einer Knochennekrose. In der Regel dauert die konservative Therapie (Ruhig­
stellung im Gips) 8 bis 12, manchmal sogar bis zu 16 Wochen.
Die Handwurzelknochen sind bogenförmig zur Hohlhand hin
angeordnet. Dieser Bogen wird vom Retinaculum musculi flexorum überspannt. Knochen und Band bilden so einen osteo­
fibrösen Kanal, den Karpaltunnel oder Canalis carpi (S. 47).
Ossa metacarpi (Mittelhandknochen)
Es gibt an jeder Hand 5 Mittelhandknochen (Ossa metacarpi
I−V), die jeweils nach folgendem Bauprinzip von proximal nach
distal gegliedert sind (Abb. 3.6):
▪▪Basis ossis metacarpi: für die gelenkige Verbindung mit den
Handwurzelknochen
▪▪Corpus ossis metacarpi: lang gestreckter Knochenkörper
▪▪Caput ossis metacarpi: Knochenkopf, der mit den Finger­
knochen artikuliert (s. u.). Sie bilden die Knöchel der Hand,
die auf dem Handrücken sichtbar sind.
Am Daumen kommen zusätzlich noch zwei Sesambeine vor,
die in ihrer Funktion den Hebelarm vergrößern und den Mus­
kelzug auf das Gelenk umleiten.
Ossa digitorum manus (Fingerknochen)
Die Hand hat 5 Finger (Digiti manus): Daumen (Pollex), Zeige­
finger (Index), Mittelfinger (Digitus medius), Ringfinger (Digi-
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nach Wurzinger et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 2010
Phalanx media
(Mittelglied)
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3 Obere Extremität
tus anularis) und Kleinfinger (Digitus minimus). Jeder dieser
Finger außer dem Daumen mit nur zwei Fingerknochen besteht
aus drei Fingerknochen:
▪▪Phalanx proximalis (Fingergrundglied): längster Knochen
des Fingergliedes
▪▪Phalanx media (Fingermittelglied): fehlt beim Daumen
▪▪Phalanx distalis (Fingerendglied).
Jeder Fingerknochen besteht aus Basis, Corpus und Caput.
Lerntipp Es kann vorkommen, dass Sie in der Prüfung auf einem Rönt­
genbild der Handwurzel auf einen Frakturspalt hingewiesen
werden, den Sie dem richtigen Knochen zuordnen sollen. Lassen
Sie sich nicht verunsichern: Frakturen zu erkennen lernen Sie
später im Studium noch. Wenn Sie die Handwurzelknochen
gelernt haben, können Sie bei dieser Frage nur punkten! Es geht
hier eher darum, dass Sie ihre mühsam erlernten anatomischen
Kenntnisse in einen klinischen Zusammenhang stellen. Schauen
Sie sich dazu Abb. 3.6 an!
Fazit – Das müssen Sie wissen
–– !! Am distalen Ende des Humerus findet sich die Trochlea
humeri mit der Fossa coronoidea, medial davon liegen
der Sulcus n. ulnaris für den N. ulnaris und das Capitulum
humeri.
–– ! Der M. biceps brachii setzt an der Tuberositas radii der
Speiche an.
–– !! Vergegenwärtigen Sie sich Aussehen und Lage der Handwurzelknochen (z. B. des Os hamatum mit dem Hamulus
ossis hamati, palmar hervortretend) anhand von Abb. 3.6.
3.2 Gelenke
Die Gelenke der oberen Extremität sind das Schultergelenk, das
Ellenbogengelenk, das Handgelenk und die Fingergelenke. Das
Schultergelenk weist beim Menschen den größten Bewegungs­
umfang aller Gelenke auf.
3.2.1 Articulatio acromioclavicularis
­(Schultereckgelenk)
Lerntipp Fürs Mündliche sind die Bänder des Akromioklavikulargelenks
wegen ihrer klinischen Relevanz wichtig und möglicherweise
auch die Tatsache, dass sich zwischen Schlüsselbein und Haut
keine Muskelschicht befindet, was bei Claviculafrakturen von
Bedeutung ist.
Die Knochenpunkte für das Akromioklavikulargelenk (laterales
Schlüsselbeingelenk, Schultereckgelenk) sind das Acromion der
Scapula und das laterale Ende der Clavicula. Der Gelenkspalt
wird durch einen Discus articularis unvollständig in zwei Kam­
mern unterteilt. Die Gelenkkapsel wird durch Bänder gesichert.
Das Akromioklavikulargelenk ist eben, verfügt aber über
drei Freiheitsgrade (wie ein Kugelgelenk), wobei die Bewegun­
gen mit denen der Articulatio sternoclavicularis (s. u.) gekop­
pelt sind. Heben und Senken sowie Vor- und Zurücknehmen der
Schulter sind möglich, außerdem Zirkumduktion (Kreisen) und
Rotation (Kreiseln).
Apropos
Klaviertastenphänomen. Wenn die Ligg. coracoclaviculares reißen
(Tossi-Verletzung), zieht der M. trapezius das laterale Ende der Clavicula
nach kranial. Drückt man die Clavicula runter und lässt wieder los, kommt sie
durch den Muskelzug von selbst wieder hoch, was zur Bezeichnung „Klavier­
tastenphänomen“ geführt hat.
3.2.2 Articulatio sternoclavicularis (mediales
Schlüsselbeingelenk)
Die knöchernen Anteile für die Articulatio sternoclavicularis
(mediales Schlüsselbeingelenk) werden vom medialen Ende
der Clavicula und vom Manubrium sterni gebildet. Dazwischen
liegt der Discus articularis, der den Gelenkraum in zwei Berei­
che unterteilt. Gesichert und stabilisiert wird das Sternoklavi­
kulargelenk durch Bänder.
Das mediale Schlüsselbeingelenk ist funktionell gesehen ein
Kugelgelenk, jedoch mit stark eingeschränkter Beweglichkeit.
3.2.3 Articulatio humeri (Schultergelenk)
Das Schultergelenk (Articulatio humeri, Articulatio glenohu­
meralis) wird aus den knöchernen Elementen der Cavitas glenoidalis und dem Caput humeri aufgebaut. Dabei ist der Hume­
ruskopf etwa viermal so groß wie die mit Knorpel überzogene
Gelenkfläche des Schulterblattes. Die Gelenkpfanne wird des­
halb durch eine faserknorpelige Gelenklippe (Labrum glenoidale) vergrößert.
Das Schultergelenk ist ein Kugelgelenk mit drei Freiheits­
graden: Ante- und Retroversion, Ab- und Adduktion sowie In­
nen- und Außenrotation. Die Elevation (so heißt die Abduktion
über 90 °) ist nur durch das Drehen der Gelenkfläche der Sca­
pula möglich. Diese sog. thoracoscapulare Gleitschicht ist kein
echtes Gelenk, aber funktionell sehr wichtig: Wenn der Arm bei
90 ° Abduktion mit dem Humerus am Acromion anstößt, kann
durch verschiedene Muskeln (M. serratus anterior, M. trapezius) die Schulterblattspitze nach außen gedreht werden. Das
Acromion dreht sich somit nach oben weg und der Arm kann
über 90 ° angehoben werden.
Die Gelenkkapsel des Schultergelenks zieht vom Collum
scapulae über die Cavitas glenoidalis hinweg zum Humerus
und umfasst das Collum anatomicum. Tuberculum majus und
minus sind meist extrakapsulär gelegen. Die Kapsel hat beim
herabhängenden Arm eine „Reservefalte“ am Unterrand, den
Recessus axillaris. Durch die Weite der Gelenkkapsel wird der
Bewegungsumfang vergrößert (Abb. 3.7).
Apropos
Das Schultergelenk ist das menschliche Gelenk mit der größten Bewegungsfreiheit, aber die schlaffe Kapsel schrumpft leicht bei Inaktivität.
Schon zwei Wochen in Gips können die Schulter steif machen. Das Zauber­
wort für die Klinik bei allen Verletzungen im Schulterbereich heißt daher
Frühmobilisation.
Zudem findet man eine Sehnenscheide (Vagina tendinis intertubercularis), die die lange Bizepssehne einfasst und durch die
Gelenkkapsel verläuft.
Die wichtigsten Bänder am Schultergelenk sind:
▪▪Lig. coracoacromiale: zwischen Processus coracoideus und
Acromion (Schultergelenkdach) oberhalb des eigentlichen
Gelenks, bildet das Dach der Schulter
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3.2 Gelenke
Discus/Meniscus
M. trapezius
Clavicula
Acromion
Bursa
subacromialis
/LJDFURPLRFODYLFXODUH
0WUDSH]LXV 0VXSUDVSLQDWXV
$FURPLRQ
27
+XPHUXV
NRSI
Tuberculum
supraglenoidale
Gelenkspalte
Spatium
subdeltoideum
Skapula
M. deltoideus
Vagina
tendinis
intertubercularis
Recessus
axillaris
A. circumflexa
humeri post.
N. axillaris
Caput longum
m. bicipitis brachii
Caput longum
m. tricipitis brachii
Abb. 3.7 Schultergelenk.
0VXEVFDSXODULV
▪▪Lig. coracohumerale: zieht vom Processus coracoideus zum
Tuberculum majus et minus des Humerus (Verstärkung für
den vorderen Gelenkkapselanteil)
▪▪Ligg. glenohumeralia: Faserzüge zur Verstärkung der vorde­
ren Kapsel.
Die Sicherung des Schultergelenks erfolgt neben den Bändern
v. a. durch Muskeln, die das Gelenk einschließen. Sie bilden die
sog. Rotatorenmanschette (S. 30).
Im Bereich des Schultergelenks kommen außerdem ver­
schiedene Schleimbeutel vor. Die beiden wichtigsten sind die
Bursa subacromialis (hier zieht die Sehne des M. supraspinatus
entlang) und die Bursa subdeltoidea (zwischen der Gelenkkap­
sel und den Fasern des M. deltoideus). Sie stehen häufig mitei­
nander in Verbindung und werden auch als subakromiales Ne­
bengelenk bezeichnet.
Die Sehne des M. supraspinatus wird bei Abduktion zwi­
schen Lig. coracoacromiale und Tuberculum majus eingeengt.
Bei Schäden der Sehne kommt es bei der Abduktion zu starken
Schmerzen. An dieser Stelle liegt die Bursa subacromialis als
Puffer. Schleimbeutelentzündungen und Verkalkungen oder
entzündliche Veränderungen der Supraspinatussehne sind
hier häufig anzutreffen und verschlimmern sich gegenseitig.
Lerntipp Die Abb. 3.8 sollten Sie sich einprägen, zu vergleichbaren MRTAufnahmen gab es mehrfach Prüfungsfragen. Diese Bildebene
wird auch bei Schichtaufnahmen gewählt, um die Sehne des
M. supraspinatus darzustellen. Ihre oben erwähnte Einklem­
mung wird ebenfalls gern gefragt!
3.2.4 Articulatio cubiti (Ellenbogengelenk)
Das Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti, Abb. 3.4) ist ein zusammengesetztes Gelenk bestehend aus drei verschiedenen
Gelenken:
▪▪Humeroulnargelenk (Articulatio humeroulnaris): ein Scharniergelenk (Ginglymus) für Flexion und Extension.
▪▪Humeroradialgelenk (Articulatio humeroradialis): ein Dreh­
scharniergelenk.
0ODWLVVLPXVGRUVL
Abb. 3.8 MRT-Aufnahme der Schulter.
▪▪proximales Radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris
proximalis): ein Radgelenk (Articulatio trochoidea) für die
Pronations- und Supinationsbewegung.
Humeroulnargelenk und Humeroradialgelenk bilden zusam­
men einen sog. Trochoginglymus, d. h. ein zusammengesetztes
Drehscharniergelenk mit insgesamt 2 Freiheitsgraden (Flexion
und Extension = Scharnierbewegung, Pronation und Supination
= Drehbewegung).
Lerntipp Der Radius dreht sich um die Ulna („Das Rad dreht sich“).
Die Gelenkkapsel umschließt alle drei Gelenke mit einer Kap­
sel. Für die Umwendbewegung des Unterarmes gibt es eine
Reservefalte am Radiuskopf (Recessus sacciformis). Die Kapsel
umfasst die Fossa olecrani am Humerus und reicht bis an die
Incisura trochlearis der Ulna und das Caput des Radius. Die Epi­
condylen am Humerus befinden sich extrakapsulär. Dorsalseitig tastet man distal des Epicondylus lateralis den Radiuskopf.
Wichtige Bänder am Ellenbogengelenk sind:
▪▪Lig. collaterale ulnare: Seitenband an der Ulna (Innenband),
entspringt am Epicondylus medialis des Humerus und zieht
zur Incisura trochlearis der Ulna.
▪▪Lig. collaterale radiale: Seitenband am Radius (Außenband),
entspringt am Epicondylus lateralis des Humerus und ver­
einigt sich mit dem Lig. anulare radii. Über das Lig. anulare
radii strahlt es in die Ulna ein. Es setzt also nicht am Radius
an.
▪▪Lig. anulare radii: ringförmiges Band für das proximale Ende
des Radius, liegt vollständig in der Kapsel des Ellbogenge­
lenks, entspringt an der Ulna und setzt auch dort an.
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 1 (ISBN 9783131533722) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
L er n pake t 2
Sehne des langen
Bizepskopfes
nach Kirsch et al., Taschenlehrbuch Anatomie, Thieme, 2010
M. supraspinatus
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