Bild: Fendt Energieverteilung | Steuerungstechnik Der Großtraktor Fendt 1000 Vario mit 380 bis 500 PS und einem Leergewicht von 14 Tonnen: Das neue Power Board von STW darin versorgt die gesamte Elektrik des Traktors. Power, die zieht Energieverteilung im Traktor. Neue Einheiten der Zentralelektrik sorgen für ein intelligentes Energiemanagement der mobilen Agrarmaschine, das sich in komfortabler Diagnose und einfacher Wartung niederschlägt. Hans Wiedemann n Bereits 2003 wurde die erste Zentralelektrik von Fendt und STW zusammen entwickelt und in Serie gebracht. Seitdem sind die Anforderungen an diese auch Power Boards genannten Systeme weiter gestiegen. Während es bei den Vorgängermodellen allein um das Schalten großer Ströme ging, wird heute zunehmend Intelligenz in den Zentralelektriken gefordert. Dabei kann es sich um einen CAN-Anschluss handeln, über den das Schalten durchgeführt wird und ein Rücklesen des Schalterzustands möglich ist. Aber auch Rechen- und Speicherkapazität innerhalb der Zentralelektrik gewinnen zunehmend an Bedeutung, damit zusätzlich die Funktionen einer dezentralen Steuerung übernommen werden können. Dies hängt auch mit der wachsenden Komplexität der über die Zentralelektrik 11 | 2015 versorgten Einheiten zusammen. Waren zunächst nur einfache Verbraucher wie Fahrlicht oder Arbeitsscheinwerfer an das Power Board angeschlossen, werden heute auch mehrstufige Gebläse oder regulierbare Scheibenheizungen versorgt. Mit der stetig wachsenden Anzahl an Verbrauchern, steigt somit auch die Summe der Ströme, die eine Zentralelektrik bewerkstelligen muss. Versorgen, sichern, steuern Die Aufgabenstellung für das neue Power Board des Fendt 1000 Vario bestand darin, die gesamte Elektrik im Traktor zu versorgen, abzusichern und anzusteuern. Dabei soll es für die Aufteilung der Stromkreise sorgen und alle nötigen Stecksockel für Relais und Sicherungen beinhalten. Für den Vario wurde aufgrund der beiden Faktoren Intelligenz und Anzahl der E/As nach dem Prinzip „teile und herrsche“ verfahren. An die Stelle einer einzelnen Zentralelektrik wurde auf einen zweigeteilten Ansatz gesetzt. Während sich eine Einheit um die Kommunikation mit der Hauptsteuerung und die Übernahme programmierbarer Schaltvorgänge kümmert, ist die zweite Einheit in erster Linie für das Absichern und Schalten der Ströme verantwortlich. Wichtiges Argument für die Trennung war auch eine einfachere Verkabelung. Mit dem Design musste natürlich auf die Zugänglichkeit der Anschlüsse, die ergonomischen Notwendigkeiten und die räumlichen Vorgaben Rücksicht genommen werden. Der Bauraum war wie in den meisten Fällen eingeschränkt. Hinsichtlich der intelligenten Einheit, auch ZE genannt, gab es klare Vorstellungen von Fendt. Herz des Boards sollte ein LPC1778 von NXP sein, ein ARM- 53 Cortex-M3 Prozessor mit 512 kByte Flash, 96 kByte SRAM und 4032 Byte EEPROM Speicher. Einer seiner beiden CAN-Kanäle, der über jeweils einen CAN-Transceiver nach außen geführt wird, ist an den zentralen Steuer-Bus des Vario 1000 angeschlossen und kann mit bis zu 250 kbit/s kommunizieren. Der Zweite ist als Reserve vorgesehen. Drei der fünf UART Schnittstellen werden über entsprechende Transceiver für den Anschluss an LIN (Local Interconnect Network), einen Ein-Draht-Bus, genutzt. Über den LIN-Bus können unterschiedliche Verbraucher wie die Wischer der Front- und Seitenscheiben eingestellt oder konfiguriert werden. Außerdem bietet der Prozessor 165 beliebig nutzbare E/A-Pins, womit der Zuordnung ausreichend Freiraum gegeben werden konnte. Da auf dieser Platine das Schalten großer Ströme vermieden werden sollte, werden Ausgangspins genutzt, um entsprechende Relais auf der zweiten Einheit anzusteuern. Die Kommandos für das Schalten erhält die ZE entweder über den zentralen Steuer-Bus oder in einigen Fällen auch direkt über einen Eingang, an den ein Schalter angeschlossen ist. Ein großer Vorteil der Einheit liegt auch in ihrer Diagnosefähigkeit. Sie erlaubt das Rücklesen des Zustands wichtiger Verbraucher. Zu ihnen gehören Fahr- und Positionslichter oder Blinker. Ohne ihre einwandfreie Funktion ist ein Betrieb im Straßenverkehr nicht erlaubt. Durch die Diagnosefähigkeit und die Kommunikation über den CANBus kann ein Fehler direkt im Cockpit angezeigt werden. STW war neben dem Design verantwortlich für die Implementierung der Testsoftware und eines Flashloaders. Die Applikationssoftware wurde schließlich von Fendt geschrieben. Strom- und Leistungsverteilung Auf dem Relaisbord (RB) geht es nur um die Strom- und Leistungsverteilung über Sicherungen. Dabei sind generell drei Möglichkeiten vorgesehen. Der einfachste Stromverlauf, bei dem das RB nur als Sicherungskasten wirkt, geht über den Stecker auf das Bord, durch die Sicherung und wieder über den Stecker hin zum Verbraucher. Dabei handelt es sich meist um Sensoren. Bei der zweiten Version erfolgt die Stromversorgung vom Powerbolzen, einer M8-Schraube, die direkt mit dem Pluspol der Batterie verbunden ist. Von hier läuft der Strom über ein Relais, das über einen Ausgang der ZE geschaltet wird. Ist das Relais auf „Ein“, geht es wieder weiter über 54 Auf dem Relaisbord (RB) geht es um die Strom- und Leistungsverteilung über Sicherungen. eine Sicherung, einen Stecker und zum Verbraucher. Typisch sind hier Heizungen oder Arbeitslampen. Die Verteilung der Ströme vom Powerbolzen zu den Steckern auf der Platine war eine der großen Anforderungen beim Layout. Zur gleichen Zeit kann auf der Platine ein Strom von über 250 A fließen. In einer weiteren Version, die als Reserve vorgesehen ist, wird die Schaltung des Relais nicht von der ZE, sondern von einer externen Quelle vorgenommen. Damit können beliebige Spannungs- / Stromkombinationen realisiert werden. Insgesamt sind auf dem RB über 100 Sicherungs- und 26 Relaissockel umgesetzt worden. Die eingesetzten Sicherungen und Relais sind typische Produkte aus dem KFZ-Bereich. Die automotive-tauglichen Stecker bieten Platz für über 40 Eingänge und 125 Ausgänge. Geprüfte Funktionalität Aufgrund der langen Einsatzzeiten der Traktoren wurde spezielles Augenmerk auf die Qualität der Produkte gelegt. Dafür wurde bereits in der Entwicklungsphase auf bewährte Konzepte zurückgegriffen, die sich dann in den Umweltqualifikationen bestätigen konnten. Hinzu kommt eine 100-Prozent-Prüfung der Zentralelektriken in der hauseigenen Produktion bei STW. Für die ZE und RB wurden eigene Prüfadapter entwickelt. Diese kommen während des Produktionstests und des Burn-In im Klimaschrank zum Einsatz. Über die ebenfalls im Haus entwickelte Prüfsoftware werden alle Ein- und Ausgänge angesprochen und die Funktionen auf den Boards getestet. Die beiden Einheiten sind oberhalb des Hinterrades auf einer Montageplatte unter einer Abdeckung angebracht. Obwohl dies ein relativ trockener Platz ist, sind die Boards mit Polyurethangießharz vergossen, Bild: STW Steuerungstechnik | Energieverteilung um sie gegen Feuchtigkeit zu schützen. Die Stecker und Sicherungen sind hier leicht zugänglich, was vorteilhaft beim Anbringen des Kabelbaumes ist. Um ein einfaches Wechseln der Relais zu ermöglichen, musste der ursprünglich geplante Abstand zwischen den Relais noch auf Daumengröße angepasst werden. Da es sich um eine Niedrig-Spannungsversorgung handelt – es gibt nur 12V oder 8,5V Anschlüsse – fallen beide Einheiten unter die Schutzklasse III für elektrische Geräte. Sie sind so angeschlossen, dass auch bei Berührung von leitenden Komponenten keine Gefahr für den Menschen besteht. Damit ist neben der Diagnosefähigkeit der zweite wichtige Aspekt, die Wartungsfreundlichkeit, gewährleistet. (sc) n Agritechnica: Halle 15, Stand 15F53 Autor Hans Wiedemann ist Marketingleiter bei Sensor-Technik Wiedemann (STW). Kontakt Sensor-Technik Wiedemann GmbH Am Bärenwald 6 87600 Kaufbeuren Tel.: +49 8341 9505 - 0 Fax: +49 8341 9505 - 55 Email: [email protected] www.sensor-technik.de www.mechatronik.info Diesen Artikel finden Sie im Internet, wenn Sie im Feld ›Suche‹ die Dokumentennummer ME2120743 eingeben. © IGT Verlag, München 11 | 2015 Energieverteilung | Steuerungstechnik „Soziales Netzwerk für Agrarmaschinen“ Farming 4.0 und Perspektiven mobiler Automation MECHATRONIK: Frau Wiedemann, wie beeinflussen Industrie-4.0-Technologien die aktuelle Agrartechnik? Wiedemann: Dazu kurz vorab eine Begriffsklärung: Industrie 4.0 wird in der Agrartechnik als „Farming 4.0“ bezeichnet. Farming 4.0 verbindet die landwirtschaftlichen Einzelprozesse zum Gesamtprozess der Nahrungsmittelerzeugung. Eine Voraussetzung ist die datentechnische Verbindung der Anlagen und mobilen Maschinen. MECHATRONIK: Wie prägt Farming 4.0 das nächste Jahrzehnt? Wiedemann: Der Automatisierungsgrad in der Landwirtschaft wird weiter steigen. Viele Assistenzfunktionen werden automatisch oder auch autonom ablaufen. in der Agrartechnik bespricht Sonja Wiedemann, Geschäftsführerin STW, mit MECHATRONIK. Berechtigten sichtbar und zentral ablegen kann. Farming 4.0 schafft das soziale Netzwerk für Agrarmaschinen und -anlagen. MECHATRONIK: Wie verändert Farming 4.0 den Alltag der Nutzer? Wiedemann: Nutzer werden zu Beginn eines neuen Arbeitstages zuerst die aktuellen Daten auf ihren IT-Geräten betrachten und die durch Software unterbreiteten Vorschläge bewerten. Sie werden verstärkt mit Tablets und Monitoren arbeiten. MECHATRONIK: Das ist mit neuen Qualifikationen verbunden. Wiedemann: Ja, die allerdings mit Vorteilen verbunden sind: Software auf Ma- MECHATRONIK: Inwiefern? Wiedemann: Der Anteil an smarten Fahrzeugen, Anlagen, Maschinen und Geräten, die relevante Größen messen und an zentrale Datenbanken übermitteln können, wird kontinuierlich steigen. Sehr große Flächen lassen sich so noch effektiver bewirtschaften. MECHATRONIK: Was bedeutet das mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit? Wiedemann: Durch optimierte, ange- Nicht-gläserner MECHATRONIK-Chefredakteur passte und individuelle Bewirtschaf- Nico Schröder vor dem „gläsernen Traktor“ tung werden die Erträge gesteigert. Far- am Unternehmenssitz von STW in Kaufbeuren. ming 4.0 erweitert die Möglichkeiten des Precision Farming. Das heißt, es werden ortsbedingte Schwankungen innerschinen und an Anlagen verbessert die halb eines Feldes bei Aussaat, Düngung, Arbeitsprozesse und entlastet die Bediener. Pflanzenschutz, Bodenbearbeitung, BewäsRoutinetätigkeiten wie Wetterbeobachtung, serung und Ernte berücksichtigt. VergleichÜberwachung von Wartungsintervallen, bar ist die Veränderung mit dem AufkomOptimierung von Fahrstrecken, Materialmen der sozialen Netzwerke, mit deren Hilfe bestellung, Terminierungen, Dokumentatider einzelne Mensch seine Daten für alle on oder Maschinenbelegung werden durch 11 | 2015 Software unterstützt. Und die Bedienung der mobilen Maschinen und Anbaugeräte wird zum Teil nur indirekt, automatisiert erfolgen. Nicht mehr der Landwirt steuert und lenkt die Maschinen, stellt Düngermenge, Dreschparameter, Saatdichte oder Schnitthöhe ein – intelligente Programme, unterstützt von geeigneter Sensorik, erledigen dies dynamisch und präziser. MECHATRONIK: Was zeigt STW Agritechnica-Besuchern zu Farming 4.0? Wiedemann: Einen gläsernen Traktor, der die Realisierung Farming 4.0 auf einer landwirtschaftlichen Maschine veranschaulicht und unsere Produkte und Lösungen in den Bereichen Automatisierung, Vernetzung und Leistungselektrifizierung zeigt. MECHATRONIK: Welche Details zeigt das Exponat? Wiedemann: Wir zeigen eine Systemlösung von der Energieerzeugung bis zu Elektrifizierten Anbeugeräten. Die dazu notwendige Leistungselektrifizierung und Hybridisierung wird anhand des „gläsernen Traktors“ nicht nur theoretisch dargestellt, sondern auch demonstriert. Und wir stellen wieder unsere „freundliche Datenkrake“ aus: Die pneumatischen Arme der Krake zeigen die Vielfalt der möglichen Datenquellen. Verschiedene Sensoren liefern Werte zu Druck, Temperatur, Drehmoment, Feuchtigkeit, Neigung, Position und Geschwindigkeit. Gleichzeitig sind Bedienelemente wie Displays und Joysticks angeschlossen. Bild: MECHATRONIK Bild: STW Interview Das Interview führte Nico Schröder, Chefredakteur MECHATRONIK. 55