Ringe

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Kapitel 3
Ringe
Gruppen- und Ringstrukturen sind uns schon in den verschiedensten Zusammenhängen begegnet. In diesem Kapitel wollen wir einige wichtige Klassen von Ringen im Hinblick auf
Anwendungen in der Zahlentheorie studieren. Deshalb ist der Ring Z der ganzen Zahlen das
Standardbeispiel für die meisten der nachfolgenden Konstruktionen und Ergebnisse.
Konvention: Von jetzt ab lassen wir die Unterstreichungen bei Algebren weg, unterscheiden
also in der Notation nicht mehr zwischen der Algebra und der zugrundeliegenden Menge.
Statt „isomorph” sagen wir auch „isomorphe Kopie von” oder „gleich bis auf Isomorphie”.
Unter einem Ring verstehen wir im Folgenden immer einen kommutativen unitären Ring. Konsequenterweise bewahren Ringhomomorphismen also ab jetzt immer die Einselemente.
3.1
Abelsche Gruppen, Ringe und Moduln
Zunächst führen wir noch eine sehr nützliche Klasse von Algebren ein, nämlich die so genannten
Moduln (ohne auf die so genannte Modultheorie näher einzugehen). Damit bringen wir eine
Vielzahl von Resultaten über abelsche Gruppen, Ringe und Vektorräume unter einen Hut.
R sei stets ein (kommutativer!) Ring mit Addition r + s, Nullelement 0, negativen Elementen
−r, Multiplikation rs = r · s und Einselement 1.
3.1.1 Definition. (Moduln)
Ein Modul über R oder R-Modul ist eine Algebra (A; +, 0, −, `), bestehend aus einer abelschen
Gruppe (A; +, 0, −) und einer Familie (`r | r ∈ R) einstelliger Operationen
`r : A −→ A, a 7−→ ra := `r (a)
so dass für r, s ∈ R und a, b ∈ A die Distributivgesetze
(r + s)a = ra + sa,
r(a + b) = ra + rb
sowie das Assoziativgesetz
(rs)a = r(sa)
und das Neutralitätsgesetz
1a = a
gelten.
36
KAPITEL 3. RINGE
37
3.1.2 Beispiele. (Spezielle Klassen von Moduln)
(1) Jeder Ring R ist wegen der Distributiv- und Assoziativgesetze ein R-Modul.
(2) Jede abelsche Gruppe A ist ein Z-Modul, denn Induktion zeigt:
(m + n)a = ma + na, n(a + b) = na + nb, (mn)a = m(na) (m, n ∈ Z, a, b ∈ A).
(3) Die Vektorräume über einem Körper K sind genau die K-Moduln.
Die Untermoduln eines R-Moduls sind definitionsgemäß diejenigen Teilmengen, die gegen die
Gruppenoperationen und gegen Multiplikation mit Ringelementen abgeschlossen sind (zusammen mit den induzierten Operationen). Etwas knapper ist folgende Beschreibung:
3.1.3 Lemma. (Untermoduln)
Eine Teilmenge U eines R-Moduls A ist genau dann ein Untermodul, wenn sie nicht leer ist
und für a, b ∈ U und r ∈ R auch a − b und ra in U liegen.
Insbesondere ist eine Teilmenge U einer abelschen Gruppe A genau dann eine Untergruppe
(d.h. ein Z-Untermodul), wenn sie nicht leer ist und mit a, b ∈ U auch a − b in U liegt.
Denn in diesem Fall liegen mit a, b ∈ U auch 0 = a − a, −a = 0 − a = 0 + (−a) und schließlich
a + b = a − (−b) wieder in U .
3.1.4 Beispiele. (Spezielle Untermoduln)
(1) Die R-Untermoduln eines Ringes R sind die so genannten Ideale (siehe 3.1.8).
(2) Die Untergruppen einer abelschen Gruppe sind nichts anderes als die Z-Untermoduln.
Sowohl die Untergruppen der additiven Gruppe Z als auch die Ideale des Ringes Z sind genau
die Teilmengen nZ = {nz | z ∈ Z} mit den induzierten Operationen (siehe 3.1.12).
(3) Die Unterräume eines Vektorraumes sind genau seine Untermoduln.
Moduln haben die äußerst vorteilhafte Eigenschaft, dass ihre Untermoduln bijektiv den Kongruenzen entsprechen. Beim Beweis des einschlägigen Isomorphiesatzes wie auch diverser weiterer algebraischer Isomorphiebeziehungen erweist sich die folgende Charakterisierung von allgemeinen Isomorphismen zwischen (Halb-)Verbänden als sehr nützlich:
3.1.5 Lemma. (Ordnungsisomorphismen)
Für Halbverbände (A; t) und (B; t) und eine bijektive Abbildung F : A −→ B sind äquivalent:
(a) F ist ein Isomorphismus zwischen (A; t) und (B; t).
(b) F ist ein Ordnungsisomorphismus, d.h. a v c ⇔ F (a) v F (c) (wobei a v c ⇔ a t c = c).
Sind (A; t, u) und (B; t, u) sogar Verbände, so sind diese Bedingungen auch äquivalent zu:
(c) F ist ein Isomorphismus zwischen (A; t, u) und (B; t, u).
Beweis. (a) ⇒ (b) : a v c ⇔ a t c = c ⇔ F (a) t F (c) = F (c) ⇔ F (a) v F (c).
(b) ⇒ (a) : a t b = c ⇔ ∀ x ∈ B (x v x und b v x ⇔ c v x)
⇔ ∀ x ∈ B (F (a) v F (x) und F (b) v F (x) ⇔ F (c) v F (x)) (F surjektiv!)
⇔ F (a) t F (b) = F (c).
Aus (a) ⇔ (b) und der entsprechenden dualen Aussage für u ergibt sich nun sofort (a) ⇔ (c) .
KAPITEL 3. RINGE
38
3.1.6 Satz. (Untermoduln, Kerne und Kongruenzen)
(1) Indem man jedem Untermodul U eines Moduls A die Relation
≡U := {(a, c) ∈ A2 | a−c ∈ U }
zuordnet, erhält man einen Isomorphismus zwischen dem Verband Sub A der Untermoduln von
A und dem Verband Con A der Kongruenzen auf A.
Der inverse Isomorphismus ordnet jeder Kongruenz Ξ die Nullklasse Ξ 0 = {a ∈ A | a Ξ 0} zu.
(2) Die Untermoduln eines Moduls A sind genau die Kerne von Modulhomomorphismen F :
A −→ B. Unter dem Isomorphismus aus (1) entspricht der Kern von F der Kernkongruenz ∼F .
(3) Die homomorphen Bilder von A sind genau die isomorphen Kopien der „Faktormoduln”
A/U := A/≡U mit U ∈ Sub A.
Die Elemente von A/U sind die „Restklassen” a + U (a ∈ A); Addition, Subtraktion und
Multiplikation geschieht „repräsentantenweise”:
(a + U ) + (c + U ) = (a + c) + U, −(a + U ) = (−a) + U, r(a + U ) = ra + U.
Beweis: Zu (1): Die Relation ≡U ist reflexiv wegen a − a = 0 ∈ U , symmetrisch wegen der
Implikation a − b ∈ U ⇒ b − a = −(a − b) ∈ U , und auch transitiv wegen der Implikation
a−b ∈ U, b−c ∈ U ⇒ a−c = (a−b) + (b−c) ∈ U . Weiter ist ≡U verträglich mit +, da aus
a ≡U c und b ≡U d, d.h. a − c ∈ U und b − d ∈ U stets (a+b) − (c+d) = (a−c) + (b−d) ∈ U , also
a+b ≡U c+d folgt. Analog sieht man −a ≡U −c und ra ≡U rc für r ∈ R. Insgesamt erweist
sich ≡U als Kongruenz, und den Untermodul U erhält man zurück durch
U = { a ∈ A | a − 0 ∈ U } = ≡U 0.
Für jede Kongruenz Ξ ∈ Con A ist die Menge Ξ0 nichtleer (0 ∈ Ξ0), abgeschlossen gegen Subtraktion (a Ξ 0, b Ξ 0 ⇒ a−b Ξ 0 −0 = 0) und Multiplikation mit r ∈ R (a Ξ 0 ⇒ ra Ξ r0 = 0
⇒ ra ∈ Ξ0), und Ξ stimmt mit ≡Ξ0 überein: a ≡Ξ0 c ⇔ a−c ∈ Ξ0 ⇔ a = (a−c)+c Ξ 0+c = c.
Wegen a ≡U c und a ≡V c ⇔ a−c ∈ U ∩ V ⇔ a ≡U ∩V c ist der Durchschnitt ≡U ∩ ≡V gleich
der Kongruenz ≡U ∩V , d.h. die Bijektion
F : Sub A −→ Con A, U 7−→ ≡U
ist ein ∩-Homomorphismus und sogar ein Verbandsisomorphismus (3.1.5).
Zu (2): Da {0} ein Untermodul von B ist, wissen wir aus Satz 2.5.6 (2) und der anschließenden
Folgerung, dass der Kern F − (0) ein Untermodul von A ist.
Umgekehrt ist jeder Untermodul U der Kern des kanonischen Epimorphismus
FU = F≡U : A −→ A/U := A/≡U , a 7−→ ≡U a = a + U,
da U = 0 + U das Nullelement von A/U ist und F − (U ) = {a ∈ A | a + U = U } = U gilt.
Schließlich stimmt die Kernkongruenz ∼F mit der zum Kern U = F − (0) gehörigen Kongruenz
≡U überein:
a ≡U c ⇔ a−c ∈ U = F − (0) ⇔ F (a) − F (c) = F (a − c) = 0 ⇔ F (a) = F (c) ⇔ a ∼F c.
(3) ist eine unmittelbare Konsequenz aus dem Homomorphiesatz. Die Kongruenzklassen von
≡U haben die Form ≡U a = {c ∈ A | a − c ∈ U } = a + U , und es ist
(a + U ) + (c + U ) = ≡U a + ≡U c = ≡U (a + c) = (a + c) + U etc.
KAPITEL 3. RINGE
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3.1.7 Folgerungen. (Untermoduln, Untergruppen, Unterräume)
(1) Die Untermoduln eines Moduls A sind genau die Kerne von Modulhomomorphismen
F : A −→ B; sie entsprechen bijektiv den Kongruenzen auf A. Die homomorphen Bilder von A
sind bis auf Isomorphie die „Faktormoduln” A/U für U ∈ Sub A.
(2) Die Homomorphismen zwischen abelschen Gruppen stimmen mit den Modulhomomorphismen zwischen den entsprechenden Z-Moduln überein (siehe Beispiel 3.1.2 (2)).
Die Untergruppen einer abelschen Gruppe A sind genau die Kerne von Gruppenhomomorphismen F : A −→ B; sie entsprechen bjektiv den Kongruenzen auf A. Die homomorphen Bilder
von A sind bis auf Isomorphie die „Faktorgruppen” A/U für U ∈ Sub A.
(3) Die Unterräume eines Vektorraumes A sind genau die Kerne von linearen Abbildungen,
d.h. Vektorraumhomomorphismen F : A −→ B; sie entsprechen bijektiv den Kongruenzen
auf A. Die homomorphen Bilder von A sind bis auf Isomorphie die „Faktorräume” A/U für
U ∈ Sub A.
Die Kerne von Ringhomomorphismen lassen sich mit Hilfe von Satz 3.1.6 nicht vollständig
beschreiben, da es dort um Modulhomomorphismen geht. Wir brauchen noch das mit Untermoduln eng verwandte Konzept der Ideale. Es spielt auch in der Zahlentheorie eine zentrale
Rolle.
3.1.8 Definition. (Ideale)
Ein Ideal eines Ringes R ist eine nichtleere Teilmenge U mit a − b ∈ U und ra ∈ U für alle
a, b ∈ U und r ∈ R.
3.1.9 Satz. (Charakterisierung der Ideale)
Für eine Teilmenge U eines Ringes R sind äquivalent:
(a) U ist ein Ideal von R.
(b) U ist ein Unterring von R mit ra ∈ U für a ∈ U , r ∈ R.
(c) U ist ein Untermodul von R.
(d) U ist Kern eines Ringhomomorphismus F : R −→ S.
(e) U ist die Nullklasse Ξ 0 einer (eindeutigen) Kongruenz Ξ ∈ Con R.
Beweis: Wie im Falle von Untermoduln erhält man die Äquivalenz von (a) , (b) und (c) .
(c) ⇒ (e) : Definiert man a ≡U b wieder durch a − b ∈ U , so ist ≡U nach Satz 3.1.6 die einzige
Kongruenz Ξ des R-Moduls R mit Ξ0 = U . Um sie als Ringkongruenz zu qualifizieren, muss
man noch die Verträglichkeit mit der Multiplikation sicherstellen:
a ≡U c, b ≡U d ⇒ a−c ∈ U, b−d ∈ U ⇒ ab − cd = a(b−d) + (a−c)d ∈ U ⇒ ac ≡U bd.
(e) ⇒ (d) : Der kanonische Epimorphismus FΞ hat die Kernkongruenz ∼F = Ξ; also ist
U = Ξ0 = {a ∈ R | Ξa = Ξ0} = {a ∈ R | FΞ (a) = Ξ0} = F − (Ξ0) der Kern von FΞ .
(d) ⇒ (a) : Ist F : R −→ S ein Ringhomomorphismus mit U = F − (0), so liegt 0 in U , aus
a, b ∈ U folgt F (a−b) = F (a) − F (b) = 0−0 = 0, also a − b ∈ F − (0), und F (ra) = F (r)F (a) =
F (r)0 = 0, also ra ∈ F − (0) und ebenso ar ∈ U .
Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich nun unmittelbar:
KAPITEL 3. RINGE
40
3.1.10 Satz. (Idealverband und Homomorphiesatz für Ringe)
Die Ideale eines Ringes R bilden ein Hüllensystem und damit einen Verband, der zum Kongruenzverband Con R isomorph ist. Die homomorphen Bilder von R sind bis auf Isomorphie
die „Faktorringe” R/U = R/≡U zu Idealen U von R.
Wie sehen die von Teilmengen erzeugten Untermoduln aus? Wie im Falle der Darstellung von
linearen Hüllen in einem Vektorraum mit Hilfe von Linearkombinationen verifiziert man:
3.1.11 Lemma. (Erzeugte Untermoduln, Untergruppen und Ideale)
(1) Für eine Teilmenge X eines R-Moduls A besteht der erzeugte Untermodul hXi aus allen
Linearkombinationen r1 x1 + ... + rn xn mit Koeffizienten rj ∈ R ∪ Z.
(2) Für jede Teilmenge X einer abelschen Gruppe A besteht die von X erzeugte Untergruppe
aus allen Linearkombinationen r1 x1 + ... + rn xn mit Koeffizienten rj ∈ Z.
(3) Für jede Teilmenge X eines kommutativen Ringes A mit Eins besteht das von X erzeugte
Ideal aus allen Linearkombinationen r1 x1 + ... + rn xn mit Koeffizienten rj ∈ R.
Besonders übersichtlich gestaltet sich die Situation im Falle des Ringes Z:
3.1.12 Satz. (Unterstrukturen des Ringes der ganzen Zahlen)
Für eine Teilmenge U von Z sind folgende Eigenschaften äquivalent:
(a) Es gibt ein (eindeutiges) m ∈ N0 mit U = mZ = {mz | z ∈ Z}.
(b) U ist ein Ideal (d.h. ein Z-Untermodul) von Z.
(c) U ist ein Unterring von Z.
(d) U ist eine additive Untergruppe von Z.
(e) ≡U ist die Modulkongruenz ≡m für ein (eindeutiges) m ∈ N0 .
Die einzigen Kongruenzen auf Z sind also die Modulkongruenzen ≡m , und diese entsprechen
bijektiv den Untermoduln von Z.
Die Zuordnung m 7−→ mZ liefert einen Isomorphismus zwischen dem dualen Teilerverband
(N0 , ggT, kgV) und dem Untergruppenverband (Sub Z, +, ∩).
Entsprechend liefert die Zuordnung m 7−→ ≡m einen Isomorphismus zwischen (N0 , ggT, kgV)
und dem Kongruenzverband (Con Z, t, ∩).
Beweis: Die Implikationen (a) ⇒ (b) ⇒ (c) ⇒ (d) sind offensichtlich.
Zum Beweis von (d) ⇒ (a) dürfen wir U 6= {0} = 0Z annehmen, und wegen 0 = a − a ∈ U
sowie −a = 0 − a ∈ U für jedes a ∈ U existiert das Minimum m der Menge U ∩ N. Für
a
beliebiges a ∈ U liefert Division mit Rest ein q = b m
c ∈ Z und r ∈ N0 mit a = mq + r und
r < m. Induktiv bekommt man r = a − qm ∈ U . Die Minimalität von m erzwingt r = 0, d.h.
a = mq ∈ mZ. Umgekehrt folgt aus m ∈ U induktiv mZ ⊆ U , insgesamt also U = mZ.
Die Äquivalenz von (a) und (e) ergibt sich unmittelbar aus Satz 3.1.6.
Um zu sehen, dass die Bijektion m 7−→ mZ ein Isomorphismus zwischen (N0 , ggT, kgV) und
Sub Z ist, muss man nur die Äquivalenz m|n ⇔ nZ ⊆ mZ heranziehen (3.1.5). Analog verfährt
man mit der Bijektion m 7−→ ≡m zwischen (N0 , ggT, kgV) und Con Z.
KAPITEL 3. RINGE
41
3.1.13 Folgerung. (Lemma von Bézout)
Der größte gemeinsame Teiler d von ganzen Zahlen a1 , ..., ak lässt sich als Linearkombination
d = r1 a1 +...+rk ak mit ganzzahligen Koeffizienten r1 , ..., rk darstellen. Insbesondere sind ganze
Zahlen a und b genau dann teilerfremd, wenn es r, s ∈ Z mit ra + sb = 1 gibt.
Der von a1 , ..., ak erzeugte Untermodul besteht nämlich aus all diesen Linearkombinationen
und ist andererseits von der Form mZ. Da alle aj Vielfache von d sind, gilt das auch für alle
ganzzahligen Linearkombinationen, insbesondere für m. Andererseits ist m ein Teiler aller aj
und damit von d. Folglich ist d = m eine ganzzahlige Linearkombination der aj .
3.1.14 Satz und Definition. (Restklassenringe)
Für a, n ∈ Z mit n > 0 sei Mn (a) der Rest bei Division von a durch n, d.h.
Mn (a) = a − nb na c.
Auf der Menge Zn = {k ∈ N0 | k < n} = {0, ..., n − 1} definieren wir Addition, Subtraktion
und Multiplikation modulo n durch
a +n b := Mn (a + b), a −n b := Mn (a − b), a ·n b := Mn (ab).
Damit wird Zn zu einem kommutativen Ring mit Nullelement 0 und Einselement 1.
Die Abbildung Mn : Z −→ Zn ist ein Ringhomomorphismus mit Kern nZ. Nach dem Homofn . Der umgekehrte Isomorphismus bildet
morphiesatz ist also Z/nZ isomorph zu Zn vermöge M
m ∈ Zn auf die Restklasse m + nZ ab.
Aufgrund dieser Isomorphie „identifiziert” man häufig Zn mit Z/nZ oder benutzt zumindest
die Notation Zn für Z/nZ . Für n = 0 setzt man Zn := Z. In Analogie zu Satz 3.1.12 gilt:
3.1.15 Satz. (Unterstrukturen der Restklassenringe)
Für n ∈ N und eine Teilmenge U von Zn sind folgende Eigenschaften äquivalent:
(a) Es gibt einen (eindeutigen) Teiler m von n mit U = mZn = {mz | z ∈ Zn }.
(b) U ist ein Ideal (d.h. ein Z-Untermodul) von Zn .
(c) U ist ein Unterring von Zn .
(d) U ist eine additive Untergruppe von Zn .
Die Kongruenzen auf Zn entsprechen bijektiv den Kernen, d.h. den Unterringen von Zn .
Die Zuordnung m −
7 → mZn liefert einen Isomorphismus zwischen dem dualen Verband
(Tn , ggT, kgV) aller Teiler von n und dem Untergruppenverband (Sub Zn , +, ∩).
c1
@
2 c
c5 @ c3
@ @ @
c
c @c @c @c
4 @ 10@ 6 @ 15@ 9
c @c @c @c @c
20@ 12@ 30@ 18 45
@c @c @c
60@ 36
90
T180
@c
180
c Z180
@
c
c @c
@ @ @
c
c @c @c @c
'
@ @ @ @
c @c @c @c @c
@ @ @
@c @c @c
Sub Z180 @@
c
180 Z180
c ≡1
@
c
c @c
@ @ @
c
c @c @c @c
'
@ @ @ @
c @c @c @c @c
@ @ @
@c @c @c
Con Z180 @@
c
≡180
KAPITEL 3. RINGE
3.2
42
Isomorphiesätze
Wir konkretisieren in diesem Abschnitt den Homomorphiesatz und die Isomorphiesätze aus
Kapitel 2 für den Fall von Moduln und Ringen. Diese Isomorphiesätze haben nicht nur in der
Algebra, sondern auch (angewandt auf den Ring der ganzen Zahlen und seine Restklassenringe)
in der Zahlentheorie viele interessante und nützliche Konsequenzen.
Wir hatten Ringe als Moduln über sich selbst interpretiert. Bei Endomorphismen eines Ringes
muss man aber sorgfältig zwischen Ring- und Modulhomomorphismen unterscheiden.
3.2.1 Beispiele. (Modul- und Ringendomorphismen)
(1) Für jedes n ∈ Z ist die Linksmultiplikation `n : Z −→ Z, x 7→ nx ein Gruppenendomorphismus (d.h. ein Z-Modulendomorphismus); aber nur für n = 0 und n = 1 ist sie ein
Ringendomorphismus. Dies sind sogar die einzigen Ringendomorphismen von Z! (Warum?)
Für n ∈ N ist die Restriktion `n : Z −→ nZ aber sogar ein Ringisomorphismus.
(2) Es sei K ein Körper der Charakteristik p, d.h. p ∈ N sei minimal mit pa = a + ... + a = 0
für alle a ∈ K. Dann ist p eine Primzahl. Die Abbildung F : K −→ K, a 7→ ap ist ein Ringendomorphismus, der so genannte Frobenius-Homomorphismus. Denn die Binomialformel liefert
p
(a + b) =
p
X
!
p k p−k
a b
= ap + bp ,
k
k=0
p(p−1)...(p−k+1)
=
für
k!
p
p
Gleichung (ab) = a bp
p
k
da
alle k = 1, ..., p−1 durch p teilbar, also kp ak bp−k in K gleich 0 ist.
Die
ist offensichtlich ebenfalls erfüllt. F ist injektiv, da nur 0 im Kern
liegt, und folglich ist F für endliche Körper K sogar ein Automorphismus. Hingegen ist F
kein K-Modul-Endomorphismus, falls K mehr als p Elemente hat; denn F (ab) = a F (b), d.h.
(ab)p = a bp bedeutet für b 6= 0 das Gleiche wie ap = a, und diese Polynomgleichung hat in
Körpern höchstens p Lösungen. Für p-elementige Körper K (z.B. K = Zp ) ist F allerdings,
wie wir in 3.3.5 sehen werden, die Identität auf K (Kleinen Satz von Fermat).
Bei Kongruenzen auf Ringen ist die obige Unterscheidung erstaunlicherweise nicht nötig:
3.2.2 Lemma. (Kongruenzen auf Ringen)
Für eine Äquivalenzrelation ≡ auf einem Ring sind gleichwertige Eigenschaften:
(a) ≡ ist eine Ringkongruenz, d.h. a ≡ c, b ≡ d ⇒ a+b ≡ c+d, −a ≡ −c, ab ≡ cd.
(b) ≡ ist eine Modulkongruenz, d.h. a ≡ c, b ≡ d ⇒ a+b ≡ c+d, −a ≡ −c, ab ≡ ad.
(c) ≡ ist verträglich mit Translationen und Dilationen, d.h. b ≡ d ⇒ a+b ≡ a+d, ab ≡ ad.
Die Implikationen (a) ⇒ (b) ⇒ (c) sind klar. Zu (c) ⇒ (a) schließt man für ∗ ∈ {+, ·}:
a ≡ c, b ≡ d ⇒ a ∗ b ≡ a ∗ d = d ∗ a ≡ d ∗ c = c ∗ d.
3.2.3 Satz. (Homomorphiesatz)
Eine surjektive Abbildung F : A −→ B ist genau dann ein Homomorphismus zwischen
(1) (Links-)Moduln (2) Abelschen Gruppen (3) Vektorräumen
(4) Ringen,
wenn (genau) ein Isomorphismus Fe : A/U −→ B mit Fe (a + U ) = F (a) existiert, wobei U
(1) ein Untermodul (2) eine Untergruppe
von A ist, und zwar der Kern von F .
(3) ein Unterraum (4) ein Ideal
KAPITEL 3. RINGE
43
Beweis. Gibt es einen Isomorphismus Fe mit Fe (a + U ) = F (a), so ist F als Kompositum zweier
Homomorphismen wieder ein solcher. Umgekehrt wird für jeden Epimorphismus F : A −→ B
und seinen Kern U durch Fe (a + U ) = F (a) ein Isomorphismus Fe : A/U −→ B definiert, da im
Falle von Moduln (insbesondere von abelschen Gruppen und Vektorräumen) gilt:
a + U = c + U ⇔ a − c ∈ U ⇔ F (a) − F (c) = F (a − c) = 0 ⇔ F (a) = F (c),
Fe ((a + U ) + (b + U )) = Fe ((a + b) + U ) = F (a + b) = F (a) + F (b) = Fe (a + U ) + Fe (b + U ),
Fe (r(a + U )) = Fe (ra + U ) = F (ra) = rF (a) = rFe (a + U ).
Im Falle von Ringen haben wir außerdem
Fe ((a + U )(b + U )) = Fe (ab + U ) = F (ab) = F (a)F (b) = Fe (a + U )Fe (b + U ).
Dieser Homomorphiesatz folgt auch aus dem Homomorphiesatz für allgemeine Algebren, wenn
man die Sätze 3.1.6 und 3.1.10 berücksichtigt. Wir notieren einen wichtigen Spezialfall:
3.2.4 Folgerung. (Einsetz-Homomorphismen und Faktormoduln)
Gegeben sei ein Ring R und ein R-Modul A (also z.B. der Ring R = Z und eine abelsche
Gruppe A, aufgefasst als Z-Modul, oder ein Körper R = K und ein K-Vektorraum A).
Für ein festes Element a ∈ A definiert man die Abbildung Ea : R −→ A, r 7−→ ra und den
Annullator
U := Ann(a) := {r ∈ R | ra = 0}.
Dann ist Ea ein Homomorphismus mit Kern U und Bild hai = Ra ' A/U .
Im Falle eines kommutativen Ringes R ist Ann(a) ein Ideal von R.
3.2.5 Definition. (Zyklische Moduln und Gruppen, Hauptideale)
Moduln bzw. Gruppen heißen zyklisch, wenn sie von einem Element erzeugt werden. Ein von
einem Element erzeugtes Ideal nennt man Hauptideal.
Wegen des Distributiv- bzw. Potenzgesetzes
ma + na = (m + n)a = (n + m)a = na + ma (in additiv geschriebenen Gruppen)
am an = am+n = an+m = an am (in multiplikativ geschriebenen Gruppen)
ist jede zyklische Gruppe kommutativ (abelsch). In Verallgemeinerung von Satz 3.1.15 gilt:
3.2.6 Folgerung. (Charakterisierung zyklischer Gruppen)
Die zyklischen Gruppen sind die isomorphen Kopien der Restklassengruppen Z/nZ für n ∈ N0 .
Es gibt also bis auf Isomorphie zu jedem n ∈ N genau eine zyklische Gruppe mit n Elementen,
nämlich Zn ' Z/nZ , und nur eine unendliche zyklische Gruppe, nämlich Z0 = Z.
Für jede additiv geschriebene zyklische Gruppe A ' Zn ist die Abbildung m 7→ mA ein Isomorphismus zwischen dem dualen Teilerverband (Tn , ggT, kgV) und dem Untergruppenverband
(Sub A, +, ∩).
3.2.7 Beispiel. (Restklassenringe als Quotienten von Idealen)
Ist m ein Teiler der natürlichen Zahl n, so gilt
n ' Z/ n
Zm
Z ' mZ/nZ .
m
Denn die Abbildung F : Z −→ mZ/nZ , a 7−→ ma + nZ ist ein Epimorphismus mit Kern
n
m Z.
KAPITEL 3. RINGE
44
3.2.8 Satz. (Erster Isomorphiesatz für Moduln und Ringe)
Es seien U und W alternativ
(1) Untermoduln eines Moduls A
(2) Untergruppen einer abelschen Gruppe A
(3) Unterräume eines Vektorraums A
(4) Ideale eines Ringes A.
Dann ist die Abbildung a+U ∩W 7→ a+U ein Isomorphismus zwischen U/U ∩W und U +W /W .
U +W
d
@
@
@ dW
U d
@
@
@d
U ∩W
Dies folgt unmittelbar aus dem Homomorphiesatz, da F : U −→ U +W/W , u 7−→ u+W ein
Epimorphismus mit Kern U ∩W ist.
3.2.9 Beispiel. (Isomorphe Restklassenringe)
Für Ideale U = mZ und W = nZ des Ringes Z gilt
U +W = ggT(m, n)Z = (m u n)Z und U ∩W = kgV(m, n)Z = (m t n)Z
(siehe Satz 3.1.12); also nach dem ersten Isomorphiesatz und Beispiel 3.2.7:
n
Z mun
' (m u n)Z/nZ ' mZ/(mtn)Z ' Z mtn .
m
Insbesondere erhalten wir durch Vergleich der Elementezahlen die Formel
m · n = ggT(m, n) · kgV(m, n).
3.2.10 Satz. (Zweiter Isomorphiesatz für Moduln und Ringe)
Es seien U und W alternativ
(1) Untermoduln eines Moduls A
(2) Untergruppen einer abelschen Gruppe A
(3) Unterräume eines Vektorraums A
(4) Ideale eines Ringes A
mit U ⊆ W . Dann gilt die Kürzungsregel (A/U )/(W/U ) ' A/W .
Diesen Satz leitet man aus dem Homomorphiesatz ab, indem man ausnutzt, dass die folgende
Abbildung ein Epimorphismus mit Kern W/U ist:
F : A/U −→ A/W, a + U 7−→ a + W.
(Es handelt sich natürlich um einen Spezialfall des zweiten Isomorphiesatzes für allgemeine
Algebren.)
KAPITEL 3. RINGE
45
3.2.11 Beispiel. (Weitere Isomorphismen für Restklassenringe)
Für Ideale U = mZ und W = nZ des Ringes Z mit m|n gilt nZ ⊆ mZ und
Zn /mZn ' Zn /(mZ/nZ ) ' Zm .
Ist außerdem k ein Teiler von m, so hat man die Kürzungsregel
(kZ/nZ )/(mZ/nZ ) ' kZ/mZ .
3.2.12 Satz. (Dritter Isomorphiesatz für Moduln und Ringe)
Sub A sei alternativ der Verband der
(1) Untermoduln eines Moduls A
(2) Untergruppen einer abelschen Gruppe A
(3) Unterräume eines Vektorraums A
(4) Ideale eines Ringes A, aufgefasst als Links- und Rechts-Modul über A.
Weiter sei U ∈ Sub A und Sub U A := {W ∈ Sub A | U ⊆ W }.
Dann liefert die Zuordnung W 7→ W/U einen Isomorphismus zwischen den Verbänden
Sub U A und Sub(A/U ).
Der Kongruenzverband eines Faktormoduls oder Faktorrings ist also stets isomorph zu einem
Unterverband des ursprünglichen Kongruenzverbandes.
Da die Abbildung F : Sub U A −→ Sub(A/U ), W 7→ W/U die Äquivalenz V ⊆ W ⇔ V /U ⊆ W/U
erfüllt, ist nur die Surjektivität nachzuweisen (benutze 3.1.5). Für ein beliebiges Element V von
Sub A/U zeigt eine einfache Überprüfung, dass W = { a ∈ A | a + U ∈ V } zu Sub A gehört, U
umfasst und das Bild F (W ) = V hat.
3.2.13 Beispiel. (Alle Ideale eines Restklassenrings)
Die Ideale eines Restklassenrings Zn ' Z/nZ entsprechen nach dem dritten Isomorphiesatz
bijektiv den Idealen von Z, die das Ideal nZ umfassen. Dies sind aber nach Satz 3.1.12 genau
die Ideale mZ, wobei m die Teiler von n durchläuft. Damit erhalten wir Isomorphismen
(Tn , ggT, kgV) ' ({mZ | m ∈ Tn }, +, ∩) ' (Sub Zn , +, ∩)
(vgl. 3.1.15).
Beachten Sie, dass im Falle eines Ringes A im dritten Isomorphiesatz mit Sub A nicht die
Gesamtheit aller Unterringe, sondern die der Ideale gemeint ist. Im Falle von Z ist zwar jeder
Unterring schon ein Ideal, aber in beliebigen Ringen trifft diese Übereinstimmung nur selten
zu. Zum Beispiel kann kein echter (unitärer) Unterring eines Ringes ein Ideal sein. (Denn?)
Wir beschließen diesen Abschnitt mit einer weiteren Anwendung des Homomorphiesatzes.
3.2.14 Satz. (Produkte von Faktorringen)
Es seien U1 , ..., Uk Ideale eines kommutativen Ringes R mit Eins, U = U1 ∩ ... ∩ Uk ihr Durchschnitt, und es gelte Ui + Uj = R für i 6= j (i, j ∈ k). Dann ist die Abbildung
Fe : R/U −→
k
Y
R/Ui , a + U 7−→ (a + Ui | i ∈ k)
i=1
ein Ringisomorphismus.
KAPITEL 3. RINGE
46
Beweis: Die Abbildung
F : R −→
k
Y
R/Ui , a 7−→ (a + Ui | i ∈ k)
i=1
ist ein Homomorphismus, da jedes Fi : R −→ R/Ui , a 7−→ a + Ui einer ist. Der Kern von F
besteht aus den Elementen a mit a + Ui = 0 + Ui , d.h. a ∈ Ui für alle i ∈ k, ist also gleich U .
Um den Homomorphiesatz anwenden zu können, müssen wir noch die Surjektivität von F
sicherstellen, und nur hier brauchen wir die Voraussetzung Ui + Uj = R (i 6= j). Wir halten
einen Index j fest und finden zu i 6= j Elemente ui ∈ Ui und vi ∈ Uj mit ui + vi = 1. Das
Q
Produkt aj := i∈k\{j} ui liegt in jedem der Ideale Ui (i 6= j); es folgt ui ≡Ui 0 für i 6= j,
aber wegen 1 − ui = vi ∈ Uj gilt ui ≡Uj 1 für alle i 6= j und folglich aj ≡Uj 1. Damit ist
F (aj ) = ej := (δij + Ui | i ∈ k) (mit δjj = 1 und δij = 0 sonst).
Q
Für ein beliebiges (r1 + U1 , ..., rk + Uk ) ∈ ki=1 R/Ui finden wir nun ein Urbild r1 a1 + ... + rk ak ;
denn die Homomorphie-Eigenschaft liefert ja
F (r1 a1 + ... + rk ak ) = r1 F (a1 ) + ... + rk F (ak ) = r1 e1 + ... + rk ek = (r1 + U1 , ..., rk + Uk ).
Die klassische Folgerung aus diesem algebraischen Satz ist einer der ältesten und berühmtesten
Sätze der Zahlentheorie, der seit nahezu zwei Jahrtausenden bekannte Chinesische Restsatz:
3.2.15 Folgerung. (Chinesischer Restsatz: Simultane Lösung von Kongruenzen)
Sind m1 , ..., mk ∈ Z paarweise teilerfremde Zahlen, so gibt es zu jedem Tupel (r1 , ..., rk ) ∈ Zk
eine modulo n = m1 · ... · mk eindeutige ganzzahlige Lösung des Kongruenzsystems
x ≡ ri mod mi für alle i ∈ k.
Für jede natürliche Zahl n und ihre Primfaktorzerlegung n =
Zn '
Qk
i=1 Zpei i ,
ei
i=1 pi
Qk
gilt:
insbesondere Zmn ∼ Zm × Zn für teilerfremde Zahlen m, n.
Die Lösung des Kongruenzsystems findet man, indem man die jeweils zu mi teilerfremden
Zahlen ni = mni betrachtet und nach Bézout existierende Lösungen der Gleichungen
mi ui + ni vi = 1
bestimmt (z.B. mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus). Die Zahlen
ej := nj vj (j ∈ k) erfüllen dann ej ≡ 1 mod mj und ej ≡ 0 mod mi für i 6= j.
Die gesuchte Lösung bastelt man als Linearkombination r1 e1 + ... + rk ek zusammen.
3.2.16 Beispiel. (Aus dem Arithmetischen Handbuch von Meister Sun, ca. 3. Jhd.)
Lim, Sin und Tan kaufen Enten zu gleichen Preisen. Lim bezahlt mit 3-, Sin mit 5- und Tan
mit 7-Drachmenmünzen. Lim bekommt eine, Sin zwei und Tan fünf Drachmen zurück. Was
kosten die Enten (mindestens)?
Zu lösen ist das Kongruenzsystem x ≡ 2 mod 3, x ≡ 3 mod 5, x ≡ 2 mod 7.
Wegen 2 · (5 · 7) = 70 ≡ 1 mod 3, 1 · (3 · 7) = 21 ≡ 1 mod 5, 1 · (3 · 5) = 15 ≡ 1 mod 7
ist 2 · 70 + 3 · 21 + 2 · 15 = 233 eine simultane Lösung des Kongruenzsystems. Die kleinste
positive Lösung modulo 3 · 5 · 7 = 105 ist 233 − 2 · 105 = 23.
Die Enten kosten demnach (mindestens) 23 Drachmen.
Lim bezahlt mit 8 · 3 = 23 + 1, Sin mit 5 · 5 = 23 + 2 und Tan mit 4 · 7 = 23 + 5 Drachmen.
KAPITEL 3. RINGE
3.3
47
Polynome
Die klassische Aufgabe der Lösung von Polynomgleichungen hat die moderne Algebra ausgelöst.
In diesem Abschnitt präzisieren wir, was man unter einem Polynom versteht, und stellen einige
Eigenschaften der Polynomringe zusammen. Dies sind spezielle Algebren über einem Ring R,
den wir wie zuvor stets als kommutativ mit Einselement 1 voraussetzen. Das Nullelement des
Ringes wird mit 0 bezeichnet, und wir setzen R∗ = R \ {0}. Im weiteren Verlauf werden wir
viele Gemeinsamkeiten zwischen Polynomringen und dem Ring der ganzen Zahlen erkennen.
3.3.1 Definition. (Algebren über einem Ring)
Eine R-Algebra A ist zugleich ein Ring und ein R-Modul, so dass die Gleichungen
r(ab) = (ra)b = a(rb) und
1a = a
für alle r ∈ R und a, b ∈ A erfüllt sind. A hat ein Einselement 1A = a0 .
3.3.2 Lemma. (Von einem Element erzeugte R-Algebren)
Für a ∈ A besteht die von a erzeugte R-Unteralgebra R[a] aus allen Elementen der Form
f (a) :=
n
X
fj aj mit fj ∈ R.
j=0
R[a] ist zugleich der von Ra0 ∪ {a} erzeugte Unterring.
3.3.3 Definition. (Polynome)
Für ein Element x einer R-Algebra nennt man R[x] einen Polynomring oder eine Polynomalgebra über R “in der Variablen” x, falls jedes Element von R[x] sich eindeutig in der Form
f (x) :=
n
X
fj xj
j=0
mit fj ∈ R und fn 6= 0 im Falle n > 0 darstellen lässt. Die Elemente von R[x] nennt man Polynome in x. Das Element fn heißt Leitkoeffizient und n der Grad (degree) von f (x), bezeichnet
mit deg(f ). Für das Nullpolynom setzt man den Grad als −∞ fest. Ein Polynom f (x) mit
Leitkoeffizient fn = 1 heißt normiert. Jedes Polynom ist eine Summe von Monomen fj xj .
3.3.4 Lemma. (Polynomringe)
R[x] ist genau dann ein Polynomring, wenn es keine nicht-triviale Linearkombination der
Pn
Potenzen von x mit Koeffizienten in R gibt, d.h. aus j=0
fj xj = 0 stets f0 = ... = fn = 0 folgt.
Im Falle eines Körpers R = K ist R[x] also genau dann ein Polynomring, wenn R[x] als
K-Vektorraum nicht endlich-dimensional ist, bzw. die Potenzen von x linear unabhängig sind.
Vermöge der Einbettung r 7→ r x0 wird R zum Unterring der „konstanten Polynome” von R[x].
Es ist in der Algebra wichtig, zwischen Polynomen und Polynomfunktionen zu unterscheiden.
Während ein Polynom der Form f (x) = xq − x nicht das Nullpolynom ist, erweist sich für endliche Körper K mit q Elementen die entsprechende Polynomfunktion fK : K → K, a 7→ aq − a
als die Nullfunktion! Da die Multiplikation mit a ∈ K ∗ eine Permutation von K ∗ liefert, gilt
aq
Q
b∈K ∗ b
=a
Q
b∈K ∗ (ab)
=a
Q
b∈K ∗ b ,
also wegen
Q
b∈K ∗ b
6= 0 : aq = a.
Angewandt auf den Restklassenkörper Zp für Primzahlen p ergibt diese Überlegung:
KAPITEL 3. RINGE
48
3.3.5 Satz. (Kleiner Satz von Fermat)
Für jede Primzahl p und jede ganze Zahl a gilt:
ap ≡ a mod p , sowie ap−1 ≡ 1 mod p , falls p kein Teiler von a ist.
Wir haben noch nicht geklärt, ob es überhaupt Polynomringe gibt. Das holen wir jetzt nach:
3.3.6 Satz. (Existenz von Polynomringen)
Es sei R[N0 ] der R-Modul aller Folgen von Elementen aus R, bei denen höchstens endliche viele
Glieder von 0 verschieden sind. Insbesondere liegt x := e1 = (0, 1, 0, 0, 0, ...) in R[N0 ] .
Auf R[N0 ] wird durch das so genannte Cauchyprodukt
P
(f · g)k = j fj gk−j
eine Multiplikation definiert, mit der R[N0 ] zu einem Polynomring R[x] wird.
Dazu stellt man induktiv fest, dass xk der k-te Einheitsvektor ek aus R[N0 ] ist (mit einer 1 an
der k-ten Stelle). Damit besitzt jedes Element f aus R[N0 ] eine eindeutige Darstellung in der
Form f = f (x). Die Ringeigenschaften von R[x] sind leicht nachzuprüfen.
3.3.7 Satz. (Universelle Eigenschaften von Polynomringen)
Alle Polynomringe über R sind isomorph, und jede von einem Element erzeugte R-Algebra R[a]
ist homomorphes Bild jedes Polynomrings R[x]. Jeder Homomorphismus von R in R[a] lässt
sich eindeutig zu einem Homomorphismus von R[x] in R[a] fortsetzen, der x auf a abbildet.
Für jedes fest gewählte Element a einer R-Algebra A ist der Einsetz-Homomorphismus
Ea : R[x] −→ R[a], f (x) 7−→ f (a)
wegen der eindeutigen Darstellung von f = f (x) wohldefiniert und nach Lemma 3.3.2 surjektiv,
im Falle eines Polynomringes R[a] sogar ein Isomorphismus. Je zwei Polynomringe über R sind
also isomorph, weshalb man oft einfach von „dem” Polynomring in einer Variablen spricht.
Ist H : R −→ R[a] ein Ringhomomorphismus, so definiert man H : R[x] −→ R[a] durch
P
P
H( fi xi ) := H(fi ) ai und erhält so den einzigen Ringhomomorphismus H mit H(x) = a
und H|R = H, wobei wir R mittels Einbettung r 7−→ rx0 als Teilring von R[x] auffassen.
R[x] ist in diesem Sinne der von R ∪ {x} erzeugte Ring.
3.3.8 Bemerkung. (Frei erzeugte Algebren)
Wegen der obigen Eigenschaften nennt man einen Polynomring R[x] auch frei erzeugt (von x).
Entsprechend nennt man eine allgemeine, von einem Element x erzeugte Algebra hxi frei
(erzeugt), falls es zu jeder von einem Element a erzeugten Algebra hai gleichen Typs genau
einen Homomorphismus von hxi nach hai gibt, der x auf a abbildet. Zum Beispiel sind
alle von einem Element frei erzeugten Halbgruppen isomorph zu (N, +)
alle von einem Element frei erzeugten Monoide isomorph zu (N0 , +)
alle von einem Element frei erzeugten abelschen Gruppen isomorph zu (Z, +)
alle von einem Element frei erzeugten K-Vektorräume eindimensional, isomorph zu K
alle von einem Element frei erzeugten (Halb-)Verbände einelementig
alle von einem Element frei erzeugten Booleschen Algebren {0, 1, x, x− } vierelementig.
KAPITEL 3. RINGE
49
3.3.9 Definition. (Nullstellen)
Ist f ∈ R[x], so heißt ein Element a einer R-Algebra A mit f (a) = 0 Nullstelle von f in A.
3.3.10 Lemma. (Abspalten von Nullstellen)
Ein Element a des Ringes R ist genau dann Nullstelle eines Polynoms f ∈ R[x] vom Grad n,
wenn es ein Polynom g ∈ R[x] vom Grad n−1 mit f = g · (x − a) gibt. In einem Körper hat
ein Polynom n-ten Grades daher höchstens n Nullstellen.
n
j
j
Die Koeffizienten von g = n−1
j=0 fj x über das so
j=0 gj x hängen mit denen von f =
genannte Hornerschema zusammen (und können damit auseinander errechnet werden):
gn−1 = fn , gj−1 = fj + a gj (j ∈ n−1).
P
P
3.3.11 Beispiele. (Algebren und Polynomringe über Körpern)
(1) Jeder Körper K ist selbst eine K-Algebra, aber für a ∈ K ist K[a] = K nach Lemma 3.3.4
kein Polynomring über K.
(2) Jeder Matrizenring K n×n ist eine (für n > 1 nicht kommutative) K-Algebra. Jede von
einer Matrix a erzeugte Unteralgebra K[a] ist kommutativ, aber nie ein Polynomring, da stets
endlich-dimensional. In der linearen Algebra zeigt man sogar dim K[a] ≤ n.
(3) Für a ∈ C ist Q[a] bzw. Z[a] genau dann kein Polynomring, wenn es ein nicht konstantes
Polynom mit rationalen bzw. ganzzahligen Koeffizienten gibt, das a als Nullstelle hat. Solche
Zahlen a nennt man algebraisch (über Q), und das (eindeutige!) normierte Polynom kleinsten
Grades mit Nullstelle a heißt Minimalpolynom von a. Einige Beispiele algebraischer Zahlen:
Zahl
5
M inimalpolynom x − 5
√
x2
7
−7
x2
ı
1
2 (1
+1
x2
√
+ ı 3)
−x+1
√
x4
2+
−
√
10x2
3
+1
Für algebraisches a ist Q[a] sogar ein Unterkörper von C ; denn der Koeffizient f0 des MinimalPn−1
P
fj+1 xj ein Polynom
polynoms f = nj=0 fj xj von a 6= 0 ist nicht 0, sonst wäre h = j=0
kleineren Grades mit h(a) = 0; also ist −f0−1 h(a) a = f0−1 (f (a)−h(a)a) = 1, d.h. a invertierbar.
√
√
(4) Für jede ganze Zahl n ist n (= ı −n im Falle n < 0) algebraisch, und es gilt
√
√
Z[ n] = {a + b n | a, b ∈ Z}.
Dazu muss man nur nachrechnen, dass die rechte Seite gegen Produkte abgeschlossen ist.
√
(5) Auch q = (1 + n)/2 ist ür n ∈ Z algebraisch, und es gilt Z[q] = {a + bq | a, b ∈ Z} genau
dann, wenn n − 1 durch 4 teilbar ist. (Prüfen Sie dies nach!)
(6) Nicht algebraische Zahlen heißen transzendent. Solche Zahlen sind z.B. die Eulersche Zahl
P
e= ∞
k=0 1/k! und die Kreiszahl π. (Transzendenzbeweise sind schwierig; der erste Beweis der
Transzendenz von π wurde Ende des 19. Jahrhunderts von C. F. von Lindemann gefunden).
3.3.12 Definition. (Polynomringe in mehreren Variablen)
Durch R[x1 , ..., xk ] := R[x1 , ..., xk−1 ][xk ] definiert man induktiv Polynomringe in k Variablen.
Aus den universellen Eigenschaften der Polynomringe in einer Variablen leitet man ab:
3.3.13 Folgerung. Polynomringe über R in k Variablen sind bis auf Isomorphie eindeutig
bestimmt. Insbesondere gilt für jede Permutation σ von n: R[x1 , ..., xk ] ' R[xσ(1) , ..., xσ(k) ].
KAPITEL 3. RINGE
3.4
50
Teilbarkeit und Integritätsbereiche
Allgemeine Teilbarkeitseigenschaften, die wir von natürlichen bzw. ganzen Zahlen kennen, lassen sich vielfach in sehr viel allgemeineren Ringen als Z feststellen und ausnutzen. Ein wesentliches Kriterium ist die Nullteilerfreiheit, die sichert, dass ein Produkt von 0 verschiedener
Elemente nicht 0 werden kann.
Wie zuvor sei R stets ein kommutativer Ring mit Einselement 1. Wir verallgemeinern Begriff
der Teilbarkeit vom Ring der ganzen Zahlen auf beliebige kommutative Monoide und Ringe.
3.4.1 Definition. (Teilbarkeit)
Es seien a, b Elemente eines kommutativen Monoids oder eines kommutativen Ringes mit 1.
(1) Gibt es ein d mit ad = b, so schreibt man a | b und sagt, a sei ein Teiler von b , bzw. b
sei ein Vielfaches von a oder durch a teilbar. d heißt Komplementärteiler von b zu a.
(2) a und b heißen (zueinander) assoziiert, in Zeichen: a ∼ b, falls b sowohl Teiler als auch
Vielfaches von a ist, d.h.
a ∼ b ⇐⇒ a | b und b | a.
Ein echter Teiler a von b erfüllt a | b, aber nicht b | a.
Definitionsgemäß ist jedes Element durch das Einselement teilbar, und in Ringen ist andererseits das Nullelement durch jedes Ringelement teilbar, aber nur zu sich selbst assoziiert.
3.4.2 Satz. (Teilbarkeit als Quasiordnung)
(1) Auf jedem Monoid A ist die Teilbarkeitsrelation | eine mit der Multiplikation verträgliche
Quasiordnung.
(2) Die Assoziiertheitsrelation ∼ ist eine Kongruenzrelation auf A.
(3) Die Faktormenge A/∼ ist ein durch ∼ a v ∼ b ⇐⇒ a | b geordnetes Monoid und ein
homomorphes Bild von A.
(4) Ist V ein Vertretersystem für die Kongruenzrelation ∼ (d.h. enthält jede Kongruenzklasse
genau ein Element aus V ), so ist V eine zu A/∼ isomorphe durch | geordnete Menge.
Zu (1): Die Reflexivität folgt aus der Existenz eines Einselements, die Transitivität aus dem
Assoziativgesetz: a | b und b | c =⇒ ∃ d, e (ad = b, be = c) =⇒ a(de) = (ad)e = be = c =⇒ a | c.
Aus a | b folgt sofort ac | bc, und entsprechend aus a ∼ b auch ac ∼ bc.
Zu (2): Reflexivität und Transitivität übertragen sich direkt von | auf ∼, Symmetrie ist klar.
Zu (3): Die Ordnungseigenschaften vererben sich von | auf v, die Antisymmetrie folgt aus
∼ a = ∼ b ⇐⇒ a ∼ b ⇐⇒ a | b und b | a.
Der Rest ergibt sich aus (2) mit Hilfe des kanonischen Epimorphismus F∼ : A −→ A/∼ .
Leider ist ist keinewegs klar, ob und wie man ein gegen Multiplikation abgeschlossenes Vertretersystem für die Assoziiertheitsrelation finden kann. In einigen Fällen, wie etwa in Z und in
Polynomringen über Körpern, geht das allerdings auf kanonische Weise, wie die nachfolgenden
Beispiele zeigen.
KAPITEL 3. RINGE
51
3.4.3 Beispiele. (Spezielle Teilbarkeitsrelationen)
(1) In einer Gruppe G sind je zwei Elemente assoziiert. Die Faktorgruppe G/∼ ist einelementig.
(2) In Z ist Assoziiertheit gegeben durch
a ∼ b ⇐⇒ |a| = |b| ⇔ a = ±b.
Das Faktormonoid Z/∼ ist isomorph zum multiplikativen Monoid N0 . Letzteres ist bezüglich
Teilbarkeit ein Verband (mit kgV, ggT, kleinstem Element 1 und größtem Element 0).
(3) In jedem Polynomring K[x] über einem Körper ist Assoziiertheit gegeben durch
f ∼ g ⇐⇒ ef = g für ein konstantes Polynom e 6= 0.
Das Faktormonoid K[x] ∗ /∼ ist isomorph zur durch Teilbarkeit geordneten Menge K1 [x] der
normierten Polynome: Jede Klasse ∼ f enthält genau ein normiertes Polynom. Wir werden
später sehen, dass K1 [x] und damit K[x]/∼ sogar ein Verband ist.
(4) In einem Halbverband ist die Teilbarkeitsrelation gerade die entsprechende Ordnung:
a v b ⇐⇒ a t b = b ⇐⇒ ∃ d (a t d = b).
Assoziiertheit bedeutet Gleichheit.
3.4.4 Definition. (Nullteiler und Integritätsbereiche)
Ein Element a ∈ R heißt Nullteiler, wenn ein b ∈ R∗ mit ab = 0 existiert. Ist außerdem
a 6= 0, so nennen wir a einen echten Nullteiler. (Viele Autoren lassen das Wort „echt” weg und
schließen 0 von der Menge der Nullteiler aus.)
Ein Integritätsring oder Integritätsbereich ist ein kommutativer Ring R mit 1 6= 0 und ohne
echte Nullteiler, d.h. für a, b ∈ R∗ gilt auch ab ∈ R∗ . Mit anderen Worten: Ein Ring R ist
genau dann ein Integritätsbereich, wenn R∗ ein kommutatives Untermonoid von (R, ·) ist.
Eine einfache Anwendung des Distributivgesetzes zeigt:
3.4.5 Lemma. (Kürzungsregel)
Ein kommutativer Ring R mit 1 6= 0 ist dann und nur dann ein Integritätsbereich, wenn
Komplementärteiler eindeutig sind, d.h. aus ac = ad und a 6= 0 stets c = d folgt.
3.4.6 Beispiele. (Integritätsbereiche)
(1) Jeder Unterring eines Körpers ist ein Integritätsbereich; insbesondere sind z.B. die Ringe
Z[a] mit a ∈ C allesamt Integritätsbereiche (da Unterringe des Körpers C). Wir werden später
sehen, dass umgekehrt jeder Integritätsbereich Unterring eines geeigneten Körpers ist.
(2) Für jeden Integritätsbereich R ist auch der Polynomring R[x] ein Integritätsbereich.
Für f, g ∈ R[x] gilt die Gradformel deg(f g) = deg(f ) + deg(g).
Insbesondere ist Z[x] und jeder Polynomring K[x] über einem Körper K ein Integritätsbereich.
(3) Für jede Menge X ist auch RX , die Menge der Funktionen von X nach R mit elementweiser
Addition und Multiplikation, wieder ein kommutativer Ring mit 1. Aber RX wird nur dann
ein Integritätsbereich, wenn R einer ist und X oder R höchstens ein Element hat. Insbesondere
ist R × R nie ein Integritätsbereich, außer R hat nur ein Element 0 = 1.
(4) Die Restklasenringe Zn sind für n ∈ N dann und nur dann Integritätsbereiche, wenn n eine
Primzahl ist.
KAPITEL 3. RINGE
52
3.4.7 Definition. (Einheiten)
Ein Element u des Ringes R heißt Einheit oder invertierbar, falls ein w mit uw = 1 existiert.
Die Menge der Einheiten von R bezeichnen wir mit E(R) oder R× .
In nicht-kommutativen Ringen verlangt man zur Definition von Einheiten uw = wu = 1, da es
Elemente u, w mit uw = 1, aber vu 6= 1 für alle v ∈ R geben kann.
3.4.8 Satz. (Einheitengruppe)
E(R) ist bezüglich der Multiplikation von R eine Gruppe. Insbesondere gibt es zu u ∈ E(R)
genau ein w = u− aus E(R) mit uw = 1, und für u, v ∈ E(R) gilt: (uv)− = v − u− , (u− )− = u.
3.4.9 Lemma. (Einheiten erzeugen den ganzen Ring)
(1) Ein Element u des Ringes R ist genau dann Einheit, wenn Ru = R gilt. Jedes Ringelement
ist also durch alle Einheiten teilbar.
(2) Die zum Einselement assoziierten Elemente sind dessen Teiler, d.h. die Einheiten.
(3) Multiplikation mit Einheiten ändert nichts an Teilbarkeitsbeziehungen:
a | b und u, v ∈ E(R) =⇒ au | bv.
3.4.10 Lemma. (Assoziiertheit in Integritätsbereichen)
In einem Integritätsbereich R sind zwei Elemente a, b genau dann assoziiert, wenn es ein
u ∈ E(R) mit au = b gibt.
Denn in diesem Fall existiert ein w mit uw = 1, also a = a1 = auw = bw, und es folgt außer
a | b auch noch b | a. Umgekehrt gibt es zu Elementen a ∼ b weitere Ringelelemente u, w mit
au = b und bw = a, also auch auw = bw = a = a1, und die Kürzungsregel für Integritätsringe
(3.4.5) erzwingt dann uw = 1, d.h. u und w sind Einheiten.
3.4.11 Beispiele. (Spezielle Einheitengruppen)
(1) R = K:
Körper
E(R) = R∗ .
(2) R = K[x]:
Polynomring über einem Körper
E(K[x]) = {f ∈ K[x] | deg(f ) = 0}.
(3) R = Z:
Ring der ganzen Zahlen
E(Z) = {−1, 1}.
(4) R = Z[ ı ]:
Ring der Gaußschen ganzen Zahlen E(Z[ ı ]) = {1, −1, ı, −ı}.
√
√
(5) R = Z[ −n]: Quadratischer Zahlring (n ∈ N≥2 ) E(Z[ −n]) = {1, −1}.
(6) R = Zn :
Restklassenring modulo n
E(Zn ) = {u ∈ Zn | ggT(u, n) = 1}.
√
√
Zum Beweis von (5) bildet man für Einheiten u = x + y −n und w = s + t −n mit uw = 1
das Produkt mit den konjugierten Elementen:
(x2 + y 2 n)(s2 + t2 n) = uuww = uwuw = 1
und stellt fest, dass dies im Falle n > 1 nur für x = s = ±1 und y = t = 0 möglich ist.
Die Kennzeichnung der Einheiten von Zn ist wieder einmal eine Folge des Lemmas von Bézout:
u ∈ E(Zn ) ⇐⇒ ∃ w ∈ Z (uw ≡ 1 mod n) ⇐⇒ ∃ v, w ∈ Z (uw −vn = 1) ⇐⇒ ggT(u, n) = 1.
KAPITEL 3. RINGE
53
3.4.12 Satz. (Einheiten und Nullteiler)
Nullteiler sind nie Einheiten. In endlichen Ringen sind die Nullteiler genau die Nichteinheiten.
Beweis. Ist u eine Einheit, etwa uw = 1, so folgt aus au = 0 sofort a = a1 = auw = 0w = 0,
d.h. u ist kein Nullteiler.
Sei umgekehrt u ein Element des endlichen Ringes R, aber kein Nullteiler. Induktiv sieht man,
dass mit u auch keine Potenz uk ein Nullteiler ist (aus uk+1 b = 0 folgt uk (ub) = 0 und dann
nach Induktionsannahme ub = 0 sowie b = 0). Wegen der Endlichkeit von R gibt es natürliche
Zahlen m < n mit um = un , also um (1 − un−m ) = 0. Da um kein Nullteiler ist, erzwingt dies
1 − un−m = 0, d.h. u · un−m−1 = 1, und u ist eine Einheit.
3.4.13 Folgerung. (Endliche Integritätsbereiche)
Einen endlicher kommutativer Ring R mit 1 6= 0 ist genau dann ein Körper, wenn er ein
Integritätsbereich ist. Ist die additive Gruppe von R zyklisch, so ist R genau dann ein Körper,
wenn er isomorph zum Restklassenring Zp für eine Primzahl p ist.
Denn eine endliche zyklische Gruppe (R, +) ist nach 3.2.6 zu einem (Zn , +n ) isomorph, und
ist n keine Primzahl, so gibt es echte Nullteiler: n = k · m =⇒ km1 = k1 · m1 = 0 in (R, ·).
Von großer Bedeutung für die Zahlentheorie sind die Einheitengruppen der Restklassenringe.
3.4.14 Definition. (Prime Restklassengruppe und Eulersche ϕ–Funktion)
Die Einheitengruppe E(Zn ) des Restklassenrings Zn heißt prime Restklassengruppe modulo n.
Ihre Kardinalität ] E(Zn ) wird mit ϕ(n) bezeichnet. Die dadurch auf N definierte Funktion
heißt Eulersche ϕ-Funktion.
Aus dem Chinesischen Restsatz und der Charakterisierung 3.4.11 (6) der Einheiten folgt:
3.4.15 Satz. (Berechnung der ϕ–Funktion)
(1) Für teilerfremde Zahlen m, n gilt E(Zmn ) ' E(Zm ) × E(Zn ) = E(Zm × Zn ), also
ϕ(mn) = ϕ(m)ϕ(n).
(2) Für jede Primzahlpotenz pr ist p Zpr die Menge der Nichteinheiten (Nullteiler) in Zn , also
ϕ(pr ) = pr − pr−1 = pr−1 (p − 1).
(3) Ist
ei
i=1 pi
Qk
die Primfaktorzerlegung einer Zahl n ∈ N, so gilt
ϕ(n) =
ei −1
(pi
i=1 pi
Qk
− 1) = n
Q
p∈P,p|n (1
− p1 ).
Zu (1) betrachtet man den kanonischen Isomorphismus Fe : Zmn −→ Zm × Zn und beachtet,
dass für u ∈ E(Zmn ) aus ggT(u, mn) = ggT(m, n) = 1 erst recht ggT(Mm (u), m) = 1 und
ggT(Mn (u), n) = 1, also Fe (u) = (Mm (u), Mn (u)) ∈ E(Zm ) × E(Zn ) = E(Zm × Zn ) folgt.
(2) folgt aus der Tatsache, dass eine Primzahl, die n nicht teilt, bereits zu n teilerfremd ist.
3.4.16 Folgerung. ϕ(n) ist für n ∈ N≥3 stets gerade, und für ungerades n gilt ϕ(n) = ϕ(2n).
n
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
ϕ(n) 0 1 2 2 4 2 6 4 6
4
10
4
12
6
8
8
KAPITEL 3. RINGE
3.5
54
Hauptidealringe und faktorielle Ringe
Als eine wesentliche Eigenschaft des Ringes Z der ganzen Zahlen hatten wir erkannt, dass jedes
Ideal ein Hauptideal ist. Ringe mit dieser Eigenschaft wollen wir jetzt studieren. In ihnen gibt
es, analog zu Z, bis auf Assoziiertheit eindeutige Primfaktorzerlegungen. Solche Ringe nennt
man faktoriell oder ZPE-Ringe („Zerlegungen in Primelemente mit Eindeutigkeit”).
Wieder sei R ein kommutativer Ring mit 1. Wir rufen uns zunächst das grundlegende Konzept
der Ideale für diesen Fall in Erinnerung.
(1) Eine nichtleere Teilmenge A von R ist genau dann ein Ideal, wenn für alle a, b ∈ A und
r ∈ R auch a + b ∈ A und ra ∈ A gilt, kurz: A + A = A, RA = A.
(2) Mit I(R) bezeichnen wir das Hüllensystem aller Ideale von R. Zu jeder Teilmenge Y von
R existiert ein kleinstes Y umfassendes Ideal I(Y ), das von Y erzeugte Ideal.
(3) Jede Teilmenge der Form Ra = {ra | r ∈ R} ist ein Ideal, das von a erzeugte Hauptideal.
Das kleinste Ideal R0 besteht nur aus dem Nullelement, das größte ist der ganze Ring R = R1.
(4) Für Ideale U1 , . . . , Uk ist U1 ∩ · · · ∩ Uk das größte in jedem Uj (j ∈ k) enthaltene Ideal und
U1 + · · · + Uk = { a1 + · · · + ak | aj ∈ Uj , j ∈ k }
das kleinste jedes Uj (j ∈ k) umfassende Ideal. Insbesondere gilt
I(a1 , ..., ak ) := I({a1 , ..., ak }) = Ra1 + ... + Rak (k ∈ N, a1 , ..., ak ∈ R).
(I(R), +, ∩) ist somit ein Verband, der so genannte Idealverband von R.
3.5.1 Beispiele. (Spezielle Ideale)
(1) Die Ideale in Z sind genau die Mengen mZ (m ∈ N0 ). Für m1 , ..., mk ∈ N ist
ggT(m1 , ..., mk )Z = m1 Z + ... + mk Z, kgV(m1 , ..., mk )Z = m1 Z ∩ ... ∩ mk Z.
(2) Die Ideale des Restklassenringes Zn (n ∈ N) sind genau die Mengen mZn mit m|n (3.1.15).
(3) In einem Potenzmengenring P(X) (mit symmetrischer Differenz als Addition) sind die
Ideale genau die nichtleeren Teilmengen U ⊆ P(X) mit A ∪ B ∈ U ⇐⇒ A ∈ U und B ∈ U.
(4) Ein Körper K (z.B. Zp für p ∈ P) hat nur die trivialen Ideale {0} und K.
Unmittelbar aus den Definitionen leitet man ab:
3.5.2 Lemma. (Teilbarkeit und Hauptideale)
Für Elemente a, b des (kommutativen!) Ringes R gilt:
(1) a | b ⇐⇒ Ra ⊇ Rb ⇐⇒ b ∈ Ra.
(2) a ∼ b ⇐⇒ Ra = Rb ⇐⇒ a ∈ Rb und b ∈ Ra.
Die Hauptideale bilden daher eine zu R/∼ isomorphe durch ⊇ halbgeordnete Menge.
In der folgenden wichtigen Klasse von Ringen bilden die Hauptideale sogar einen Verband:
3.5.3 Definition. (Hauptidealringe)
Ein Hauptidealring ist ein kommutativer Ring R mit 1, in dem jedes Ideal ein Hauptideal ist.
Falls R außerdem ein Integritätsbereich ist, spricht man von einem Hauptidealbereich. (Vorsicht:
Viele Autoren verwenden den Begriff „Hauptidealring” synonym mit „Hauptidealbereich”.)
KAPITEL 3. RINGE
55
3.5.4 Beispiele. (Hauptidealringe und Hauptidealbereiche)
(1) Z ist ein Hauptidealbereich mit I(Z) = {nZ | n ∈ N0 }.
(2) Jeder Körper K ist ein Hauptidealbereich mit I(K) = {{0}, K}. Für endliche Ringe gilt
auch die Umkehrung (siehe 3.4.13).
√
(3) Die algebraischen Zahlringe Z[ n] (n ∈
√ N) sind manchmal Hauptidealbereiche, manchmal
nicht: Zum√Beispiel ist der Ring Z[ ı ] = Z[ −1] der Gaußschen ganzen Zahlen ein Hauptidealbereich, Z[ −5] hingegen nicht. (Warum, sehen wir später.)
(4) Für jeden Körper K ist der Polynomring K[x] ein Hauptidealbereich. Jedes Ideal wird von
einem eindeutigen normierten Polynom erzeugt (Beweis in Abschnitt 3.6).
(5) Z[x] ist zwar ein Integritätsbereich, aber kein Hauptidealring: 2 Z[x] + x Z[x] ist ein Ideal,
aber kein Hauptideal, denn ein Polynom f mit f Z[x] = 2 Z[x] + x Z[x] müsste sowohl ein Teiler
des konstanten Polynoms 2 als auch von x sein, was nur für f = ±1 ginge; aber ±1 ist nicht
in der Form 2g + xh mit ganzzahligen Polynomen g, h darstellbar.
(6) Ein Potenzmengenring P(X) ist genau dann ein Hauptidealring, wenn X endlich ist. In diesem Fall ist I(P(X)) = {P(Y ) | Y ⊆ X}. Aber für ] X > 1 ist P(X) kein Hauptidealbereich!
Für unendliches X ist das System aller endlichen Teilmengen eine Ideal, aber kein Hauptideal.
(7) Die Abbildung χ : P(X) −→ Z2 X , Y 7−→ χY mit χY (x) = 1 ⇔ x ∈ Y ist ein Ringisomorphismus. Die Aussagen aus (6) gelten daher entsprechend für Z2 X .
(8) Jeder Restklassenring Zn ist ein Hauptidealring mit I(Zn ) = {mZn | m|n}. Aber Zn ist
nur dann ein Integritätsbereich (und damit sogar ein Körper, erst recht ein Hauptidealbereich),
wenn n eine Primzahl ist (siehe wieder 3.4.13).
3.5.5 Definition. (Größter gemeinsamer Teiler, kleinstes gemeinsames Vielfaches)
Für Elemente a1 , ..., ak , d des Ringes R nennt man d einen größten gemeinsamen Teiler (ggT)
von a1 , ..., ak , falls d ein gemeinsamer Teiler aller aj ist und jeder weitere gemeinsame Teiler
von a1 , ..., ak ein Teiler von d ist. Analog definiert man kleinste gemeinsame Vielfache (kgV).
Man nennt a1 , ..., ak ∈ R teilerfremd oder relativ prim, falls die einzigen gemeinsamen Teiler
von a1 , ..., ak die Einheiten sind. Hingegen heißen a1 , ..., ak paarweise teilerfremd, falls jedes aj
zu jedem ai mit i 6= j teilerfremd ist.
In Z sind zum Beispiel 6, 10 und 15 teilerfremd, aber nicht paarweise teilerfremd (vgl. 3.2.15).
ggT und kgV sind bis auf Assoziiertheit eindeutig, d.h. von den drei Aussagen
(1) c ist ein ggT von a1 , ..., ak , (2) d ist ein ggT von a1 , ..., ak , (3) c ∼ d
implizieren je zwei die dritte. Wählt man aus jeder Äquivalenzklasse solcher ggT ein Element
g(a1 , ..., ak ) aus, so kann man von dem ggT g(a1 , ..., ak ) sprechen. Kanonische Auswahlen hat
man zum Beispiel in Z (man nimmt den positiven ggT) und in Polynomringen über Körpern
(man nimmt den normierten ggT; zur Existenz siehe Abschnitt 3.6). Es ist vielfach üblich,
d = ggT (a1 , . . . , ak ) oder sogar nur d = (a1 , ..., ak ) zu schreiben, falls d ein ggT von a1 , ..., ak
ist. Man muss dann aber beachten, dass dies keine „Gleichungen“ im eigentlichen Sinn sind
und (a1 , ..., ak ) eine andere Bedeutung als die eines k-Tupels hat.
Entsprechendes gilt für kgV.
Der Begriff „Hauptidealring” ergibt sich durch Synthese zweier schwächerer Eigenschaften:
KAPITEL 3. RINGE
56
3.5.6 Definition. (Noethersche Ringe und Bézout-Ringe)
Ein Ring heißt noethersch (nach der Mathematikerin Emmy Noether), falls jedes seiner Ideale
endlich erzeugt ist. In einem Bézout-Ring ist jedes endlich erzeugte Ideal schon ein Hauptideal.
Damit sind die Hauptidealringe genau die noetherschen Bézout-Ringe.
3.5.7 Satz. (ggT, kgV und Hauptideale)
In jedem kommutativen Ring R mit 1 gilt:
(1) Rv = Ra1 ∩ ... ∩ Rak ⇐⇒ v = kgV(a1 , ..., ak ).
(2) Rd = Ra1 + ... + Rak =⇒ d = ggT(a1 , ..., ak ).
In Bézout-Ringen gilt auch die Umkehrung der Implikation (2), und je endlich viele Elemente
haben einen ggT. In Hauptidealringen haben sie sowohl (1) ein kgV als auch (2) einen ggT.
Zu (1): Rv = Ra1 ∩ ... ∩ Rak ⇐⇒ ∀ b ∈ R (v | b ⇐⇒ ∀ j ∈ k (aj | b)) ⇐⇒ v = kgV(a1 , ..., ak ).
Zu (2): Rd = Ra1 +...+Rak ⇒ ∀ j ∈ k (d | aj ) & (∀ j ∈ k (b | aj ) ⇒ b | d) ⇔ d = ggT(a1 , ..., ak ).
Wieder einmal sehen wir, wie eine wichtigen Eigenschaft der ganzen Zahlen, in diesem Fall das
Lemma von Bézout, Anlass zu einem algebraischen Begriff, hier dem des Bézout-Ringes, gibt.
3.5.8 Folgerung. (Teilerfremdheit in Bézout-Ringen)
Für Elemente a1 , ..., ak eines Bézout-Ringes (somit jedes Hauptidealringes) R sind äquivalent:
(a) a1 , ..., ak sind teilerfremd.
(b) Ra1 + ... + Rak = R.
(c) Es existieren r1 , ..., rk ∈ R mit r1 a1 + ... + rk ak = 1.
Für a, b, c ∈ R gilt: Ist c ein Teiler von ab und a teilerfremd zu c, so ist c ein Teiler von b.
Denn die Voraussetzungen liefern r, s, d ∈ R mit ar + cs = 1 und cd = ab, woraus distributiv
und kommutativ b = b1 = b(ar + cs) = abr + cbs = cdr + cbs = c(dr + bs), also c | b folgt.
Wir wenden uns nun der ringtheoretischen Verallgemeinerung der Primzahlen, also der multiplikativ unzerlegbaren Zahlen, zu.
3.5.9 Lemma. (Unzerlegbarkeit)
Für ein Element p 6= 0 eines Integritätsbereiches R sind folgende Aussagen äquivalent:
(a) p = ab =⇒ a ∼ p oder b ∼ p.
(b) p = ab =⇒ a ∼ 1 oder b ∼ 1.
(c) a | p
=⇒ a ∼ 1 oder a ∼ p.
(d) p 6 | a =⇒ ggT(a, p) = 1.
Beweis.
(a) =⇒ (b) :
(b) =⇒ (c) :
(c) =⇒ (d) :
(d) =⇒ (a) :
a ∼ p = ab =⇒ a = pd, p = ab =⇒ p = pdb =⇒ 1 = db =⇒ b ∼ 1.
p = ab =⇒ a ∼ 1 oder b ∼ 1 , also p = ab ∼ a1 = a.
d | a, d | p =⇒ d ∼ 1 oder d ∼ p ; p ∼ d | a =⇒ p | a. Aus p 6 | a folgt somit d ∼ 1.
p = ab, a 6∼ p =⇒ p 6 | a (da a | p) =⇒ ggT(a, p) = 1 =⇒ a ∼ 1 =⇒ p = ab ∼ b.
KAPITEL 3. RINGE
57
3.5.10 Definition. (Irreduzible und prime Elemente)
Ein Element p ∈ R heißt irreduzibel oder unzerlegbar, falls p keine Einheit ist und aus p = ab
stets p ∼ a oder p ∼ b folgt.
Ein Element p ∈ R heißt prim oder Primelement, falls p keine Einheit ist und aus p | ab stets
p | a oder p | b folgt.
Da Teilbarkeitsbeziehungen beim Übergang zu assoziierten Elementen unbehelligt bleiben, ist
p genau dann prim bzw. irreduzibel, wenn dies für ein zu p assoziiertes Element gilt. Per
Induktion sieht man, dass ein Primelement, das ein Produkt mit endlich vielen Faktoren teilt,
bereits einen dieser Faktoren teilen muss. Analoges gilt für irreduzible Elemente.
3.5.11 Lemma. (Zusammenhang zwischen irreduziblen und primen Elementen)
Jedes Primelement ist irreduzibel, und in Hauptidealbereichen (allgemeiner in nullteilerfreien
Bézout-Ringen) gilt auch die Umkehrung.
Beweis. Ist p = ab prim, so folgt p | a oder p | b sowie a | p und b | p, also p ∼ a oder p ∼ b.
Sei p umgekehrt ein irreduzibles Element eines nullteilerfreien Bézout-Ringes, und es gelte
p | ab, aber p 6 | a. Dann folgt mit 3.5.9: ggT(a, p) = 1, und mit 3.5.8: p | b.
3.5.12 Definition. (Faktorielle Ringe)
Ein Integritätsbereich R heißt faktoriell oder ZPE–Ring, falls jede Nichteinheit a ∈ R∗ \ E(R)
eine Darstellung a = p1 . . . pr als Produkt von Primelementen besitzt.
3.5.13 Satz. (Charakterisierung faktorieller Ringe)
Die folgenden Aussagen über einen Integritätsbereich R sind äquivalent:
(a) R ist faktoriell.
(b) Jedes Element aus R∗ \ E(R) hat eine bis auf Assoziiertheit (und Reihenfolge) eindeutige
Zerlegung in irreduzible (bzw. prime) Elemente.
(c) Irreduzible Elemente sind prim, und es gibt keine aufsteigenden Folgen von Hauptidealen
(d.h. keine Folge (dn ) in R, so dass jedes dn+1 echter Teiler von dn ist).
Beweis. Machen Sie sich die folgenden Schritte jeweils am Ring der ganzen Zahlen klar!
(a) ⇒ (b) : Nach 3.5.11 ist jedes Primelement irreduzibel, also jedes a ∈ R∗ \ E(R) ein Produkt von primen und daher irreduziblen Elementen: a = p1 ...pr . Zum Eindeutigkeitsbeweis
sei eine weitere Zerlegung a = q1 ...qs mit irreduziblen q1 , ..., qs gegeben. Dann teilt p1 dieses
Produkt und folglich auch einen der Faktoren; nach eventueller Umnummerierung kann man
p1 | q1 annehmen. Mit Lemma 3.5.9 schließen wir p1 ∼ q1 (da p1 keine Einheit ist). Mit der
Kürzungsregel folgt p2 ...pr = u1 q2 ...qs , wobei u1 eine Einheit, also u1 q2 wieder irreduzibel ist.
Induktiv können wir jetzt voraussetzen, dass r = s und pj ∼ qj für j = 2, ..., r gilt, und der
Induktionsschluss ist vollzogen. (Der Induktionsanfang mit nur einem Faktor ist klar).
(a) ⇒ (b) : Ein irreduzibles Element p, das ein Produkt ab mit eindeutigen Faktorzerlegungen
a = p1 ...pr und b = q1 ...qs teilt, muss zu einem der pj oder qj assoziiert sein (da auch eine
Zerlegung ab = p · r1 ...rt existiert). Also teilt p einen der Faktoren a oder b und ist somit prim.
Ist (dn ) eine echt absteigende „Teilerkette”, so wählt man Primelemente pn mit dn+1 pn | dn .
Dann ist jedes Produkt p1 ...pn ein Teiler von d1 , wie man induktiv zeigen kann. Aber das steht
im Widerspruch zur eindeutigen Zerlegbarkeit von d1 in endlich viele Primfaktoren.
KAPITEL 3. RINGE
58
(c) ⇒ (a) : Die Annahme, die Menge N derjenigen Element aus R∗ \ E(R), die keine Produktzerlegung in prime, d.h. nach (c) irreduzible Elemente besitzen, sei nicht leer, führen wir zum
Widerspruch. Wir wählen ein d1 in N und dazu (weil d1 nicht irreduzibel ist) echte Teiler b
und c mit d1 = bc. Mindestens eines der beiden Elemente b, c liegt nicht in N (sonst könnte
man aus Zerlegungen von b und c in irreduzible Elemente eine für d1 gewinnen). Indem wir so
fortfahren (und das Auswahlaxiom in einer sehr schwachen Form für Familien zweielementiger
Mengen ausnutzen), finden wir schrittweise eine echt absteigende Folge (dn ) mit dn+1 | dn ,
aber nicht dn+1 ∼ dn . Das steht jedoch im Widerspruch zu (c), und unsere Ausgangsannahme
war falsch: Folglich muss N leer sein, und R ist faktoriell.
Nach diesem ziemlich raffinierten Beweis kommen wir nun zu dem einfacheren, aber mindestens
ebenso wichtigen Zusammenhang zwischen Hauptidealbereichen und faktoriellen Ringen:
3.5.14 Satz. (Primfaktorzerlegung in Hauptidealbereichen)
Jeder Hauptidealbereich ist faktoriell. Jede von 0 verschiedene Nichteinheit besitzt dort also
eine bis auf Assoziiertheit eindeutige Faktorisierung in irreduzible = prime Elemente.
Beweis. Wir zeigen, dass ein Hauptidealbereich R die Eigenschaft (c) in Satz 3.5.13 hat. Wegen
3.5.11 bleibt nur noch festzustellen, dass jede aufsteigende Hauptidealkette d1 R ⊆ ... ⊆ dn R...
S
endlich ist. Die Vereinigung U = {dn R | n ∈ N} erweist sich als Ideal, ist also von der Form
dR. Dann liegt d in einem dm R, und es folgt d R = dm R = dn R für alle n ≥ m.
Für den Ring der ganzen Zahlen führt Satz 3.5.14 auf den bekannten
3.5.15 Satz. (Fundamentalsatz der Arithmetik)
Jede natürliche Zahl n besitzt eine eindeutige Primfaktorzerlegung
n=
ei
i=1 pi
Qk
=
Q
p∈P,p|n p
νn (p) ,
wobei die pi die verschiedenen Primteiler von n sind.
Ohne Beweis zitieren wir einen berühmten Satz von Gauß:
3.5.16 Satz. (Faktorisierung in Polynomringen)
Ist R ein faktorieller Ring, so auch der Polynomring R[x].
3.5.17 Beispiele. (Einige faktorielle Ringe)
(1) Der Ring Z der ganzen Zahlen ist ein Hauptidealring, in dem die von 0 verschiedenen
Primelemente genau die Primzahlen und ihre Negativen sind.
(2) Jeder Polynomring K[x] ist ein Hauptidealring, in dem die Primelemente 6= 0 genau diejenigen nicht–konstanten Polynome sind, die keine Zerlegung in Polynome kleineren Grades
zulassen.
(3) Der Polynomring Z[x] ist nach Satz 3.5.16 faktoriell, aber kein Hauptidealring.
√
√
(4) Im Ring Z[ −5] = {a + b −5 | a, b ∈ Z} ist 2 irreduzibel, aber nicht prim:
√
√
√
√
√
2 teilt 6 = (1 + −5)(1 − −5), aber
√ weder 1 + −5 noch 1 − −5. Z[ −5] ist also nicht
faktoriell – im Gegensatz zum Ring Z −1 = Z[ ı ] der Gaußschen ganzen Zahlen, der sogar ein
Hauptidealbereich ist, wie wir im nächsten Abschnitt beweisen werden.
KAPITEL 3. RINGE
3.6
59
Euklidische Ringe
Besonders bequem läßt sich in Ringen rechnen, wo man eine „Größenfunktion“ für die Elemente
zur Verfügung hat, die eine „Division mit Rest“ wie in Z ermöglicht.
3.6.1 Definition. Eine Abbildung ν von einem Integritätsbereich R nach N0 heißt euklidische
Normfunktion, falls ν(0) = 0 gilt und zu a, b ∈ R mit a 6= 0 Elemente q, r ∈ R mit b = qa + r
und ν(r) < ν(a) existieren.
Gilt zusätzlich ν(ab) = ν(a)ν(b) für alle a, b ∈ R, so nennen wir ν multiplikativ.
Gilt zumindest a | b =⇒ ν(a) ≤ ν(b) für b 6= 0, so heißt ν monoton.
Ein Integritätsbereich, der eine euklidische Normfunktion besitzt, heißt euklidischer Ring.
(Manchmal wird Multiplikativität oder Monotonie der Normfunktion gefordert.)
Eine euklidische Normfunktion ist selten eine Norm im Sinne der Analysis (Homogenität und
Dreiecksungleichung sind meist verletzt). Man erhält aber oft eine „echte” Norm, indem man
aus der euklidischen Normfunktion die Wurzel zieht, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
3.6.2 Beispiele. (Euklidische Normfunktionen)
(1) Z ist ein euklidischer Ring mit multiplikativer Normfunktion ν(a) = |a|.
(2) Jeder Körper K ist ein euklidischer Ring mit multiplikativer Normfunktion
ν(a) = 0, falls a = 0, und ν(a) = 1, falls a 6= 0.
denn für a 6= 0 gilt b = qa mit q = ba−1 .
(3) Jeder Polynomring K[x] ist ein euklidischer Ring mit monotoner, aber nicht multiplikativer
Normfunktion
ν(f ) = 1 + deg(f ) für f 6= 0, ν(0) = 0.
Die „Division mit Rest” von Polynomen ist (hoffentlich) aus der Schule bekannt.
Im Gegensatz zu ν liefert µ(f ) = 2 deg(f ) (mit µ(0) = 0) eine multiplikative Normfunktion.
(4) Der Gaußsche Ring Z[ı] = {a + b ı | a, b ∈ Z} ist ein euklidischer Ring mit multiplikativer
Normfunktion ν(c) = |c|2 = a2 + b2 für c = a + b ı.
√
√
√
Analoges gilt für die Ringe Z[ −2] und Z[ −3] (aber nicht für Z[ −5], siehe 3.5.17 (4)!)
Zum Beweis von (4) dividiert man je zwei komplexe Zahlen aus den zu betrachtenden Ringen
durcheinander, beachtet, dass der Quotient von einem „Gitterpunkt” aus dem Ring sich in
beiden Koordinaten höchstens um 21 unterscheidet, und bekommt so eine Division mit Rest.
3.6.3 Satz. (Euklidische Ringe)
Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring.
Der Beweis verläuft fast wörtlich wie beim Ring der ganzen Zahlen.
3.6.4 Folgerung. (Beziehungen zwischen Eigenschaften von Ringen)
Euklidischer Ring =⇒ Hauptidealbereich =⇒ faktorieller Ring =⇒ Integritätsbereich.
KAPITEL 3. RINGE
60
3.6.5 Lemma. (Multiplikative Normfunktionen)
Für eine multiplikative euklidische Normfunktion ν gilt:
(1) ν(u) = 1 ⇐⇒ u ∈ E(R).
(2) a | b =⇒ ν(a) | ν(b) =⇒ ν(a) ≤ ν(b) oder b = 0. Also ist ν monoton.
(3) a ∼ b ⇐⇒ ν(a) = ν(b) und a | b.
Der Beweis ist eine einfache Übung.
Erinnern wir uns daran, dass sich jedes Polynom g(x) ∈ K[x]∗ eindeutig in der Form
g(x) = αf (x) schreiben lässt, wobei f (x) ein normiertes Polynom ist und α in K ∗ liegt. Zwei
normierte Polynome sind nur dann assoziiert, wenn sie gleich sind. Aus der Tatsache, dass
jeder Polynomring über einem Körper ein euklidischer Ring, erst recht ein Hauptidealbereich
und damit ein faktorieller Ring ist, ergeben sich einige wichtige
3.6.6 Folgerungen. (Polynomringe über Körpern)
Im Polynomring K[x] über einem Körper K gilt:
(1) Zu jedem Ideal U 6= {0} von K[x] gibt es ein eindeutiges normiertes Polynom f (x) aus
K[x] mit U = K[x] f (x). Daher besitzen je endlich viele Polynome einen eindeutigen normierten ggT und ein eindeutiges normiertes kgV. Die normierten Polynome bilden einen Verband.
(2) Jedes Polynom f (x) von Grad ≥ 1 besitzt eine bis auf Reihenfolge eindeutige Darstellung
Q
f (x) = α rj=1 pj (x)nj ,
wobei α aus K ∗ ist und die pj (x) paarweise verschiedene normierte irreduzible, d.h. prime
Polynome sind.
3.6.7 Beispiele. (Irreduzible Polynome)
(1) Über C sind die einzigen irreduziblen normierten Polynome diejenigen ersten Grades:
q(x) = x + q0 ,
q0 ∈ C.
(2) Über R sind die einzigen irreduziblen normierten Polynome:
q0 ∈ R, und
q1
q2
q2
q(x) = x2 + q1 x + q0 = (x + )2 + q0 − 1 mit q0 − 1 > 0, q0 , q1 ∈ R.
2
4
4
(3) Ein Polynom 3. Grades über einem Körper K ohne Nullstelle in K ist stets irreduzibel.
(Warum?)
Nicht so für Polynome 4. Grades: (x2 + 1)2 hat keine reelle Nullstelle, ist aber reduzibel.
q(x) = x + q0 ,
3.6.8 Algorithmus. (Bestimmung des ggT durch den euklidischen Algorithmus)
Zu gegebenen Elementen a1 , a2 6= 0 eines euklidischen Ringes bestimmt man rekursiv Elemente
aj und qj mit
(∗j ) aj = qj aj+1 + aj+2 , ν(aj+2 ) < ν(aj+1 ),
bis man bei an+1 = 0 ankommt. Dann ist
an = ggT (a1 , a2 ) = a1 b1 + a2 b2 ,
wobei sich b1 und b2 durch rückwärtiges Einsetzen der Gleichungen (∗j ) ineinander ergeben.
KAPITEL 3. RINGE
61
Ringe und Primfaktorzerlegung (Zusammenfassung)
Abkürzung
Name
Eigenschaft
KUR
Komm. unitäre Ringe
ab = ba, 1a = a
IB
Integritätsbereiche
KUR, ab = 0 ⇒ a = 0 oder b = 0, 1 6= 0
BER
Bézout-Ringe
endlich erzeugte Ideale sind Hauptideale
HIR
Hauptidealringe
alle Ideale sind Hauptideale
HIB
Hauptidealbereiche
HIR + IB : Nullteilerfreie Hauptidealringe, 1 6= 0
ZPE
Faktorielle Ringe
IB mit (bis auf ∼ eindeutiger) Primfaktorzerlegung
EUR
Euklidische Ringe
Es gibt eine euklidische Normfunktion ν : R → N0 :
ν(0) = 0 und ∀ a, b ∈ R∗ ∃ q ∈ R (ν(a − bq) < ν(b))
Im folgenden Inklusionsdiagramm ist je ein Beispiel eines Ringes angegeben, der von den
eingetragenen Eigenschaften genau diejenigen hat, die durch aufsteigende Wege erreichbar sind.
ZN
KUR
@
@
Z2 N
BER
IB
@
@
Z2 2
HIR
√
Z[ −5]
@
@
ZPE
@
Z[x]
@
@
@
@
@
@
@
@
@
@
HIB
√
Z[ −19]
EUR
Z
√
Dass Z[ −19] ein Hauptidealring, aber kein euklidischer Ring ist, können wir hier nicht zeigen.
√
Dass Z[ −5] kein Bézout-Ring ist, sieht man folgendermaßen:
√
3.6.9 Beispiel. (Ein Ideal in Z[ −5], das kein Hauptideal ist)
√
√
Sei δ = −5 = ı 5. Im Ring R = Z[δ] sind die irreduziblen Elemente 2 und 1+δ nicht assoziiert
und besitzen daher den ggT 1. Sie erzeugen ein Ideal 2R+(1+δ)R, das kein Hauptideal ist: sonst
würde dieses Ideal von 1 erzeugt; aber aus 1 = 2(a + bδ) + (1 + δ)(c + dδ) folgt 1 = 2a + c − 5d
und 2b + c + d = 0, also 1 = 2a + c + 5(2b + c) = 2a + 10b + 6c, was für a, b, c ∈ Z nicht geht.
Die Elemente 6 und 2 + 2δ haben keinen ggT: Ist t = a + bδ ein Teiler von 6 und 2 + 2δ,
so ist N (t) = t t = a2 + 5b2 ein Teiler von N (6) = 36 und N (2 + 2δ) = 24, also von 12;
da N (t) = 2, 3, 12 nicht möglich ist, kommt nur N (t) = 1, t = ±1, N (t) = 4, t = ±2, oder
N (t) = 6, t = ±1±δ in Frage. Die gemeinsamen Teiler von 6 und 2+2δ sind also ±1, ±2, ±1±δ,
und keiner ist ein Vielfaches aller anderen Teiler. Entsprechend haben 2 und 1 + δ kein kgV.
KAPITEL 3. RINGE
62
Anhang: Zerlegungen in faktoriellen Ringen
Abschließend präzisieren wir noch die für ganze Zahlen bekannte Beschreibung von Primfaktorzerlegungen sowie von kgV und ggT in ZPE-Ringen (Beweis fast wörtlich wie für Z):
3.6.10 Satz. (Hauptsatz über die Primfaktorzerlegung in faktoriellen Ringen)
Es sei R ein faktorieller Ring (z.B. ein euklidischer Ring oder ein Hauptidealring) und P ein
Vertretersystem für die Äquivalenzklassen der Primelemente bezüglich Assoziiertheit ∼ Jedes
Element von R ist also zu genau einem Element von P assoziiert. Dann ist die Menge P aller
Q
Produkte von Elementen aus P (inklusive 1 = Ø) ein Vertretersystem der Elemente von R
bezüglich Assosziiertheit. Weiter gibt es eindeutige Abbildungen
[P ]
υ : R∗ −→ E(R) und ν : R∗ −→ N0
= {(np | p ∈ P ) ∈ N0P | {p ∈ P | np 6= 0} endlich },
so dass jedes a ∈ R∗ folgende Primfaktorzerlegung hat:
a = υ(a)
Q
p∈P
p ν(a)p (mit
Q
p∈Q p
0
= 1 für Q ⊆ P ).
Die „p-adischen Bewertungen” νp mit νp (a) = ν(a)p erfüllen für beliebige a, b ∈ R∗ :
νp (a · b) = νp (a) + νp (b),
νp (kgV(a, b)) = max(νp (a), νp (b)), νp (ggT(a, b)) = min (νp (a), νp (b)).
Die Abbildung
[P ]
νe : R∗/∼ −→ N0 , ∼ a 7−→ ν(a)
[P ]
ist ein wohldefinierter Isomorphismus zwischen den beiden Monoiden (R∗/∼ , ·) und (N0 , +),
[P ]
aber auch zwischen den Verbänden (R∗/∼ , kgV, ggT) und (N0 , max, min).
Die p-adischen Bewertungen erleichtern also erheblich die Berechnung von Produkten, kgV
und ggT, da sie wie Logarithmen funktionieren. Für k, m, n ∈ N0 gelten die Gleichungen
m + n = max(m, n) + min(m, n),
max(m, n) + k = max(m + k, n + k), min(m, n) + k = min(m + k, n + k).
3.6.11 Folgerung. (Zusammenhang zwischen Produkt, kgV und ggT)
In jedem faktoriellen Ring gilt für beliebige Elemente a, b, c ∈ R∗ :
a · b = kgV(a, b) · ggT(a, b),
kgV(a, b) c = kgV(ac, bc), ggT(a, b) c = ggT(ac, bc).
Diese „Gleichungen” sind natürlich wieder nur „bis auf Assoziiertheit” zu verstehen.
[P ]
Für jede abzählbar unendliche Menge P ist N0 nicht nur als Monoid (mit komponentenweiser
[P]
Addition), sondern auch als Verband (mit max und min) isomorph zu N0 und damit zu N
(mit Multiplikation bzw. kgV und ggT). Wir gelangen damit zu einem überraschenden Schluss:
3.6.12 Folgerung. (Multiplikative Monoide abzählbarer faktorieller Ringe)
Sei P ein abzählbar unendliches Vertretersystem der Primelemente eines faktoriellen Ringes R.
Dann sind R∗/∼ und das multiplikative Monoid P aller Produkte von Elementen aus P beide
zum Monoid (N, ·), aber auch als Verbände zum Teilerverband (N0 , kgV, ggT) isomorph.
√
√
Dies trifft zum Beispiel für jeden der Ringe Z, Z[x], Z[ ı ], Z[ −2], aber nicht für Z[ −5] zu.
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