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Juni 2016
Makroökonomische
Einblicke vom PIMCO
Global Advisory Board
Im Mai 2016 tagte das Global Advisory Board (GAB)
von PIMCO in Newport Beach, um die weltweiten
wirtschaftlichen Trends zu beurteilen und die eigenen
Einschätzungen erstmals auch mit den Anlageexperten
von PIMCO bei unserem jährlichen Secular Forum zu
erörtern. Richard Clarida, Global Strategic Advisor
bei PIMCO, spricht über die Rolle des GAB und dessen
Beitrag zu unserem Forums-Prozess. Nachfolgend
präsentieren wir Ihnen die Höhepunkte der Sitzung
des GAB in einem Frage-und-Antwort-Format. Libby
Cantrill, Head of Public Policy bei PIMCO, ermöglichte
die Diskussion. Die GAB-Mitglieder Dr. Ben Bernanke,
ehemaliger Vorsitzender der US-Notenbank, Dr.
Gordon Brown, ehemaliger britischer Premierminister
und ehemaliger britischer Finanzminister, sowie Ng
Kok Song, ehemaliger Chief Investment Officer der
Government of Singapore Investment Corporation,
nahmen an der Sitzung des GAB und dem
Anlageforum teil.
GLOBAL ADVISORY BOARD
Der Anlageprozess von PIMCO ist
so konzipiert, dass neue Ideen und
unterschiedliche Sichtweisen gefördert
werden. Dazu laden wir unter anderem
externe Experten ein, uns an ihren
Erkenntnissen teilhaben zu lassen und uns
Denkanstöße zu geben, um unsere eigenen
Ansichten auf den Prüfstand zu stellen. Zu
diesen Experten zählen auch die Mitglieder
unseres Global Advisory Board, dem weltweit
renommierte Vordenker und Experten für
Makroökonomie sowie ehemalige politische
Entscheidungsträger angehören. Unter dem
Vorsitz des ehemaligen Vorsitzenden der
US-Notenbank Dr. Ben Bernanke kommt das
Global Advisory Board mehrmals pro Jahr in
der Niederlassung von PIMCO in Newport
Beach zusammen und leistet dabei wertvolle
Beiträge zu unseren Wirtschaftsforen.
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Richard Clarida
Global Strategic Advisor
Libby Cantrill
Executive Vice President
Head of Public Policy
Juni 2016 Global Advisory Board – Fragen und Antworten
Richard Clarida: Wir veranstalten vier Anlageforen pro Jahr: drei
Cyclical Forums und jeweils im Mai das Secular Forum, bei dem wir
den Fokus auf die wesentlichen langfristigen Kräfte legen, die sich in
den nächsten drei bis fünf Jahren maßgeblich auf die Geld- und
Fiskalpolitik, die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte
auswirken werden.
Die Teilnahme des Global Advisory Board von PIMCO am Secular Forum erwies
sich als sehr wertvoll – wenngleich der Vorsitzende Dr. Bernanke bereits zuvor
teilgenommen hatte und Dr. Brown schon früher als Gastredner aufgetreten war.
Doch diesmal waren die GAB-Mitglieder erstmals formal in den Secular-ForumProzess eingebunden. Dem GAB gehören weltweit renommierte Vordenker und
Experten für Makroökonomie sowie ehemalige politische Entscheidungsträger an,
die PIMCO an ihren Erkenntnissen zu den weltweiten wirtschaftlichen, politischen
und strategischen Entwicklungen sowie zu deren Relevanz für die Finanzmärkte
teilhaben lassen.
Das Global Advisory Board tagte hinter verschlossenen Türen und stieß
anschließend zu unserem Forum, bei dem sich eine lebhafte, themenreiche
Diskussion entwickelte. Zwar nahmen nicht alle Mitglieder des GAB an den
Sitzungen teil, doch der Vorsitzende Bernanke, der frühere Premierminister
Brown und Herr Ng referierten ausführlich über die weltweit wichtigsten
Volkswirtschaften und beteiligten sich aktiv an der allgemeinen Diskussion über
die sich daraus ergebenden makroökonomischen Fragen. Die Expertise und die
Erkenntnisse der GAB-Mitglieder fließen in unseren Secular Outlook ein und
leisten einen wertvollen Beitrag zu unserem Anlageprozess.
Höhepunkte der Sitzung des Global
Advisory Board im Mai 2016
Libby Cantrill: Beginnen wir mit einem Überblick über die
Entwicklungen in China, die in den nächsten Jahren sehr bedeutsam
für die Weltwirtschaft sein werden. Wie sind Chinas Aussichten über
den langfristigen Horizont von drei bis fünf Jahren? Und wie groß ist
das Risiko einer „harten Landung“?
GAB-Mitglieder: China steht weiterhin vor der Herausforderung, den Übergang
von einem Wachstumsmodell, das auf der Schwerindustrie, dem Baugewerbe und
den Exporten basiert, zu einer Wirtschaft bewerkstelligen zu müssen, die den
Schwerpunkt auf die Konsumausgaben und den Dienstleistungssektor legt.
Gelingt dieser Übergang, dürfte China gut positioniert sein, um über den
langfristigen Horizont ein BIP-Wachstum im Bereich von 5,5% bis 6,5% pro Jahr
zu erreichen. Das Wachstum wäre dann zwar schwächer, aber auch nachhaltiger
als im abgelaufenen Jahrzehnt.
Die politische Führung ist sich der Notwendigkeit von Reformen bewusst, und
China verfügt über beträchtliche Mittel, um diesen Prozess reibungslos zu gestalten:
Zum Beispiel sind die ausstehenden Schulden der Zentralregierung mit rund 40%
des BIP relativ niedrig, die Devisenreserven hingegen nach wie vor hoch.
Juni 2016 Global Advisory Board – Fragen und Antworten
Das heißt allerdings nicht, dass China
nicht vor bedeutenden
Herausforderungen steht. Dazu zählen
unter anderem die Sicherung der
politischen Unterstützung für weitere
Reformen, die Bewältigung des
Schuldenanstiegs des Landes und der
Umgang mit einem ungewissen
externen Umfeld.
Eine harte Landung ist zwar nicht das
Basisszenario des GAB für China,
könnte aber dennoch eintreten, falls der
Reformprozess ins Stocken gerät. Dieses
Extremrisiko könnte zu einem
markanten Anstieg der
Uneinigkeit im Land und einer starken
Verlangsamung des Wachstums führen.
Die Realisierung der nötigen
Reformen ist eine technisch
anspruchsvolle Aufgabe, doch die
größten potenziellen Hürden für diese
Reformen sind politischer Natur.
Beispielsweise wird die Verschiebung
von Mitteln aus der Schwerindustrie in
den Dienstleistungssektor bei
staatlichen Unternehmen und jenen
Regionen, die von der Kohle- und
Stahlproduktion abhängig sind, auf
Widerstand stoßen und könnte zu weit
verbreiteten sozialen Unruhen führen.
Nach Ansicht einiger
Regierungsvertreter sollte die
kurzfristige Stabilität (zum Beispiel
durch weitere Konjunkturprogramme)
höhere Priorität haben als
Strukturreformen, die auf eher
langfristige Ergebnisse abzielen.
Staatspräsident Xi Jinping hat sich für
weitere Reformen ausgesprochen, da
sie die beste Möglichkeit für China
seien, die „Falle der mittleren
Einkommen“ zu umgehen – also die
Tendenz vieler Entwicklungsländer,
zunächst ein Plateau auszubilden, ehe
das Pro-Kopf-Einkommen weiter
steigt. Vorerst wurden die Reformen
aber möglicherweise teilweise auf Eis
gelegt, da sich Staatspräsident Xi auf
den wichtigen Kongress im Oktober
2017 vorbereitet, bei dem er seine
Macht festigen möchte.
Cantrill: Welche Risiken ergeben sich
aus dem Schuldenanstieg
in China?
GAB-Mitglieder: Die Schulden sind in
China in der Tat stark gestiegen, vor
allem jene von Unternehmen und
lokalen Verwaltungen. Der massive
Schuldenanstieg spiegelt zum Teil die
Praxis der chinesischen Regierung
wider, die gelenkte Zuteilung von
Krediten, besonders von Bankkrediten,
als entwicklungspolitisches Instrument
und als Ersatz für direkte
Staatsausgaben zu nutzen.
Da viele staatliche Unternehmen nun
Verluste erwirtschaften und der
Infrastruktur- und Wohnungsbau in
einigen Teilen des Landes stark
überhitzt ist, überrascht es nicht, dass
ein Teil dieser Schulden von
zweifelhafter Qualität ist. Die
Schuldenprobleme sind zu einem
großen Teil die finanzielle
Manifestation des traditionellen
Wachstumsmodells, das seine Grenzen
erreicht hat.
Die fiskalischen Möglichkeiten von
Chinas Zentralregierung tragen dazu
bei, die mit diesem Schuldenanstieg
verbundenen Risiken zu mildern.
Zudem lauten die meisten Schulden
nicht auf US-Dollar oder andere
Fremdwährungen, sondern auf Yuan,
sodass ein großer Teil durch chinesische
Sparer statt durch ausländische
Investoren finanziert wird. Die
Anfälligkeit für Schocks ist daher
geringer. Chinas
Leistungsbilanzüberschuss ist nach wie
vor sehr hoch (das Land ist also ein
Nettoexporteur von Ersparnissen). Da
die Regierung vermutlich hinter den
Banken steht, mutet das Risiko einer
kurzfristigen, durch Fremdkapital
ausgelösten Finanzkrise daher eher
gering an. Dennoch ist ein umsichtiges
Schuldenmanagement notwendig,
damit potenzielle Verluste geordnet
aufgefangen werden können.
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MITGLIEDER DES GLOBAL
ADVISORY BOARD
Ben Bernanke
Vorsitzender des Board, ehemaliger
Vorsitzender der US-Notenbank und
Distinguished Fellow der Brookings Institution
Gordon Brown
Ehemaliger britischer Premierminister
und Finanzminister
Ng Kok Song
Ehemaliger Chief Investment Officer des
Staatsfonds Government of Singapore
Investment Corporation (GIC)
Anne-Marie Slaughter
President und CEO von New America, Bert G.
Kerstetter ’66 University Professor Emerita für
Politik und internationale Angelegenheiten der
Princeton University und ehemalige Director of
Policy Planning im US-Außenministerium
Jean-Claude Trichet
Ehemaliger Präsident der Europäischen
Zentralbank und derzeitiger Vorsitzender der
Europa-Fraktion der Trilateralen Kommission
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Juni 2016 Global Advisory Board – Fragen und Antworten
Cantrill: Wie sind die Aussichten für
Chinas Währung und für die
Beziehungen zwischen den USA
und China?
dass der Präsidentschaftswahlkampf
und der Wahlausgang in den USA zu
mehr Protektionismus und Chinakritischen Kommentaren
führen könnten.
GAB-Mitglieder: Was den Yuan
betrifft, dürfte China das kontrollierte
Floating des Wechselkurses beibehalten
und eine starke Abwertung oder
ungeordnete Bewegungen verhindern
können, wenn das Land den
Reformkurs weiterverfolgt und das
Wachstum, wie in der Basisprognose
angenommen, auf ein nachhaltiges
Niveau nachgibt. In der Tat hat der
Druck auf die Währung und Chinas
Devisenreserven seit dem G20-Treffen
im Februar in Shanghai nachgelassen.
Dort hatten die Vertreter Chinas
deutlich zum Ausdruck gebracht,
größere Wechselkursausschläge
verhindern zu wollen.
Über den langfristigen Horizont wird
die Stabilität der Währung vor allem
davon abhängen, ob es der Regierung
gelingt, Reformen durchzudrücken und
ein moderates Wachstum zu erreichen.
Im Extremrisiko-Szenario einer harten
Landung, bei dem die Reformen
fehlschlagen, könnte ein
Vertrauensverlust unter chinesischen
Sparern und ausländischen Investoren
zu hohen Kapitalabflüssen und starkem
Abwärtsdruck auf den Yuan führen.
Die Entwicklungen in den USA in den
nächsten Jahren werden für die
Aussichten für China, unter anderem
für die Währung des Landes, sehr
bedeutsam sein. Auf relativ kurze Sicht
werden sich die Entscheidungen der
US-Notenbank in Bezug auf das Tempo
der Erhöhung der US-Zinsen auf die
weltweiten Finanzbedingungen
auswirken. Dies könnte wiederum
China das Währungsmanagement
erleichtern oder auch erschweren und
Chinas Wachstumsaussichten
beeinflussen. Noch bedeutender ist aber,
Die militärischen und diplomatischen
Beziehungen zwischen den
Supermächten werden durch
wirtschaftliche Kommentare
beeinflusst. Nach Einschätzung des
GAB ist China zumindest kurzfristig
nicht daran interessiert, die USA auf
globaler Ebene militärisch
herauszufordern. Staatspräsident Xi hat
darauf hingewiesen, wie wichtig die
Lösung der „Thukydides-Frage“ ist, also
des Problems, wie aufstrebende Mächte
– wie China – ohne militärischen
Konflikt in das Weltsystem
eingegliedert werden können. China ist
außerdem zur Kooperation über die
G20-Gruppe entschlossen, in der das
Land aktuell den Vorsitz hat. Zugleich
will das Land seine Führungsrolle in
der Region festigen, und falls die
Regierung an politischer Unterstützung
verliert, könnte sie versucht sein, an
den Nationalismus des Volkes
zu appellieren.
Cantrill: Kommen wir nun zu den
Aussichten für die Zentralbanken
und die Geldpolitik. Zunächst zu den
USA: Wie dürfte sich die Politik der
US-Notenbank über den
langfristigen Horizont entwickeln?
GAB-Mitglieder: Die US-Notenbank
(Fed) muss mit ihrer Politik natürlich
auf die Entwicklungen in der
US-Wirtschaft reagieren. Das
Basisszenario des GAB für die USA
geht von einer anhaltenden, moderaten
Erholung aus, die von den
Konsumausgaben und steigenden
Wohnbauinvestitionen angetrieben,
von den negativen Effekten der
weltweiten Schwäche und des starken
US-Dollars auf die US-Exporte aber
bis zu einem gewissen Grade gebremst
wird. Ein Aspekt der Erholung, der
enttäuscht hat, ist vor allem der
langsame Anstieg der
Arbeitsproduktivität, der zu einem
realen BIP-Wachstum von
durchschnittlich nur rund 2% während
der Erholung geführt hat – trotz
Millionen neu geschaffener Stellen.
Die Reaktion der Fed auf diese
wirtschaftlichen Bedingungen kann
wiederum mithilfe von zwei
konzeptionellen Säulen gedeutet
werden. Die erste ist die klassische
Phillips-Kurve. Sie besagt, dass die
Inflation durch die
Inflationserwartungen der
Öffentlichkeit und die
„Überkapazitäten“ in der Wirtschaft
bestimmt wird, die zum Beispiel durch
die Arbeitslosenquote und andere
Kennzahlen für den
Arbeitskräfteeinsatz gemessen werden.
Solange die Inflationserwartungen
einigermaßen stabil sind, wird nach
der Theorie der Phillips-Kurve eine
kontinuierliche Verbesserung der Lage
an den Arbeitsmärkten Aufwärtsdruck
auf die Löhne und Preise ausüben,
sodass die Inflation in Richtung des
2%-Ziels der Fed steigt. Dies impliziert
letztlich, dass Zinserhöhungen
erforderlich sein werden, um einen
zu starken Inflationsanstieg
zu verhindern.
Die zweite Säule ist die
Risikomanagementstrategie der Fed
oder ihre Pläne für den Umgang mit
positiven oder negativen
Extremereignissen. Sorgen bereiten
den Entscheidungsträgern in der Fed
vor allem die Abwärtsrisiken, also die
Gefahr, dass die Konjunktur schwächer
ist als erwartet; da die Fed auf einen
Abschwung kaum reagieren kann,
liegen die Zinssätze doch bereits bei
rund 0%. Die Sorge über die
Abwärtsrisiken, vor allem jene, die
vom Ausland ausgehen, bewog den
Juni 2016 Global Advisory Board – Fragen und Antworten
US-Offenmarktausschuss (FOMC), die
für den vergangenen Herbst geplante
Zinserhöhung zu verschieben und
Anfang dieses Jahres eine moderate
Haltung einzunehmen. Doch die
Entscheidungsträger müssen auch das
Aufwärtsrisiko im Blick behalten, dass
das Wachstum und mithin die
Inflation stärker ausfallen als erwartet,
worauf sie reagieren müssten. Über
den langfristigen Horizont sind im
Großen und Ganzen die
Entwicklungen in der Wirtschaft
maßgeblich für die Politik der Fed,
wobei das Risikomanagement in erster
Linie das Timing von geldpolitischen
Maßnahmen betrifft.
Insgesamt erwarten wir, dass die Fed,
wenn sich die Wirtschaft über den
langfristigen Horizont gemäß unserem
Basisszenario entwickelt, die
kurzfristigen Zinssätze ganz allmählich
anheben und die Wirkung jedes
Zinsschritts genau beurteilen wird, ehe
sie fortfährt. Das langsame
Erhöhungstempo wird die Folge
sowohl des Managements der
Abwärtsrisiken als auch des Umstands
sein, dass der endgültige
US-Tagesgeldsatz entsprechend
PIMCOs These von der Neuen
Neutralität wahrscheinlich recht
niedrig sein wird.
Der FOMC scheint noch nicht
abschließend entschieden zu haben, ob
er die Bilanz der Fed (Bestände an
US-Treasuries und Mortgage-Backed
Securities) etwa auf dem aktuellen
Niveau belässt oder vielleicht leicht
reduziert. Entgegen früheren
Äußerungen erscheint es möglich, dass
die Bilanz für unbestimmte Zeit so
hoch bleiben darf wie aktuell – ähnlich
den meisten anderen großen
Zentralbanken. Falls die Fed aber
beschließt, ihre Bilanz zu reduzieren,
würde auch das nur ganz allmählich
geschehen und auch erst dann, wenn
die Anhebung der kurzfristigen Zinsen
in vollem Gange ist.
Cantrill: Wie würde die Fed bei
einem erneuten
Konjunkturabschwung reagieren?
GAB-Mitglieder: Das Basisszenario
des GAB geht von einer anhaltenden,
moderaten US-Erholung aus, und es
bestehen keine offenkundigen
Ungleichgewichte, die das Wachstum
gefährden. Allerdings gibt es durchaus
Abwärtsrisiken, darunter jene, die aus
den weltweit schwachen
wirtschaftlichen und finanziellen
Bedingungen resultieren. Der
Wirtschaft könnten neue Schocks
drohen, oder die Erholung könnte
stärker vom Fortbestand der sehr
niedrigen Zinssätze abhängen
als erwartet.
Die Fed verfügt über Instrumente, die
sie einsetzen könnte, um gegen einen
Abschwung vorzugehen. Abgesehen
vom verfügbaren Spielraum für
weitere Senkungen der kurzfristigen
Zinsen könnte die Fed das Instrument
der Steuerung der Erwartungen –
qualitative oder quantitative Zusagen,
die Zinssätze eine Zeit lang niedrig zu
lassen („Forward Guidance“) – wieder
einführen, die Laufzeiten in ihrem
Portfolio verlängern – wie bei der
„Operation Twist“ –, die Quantitative
Lockerung – Kauf von
Vermögenswerten – wiederbeleben
oder eventuell eine Kopplung der
mittelfristigen Zinssätze erwägen.
Negative Zinssätze oder das
sogenannte „Helikoptergeld“ halten
wir für unwahrscheinlich.
Die Fed hat ihr Pulver zwar noch nicht
verschossen, doch das ihr zur
Verfügung stehende Arsenal würde
nicht ausreichen, um einen starken
Abschwung zu verhindern. Eine
Kombination von geld- und
fiskalpolitischen Maßnahmen wäre in
diesem Fall wirksamer. Zudem kann
die Geldpolitik keinen Einfluss auf
jene Faktoren nehmen, die das
langfristige Wachstum bestimmen,
etwa die Produktivität und die
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demografische Entwicklung. Fiskalund strukturelle wirtschaftspolitische
Maßnahmen zur Förderung
längerfristigen Wachstums müssen
höhere Priorität haben, sowohl in den
USA als auch in anderen
Industrieländern.
Cantrill: Wie stellt sich ganz generell
der Ausblick des GAB für andere
führende Zentralbanken und
Volkswirtschaften dar? Und wie
lautet seine Einschätzung zur
erwarteten langfristigen
Zinsentwicklung?
GAB-Mitglieder: Die Europäische
Zentralbank (EZB) hat ihre expansive
Politik aggressiv verfolgt, und das nicht
ohne Erfolg, hat sich das Wachstum in
Europa doch in der Tat leicht verstärkt.
Angesichts der mittelfristigen
Inflationserwartungen von immer noch
deutlich unter 2% und des wachsenden
öffentlichen Unbehagens über die
negativen Zinssätze testet die EZB nun
jedoch die Grenzen der Geldpolitik aus.
Wie die EZB hat auch die Bank of Japan
(BOJ) Mühe, ihr Inflationsziel zu
erreichen, und geht in der Geldpolitik
bis an ihre Grenzen. Ihr Experiment mit
negativen Zinssätzen hat sich als
unpopulär erwiesen und zu
Unstimmigkeiten innerhalb der BOJ
geführt. In Japan stützt die Regierung
die Zentralbank jedoch mehr als
in Europa.
Das Vereinigte Königreich erlebt eine
ähnliche Erholung wie die USA, jedoch
bleibt die Bank of England (BOE) recht
vorsichtig. Aktuell hält sich die BOE im
Vorfeld des Referendums über einen
möglichen Austritt des Vereinigten
Königreichs aus der Europäischen
Union („Brexit“) am 23. Juni zurück. Es
ist nicht ganz klar, wie sich ein Ja zum
Brexit auf die britische Geldpolitik
auswirken würde; wahrscheinlich
würde ein solches Votum einen
weiteren Konjunkturabschwung
auslösen. Dies würde für eine
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Juni 2016 Global Advisory Board – Fragen und Antworten
Zinssenkung sprechen, die inflatorische
Wirkung eines schwächeren Britischen
Pfunds indes für das Gegenteil. Die
BOE dürfte eine abwartende
Strategie verfolgen.
Drittens dürfte die Fiskalpolitik in den
USA, Kanada und Japan ein wenig
expansiver werden – vielleicht sogar
auch in Europa, da die schlimmste
Phase der Sparpolitik nun vorüber ist
und durch die Finanzmittel für die
Aufnahme der hohen Zahl von
Flüchtlingen die Staatsausgaben in
einigen Ländern steigen.
Über den langfristigen Horizont
betrachtet lauten die zentralen Fragen,
ob sich die bisherigen Maßnahmen der
Zentralbanken als ausreichend erweisen
und, falls nicht, inwieweit andere
Entscheidungsträger bereit sein werden,
Unterstützung zu bieten.
Was die globalen Zinsaussichten
betrifft, dürfte das Niedrigzinsumfeld
über den langfristigen Horizont
bestehen bleiben. Zu den Faktoren, die
zu niedrigen längerfristigen Renditen
beitragen, zählen die niedrige
Inflation, die niedrigen
Wirtschaftswachstumsraten, die
Folgen der alternden
Erwerbsbevölkerung und der
langsamen Produktivitätszuwächse,
die weltweit hohe Sparquote, die
historisch niedrigen Risikoprämien bei
Staatsanleihen sowie die starke
Nachfrage nach „sicheren“ und
liquiden Anlagen wie
US-Staatspapieren.
Die längerfristigen Zinsen werden nach
historischen Maßstäben zwar niedrig
bleiben, doch einige Faktoren deuten
auf leichte Aufwärtsrisiken für die
Renditen über den langfristigen
Horizont hin:
Erstens dürfte die Inflation in den USA
leicht ansteigen, sofern eine Rezession
ausbleibt. Dabei könnte eine moderate
Fed mittelfristig eher zu höheren als zu
niedrigeren Zinssätzen führen.
Zweitens dürfte sich das
Produktivitätswachstum in den USA,
das derzeit sogar unter den
pessimistischsten längerfristigen
Prognosen liegt, verbessern, zumal die
Auswirkungen der globalen Finanzkrise
– auf die Investitionsausgaben, die
Forschung und Entwicklung und die
Unternehmensgründungen –
schwächer werden.
Viertens scheint die globale Sparwut
leicht abzuflauen, da Chinas
Leistungsbilanzüberschuss schrumpft
und die Ölproduzenten sich auf die
niedrigen Energiepreise einstellen.
Schließlich sind die Laufzeitprämien
von Staatsanleihen im historischen
Vergleich niedrig und könnten auf
normalere Niveaus zurückkehren. Wird
zum Beispiel das Deflationsrisiko als
rückläufig wahrgenommen, werden
Staatsanleihen einen geringeren Nutzen
als Absicherungsinstrumente haben,
sodass die Renditen steigen.
Cantrill: Kommen wir nun zu den
geopolitischen Faktoren. Welchen
Einfluss dürften sie über den
langfristigen Horizont auf die
Weltwirtschaft haben? Und welche
Auswirkungen würde ein Ja zum
Brexit haben?
GAB-Mitglieder: In den
Industrieländern, besonders in
Europa, dem Vereinigten Königreich
und den USA, ist das Erstarken des
Populismus der wohl auffälligste
Trend. Was dies in letzter Konsequenz
bedeutet, ist zwar unklar, doch birgt
eine populistische Politik über den
langfristigen Horizont Risiken für das
Wachstum und die Stabilität, vielleicht
vor allem durch die bremsende
Wirkung auf die wirtschaftliche
Integration, die Globalisierung und
den internationalen Handel.
Die Kräfte, die den Trend zum
Populismus unterstützen – zum
Beispiel wachsende Ungleichheit,
Misstrauen gegenüber den Eliten oder
Nationalismus –, dürften nicht allzu
bald an Bedeutung verlieren.
Allerdings haben populistische
Politiker es noch nicht an die Spitze
der wichtigsten Länder geschafft,
wenngleich die Nominierung von
Donald Trump als
Präsidentschaftskandidat der
Republikaner eine bemerkenswerte
Entwicklung ist. Auch konnten
populistische Parteien noch in keinem
dieser Länder die Regierungsmehrheit
erringen. Dennoch können sie
erheblichen Einfluss auf die Politik und
die politischen Verhältnisse haben.
Als Mitte Mai die Sitzung des GAB
stattfand, schienen die britischen
Wähler, die für einen Verbleib in der
Europäischen Union (EU) sind, leicht
in der Mehrheit zu sein. Falls die
Befürworter eines EU-Austritts
gewinnen, würden die wirtschaftlichen
Folgen überwiegend negativ sein. Die
Unsicherheit rund um den Ausgang
des Referendums hat bereits zu einem
Rückgang der Investitionsausgaben
und des Wachstums im Land sowie zur
Abwertung des Britischen Pfunds
beigetragen. Ein Ja zum EU-Austritt
würde zudem die Aussichten für die
britischen Handelsbeziehungen und
für wichtige Zweige der britischen
Wirtschaft wie das Finanzwesen stark
trüben. Das Vereinigte Königreich
könnte zwar neue Verträge mit der EU
aushandeln, doch unter dem Strich
würde sich seine Position im Vergleich
zu heute wohl verschlechtern.
Auch die EU würde bei einem Austritt
der Briten negative wirtschaftliche
Folgen spüren, und die Besorgnis über
weitere mögliche Austritte würde
wachsen. Die verschiedenen
Unsicherheitsfaktoren im
Zusammenhang mit einem Votum
für den Austritt dürften massive
negative Auswirkungen auf die
globalen Finanzmärkte haben,
jedenfalls kurzfristig.
Juni 2016 Global Advisory Board – Fragen und Antworten
Ob die Eurozone über den
langfristigen Horizont intakt bleiben
wird, dürfte aber zu bejahen sein. Das
politische Verlangen, die Eurozone
zusammenzuhalten, um den Frieden
und die Zusammenarbeit auf dem
Kontinent zu fördern, ist groß, trotz
der bestehenden Fliehkräfte.
Das größere langfristige Risiko ist, dass
Europa sich in wirtschaftlicher
Hinsicht weiter „durchwurschteln“
wird – oder Schlimmeres. Viele
Fundamentaldaten sind schlecht: Die
negative demografische Entwicklung,
das schleppende
Produktivitätswachstum, die hohe
strukturelle Arbeitslosigkeit, der
geringe politische Zusammenhalt und
der durch die Populisten befeuerte
Widerstand gegen die Globalisierung
und die wirtschaftliche Integration
werden das Wachstum hemmen. Der
Zustrom von Migranten wird eher
anwachsen, was dem Populismus,
Nativismus und Protektionismus
Zulauf bescheren wird. Es gibt
vielleicht an paar Lichtblicke: Der hohe
Leistungsbilanzüberschuss des
Euroraums signalisiert einen gewissen
makroökonomischen
Handlungsspielraum, durch die
Staatsschuldenkrise wurden in einigen
Ländern dringend nötige
Strukturreformen umgesetzt, und die
Zuwanderung könnte letztlich für
etwas zusätzliches Wachstum sorgen.
„Ob die Eurozone über
den langfristigen
Horizont intakt
bleiben wird, dürfte
zu bejahen sein.“
Cantrill: Wie beurteilt der GAB
schließlich die Aussichten für die
Schwellenländer, abgesehen von
China, und für die Zukunft der
Ölpreise und der Ölförderung?
GAB-Mitglieder: Populismus ist auch
in Schwellenländern ein bedeutender
Faktor. Der Lebensstandard dort ist
zwar gestiegen, die Erwartungen sind
es aber auch, angetrieben von
Kommunikationstechnologien, mit
deren Hilfe die Menschen in den
Emerging Markets sehen können, wie
die Menschen in den Industrieländern
leben. Wenn die Erwartungen steigen,
wächst durch die staatliche Korruption
und Inkompetenz und durch den
Mangel an umfassender Bildung und
guten öffentlichen Dienstleistungen
die Enttäuschung der Menschen. Hohe
Erwartungen können wirtschaftlich
positiv sein, wenn sie zu einer besseren
Leistung von Regierungen und
Verwaltungen führen; sie können
aber auch zu einer kurzsichtigen
Politik führen.
Die tatsächliche Wirtschaftsleistung
und die Aussichten variieren erheblich
von Schwellenland zu Schwellenland.
Die Emerging Marktes unterscheiden
sich im Hinblick auf ihre Politik und
ihre politischen Verhältnisse, in ihren
Rollen als Rohstoffproduzenten und
-verbraucher und in ihrer Haltung
gegenüber Reformen. Zu den
robusteren Schwellenländern zählen
Indien, Korea, Taiwan, Mexiko und
sogar Argentinien. Trotz der
bedeutenden Unterschiede zwischen
den aufstrebenden Staaten gibt es auch
gemeinsame Risikofaktoren, von
denen sich einige über den
langfristigen Horizont positiver
darstellen könnten. Vor allem ein
anhaltendes Wachstum in China und
moderat höhere Rohstoffpreise, von
denen wir in unserem Basisszenario
ausgehen, würden den
Schwellenländern als Gruppe helfen.
Der US-Dollar ist seit dem vorigen
Herbst relativ stabil, was den
finanziellen Druck mindert.
7
Natürlich ist die Lage in vielen
Ländern auch durchaus prekär,
unter anderem in Russland, Brasilien
und mehreren Ländern im Nahen
Osten, die unter Kriegen oder
Kriegsgefahr leiden.
Beim Öl deuten kurzfristige Faktoren,
darunter der Rückgang der
Ölförderung in den USA, auf einen
leichten Anstieg der Ölpreise von den
aktuellen Niveaus hin. Über den
langfristigen Horizont dürften die
Ölpreise aber niedrig bleiben. SaudiArabien dürfte die Produktion hoch
halten, und auf der Nachfrageseite
dürften die Besorgnis über den
Klimawandel und neue Technologien
den Ölverbrauch leicht drosseln,
wenigstens in den Industrieländern.
Die stets latente Möglichkeit politischer
Unruhen oder Umstürze im Nahen
Osten ist das wichtigste Extremrisiko
für das freundlichere Szenario.
Cantrill: Wir danken den
Mitgliedern des Global Advisory
Board von PIMCO, dass sie ihre
Einschätzungen mit uns geteilt und
sich in unsere Diskussion über die
wahrscheinlichen Entwicklungen
über den langfristigen Horizont
eingebracht haben.
Alle Investments enthalten Risiken und können an Wert verlieren. Anleger sollten vor einer Anlageentscheidung ihren
Anlageexperten konsultieren.
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