Page 1

Werbung
PRESSEMITTEILUNG____________________________________
Köln, 08. Mai 2009
Die Macht der Eiweißadressen
Wie sich Pflanzenparasiten ihren Wirt gefügig machen
Köln. Einige Pflanzenparasiten verwenden molekulare Postleitzahlen, um die
Eiweiße, mit denen sie den Wirt ausbeuten, an ihren Einsatzort zu dirigieren. Im
Gegensatz zu Bakterien spritzen sie die Proteine nicht in die Zelle, sondern
lotsen sie von spezialisierten Infektionsstrukturen aus direkt ans Ziel.
Nicht alle Parasiten richten ihre Wirtspflanze zugrunde. Viele können sich nur an
einer lebenden Zelle bedienen und möchten ihren Wirt auch nicht vorschnell wieder
los werden. Sie produzieren deshalb sogenannte Effektorproteine, mit denen sie die
Wirtspflanze gefügig machen ohne sie in den Untergang zu treiben. Für diese
Aufgabe müssen die Effektorproteine an die Schaltstellen der Wirtszelle gebracht
werden. Das geschieht über molekulare Postleitzahlen, die von Pflanzenparasit zu
Pflanzenparasit variieren und die eine gewisse Ähnlichkeit zu denen der Wirtspflanze
besitzen. Auf diesen Umstand haben Ralph Panstruga vom Max-Planck-Institut für
Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und sein Kollege Peter N. Dodds von der
Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation in Canberra in einem
Übersichtsartikel in der Zeitschrift Science hingewiesen (Bd. 324, S. 748-750). Die
molekularen Postleitzahlen entwickeln sich offenbar im engen Hin und Her zwischen
dem pflanzlichen Immunsystem und den Übernahmestrukturen des Pflanzenparasiten.
Sie sind demnach das Ergebnis einer evolutionären Koentwicklung.
Wie Panstruga und Dodds in ihrer Übersichtsarbeit weiter schreiben, wurden zwei
Gruppen von Erregern näher untersucht: Pilze, zu denen der echte Mehltau oder der
Erreger des Pflanzenrosts gehören und sogenannte Oomyceten oder Zellulosepilze, zu
denen der falsche Mehltau und die Kraut- und Knollenfäule gezählt werden. Bei
beiden Gruppen beginnt die Infektion damit, dass eine Spore auf der Pflanze auskeimt
und einen, aus nur einer einzigen Zelle bestehenden Pilzfaden in das Innere der
Wirtszelle treibt. Dieser einzellige Pilzfaden wird auch Haustorium genannt. In dieser
hochspezialisierten Zelle produziert der Pflanzenparasit alle zum Kapern der
Wirtszelle nötigen Effektorproteine und versieht sie mit der entsprechenden
Eiweißadresse. Mit dieser molekularen Postleitzahl im Schlepptau überwinden die
Effektorproteine die drei Barrieren, die das Innere des Haustoriums vom Inneren der
Wirtszelle trennen, und gelangen dorthin, von wo aus sie den Wirt gefügig machen
können. Die Postleitzahl funktioniert offensichtlich auch dann, wenn sie mit einem
gentechnischen Trick an ein beliebiges Protein gekoppelt wird und kein Haustorium
mehr in der Wirtszelle vorhanden ist. Panstruga dazu: „Diese Tatsache zeigt uns, dass
die weitere Ausstattung des Erregers nicht für die adressenabhängige Verteilung der
Effektorproteine notwendig ist. Das macht allein die Wirtszelle.“ Bemerkenswert ist
auch, dass der Erreger der Malaria, der zu den Sporentierchen gehört, die gleiche
molekulare Postleitzahl verwendet wie der Erreger des falschen Mehltaus und der
Kartoffelfäule, während Rostpilze und echter Mehltau andere Adressen verwenden.
Panstruga dazu: “Dieses Merkmal muss also während der Evolution sowohl von
Sporentierchen als auch von Zellulosepilzen entwickelt worden sein.“
Die mikroskopische Aufnahme zeigt verzweigte Pilzfäden (blau) des Mehltaupilzes auf
der Oberfäche eines Gersteblattes. Am oberen Rand der mittels einer speziellen
Technik grünlich eingefärbten Zelle in der Bildmitte ist eine Bonbon-förmige Struktur,
das pilzliche Haustorium, zu erkennen. Das Haustorium dient u.a. dem Ausschleusen
von Effektorproteinen in die pflanzliche Wirtszelle.
Bild: MPI für Pflanzenzüchtungsforschung
Die Pflanzenwissenschaftler äußern sich in ihrer Übersichtsarbeit auch dazu, wie die
Effektorproteine wirken könnten. Über die genauen Mechanismen ist noch wenig
bekannt. Einige könnten die pflanzliche Abwehr sabotieren oder blind für den
Parasiten machen, so dass er der Überwachung entgeht. Es ist auch denkbar, dass
einige Effektorproteine dafür sorgen, dass die Pflanzenzelle nicht in den
programmierten Zelltod getrieben wird. Normalerweise geht sie diesen Weg, um bei
einem Schadensfall den Rest der Pflanze zu schützen. Unklar ist auch, ob der
Pflanzenstoffwechsel direkt zur Versorgung des Parasiten herangezogen wird oder ob
der Parasit indirekt von der Schwächung der Pflanze profitiert. Auch über die genaue
Zahl der verschiedenen Effektorproteine ist wenig bekannt. Offensichtlich gibt es
einen großen Überschuss. Das ist zumindest das Bild, das man bekommt, wenn man
mit Erbgutschnipsel nach Proteinen mit typischen Eiweißadressen sucht. Die Zahl
gehe in die Hunderte, so Panstruga und Dodds. Viele seien vermutlich durch
Verdoppelung oder Weiterentwicklung aus einer gemeinsamen Vorstufe entstanden.
Sicher sei auch, dass nicht alle gleichzeitig zum Einsatz kommen, sondern in
verschiedenen Kompartimenten und zu verschiedenen Zeiten aktiv seien. Diese
komplizierte Choreographie zu verstehen, werde der nächste Schritt sein, so die
Wissenschaftler in ihrem Artikel. Dieses Wissen werde dann sowohl Auswirkungen
auf die Grundlagenforschung als auch auf die Pflanzenzüchtung haben.
Ansprechpartner:
Dr. Ralph Panstruga
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
Carl von Linné Weg 10
50829 Köln
Tel: +49-221-5062-316
[email protected]
Originalveröffentlichung:
Panstruga R., and Dodds P. N.:
Terrific protein traffic: The mystery of effector protein delivery by filamentous
plant pathogens.
Science 324: 748-750 (2009)
Herunterladen