Prof. Dr. H. W. Schuster Vorlesungsskript: Riemannsche Flächen

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Marcel Schuster
Prof. Dr. H. W. Schuster
Vorlesungsskript: Riemannsche Flächen
Schuster, Marcel:
Prof. Dr. H. W. Schuster
Vorlesungsskript: Riemannsche Flächen
Alle Rechte vorbehalten.
© 2005 Marcel Schuster
Tag des Druckes: 22. September 2005
III
Inhaltsverzeichnis
1
Hilfsmittel aus der Theorie der Banach-Räume
1
2
Riemannsche Flächen
7
3
Überlagerungen
13
4
Analytische Fortsetzung
4.1 Keime und Halme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
21
5
Algebraische Funktionen
5.1 Einschub: Diskriminanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
25
6
Differentialrechnung auf Riemannschen Flächen
6.1 2-Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Liften von 1-Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
33
34
7
Das Dolbeault-Lemma
35
8
Garbencohomologie
37
9
Der Satz von Riemann-Roch (1.Version)
9.1 Algebraische Beschreibung von H 1 (X, OD ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
49
10 Der Dualitätssatz von Serre
51
11 Die Riemann-Hurwitz-Formel, Weißerstraß-Punkte
11.1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2 Weierstraß-Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
57
59
A (Zufällig) Ausgewähle Übungsaufgaben
63
B A bisserl Algebra
65
C (Reichlich unvollständiger) Notationsindex
67
1
Kapitel 1
Hilfsmittel aus der Theorie der
Banach-Räume
Zunächst benötigen wir einige Bezeichnungen. Sei E = (E, k · k) ein normierter Raum über K ∈ {R, C}, und
BE := {x ∈ E : kxk ≤ 1} die abgeschlossene Einheitskugel. Für a ∈ E, r > 0 sei Ur (a) := {x ∈ E : kx −ak < r}.
Ein Untervektorraum E0 ⊂ E wird mit der induzierten Norm versehen. Ist F ebenfalls ein normierter Raum
über K, so wird die Menge aller stetigen Abbildungen zwischen diesen Räumen,
L (E, F) := {u ∈ HomK (E, F) | u ist stetig},
mit der Norm kuk := supx∈BE ku(x)k versehen. Weiterhin sei E ∗ := L (E, K).
Eine lineare Abbildung u : E → F wird als eine Isometrie bezeichnet, wenn ku(x)k = kxk für alle x ∈ E
ist. Es gelten folgende Aussagen:
1. Ist F ein Banach-Raum, dann ist auch L (E, F) ein Banach-Raum.
2. Ist dim E = n < ∞, so ist E ∼
= Kn wobei Kn durch k(x1 , . . . , xn )k := ∑ni=1 |xi | normiert ist. (Es kann aber
auch eine beliebige andere Norm herangezogen werden, die Räume sind schließlich alle isomorph.)
3. Ist E1 ⊂ E ein abgeschlossener Untervektorraum, p : E/E1 → R, x + E1 7→ infy∈E1 kx + yk, so ist E/E1
mit p ein normierter Raum. Die kanonische Projektion π : E → E/E1 , x 7→ x + E1 ist stetig linear und
offen (Hirzebruch und Scharlau 1991, S. 27). Ist E vollständig, so ist auch E/E1 vollständig (Hirzebruch
und Scharlau 1991, S. 27).
Satz 1.1 (Satz von Banach). Sind E und F Banach-Räume, sowie f ∈ L (E, F) bijektiv, so ist f offen.
Beweis. Siehe Hirzebruch und Scharlau (1991, Seite 38.)
Corollar 1.1. Ist f ∈ L (E, F) bijektiv, wobei E und F Banach-Räume sind, so ist f ein Isomorphismus.
Corollar 1.2. Es seien E und F Banach-Räume, die Abbildung f ∈ L (E, F) sei surjektiv. Dann gibt es eine
Konstante C > 0, so dass zu jedem y ∈ F ein x ∈ E existiert mit f (x) = y und kxk ≤ Ckyk.
Beweis. Da f nach Satz 1.1 offen ist, gibt es ein ε > 0 mit f (U1 (0)) ⊃ Uε (0). Setze C := ε2 . Sei 0 6= y ∈ F
y
(für y = 0 ist nichts zu zeigen). Dann ist y1 := Ckyk
∈ Uε (0). Also gibt es ein x1 ∈ U1 (0) mit f (x1 ) = y1 . Für
x := Ckyk · x1 gilt dann f (x) = y und kxk ≤ C · kyk, wie gewünscht.
Corollar 1.3. Sei f : E → F wie in Corollar 1.2. Dann ist f¯ : E/ ker f → F, x + ker f 7→ f (x) ein Isomorphismus.
f
E
−→ F
ist
π↓
%f
E/ ker f
ersichtlich kommutativ. Ist U ⊂ F offen und V := f¯−1 (U), so ist π −1 (V ) = f −1 (U) offen wegen der Stetigkeit
von f . Also ist V = π( f −1 (U)) (für diese Identität wird die Surjektivität benötigt!) offen. Somit ist f¯ stetig.
Nach Corollar 1.1 ist f¯ daher ein Isomorphismus.
Beweis. Natürlich ist E/ ker f ein Banach-Raum und f¯ ist bijektiv. Das Diagramm
2
Kapitel 1. Hilfsmittel aus der Theorie der Banach-Räume
Definition. Sei X ein topologischer Raum. Eine Teilmenge A ⊂ X heißt relativ kompakt (in Zeichen A b X),
wenn der Abschluß Ā kompakt ist.
Es gilt: Eine Menge A ist genau dann lokalkompakt in E, wenn jede Folge in A eine in E konvergente
Teilfolge besitzt.
Lemma 1.1. Ist ein Banach-Raum E lokalkompakt, so ist die Dimension von E endlich.
S
Beweis. Sei V ⊂ E eine kompakte Nullumgebung. Sicher ist V ⊂ x∈E x + 21 V ◦ . Da V kompakt ist, gibt es
Sr
somit x1 , . . . , xr ∈ E mit V ⊂ j=1 x j + 12 V ◦ . Es sei H := ∑rj=1 K · x j ⊂ E. Wie man sofort sieht, ist H (als
Untervektorraum) vollständig, also abgeschlossen in E.
Behauptung: Für alle n ≥ 1 ist V ⊂ H + 2−nV .
Beweis durch Induktion über n. Der Fall n = 1 ist klar, das haben wir soeben begründet.
n → n + 1: Nach Induktionsannahme ist V ⊂ H + 2−nV . Das ist aber nach Induktionsvoraussetzung eine
(nicht notwendig echte) Teilmenge von H + 2−n (H + 12 V ) = H + 2 −(n+1)V , womit die Behauptung bereits
gezeigt ist.
Nun folgt H = E: Sei a ∈ E. Es gibt ein λ > 0 mit a0 := λ a ∈ V , also a0 = a0n + 2−n bn mit a0n ∈ H und
bn ∈ V für alle n ≥ 1. Da V beschränkt ist, ist limn→∞ 2−n bn = 0; und somit a0 = limn→∞ a0n ∈ H̄ = H, das
heißt a0 ∈ H und damit auch a ∈ H.
Definition. Eine lineare Abbildung f : E → F heißt kompakt (oder vollstetig), wenn f (BE ) b F ist.
Bemerkung: Dann ist f auch stetig.
Satz 1.2 (Arzela-Ascoli). Sei T ein kompakter metrischer Raum und ( fn ) eine Folge in C (T, K). Es gelte
(i) Es existiert ein C > 0, so dass für alle n gilt k fn k ≤ C.
(ii) Die Folge ist gleichgradig stetig, das heißt ∀ε>0 ∃δ >0 ∀x,y∈T (d(x, y) < δ =⇒ ∀n k fn (x) − fn (y)k < ε).
Dann besitzt ( fn ) eine konvergente Teilfolge.
Beweis. Siehe Hirzebruch und Scharlau (1991, Seite 18).
Satz 1.3 (Schauder). Ist f ∈ L (E, F) kompakt, so ist f ∗ : F ∗ → E ∗ kompakt.
Beweis. Für eine Folge (vn ) in BF ∗ ist zu zeigen, dass ( f ∗ (vn )) eine in E ∗ konvergente Teilfolge besitzt.
Sei j : F ∗ → C( f (BE ); K), v 7→ v| f (BE ) . Für v ∈ F ∗ ist dann
k f ∗ (v)k = kv ◦ f k = sup kv ◦ f (x)k = kvk f (BE ) = kvk f (BE ) = k f (v)k.
(1.1)
x∈BE
Es gibt ein C ≥ 0 mit y ∈ f (BE ) =⇒ kyk ≤ C. Ist v ∈ BF ∗ , y ∈ f (BE ), so ist k j(v)(y)k = kv(y)k ≤
kvk · kyk ≤ C · kvk ≤ C. Also erfüllt ( j(vn )) die Voraussetzung (i) von Satz 1.2; auch die Bedingung (ii) ist
erfüllt, denn für y, y0 ∈ f (BE ) ist k j(vn )(y) − j(vn )(y0 )k = kvn (y − y0 )k ≤ ky − y0 k. Nach Satz 1.2 gibt es
daher eine konvergente Teilfolge ( j(vrn )), die also eine Cauchy-Folge ist. Wegen (1.1) ist auch ( f ∗ (vrn )) eine
Cauchy-Folge, also in E ∗ konvergent.
Wichtiges Beispiel: Ist U ⊂ C offen, so ist Cb (U) := { f ∈ C (U) | f ist beschränkt} mit der Norm k f k :=
supz∈U | f (z)| ein Banach-Raum. Die Menge aller beschränkten komplexen Funktionen Ob (U) := O(U) ∩
Cb (U) ist in Cb (U) abgeschlossen, also auch vollständig.
Satz 1.4. Sind U und V offene Mengen in C mit V b U, dann ist die Abbildung Ob (U) → O(V ), f 7→ f |V
kompakt.
Beweis. Sei ( fn ) eine Folge in Ob (U) mit k fn k ≤ 1. Nach dem Satz von Montel gibt es eine Teilfolge ( frn ),
die kompakt gegen h ∈ O(U) konvergiert, also konvergiert ( frn |V ) gleichmäßig gegen h|V ∈ Ob (V ).
3
Satz 1.5 (Hahn-Banach). Es sei E ein Banach-Raum. Ist E0 ⊂ E ein Untervektorraum und ϕ0 ∈ E0∗ , so gibt
es ein ϕ ∈ E ∗ mit ϕ|E0 = ϕ0 und kϕk = kϕ0 k.
Beweis. Siehe Hirzebruch und Scharlau (1991, Seite 33).
Satz 1.6. Es sei E ein Banach-Raum. Sei 0/ 6= A ⊂ E abgeschlossen, konvex und kreisförmig (das heißt für
alle t ∈ K mit ktk ≤ 1 ist tA wieder in A) und sei x0 ∈ E \ A. Dann gibt es ein ϕ ∈ E ∗ mit ϕ(x0 ) > 1 und
kϕ(x)k < 1 für alle x ∈ A.
Beweis. Wähle ε > 0 mit U2ε ⊂ E \ A (das ist möglich, weil A abgeschlossen, also E \ A offen ist). Die
S
Menge U := A + Uε (0) = a∈A Uε (a) ist (als Vereinigung offener Mengen) offen. Da A abgeschlossen und
kreisförmig ist, ist 0 ∈ A und es ist A ⊂ U.
Sei p : E → R, p(x) := inf{t > 0 | x ∈ tU}. Dann ist p(x0 ) > 1 und p(x) < 1 für x ∈ U. Man überzeugt
sich leicht davon, dass p eine Norm auf E ist. Nun wendet man Satz 1.5 auf (E, p) an: Sei E0 := K · x0 ,
ϕ0 : E0 → K; tx0 7→ t p(x0 ). Dann ist ersichtlich E0 ein Untervektorraum und ϕ0 ∈ E0∗ . Für x ∈ E0 , also x = tx0
ist |ϕ0 (x)| = |t p(x0 )| = p(tx0 ) = p(x). Also gibt es eine lineare Abbildung ϕ : E → K mit ϕ|E0 = ϕ0 und
sup{|ϕ(x)| : x ∈ E, p(x) ≤ 1} = sup{|ϕ0 (x)| : x ∈ E0 , p(x) ≤ 1} ≤ 1. Es folgt
∀x0 ∈U |ϕ(x0 )| ≤ p(x0 ) < 1,
0
x
denn ist 0 6= x0 ∈ U, so setze x := p(x
0 ) . Dann ist p(x) = 1, also
0
∗
0
p(x ). Insbesondere ist ϕ ∈ E und |ϕ(x )| < 1 für x0 ∈ A.
(1.2)
|ϕ(x0 )|
p(x0 )
= |ϕ(x)| ≤ 1, das heißt |ϕ(x0 )| ≤
Seien ab jetzt E, F Banach-Räume.
Lemma 1.2. Es sei f ∈ L (E, F). Ist f (BE ) eine Nullumgebung von F, so ist f surjektiv.
Beweis. Weil f (BE ) eine Nullumgebung ist, gibt es ein c > 0, so dass
W := {y ∈ F : kyk ≤ c} ⊂ f (BE )
(1.3)
gilt. Man zeigt: W ⊂ f (2BE ) und Lemma 1.2 folgt aufgrund der Linearität. (Zu jedem y ∈ F gibt es ein
α ∈ K mit α −1 y ∈ f (2BE ), also α −1 y = f (x) für ein x ∈ E. Dann ist y = α f (x) = f (αx) für alle y ∈ F).
Man definiert zu y ∈ W induktiv eine Folge xn ∈ 21−n · BE , n ≥ 1, mit ky − f (x1 + · · · + xn )k < 2−n · c. Dann
konvergiert ∑∞
n=1 xn =: x, es ist kxk ≤ 2 und y − f (x) = limn→∞ y − f (x1 + · · · + xn ) = 0, das heißt y ∈ f (2BE ).
Nun zur Definition der Folge xn : Nach (1.3) gibt es ein x1 ∈ BE mit ky− f (x1 )k < 2c . Seien x1 , . . . , xn schon
definiert, also 2n y−2n f (x1 +· · ·+xn ) ∈ W . Es gibt ein z ∈ BE mit k2n y−2n f (x1 +· · ·+xn )− f (z)k < 2c . Setze
c
xn+1 := 2−n z, dann ist ky − f (x1 + · · · + xn+1 )k < 2n+1
und man erhält die gewünschte Folge.
Satz 1.7. Sei f ∈ L (E, F). Es gilt: f (E) ist genau dann abgeschlossen in F, wenn f ∗ (F ∗ ) ⊂ E ∗ abgeschlossen ist.
Beweis.
1. Sei zunächst f (E) abgeschlossen. Sei N := ker f . Es reicht zu zeigen: f ∗ (F ∗ ) = {ϕ ∈ E ∗ |
ϕ|N = 0}, denn die Menge auf der rechten Seite ist ersichtlich abgeschlossen.
„⊂”: Ist u ∈ F ∗ , so ist f ∗ (u)|N = u ◦ f |N = 0.
„⊃”: Sei ϕ ∈ E ∗ und ϕ|N = 0. Es gibt eine lineare Abbildung ϕ1 : f (E) → K, so dass das Diagramm
f
?
f
j
1
E −→
f (E) ,→ F
ϕ↓
.ϕ1
.α
K
kommutiert. Die Abbildung ϕ1 ist stetig, denn ist U ⊂ K offen, so ist ϕ1−1 (U) = f1 ( f1−1 (ϕ1−1 (U))) =
f1 (ϕ −1 (U)) offen, da f1 nach Satz 1.1 offen ist. Nach Satz 1.5 gibt es ein α ∈ F ∗ mit j∗ (α) = ϕ1 ; also
f ∗ (α) = ϕ.
4
Kapitel 1. Hilfsmittel aus der Theorie der Banach-Räume
f
j
1
F1 ,→ F, zu zeigen ist: f1 ist surjektiv.
Sei nun f ∗ (F ∗ ) abgeschlossen in E ∗ . Sei F1 := f (E) und f : E →
Es ist f ∗ = f1∗ ◦ j∗ und nach Satz 1.5 ist j∗ surjektiv. (Da F1 ein Untervektorraum ist, lässt sich jede
Linearform ϕ1 auf F1 nach Satz 1.5 zu einer Linearform ϕ auf F fortsetzen, für ϕ gilt dann j∗ (ϕ) = ϕ1 , das
bedeutet gerade die Surjektivität von j∗ ). Mit der Vorraussetzung gilt somit:
f1∗ (F1∗ ) ist abgeschlossen in E ∗ .
(1.4)
” f ∗”
1
Wegen f1 (E) = F1 ist f1 nach Lemma 1.2 surjektiv, also f1∗ injektiv. Da F1∗ →
∗
∗
f 1 (F1 ) surjektiv ist, gibt es nach Corollar 1.2 zu Satz 1.1 ein C > 0, so dass zu jedem ϕ ∈ F1∗ (das heißt
∗
f1 (ϕ) ∈ f1∗ (F1∗ )) ein ψ ∈ F1∗ existiert mit: f1∗ (ψ) = f1∗ (ϕ) und kψk ≤ C · k f1∗ (ϕ)k, also (da f1∗ injektiv ist):
kϕk ≤ Ck f1∗ (ϕ)k.
(1.5)
1
⊂ f1 (BE )
y ∈ F1 : kyk ≤
C
(1.6)
Nun gilt
und nach Lemma 1.2 ist f1 surjektiv. Denn: angenommen Aussage (1.6) wäre falsch, das heißt es gibt
ein y0 ∈ F1 , ky0 k ≤ C1 , y0 ∈
/ f1 (BE ). Da f1 (Be ) ⊂ F1 abgeschlossen, konvex und kreisförmig ist, gibt es
nach Satz 1.6 ein ϕ ∈ F1∗ mit ϕ(y0 ) > 1 und ∀ y∈ f1 (BE ) kϕ(y)k ≤ 1. Für alle x ∈ BE ist also k f1∗ (ϕ)(x)k =
|ϕ( f1 (x))| ≤ 1, also k f1∗ (ϕ)k ≤ 1. Mit Ungleichung (1.5) folgt kϕk ≤ C, woraus man |ϕ(y0 )| ≤ Cky0 k ≤ 1
erhält, ein Widerspruch.
Satz 1.8. Seien u, v ∈ L (E, F). Die Abbildung u sei injektiv und u(E) ⊂ F sei abgeschlossen, die Abbildung
v sei kompakt. Dann ist dim ker(u + v) < ∞ und (u + v)(E) ⊂ F ist abgeschlossen.
Zum Beweis benutzt man:
Lemma 1.3. Ist N ⊂
E ein Untervektorraum mit dim N < ∞, so gibt es einen abgeschlossenen UntervektorL
raum N 0 ⊂ E mit N N 0 = E.
Beweisskizze. Es gibt einen Isomorphismus ϕ : N → Kr , wobei r = dim N, nach Satz 1.5 gibt es ein α ∈
L (E, Kr ) mit α|N = ϕ. Man erhält also das kommutative Diagramm
N ,→ E
↓ϕ .α
Kr
L
Sei N 0 := ker(ϕ −1 ◦ α). Es gilt N N 0 = E: Ist x ∈ N ∩ N 0 , dann ist ϕ −1 ◦ α(x) = 0 und α(x) = ϕ(x).
Weil ϕ ein Isomorphismus ist, folgt daraus sofort x = 0.
Es gilt (ϕ −1 ◦ α)|N = id und (ϕ −1 ◦ α)(E) = N. Für ein x ∈ E setze man u := (ϕ −1 ◦ α)(x) und v :=
x − (ϕ −1 ◦ α)(x). Dann ist u + v = x, u ∈ N und v ∈ N 0 , denn (ϕ −1 ◦ α)(v) = (ϕ −1 ◦ α)(x − ϕ −1 ◦ α(x)) =
(ϕ −1 ◦ α)(x) − ϕ −1 ◦ α(u) = u − u = 0.
Satz 1.9 (L. Schwarz). Seien u und v aus L (E, F). Die Abbildung u sei surjektiv und v sei kompakt. Dann
ist (u + v)(E) =: F 0 ⊂ F abgeschlossen und dim F/F 0 < ∞.
Beweis. (Mit Satz 1.8). Die Abbildung u∗ ist injektiv. Nach Satz 1.7 ist u∗ (F ∗ ) ⊂ E ∗ abgeschlossen. Da v∗
nach Satz 1.3 kompakt ist, folgt mit Satz 1.8, dass (u + v)∗ (F ∗ ) = (u∗ + v∗ )(F ∗ ) in E ∗ abgeschlossen ist. Nach
Satz 1.7 ist F 0 ⊂ F abgeschlossen und F/F 0 demnach ein normierter Raum. Es ist (F/F ∗ ) ∼
= {ϕ ∈ F ∗ : ϕ|F 0 =
∗
∗
0
0} = {ϕ ∈ F | ϕ ◦ (u + v) = 0} = ker(u + v) . Mit Satz 1.8 folgt dim (F/F ) < ∞, also auch (F/F 0 )∗∗ < ∞.
Nach Satz 1.5 ist F/F 0 → (F/F 0 )∗∗ injektiv und somit dim F/F 0 < ∞.
Beweis zu Satz 1.8.
1. Sei N := ker(u + v). Wegen Lemma 1.1 ist zu zeigen, dass BN kompakt ist. Sei
also (xn ) eine Folge in BN . Es gibt eine Teilfolge (xrn ), so dass v(xrn ) in F konvergiert, wegen u(xrn ) =
−v(xrn ) konvergiert damit auch u(xrn ) in F, also auch in u(E). Nach Satz 1.1 ist E → u(E) topologisch,
also konvergiert (xrn ) in E, also auch in N.
5
2. Es gibt einen abgeschlossenen Untervektorraum N 0 ⊂ E mit N
L 0
N = E.
Zu zeigen: (u + v)(N 0 ) ist abgeschlossen in F.
Sei also y ∈ F, y = limn→∞ (u + v)(xn ), xn ∈ N 0 . Es reicht zu zeigen: Eine (geeignete) Teilfolge von (xn )
konvergiert in N 0 .
Behauptung: Die Folge (xn ) ist beschränkt.
(*)
Beweis. Sonst gilt nach Übergang zu einer Teilfolge limn→∞ kxn k = ∞, alle xn 6= 0; sei xn0 :=
xn
kxn k ,
also
n)
= (u+v)(x
−→ 0. Da v kompakt ist, konvergiert v(xn0 ) nach Übergang zu einer Teilfolge,
kxn k
n→∞
also konvergiert u(xn0 ), somit konvergiert (wie oben) (xn0 ) in E. Da xn0 ∈ N 0 gilt, ist lim xn0 := a ∈ N 0 mit
kak = 1. Aber (u + v)(a) = lim(u + v)(xn0 ) = 0. Hieraus folgt a ∈ N und a ∈ N 0 , insbesondere a = 0, im
u(xn0 ) + v(xn0 )
Widerspruch zu kak = 1.
Nach Übergang zu einer Teilfolge konvergiert v(xn ), y = lim(u + v)(xn ), daher konvergiert u(xn ). Deswegen gilt: (xn ) konvergiert in E, also auch in N 0 .
7
Kapitel 2
Riemannsche Flächen
Sei X ein Hausdorff-Raum, X 6= 0.
/ Eine komplex 1-dimensionale Karte (kurz: C-Karte) auf X ist ein Paar
◦
1
(U, h); wobei 0/ 6= U = U ⊂ X und h eine topologische Abbildung von U auf eine offene Teilmenge h(U) ⊂ C
ist. Ein komplex 1-dimensionaler Atlas (kurz: C-Atlas) auf X ist eine Menge A von C-Karten auf X, so dass
gilt:
1. Zu jedem a ∈ X gibt es eine Karte (U, h) ∈ A mit a ∈ U.
2. Je zwei Karten (U1 , h1 ), (U2 , h2 ) ∈ A sind (holomorph) verträglich, das heißt die Abbildung h2 ◦ h−1
1 :
h1 (U1 ∩U2 ) → h2 (U1 ∩U2 ), z 7→ h2 (h1−1 (z)) ist biholomorph. 2
(Hier Bild fehlen tut)
Definition. Ein C-Atlas A auf X heißt maximal, wenn gilt: Ist A 0 ein C-Atlas auf X mit A ⊂ A 0 , so ist
bereits A = A 0 .
Man zeigt leicht: Zu jedem C-Atlas A auf X gibt es genau einen maximalen Atlas A ∗ mit A ⊂ A ∗ ,
nämlich
A ∗ = {(U, h) | (U, h) ist eine Karte auf X, die mit den Karten in A verträglich ist }.
(Im weiteren sei mit A ∗ immer der aus einem Atlas A hervorgehende maximale Atlas gemeint.)
Definition. Eine rein 1-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit (kurz C-Mannigfaltigkeit) ist ein Paar
(X, Σ), wobei X ein Hausdorff-Raum und Σ ein maximaler C-Atlas auf X ist; Σ heißt die komplexe Struktur von X := (X, Σ).
Ein C-Atlas A auf X definiert also eine komplexe Struktur auf X, nämlich A ∗ . Ist (X, Σ) eine CMannigfaltigkeit, so heißen die Elemente von Σ Karten (auf X). 3 Eine Riemannsche Fläche ist eine zusammenhängende C-Mannigfaltigkeit.
◦
Beispiele 2.1.
1. Ist 0/ 6= U = U ⊂ C, so ist U mit der komplexen Struktur Σ := {(U, idU )}∗ eine CMannigfaltigkeit.
◦
Ist X = (X, Σ) eine C-Mannigfaltigkeit, 0/ 6= U = U ⊂ X offen, so wird U mit der Struktur ΣU := {(V, h) ∈
Σ | V ⊂ U} versehen selbst zu einer Mannigfaltigkeit.
2. Auf C̄ = C ∪ {∞} ' S2 ist durch A := {(C, z), (C \ {0}, 1z )} ein C-Atlas gegeben, also ist C̄ mit A ∗
eine Riemannsche Fläche.
1
Einige Leute würden einfach schreiben: U offen; aber ein bisschen Herumspielen mit mathematischem Formalismus muss auch mal
sein.
2
Es genügt bereits zu verlangen, dass die Funktion holomorph ist. Die Biholomorphie folgt dann automatisch.
Der Begriff Karte auf X bedeutet in diesem Fall hauptsächlich, dass die Karte im Atlas Σ liegt. Man spricht genauer auch von
zulässigen Karten.
3
8
Kapitel 2. Riemannsche Flächen
Sei P1 := P1 (C) := (C2 \ {0})/ ∼, wobei (z0 , z1 ) ∼ (z00 , z01 ) :⇔ ∃λ ∈ C∗ , λ z0 = z00 , λ z1 = z01 . Die
Äquivalenzklasse von (z0 , z1 ) sei [z0 , z1 ]. Der Raum P1 wird mit der Quotiententopologie bezüglich
C2 \ {0} → P1 , (z0 , z1 ) 7→ [z0 , z1 ] versehen. Mittels der topologischen Abbildung
(
[1,z] falls z 6= 0,
C̄ → P1 , z 7→
0,1 falls z = ∞
wird C̄ mit P1 identifiziert. Invers ist
(
z1 /z0
P1 → C̄, [z0 , z1 ] 7→
∞
falls z0 6= 0,
falls z0 = 0.
3. Tori: Eine Untergruppe Λ ⊂ (C, +) heißt ein Gitter, wenn es R-unabhängige ω1 , ω2 ∈ C gibt mit Λ =
Zω1 + Zω2 .
(Hier Bild fehlen tut)
Gitter sind diskret und abgeschlossen(!). Sei nun Λ ∈ C ein Gitter. Die Menge T := C/Λ erhält die von
p : C → T , z 7→ z + Λ vermittelte Quotiententopologie.
Es gilt: T ist kompakt und zusammenhängend, p ist offen und lokal injektiv.
Beweis. (a) Die Abbildung p ist offen: Ist U ⊂ C offen, so ist p−1 (p(U)) = U + Λ = ω∈Λ U + ω
offen; das heißt p(U) ist offen.
(b) T ist Hausdorffsch: Seien a1 , a2 ∈ C mit p(a1 ) 6= p(a2 ). Es gibt ein n ≥ 1, so dass p(a1 +n1 E) ∩
0
p(a2 + 1n E) = 0/ gilt. Denn sonst gäbe es Folgen (zn ), (z0n ) in E mit p a1 + znn = p a2 + znn , also
(zn −z0 )
a1 − a2 + n n ∈ Λ. Hieraus würde a1 − a2 ∈ Λ̄ = Λ folgen. Das hieße aber p(a1 ) = p(a2 ) im
Widerspruch zur Voraussetzung.
(c) Sei P := {λ1 ω1 + λ2 ω2 | λ1 , λ2 ∈ [0,1[ }.
(Hier Bild fehlen tut)
Zu jedem z ∈ C gibt es genau ein z0 ∈ P mit z − z0 ∈ Λ, das heißt p(z) = p(z0 ); das heißt p|P → T
ist bijektiv, also T = p(P̄). Daher ist T kompakt.
(d) Wähle ein a ∈ P. Ist z0 ∈ C, so ist z0 − a + P eine Umgebung von z0 , auf der p injektiv ist (!).
S
Sei A die Menge der Karten (U, h) auf T , für die gilt: ∀x∈U p(h(x)) = x. Die Menge A ist ein C-Atlas 4
und T ist mit A ∗ eine kompakte Riemannsche Fläche.
Bemerkung 2.1. Sei S1 := {z ∈ C∗ : |z| = 1}. Man hat topologische Isomorphismen R2 → C, (x, y) 7→
xω1 + yω2 , somit auch α : C/(Z + iZ) → C/Λ, (x + iy) + Z + iZ 7→ (xω1 + yω2 ) + Λ und β : C/(Z +
iZ) → S1 × S1 , (x + iy) + Z + iZ 7→ (e2πix , e2πiy ) und somit β ◦ α −1 : C/Λ → S1 × S1 . Daher heißt T
ein Torus.
Definition. Seien X,Y C-Mannigfaltigkeiten und f : X → Y eine Abbildung. Die Abbildung f heißt holomorph, wenn es zu jedem Punkt P ∈ X Karten (U, h) auf X und (Ũ, h̃) auf Y gibt, so dass P ∈ U, f (U) ⊂ Ũ
und h̃ ◦ f ◦ h−1 : h(U) → h̃(Ũ), z 7→ h̃( f (h−1 (z))) holomorph ist. 5
(Hier Bild fehlen tut)
Eine Abbildung f : X → Y heißt biholomorph (oder ein Isomorphismus), wenn f bijektiv ist, sowie f und
f −1 holomorph sind.
4
Die Menge ist nicht leer, da p lokal injektiv ist, man also lokal "h = p−1 " setzen kann. Folglich ist
A
die Menge der "lokalen Umkehrfunktionen von p". Die Verträglichkeitsbedingung ist ebenfalls erfüllt, denn für zwei Karten (U1 , h1 ),
(U2 , h2 ) aus
A
ist h2 ◦ h−1
lediglich
eine
Translation,
und
Translationen
sind
natürlich
holomorph.
1
5 Hierfür existiert auch die verkürzte Sprechweise: Eine Abbildung f ist holomorph, wenn f in den Karten holomorph ist.
9
Regeln 2.1. Sei f : X → Y holomorph.
1. Die Abbildung f ist stetig. Sind (U, h) und (Ũ, h̃) weitere Karten auf X,Y mit f (U) ⊂ Ũ, so ist auch
h̃ ◦ f ◦ h−1 : h(U) → h̃(Ũ) holomorph.
2. Ist g : Y → Z holomorph, Z eine C-Mannigfaltigkeit, so ist g ◦ f : X → Z holomorph.
3. Sei Y 0 ⊂ Y , die Inklusionsabbildung j : Y 0 ,→ Y sei offen.
(a) j ist holomorph.
(b) Ist g : X → Y 0 eine Abbildung und ist j ◦ g : X → Y holomorph, so ist g holomorph.
Satz 2.1 (Riemannscher Hebbarkeitssatz). Seien X,Y Riemannsche Flächen, A ⊂ X diskret und abgeschlossen, f : X → Y stetig, f |X\A holomorph. Dann ist f holomorph.
Beweis. Sei a ∈ A. Wähle eine Karte (V, h) bei f (a). Da f stetig ist, gibt es eine Karte (U, g) bei a mit
f (U) ⊂ V , mit U ∩ A = {a}. Dann ist h ◦ f ◦ g−1 : g(U) → h(V ) holomorph (nach dem bekannten Satz aus der
gewöhnlichen Funktionentheorie, siehe zum Beispiel Schuster (2003)) und Satz 2.1 folgt.
Satz 2.2. Seien X,Y Riemannsche Flächen.
1. (Identitätssatz) Seien f1 : X → Y , f2 : X → Y holomorph. Besitzt A := {x ∈ X | f1 (x) = f2 (x)} einen
Häufungspunkt in X, so ist f1 = f2 .
2. (Satz von der offenen Abbildung) Ist f : X → Y holomorph und nicht konstant, so ist f offen.
Beweis.
1. Sei M die Menge der Häufungspunkte von A. Die Menge M ist ersichtlich abgeschlossen. Es
reicht zu zeigen, dass M ⊂ X offen ist, denn dann ist M = X, also (wegen M ⊂ A) A = X.
Sei also x0 ∈ M. Da f1 (x0 ) = f2 (x0 ) =: y0 , gibt es Karten (U, g) bei x0 und (V, h) bei y0 mit f1 (U) ⊂ V ,
f2 (U) ⊂ V und U zusammenhängend. Der Punkt g(x0 ) ∈ C ist Häufungspunkt von {z ∈ g(U) | h ◦ f1 ◦
g−1 (z) = h ◦ f2 ◦ g−1 (z)}. Nach dem Identitätssatz in C ist h ◦ f1 ◦ g−1 = h ◦ f2 ◦ g−1 , also f1 |U = f2 |U .
Somit folgt U ⊂ M.
2. Sei x1 ∈ X. Wähle (U, g) bei x1 und (V, h) bei f (x1 ), sodass f (U) ⊂ V und U zusammenhängend ist.
Nach Teil 1 ist f |U nicht konstant, daher ist auch h ◦ f ◦ g−1 : g(U) → h(V ) nicht konstant. Da g(U)
zusammenhängend ist, folgt die Offenheit von h ◦ f ◦ g−1 und damit ist f (U) ⊂ Y offen.
Definition. Eine stetige Abbildung f : X → Y von topologischen Räumen heißt diskret, wenn alle Fasern
Xy := f −1 ({y}), y ∈ Y , diskret sind.
Corollar 2.1. Sind X,Y Riemannsche Flächen, so ist jede nichtkonstante holomorphe Abbildung f : X → Y
diskret.
Beweis. Sei y0 ∈ Y und f0 : X → Y , x 7→ y0 . Die Menge Xy0 = {x ∈ X | f (x) = f0 (x)} hat nach Satz 2.1 keinen
Häufungspunkt in X, ist also diskret.
Corollar 2.2. Seien X,Y Riemannsche Flächen, X kompakt und f : X → Y holomorph und nichtkonstant.
Dann ist f surjektiv und Y ist kompakt.
Beweis. Das Bild f (X) ⊂ Y ist kompakt. Weil Y hausdorffsch ist, ist es somit auch abgeschlossen, da f stetig
ist. (Siehe Rosehr (2004, Satz 10.5).) Nach Satz 2.2 ist es auch offen, also folgt f (X) = Y , weil Riemannsche
Flächen nach Definition zusammenhängend sind.
Definition. Sei X eine C-Mannigfaltigkeit. Eine Funktion f : X → C heißt holomorph, wenn f eine holomorphe Abbildung 6 ist. Die Menge
O(X) := { f : X → C | f ist holomorph} ⊂ C (X)
ist eine C-Unteralgebra. Ist X eine kompakte Riemannsche Fläche, so ist jedes f ∈ O(X) also konstant.
6
Im Sinne der obigen Definition, wobei C als C-Mannigfaltigkeit aufgefasst werden kann
10
Kapitel 2. Riemannsche Flächen
Definition. Sei X eine C-Mannigfaltigkeit. Eine meromorphe Funktion f auf X ist eine holomorphe Funktion
f : X \ P → C, wobei P ⊂ X diskret und abgeschlossen ist und limx→p f (x) = ∞ für alle p ∈ P ist; P heißt
Menge der Pole von f . Die Menge der meromorphen Funktionen auf X wird mit M (X) bezeichnet. Es gilt
natürlich O(X) ⊂ M (X).
Ist X 0 ⊂ X offen, f ∈ M (X), das heißt f ∈ O(X \ P), so ist f |X 0 := f |X 0 \P ∈ M (X 0 ).
Satz 2.3. Die Abbildung { f : X → P1 | f ist holomorph, und auf keiner Komponente konstant ∞} → M (X),
f 7→ (X \ f −1 (∞) → C, x 7→ f (x)) ist definiert und bijektiv.
Beweis. Die Menge f −1 (∞) ⊂ X ist nach Satz 2.2 (mit Corollar) diskret und abgeschlossen, also ist die
Abbildung definiert.
(
!
f (x) falls x ist kein Pol,
Die inverse Abbildung M (X) 3 f 7→ X → P1 , x 7→
ist nach Satz 2.1
∞
falls x ist Pol von f .
definiert.
Definition. Eine (lokale) Koordinate bei p ∈ X ist eine Karte (U, h) =: h auf X mit h(p) = 0 und U ist
zusammehängend.
Sei nun f ∈ M (X) und (U, h) eine Koordinate bei p, V = h(U), f | U\{p} sei holomorph. Dann ist f ◦h−1 ∈
M (V ), ord p f := ord0 ( f ◦ h−1 ) heißt die (Nullstellen-) Ordnung von f in p, also ord p f = ∞ ⇔ f |U = 0. Ist
ord p f = k ∈ Z, so ist f ◦ h−1 = zk · g, wobei g ∈ O(V ), g(0) 6= 0, also (mit f˜ = g ◦ h) f |U = hk · f˜, wobei
f˜ ∈ O(U), f˜(p) 6= 0 (und umgekehrt). Die Ordnung k ist unabhängig von der Wahl der Koordinate, ist k ≥ 0
(bzw. k < 0), so heißt p eine Nullstelle (bzw. ein Pol) von f der Ordnung k (bzw. −k).
Die Menge M (X) bildet eine C-Algebra: Seien fi ∈ M (X), i = 1,2, Pi sei die Polmenge von fi . Ist
p ∈ P1 ∪ P2 , so ist p Pol oder hebbare Singularität von f1 | X\(P1 ∪P2 ) + f2 | X\(P1 S P2 ) und f1 + f2 ist durch
Fortsetzung in die jeweils hebbaren Singularitäten definiert.
Regeln 2.2. Seien f1 , f2 ∈ M (X) und p ∈ X. Dann gilt
ord( f1 + f2 ) ≥ min(ord f1 , ord f2 ),
p
p
p
ord( f1 · f2 ) = ord f1 + ord f2 .
p
p
p
Regeln 2.3. Ist X eine Riemannsche Fläche, so ist M (X) ein Körper.
Beweis. Ist 0 6= f ∈ M (X), so ist f −1 ({0}) nach Satz 2.2 diskret und abgeschlossen; X → P1 → P1 liefert
f
nach Satz 2.3 eine meromorphe Funktion
1
z
1
f.
Satz 2.4. Es gilt M (P1 ) = C(z).
Beweis. Es ist z ∈ M (P1 ), also C(z) ⊂ M (P1 ).
Sei nun 0 6= f ∈ M (P1 ), zu zeigen ist: f ∈ C(z).
Ohne Einschränkung der Allgemeinheit ist ∞ kein Pol von f (sonst betrachte einfach 1f ). Seien
a1 , . . . , am ∈ C die Pole von f ; für 1 ≤ j ≤ m sei f j ∈ M (P1 ) der Hauptteil von f j bei a j (also f j ∈ C(z),
f j hat nur bei a j einen Pol). Folglich ist f − ∑nj=1 f j ∈ O(P1 ), deswegen existiert ein λ ∈ C, so dass gilt
f = λ + ∑ j f j ∈ C(z).
Im Folgenden seien X,Y Riemannsche Flächen und f : X → Y holomorph und nicht-konstant, außerdem
sei E := {z ∈ C : |z| < 1}.
Definition (Vielfachheit). Sei a ∈ X und (V, h) eine Koordinate bei f (a),
v( f , a) := ord(h ◦ f | f −1 (V ) )
a
heißt die Vielfachheit von f bei a; sie hängt nicht von der Wahl von (V, h) ab. Also 1 ≤ v( f , a) < ∞.
Ein Punkt a ∈ X heißt ein Verzweigungspunkt von f , wenn v( f , a) ≥ 2 ist. Ein Punkt c ∈ Y heißt ein
kritischer Wert von f , wenn ein a ∈ X existiert mit c = f (a) und v( f , a) ≥ 2.
11
Satz 2.5. Sei v( f , a) = k und W ⊂ X eine offene Umgebung von a. Es gibt offene Umgebungen U1 ⊂ W von
a, V1 ⊂ Y von f (a) mit f (U1 ) ⊂ V1 und ein kommutatives Quadrat
f
U1 →
↓∼
a
?
0
V1
↓∼
zk
→
E
E
Für alle x1 ∈ U1 \ {a} ist ]{x ∈ U1 | f (x) = f (x1 )} = k.
Beweis. Sei (V, h) eine Koordinate bei f (a) und (U, g) eine Koordinate bei a mit U ⊂ W , f (U) ⊂ V , also
f
→
U
g ∼↓
g(U)
V
↓∼ h
h◦ f ◦g−1
−→
h(V )
Nach Definition ist k = ord0 (h ◦ f ◦ g−1 ). Nach Schuster, §4, Satz 3 gibt es ein ε > 0, eine offene Nullumgebung U0 ⊂ g(U) und ein kommutatives Diagramm
α
−→
,→ g(U)
U0
h(V )
h◦ f ◦g−1
↓∼
↓
zk
−→
εE
C
Sei U1 := g−1 (U0 ) und V1 := h−1 (ε k E). Sei jetzt x ∈ U1 und y := g(x). Dann ist h ◦ f (x) = h ◦ f ◦ g−1 (y) =
(α(y))k = (α(g(x)))k ∈ ε k E, somit ist f (x) ∈ V1 und man hat
f
U1
−→
α◦g ↓∼
zk
−→
εE
V1
↓∼ h
ε kE
„Verschmelze” dies mit
z
εE
→
ε kE
z
?
z
ε
↓∼
E →
↓∼
E
?
z
εk
zk
zk
Corollar 2.3. Sei f wie in Satz 2.5. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
1. Die Funktion f ist bei a lokal biholomorph,
2. f ist in einer Umgebung von a injektiv,
3. es gilt v( f , a) = 1.
Bemerkung 2.2. Hat f ∈ M (X) in a ∈ X eine k-fache Null- oder Polstelle (k ≥ 1), so ist k = v( f , a).
Beweis. Hat f in a eine k-fache Nullstelle,
so ist k = orda ( f ) = v( f , a); hat f in a eine k-fache Polstelle, so
ist k = − orda ( f ) = orda 1f = orda 1z ◦ f = v( f , a), da 1z eine lokale Koordinate des P1 bei ∞ ist.
Definition. Sei f : S → T eine stetige Abbildung zwischen Hausdorff-Räumen S und T . Die Funktion f heißt
endlich, wenn f abgeschlossen ist und alle Fasern f −1 (t), t ∈ T endlich sind.
Lemma 2.1. Sei f : S → T eine endliche Abbildung.
(i) Ist T0 ⊂ T ein Unterraum, so ist f | f −1 (T0 ) → T0 endlich.
12
Kapitel 2. Riemannsche Flächen
◦
(ii) Ist t0 ∈ T und f −1 (t0 ) ⊂ W = W ⊂ S, so gibt es eine offene Umgebung V von t0 mit f −1 (V ) ⊂ W .
(iii) Ist T0 ⊂ T kompakt, so ist f −1 (T0 ) ⊂ S kompakt.
Beispiel 2.1. Die Abbildung P1 → P1 , z 7→ zk ist für k ≥ 1 endlich. Mit dem Lemma folgt dann, dass auch die
Abbildung E → E endlich ist.
Beweis.
(i) Übung
(ii) Die Menge V := T \ f (S \W ) ist offen, es ist t0 ∈ V und f −1 (V ) ⊂ W .
(iii) Wegen (i) ist zu zeigen: Aus T kompakt folgt S kompakt.
Sei (Wi )i∈I eine offene Überdeckung von S; zu jedem t ∈ T gibt es eine endliche Teilmenge It ⊂ I mit
S
S
f −1 (t) ⊂ i∈It Wi , also nach (ii) eine offene Umgebung Vt von t mit f −1 (Vt ) ⊂ i∈It Wi . Da T kompakt
Sn
S
ist, gibt es t1 , . . . ,tn ∈ T mit T = Vt1 ∪ · · · ∪Vtn ; also S = ν=1 f −1 (Vtν ) ⊂ i∈It ∪···∪Itn Wi .
1
Satz 2.6. Seien X,Y Riemannsche Flächen und f : X → Y eine endliche holomorphe Abbildung. Dann gilt:
(i) Es gibt ein n ≥ 1, so dass ∑x∈Xy v( f , x) = n für alle y ∈ Y ist. Dieses n heißt die Blätterzahl von f .
(ii) Die Menge B der kritischen Werte ist diskret und abgeschlossen.
Beweis.
(i) Da f offen ist, ist f (X) ⊂ Y offen und abgeschlossen, also ist f surjektiv. Sei y0 ∈ Y . Zu zeigen
ist: Es gibt eine offene Umgebung V von y0 , sodass ∑x∈Xy v( f , x) = ∑x∈Xy v( f , x) für alle y ∈ V \ {y0 }
0
ist.
Sei Xy0 = {x1 , . . . , xr } mit r = ]Xy0 . Es gibt paarweise disjunkte offen Umgebungen U j von x j für 1 ≤
j ≤ r. Nach Satz 2.5 kann man die U j so klein wählen, dass ]X f (x) ∩U j = v( f , x j ) für alle x ∈ U j \ {x j }
◦
und dass f | U j \{x j } lokal biholomorph ist. Es gibt (nach Lemma 2.1 ein W = W ⊂ Y mit y0 ∈ W und
f −1 (W ) ⊂ U1 ∪ · · · ∪Ur .
Sei V := W ∩ f (U1 ) ∩ . . . ∩ f (Ur ). Das ist eine offene Umgebung von y0 . Sei nun y ∈ V , y 6= y0 . Es
gibt x̃ j ∈ U j mit f (x̃ j ) = y für 1 ≤ j ≤ r, x̃ j 6= x j . Also ∑x∈Xy v( f , x) = ]Xy = ∑rj=1 (X f (x̃ j ) ∩ U j ) =
∑rj=1 v( f , x j ) = ∑x∈Xy0 v( f , x).
(ii) Die Menge B ist abgeschlossen, da f abgeschlossen ist und da {x ∈ X | v( f , x) > 1} abgeschlossen ist.
Ist y0 ∈ B und V wie oben, so ist V ∩ B = {y0 }.
Corollar 2.4. Ist X eine kompakte Riemannsche Fläche, f ∈ M (X) nicht konstant, so hat f , mit Vielfachheit
gezählt, genauso viele Null- wie Polstellen.
13
Kapitel 3
Überlagerungen
Im Folgenden seien X,Y Hausdorff-Räume und p : Y → X eine lokaltopologische Abbildung.
Satz 3.1. Ist (X, Σ0 ) eine C-Mannigfaltigkeit, so gibt es genau eine komplexe Struktur Σ auf Y , so dass p
lokal biholomorph ist.
Beweis. Sei B := {(U, ϕ ◦ p) | U ⊂ Y offen , p|U → p(U) ist topologisch , (p(U), ϕ) ∈ Σ0 }. Dann ist B ein
C-Atlas auf Y , Σ := B ∗ , p : (Y, Σ) → (X, Σ0 ) ist ersichtlich lokal biholomorph.
Ist auch p : (Y, Σ0 ) → (X, Σ0 ) lokal biholomorph, so ist id : (Y, Σ0 ) → (Y, Σ) lokal biholomorph, also sogar
biholomorph, das heißt Σ = Σ0 .
Liftungungsproblem: Sei f : Z → X stetig, Z ein topologischer Raum. Wann existiert eine "Liftung"
(oder "Hochhebung") von f , das heißt eine stetige Abbildung g : Z → Y mit p ◦ g = f ?
Y
g% ↓p
Z →
X
f
Lemma 3.1. Sind X,Y, Z Riemannsche Flächen, p : Y → X holomorph und lokal topologisch, f : Z → X
holomorph, so ist jede Liftung g : Z → Y von f holomorph.
Beweis. Das folgt sofort, weil p lokal biholomorph ist.
Satz 3.2. Sei Z zusammenhängend, f : Z → X stetig, z0 ∈ Z. Sind g1 , g2 : Z → Y Liftungen von f und g1 (z0 ) =
g2 (z0 ), so ist bereits g1 = g2 .
Beweis. Die Menge T := {z ∈ Z | g1 (z) = g2 (z)} ⊂ Z ist abgeschlossen und es ist z0 ∈ T . Da Z zusammenhängend ist, müssen wir nur zeigen: T ist auch offen.
Sei also z ∈ T und g1 (z) = g2 (z) =: y ∈ Y . Wähle eine offene Umgebung U von y, sodass p|U injektiv ist
−1
und setze W := g−1
1 (U) ∩ g2 (U). Die Menge W ist dann offen und es ist z ∈ W . Außerdem ist W ⊂ T , denn:
0
0
Ist z ∈ W , so ist g1 (z ) ∈ U, g2 (z0 ) ∈ U, das heißt f (z0 ) = p(g1 (z0 )) = p(g2 (z0 )), wegen der Injektivität von p
auf U bedeutet das g1 (z0 ) = g2 (z0 ), also z0 ∈ T .
Mit Satz 3.2 beweist man
Lemma 3.2 (Homotopie-Liftung). Seien y0 ∈ Y , x0 , x1 ∈ X, p(y0 ) = x0 , I = [0,1]. Sei A : I × I → X stetig,
und es gelte ∀s∈I A(0,s) = x0 , A(1,s) = x1 .
Wenn sich alle us := A(·, s) zu Wegen ûs : I → Y liften lassen mit ûs (0) = y0 , so ist û0 (1) = û1 (1) und û1
und û0 sind homotop, kurz û1 ∼ û0 .
(Hier Bild fehlen tut)
Zum Beweis. Sei  : I ×I → Y , Â(t, s) := ûs (t). In Forster, Seite 23 wird gezeigt, dass  stetig ist. Insbesondere
ist I → Y , s 7→ ûs (1) stetig, und da ûs (1) ∈ Yx1 gilt, und weil Yx1 diskret ist, folgt ûs (1) = û0 (1) für alle s ∈ I.
14
Kapitel 3. Überlagerungen
Definition. Eine lokaltopologische Abbildung p : Y → X heißt eine Überlagerung, wenn p surjektiv ist und
es zu jedemSx ∈ X eine offene Umgebung U und eine Familie (Vi )i∈I offener Mengen in Y gibt, so dass gilt:
p−1 (U) = i∈I Vi , Vi ∩V j = 0/ für i 6= j, p|Vi → U ist topologisch für alle i ∈ I. 1
Die Abbildung p heißt triviale Überlagerung, falls man U = X wählen kann.
Es gilt: Ist p : Y → X eine Überlagerung, und X0 ⊂ X, so ist auch p : p−1 (X0 ) → X0 eine Überlagerung.
Insbesondere ist p lokaltrivial.
Lemma 3.3. Ist p : Y → X surjektiv und endlich (und lokaltopologisch), so ist p eine Überlagerung.
Beweis. Sei x0 ∈ X, also Yx0 = {y1 , . . . , yn } mit n = ]Yx0 . Es gibt paarweise disjunkte offene Umgebungen Ṽi
von yi für 1 ≤ i ≤ n; sodass p|Ṽi injektiv ist. Nach Lemma 2.1 gibt es eine offene Umgebung Ũ von x0 , sodass
p−1 (Ũ) ⊂ Ṽ1 ∪ · · · ∪ Ṽn ist. Setze jetzt einfach U := Ũ ∩ p(Ṽ1 ) ∩ · · · ∩ p(Ṽn ) und Vi := p−1 (U) ∩ Ṽi für 1 ≤ i ≤ n.
Dann sind die Forderungen der Definition erfüllt.
Beispiel 3.1.
1. Die Abbildung exp : C → C∗ , z 7→ ez ist eine Überlagerung.
Beweis. Es ist C∗ = (C
\ R− ) ∪ (C \ R+ ), sei Vn := {zS∈ C | 2nπ < Im(z) < 2(n + 1)π} für n ∈ Z. Dann
S
ist exp−1 (C \ R+ ) = n∈Z Vn und exp−1 (C \ R− ) = n∈Z iπ +Vn .
2. Ist Λ j C ein Gitter, so ist p : C → C/Λ, z 7→ z + Λ eine Überlagerung.
Beweis. Sei x0 = p(z0 ) ∈ C/Λ.SWähle eine offene Umgebung U von z0 , sodass p|U injektiv ist. Setze
V := p(U). Dann ist p−1 (V ) = ω∈Λ U + ω und p|U+ω → V ist topologisch. Außerdem ist (U + ω1 ) ∩
(U + ω2 ) = 0,
/ falls ω1 6= ω2 ist (davon kann man sich leicht überzeugen).
zn
zn
zn
3. Die Abbildungen C∗ → C∗ , E∗ → E∗ sind n-blättrige Überlagerungen. (Denn: Die Abbildung P1 → P1
ist endlich. Nach Lemma 2.1 sind damit auch C∗ →
C∗ und E∗ →
E∗ endlich und lokal biholomorph.)
n
n
z
z
Mit Lemma 3.3 folgt die Behauptung.
Satz 3.3. Seien X, X̃ Riemannsche Flächen, f : X̃ → X holomorph und endlich, sowie B die Menge der
kritischen Werte von f . Dann ist f | X̃\ f −1 (B) → X \ B eine Überlagerung; X \ B und X̃ \ f −1 (B) sind offen und
zusammenhängend.
Beweis. Die Abbildung f | X̃\ f −1 (B) → X \ B ist endlich und lokal biholomorph. Die erste Behauptung folgt
damit aus Lemma 3.3. Die Menge B ⊂ X ist nach Satz 2.6 diskret und abgeschlossen. Da f diskret ist, folgt
dass f −1 (B) ⊂ X̃ diskret und abgeschlossen ist. Der Rest folgt aus
Lemma 3.4. Ist X eine Riemannsche Fläche, A ⊂ X diskret und abgeschlossen, so ist X \ A zusammenhängend.
Definition. Sei S ein topologischer Raum. Sind u, v Wege in S mit u(1) = v(0), so hat man den Weg u · v
mit (uv)(0) = u(0), (uv)(1) = v(1). Ist u ein Weg in S von s0 nach s1 , so sei [u] die Homotopieklasse von u;
π1 (S, s0 ) := {[u] | u Weg von s0 nach s0 } ist eine Gruppe durch [u] · [v] := [u · v].
Sei nun f : S → T stetig. Ist s0 ∈ S, so ist f∗ : π1 (S, s0 ) → π1 (T, f (s0 )), [u] 7→ [ f ◦ u] ein Homomorphismus.
Satz 3.4. Sei p : Y → X eine Überlagerung, y0 ∈ Y , x0 := p(y0 ).
(a) Ist u ein Weg in X, u(0) = x0 , so gibt es genau eine Liftung û : I → Y von u mit û(0) = y0 .
(b) Ist x1 ∈ X und sind u, u0 homotope Wege von x0 nach x1 , so ist û(1) = ub0 (1) und û ∼ ub0 .
(c) Die Abbildung p∗ : π1 (Y, y0 ) → π1 (X, x0 ) ist injektiv.
1 Historisch bedingt spricht man in der Funktionentheorie und der Theorie der Riemannschen Flächen in diesem Fall oft von einer
unverzweigten Überlagerung und fasst den Begriff der Überlagerung noch etwas allgemeiner auf. Wir wollen uns aber an die in der
Topologie übliche Definition halten.
15
Beweis. (a) Die Eindeutigkeit folgt aus Satz 3.2. Zur Existenz: Es gibt eine Unterteilung 0 = t0 < t1 <
· · · < tn = 1 und offene U1 , . . . ,Un ⊂ X, sodass gilt: p| p−1 (Ui ) → Ui ist eine triviale Überlagerung und
u([ti−1 ,ti ]) ⊂ Ui für 1 ≤ i ≤ n.
Sei û(0) := y0 , sei û(t) für 0 ≤ t ≤ t j , j < n schon definiert, û(t j ) ∈ p−1 (U j+1 ). Es gibt eine stetige
Abbildung τ : U j+1 → Y mit p ◦ τ = idU j+1 , τ(u(t j )) = û(t j ). Man setzt û(t) := τ(u(t)) für t ∈ [t j ,t j+1 ].
Damit ist û(t) für 0 ≤ t ≤ t j+1 definiert. (Die Stetigkeit der gesamten Abbildungen folgt aufgrund der
Stetigkeit der Abbildung auf den offenen Teilmengen).
(b) Folgt aus Lemma 3.2.
(c) Seien [v], [v0 ] ∈ π1 (Y, y0 ) mit p∗ [v] = p∗ [v0 ]. Dann ist p ◦ v ∼ p ◦ v0 mit v = pd
◦ v und v0 = p[
◦ v0 . Mit Teil
0
0
(b) folgt hieraus schon v ∼ v , das heißt [v] = [v ].
Y 3 y0
↓p
(also z0 ∈ Z, y0 ∈ Y , p(y0 ) = f (z0 ) =: x0 ).
X 3 x0
Theorem 3.1 (Liftungssatz). Seien
z0 ∈ Z
→
z
Die Abbildung p sei eine Überlagerung, Z sei zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Dann
sind äquivalent:
(i) Es ist f∗ (π1 (Z, z0 )) ⊂ p∗ (π1 (Y, y0 )).
(ii) Es gibt eine Liftung g von f mit g(z0 ) = y0 (nach Satz 3.2 ist g dann eindeutig).
Beweis. (ii)⇒(i): Das folgt sofort, weil das Diagramm
π1 (Y, y0 )
%
↓ p∗
→
π1 (X, x0 )
g∗
π1 (Z, z0 )
f∗
kommutativ ist.
(i)⇒(ii): Es sei z ∈ Z. Wähle einen Weg u von z0 nach z und setze g(z) := fd
◦ u(1), also p(g(z)) = f (z).
(Hier Bild fehlen tut)
Zu zeigen ist dann: 1. Die so definierte Abbildung g ist wohldefiniert und 2. g ist auch stetig.
Zu 1.: Seien u, u0 Wege von z0 nach z. Dann ist u0 · u−1 ein Weg von z0 nach z0 , es gibt also einen geschlossenen Weg v in Y mit v(0) = y0 und f ◦(u0 ·u−1 ) ∼ p◦v, also f ◦u0 ∼ (p◦v)·( f ◦u). Aus Satz 3.4(b) folgt dann,
dass [
f ◦ u0 (1) = (p ◦ \
v) · ( f ◦ u)(1) ist. Nun sind (p ◦ \
v) · ( f ◦ u) und v ◦ (\
f ◦ u) Liftungen von (p ◦ v) · ( f ◦ u)
0
\
[
mit Anfangspunkt y0 . Aus Satz 3.2 folgt daher, dass f ◦ u (1) = v · ( f ◦ u)(1) = (\
f ◦ u)(1) ist.
Zu 2.: Die Abbildung g ist in jedem z ∈ Z stetig.
Beweis. Sei V 0 ⊂ Y eine Umgebung von g(z). Es gibt eine offene Menge V ⊂ V 0 mit g(z) ∈ V , sodass
p|V → p(V ) topologisch ist. Sei τ : p(V ) → V die inverse Abbildung, also τ( f (z)) = g(z). Es gibt eine wegzusammenhängende Umgebung W von z mit f (W ) ⊂ p(V ). Es reicht zu zeigen, dass g(W ) ⊂ V ist.
Sei also z1 ∈ W , u ein Weg in Z von z0 nach z und u1 ein Weg in W von z nach z1 .
(Hier Bild fehlen tut)
Dann ist ( f ◦ u) · ( f ◦ u1 ) ein Weg von f (z0 ) nach f (z1 ), (\
f ◦ u) · (τ ◦ f ◦ u1 ) ist eine Liftung dieses Weges,
also g(z1 ) = ((\
f ◦ u) · (τ ◦ f ◦ u1 ))(1) = (τ ◦ f ◦ u1 )(1) = τ( f (z1 )) ∈ V .
Definition. Ein Hausdorff-Raum S heißt 1-zusammenhängend (1-connected), wenn gilt:
(a) Der Raum S ist zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend (dann ist π1 (S, s0 ) ' π1 (S, s1 ) für
alle s0 , s1 ∈ S).
16
Kapitel 3. Überlagerungen
(b) Ist s ∈ S, so ist π1 (S, s) = 0.
Corollar 3.1. Ist Z ein 1-zusammenhängender Raum, ϕ : Z → X stetig, f (z0 ) = x0 , so gibt es für jedes y0 ∈ Yx0
genau eine stetige Abbildung g : Z → Y mit p ◦ g = f und g(z0 ) = y0 .
Definition. Sei p : Y → X eine Überlagerung. Mit Deck(Y /X) wird die Gruppe der topologischen Abbildungen f : Y → Y mit p ◦ f = p bezeichnet. Dann ist das Diagramm
f
→
Y
p
&
Y
.p
X
kommutativ. Die Elemente der Gruppe heißen Decktransformationen.
Satz 3.5. Sei p : Y → X eine Überlagerung, Y sei 1-zusammenhängend, x0 ∈ X. Dann gilt Deck(Y /X) '
π1 (X, x0 ).
Beweis. Zur Abkürzung setzen wir G := Deck(Y /X). Wähle ein festes y0 ∈ Yx0 . Ist f ∈ G, so ist f (y0 ) ∈ Yx0 .
Sei ϕ : G → π1 (X, x0 ), f 7→ [p ◦ u], wobei u ein Weg in Y von y0 nach f (y0 ) ist.
1. Diese Abbildung ϕ ist wohldefiniert: Sind u1 , u2 Wege von y0 nach f (y0 ), so ist u1 ∼ u2 , also auch
p ◦ u1 ∼ p ◦ u2 , das heißt aber gerade [p ◦ u1 ] = [p ◦ u2 ].
2. Die Abbildung ϕ ist darüberhinaus injektiv: Seien f1 , f2 ∈ G mit ϕ( f1 ) = ϕ( f2 ). Seien Wege u1 von y0
nach f1 (y0 ) und u2 von y0 nach f2 (y0 ) gegeben. Dann folgt p ◦ u1 ∼ p ◦ u2 und u1 (bzw. u2 ) ist Liftung
von p ◦ u1 (bzw. p ◦ u2 ). Mit Satz 3.4(b) folgt u2 (1) = u1 (1), also f1 (y0 ) = f2 (y0 ) und aus Satz 3.2 folgt
somit f1 = f2 .
3. Die Abbildung ϕ ist auch surjektiv: Sei α = [v] ∈ π1 (X, x0 ). Nach Satz 3.4 hat man v̂ mit v̂(0) = y0 , sei
Y
f
%
↓
p
y1 := v̂(1). Nach dem Corollar zu Theorem 3.1 gibt es f : Y → Y , sodass das Diagramm
Y →
X
p
Y
f˜
kommutativ wird, mit f (y0 ) = y1 , und ein f˜ : Y → Y , sodass Diagramm
Y
.
→
p
↓ p kommutativ ist
X
mit f˜(y1 ) = y0 . Also p ◦ f˜ ◦ f = p und p ◦ f ◦ f˜ = p. Aus f ◦ f˜(y1 ) = y1 und f˜ ◦ f (y0 ) = y0 folgt mit
Satz 3.2 f˜ ◦ f = f ◦ f˜ = idY , also ist f ∈ G und ϕ( f ) = α.
4. Die Abbildung ϕ ist ein Homomorphismus: Seien f1 , f2 ∈ G; u1 ein Weg von y0 nach f1 (y0 ), u2 ein
Weg von y0 nach f2 (y0 ). Dann ist u1 · ( f1 ◦ u2 ) ein Weg von y0 nach ( f1 ◦ f2 )(y0 ), also ist ϕ( f1 ◦ f2 ) =
[p ◦ (u1 · ( f1 ◦ u2 ))] = [p ◦ u1 ] · [p ◦ f1 ◦ u2 ] = [p ◦ u1 ] · [p ◦ u2 ] = ϕ( f1 ) · ϕ( f2 ).
Satz 3.6. Sei p : Y → X eine Überlagerung, wobei Y ein wegzusammenhängender Raum sei, y0 ∈ Y ,
x0 := p(y0 ) und H = p∗ (π1 (Y, y0 )). Dann ist ψ : {H · α | α ∈ π1 (X, x0 )} → Yx0 , H · [u] 7→ û(1) eine bijektive Abbildung.
Beweis.
1. Die Abbildung ψ ist wohldefiniert: Sind u1 , u2 Wege von x0 nach x0 , so ist zu zeigen: Aus
H · [u1 ] = H · [u2 ] folgt auch û1 (1) = û2 (1).
Aus [u2 ] ∈ H · [u1 ] folgt die Existenz eines Wegs v von y0 nach y0 mit u2 ∼ (p ◦ v) · u1 und v · û1 ist die
Liftung von (p ◦ v) · u1 . Mit Satz 3.4(b) folgt daher û2 (1) = (v · û1 )(1) = û1 (1).
2. Die Abbildung ψ ist injektiv: Seien u1 , u2 Wege von x0 nach x0 und û1 (1) = û2 (1). Zu zeigen ist dann
H · [u1 ] = H · [u2 ].
Der Weg v := û1 · û−1
2 geht von y0 nach y0 , also ist [p ◦ v] ∈ H. Wegen v · û2 ∼ û1 ist (p ◦ v) · u2 =
p◦(v· û2 ) ∼ p◦ û1 = u1 . Daher ist [u1 ] ∈ H ·[u2 ], das heißt H ·[u1 ] ⊂ H ·[u2 ]. Ganz analog folgt H ·[u2 ] ⊂
H · [u1 ].
17
3. Die Abbildung ψ ist surjektiv: Sei y ∈ Yx0 . Es gibt einen Weg w von y0 nach y. Für u := p ◦ w gilt dann
[u] ∈ π1 (X, x0 ) und ψ(H · [u]) = y.
Theorem 3.2. Sei X eine Riemannsche Fläche, p : X → E∗ eine holomorphe endliche und unverzweigte
Abbildung. Für ein z0 ∈ E∗ sei k := ]Xz0 .
Es gibt eine biholomorphe Abbildung f : X → E∗ , sodass
E∗
→
X
f
&
.
p
E∗
zk
kommutativ ist.
Beweis. Nach Übung 2, Blatt 3, darf man π1 (E∗ , z0 ) = Z annehmen. Nach Lemma 3.3 sind p und zk Überlagerungen. Sei p0 : X 0 := E∗ → E∗ , z 7→ p0 (z) = zk . Wähle x0 ∈ X, x00 ∈ X 0 mit p(x0 ) = z0 = p0 (x00 ). Sei
H := p∗ (π1 (X, x0 )) ⊂ Z und H 0 := p0∗ (π1 (X 0 , x00 )). Das sind beides Untergruppen von Z = π1 (E∗ , z0 ). Nach
Satz 3.6 ist ](Z/H) = k = ](Z/H 0 ), also H = H 0 .
Nach Theorem 3.1 hat man stetige Abbildungen f : X → X 0 , g : X 0 → X mit
g
X
←−
X0
−→
f
&
.
p
p0
E∗
0
f (x0 ) = x0 , g(x00 ) = x0 , also g ◦ f (x0 ) = x0 , f ◦ g(x00 ) = x00 . Weiter ist
id
←−
X
X
−→
id
X0
X0
←−
−→
id
id
&
.
p
p
&
.
p0
p0
E∗
E∗
Also ist nach Satz 3.2 g ◦ f = idX und f ◦ g = idX 0 . Nach Lemma 3.1 sind f , g biholomorph.
Theorem 3.3. Sei X eine Riemannsche Fläche und f : X → E eine endliche holomorphe Abbildung, höchstens
0 sei ein kritischer Wert.
Dann gibt es ein k ≥ 1 und eine biholomorphe Abbildung ϕ̃ : X → E, sodass
∼
→
X
E
ϕ̃
&
.
f
zk
E
kommutiert.
Beweis. Sei X ∗ := f −1 (E). Nach Satz 3.3 ist f |X ∗ : X ∗ → E∗ eine endliche Überlagerung, sei k die Blätterzahl.
Nach Theorem 3.2 gibt es ein biholomorphes ϕ, sodass
∼
X
→
E∗
ϕ
&
.
f
zk
E∗
kommutiert. Sei f −1 ({0}) = {b1 , . . . , bn }. Es gibt paarweise disjunkte offene Mengen W1 , . . . ,Wn ⊂ X mit
b ∈ W1 , . . . , bn ∈ Wn . Nach Lemma 2.1 gibt es ein 0 < ε < 1 mit f (εE)
⊂ W1 ∪ · · · ∪Wn , also X ∗ ∩ f −1 (εE) =
√
S1n
k
−1
∗
∗
−1
(εE) ∩Wν ∩ X ) und X ∩ f (εE) ' {z ∈ C : 0 < |z| < ε} ist zusammenhängend. Für 1 ≤ ν ≤ n
ν=1 ( f
ist f −1 (εE) ∩ X ∗ ∩ Wν 6= 0/ (sonst Wν ∩ f −1 (εE) ⊂ f −1 (0)), also Wν ∩ f −1 (εE) = 0,
/ Widerspruch zu bν ∈
Wν ∩ f −1 (εE). Somit muss n = 1 sein.
18
Kapitel 3. Überlagerungen
(
ϕ(x) falls x 6= b1
. Ist (xn ) ein Folge in X ∗ mit lim xn = b1 , so ist lim ϕ̃(xn )k =
Sei ϕ̃ : X → E, x 7→
0
falls x = b1
lim f (xn ) = 0, also lim ϕ̃(xn ) = 0 = ϕ̃(b1 ), das heißt ϕ̃ ist in b1 stetig. Nach Satz 2.1 ist somit ϕ̃ holomorph
und bijektiv. Nach dem Corollar zu Satz 2.5 ist ϕ̃ damit biholomorph.
19
Kapitel 4
Analytische Fortsetzung
Definition. Sei X ein topologischer Raum mit Topologie T := {U ⊂ X | U ist offen }.
Eine Prägarbe abelscher Gruppen (C-Vektorräumen, C-Algebren) ist ein Paar (F, r) bestehend
(i) aus einer Familie F = (F(U))U∈T abelscher Gruppen (bzw. C-Vektorräumen, C-Algebren) und
(ii) einer Familie r = (rVU )U,V ∈T ,V ⊂U von Morphismen rVU : F(U) → F(V ),
U = id
wobei gilt: Es ist rU
F(U) ; und falls W ⊂ V ⊂ U ⊂ X offen sind, so ist
−→
F(U)
rVU
U
rW
F(V )
&
. rWV
F(W )
kommutativ.
Die rVU heißen Restriktionen, meist schreibt man f |V := rVU ( f ) für f ∈ F(U).
Zum Beispiel ist CX := (CX , r) mit CX (U) := { f : U → C | f stetig }, rVU die üblichen Restriktionen, eine
Prägarbe von C-Algebren.
Definition. Eine Garbe auf X ist eine Prägarbe F auf X, die folgendes "Garbenaxiom" erfüllt:
S
(GA)
Ist (Ui )i∈I eine Familie offener Mengen in X, U := i∈I Ui und ( fi )i∈I ∈ ∏i∈I F(Ui ) derart, dass
2
gilt: fi |Ui ∩U j = f j |Ui ∩U j für alle (i, j) ∈ I , so gibt es genau ein f ∈ F(U) mit f |Ui = fi für alle i ∈ I.
Insbesondere ist dann F(U) → ∏i∈I F(Ui ), f 7→ ( f |Ui )i∈I injektiv, auch folgt F(0)
/ = 0 (setze I := 0).
/
◦
Beispiele 4.1.
1. Ist G eine abelsche Gruppe, so ist GX , definiert durch X ⊃ U = U 7→ {g : U → G |
g ist lokalkonstant} mit den üblichen Restriktionen eine Garbe.
(
(
G falls U 6= 0,
idG falls V 6= 0,
/
U
Hingegen ist im Allgemeinen die Prägarbe U 7→
mit rV :=
keine
0 falls U = 0,
0
falls V = 0,
/
Garbe.
Sei etwa ]G ≥ 2 und es gebe U1 ,U2 ⊂ X offen mit U1 ∩U2 6= 0,
/ U1 ,U2 6= 0.
/ Wähle g1 , g2 ∈ G, g1 6= g2 ,
U1
U2
U1 ∪U2
U1 ∪U2
rU
g
=
r
g
,
aber
es
gibt
kein
g
∈
G
mit
r
g
=
g
,
r
g
=
g2 .
1 U2
U1 ∩U2 2
U1
1 ∩U2 1
Sei nun X eine C-Mannigfaltigkeit.
◦
2. Die Familie OX , definiert durch X ⊃ U = U 7→ O(U) ist eine Garbe von C-Algebren.
◦
Die Familie MX , definiert durch X ⊃ U = U 7→ M (U) ist eine Garbe von C-Algebren.
◦
3. Die Familie OX∗ , definiert durch X ⊃ U = U 7→ O(U)∗ ist eine Garbe abelscher Gruppen.
16.11.04
20
Kapitel 4. Analytische Fortsetzung
◦
4. Die Familie EX , definiert durch X ⊃ U = U 7→ E (U) := { f : U → C | für jede Karte (V, h) auf U ist f ◦
h−1 : h(V ) → C eine C∞ -Funktion} ist eine Garbe von C-Algebren.
Definition. Seien F, G Garben von abelschen Gruppen (bzw. C-Vektorräumen, C-Algebren). Ein Morphismus
α : F → G ist eine Familie (αU )U∈T ∈ ∏U∈T Hom(F(U), G(U)), für die gilt: Sind V ⊂ U ⊂ X offen, so ist
F(U) −→
G(U)
αU
rVU ↓
F(V )
−→
↓ rVU
G(V )
αV
kommutativ. Für f ∈ F(U) schreibt man α( f ) := αU ( f ), das heißt dann: α( f )|V = α( f |V ).
Sind α : F → G, β : G → H Morphismen, so ist β ◦ α := (βU ◦ αU )U∈T ein Morphismus von F in H.
Mit Ab(X) werde die Kategorie der Garben abelscher Gruppen auf X bezeichnet.
Definition. Sei F ∈ Ab(X). Eine Unterprägarbe von F ist eine Familie F 0 = (F 0 (U))U∈T von Untergruppen
F 0 (U) ⊂ F(U), für die gilt: Ist f ∈ F 0 (U), V ⊂ U offen, so ist f |V ∈ F 0 (V ), F 0 ist dann mit den induzierten
Restriktionen eine Prägarbe.
Eine Untergarbe F 0 von F ist eine Unterprägarbe, welche eine Garbe ist; dann ist j : F 0 → F ein Morphismus, wobei jU : F 0 (U) ,→ F(U) die Inklusion ist. Zum Beispiel ist CX ⊂ EX eine Untergarbe.
Definition. Seien F, G ∈ Ab(X) und α ∈ Hom(F, G). Der Kern von α,
ker α := (ker αU )U∈T
ist eine Untergarbe von F(!). Ein Morphismus α heißt injektiv, wenn ker α = 0 ist.
Die Untergarbe Imα ⊂ G ist so definiert: 1 Für U ∈ T ist
(Imα)(U) := {g ∈ G(U) | zu jedem x ∈ U gibt es eine offene Umgebung V von x in U und ein f ∈ F(V ) mit α( f ) = g|V }
Ein Morphismus α heißt surjektiv, wenn Imα = G gilt.
Ein Morphismus α wird als Isomorphismus bezeichnet, wenn ein β ∈ Hom(G, F) existiert mit β ◦ α = idF
und α ◦ β = idG .
Definition. Eine Sequenz A0 → A1 → · · · → An abelscher Gruppen heißt exakt, wenn Im fi = ker fi+1 für
f1
f2
fn
1 ≤ i ≤ n − 1 gilt. Ebenso heißt eine Garbensequenz F0 → F1 → · · · → Fn exakt, wenn Imαi = ker αi für
α1
1 ≤ i ≤ n − 1 gilt.
α2
αn
Man beachte: Die Sequenz 0 → F0 → ist genau dann exakt, wenn α injektiv ist.
α
Die Sequenz F1 → F2 → 0 ist genau dann exakt, wenn α surjektiv ist.
α
Die Sequenz 0 → F1 → F2 → 0 ist genau dann exakt, wenn α injektiv und surjektiv ist.
α
Beispiel 4.1. Sei X eine C-Mannigfaltigkeit, e : OX → OX∗ ist durch e( f ) := e2πi f definiert.
Die „Exponentialsequenz” 0 → ZX → OX → OX∗ → 0 ist exakt; aber eX : O(X) → O(X)∗ ist im Allgemeinen nicht surjektiv (z.B. für X = C∗ ).
e
1. Ist 0 → F 0 → F → F 00 eine exakte Sequenz in Ab(X) und U ⊂ X offen, so ist 0 → F 0 (U) →
Regeln 4.1.
α
β
αU
F(U) → F 00 (U) auch exakt.
βU
2. Ist F 0 → F ein Morphismus in Ab(X), so gilt: α ist genau dann ein Isomorphismus, wenn α injektiv
α
und surjektiv ist.
1 Die Definition sieht ein bisschen kompliziert aus (ist sie auch), das muss man aber so machen, damit Imα wirklich eine Untergarbe
und nicht nur eine Unterprägarbe von G ist.
4.1. Keime und Halme
21
1. Aus der Definition ist sofort ker αu = 0 ersichtlich.
Beweis.
Außerdem ist ImαU ⊂ (Imα)(U) = (ker β )(U) = ker βU ,also ImαU ⊂ ker βU .
Es bleibt ker βU ⊂ ImαU zu zeigen: Sei f ∈ ker βU . Da f ∈ (Imα)(U) ist, gibt es U = i∈I Ui , fi0 ∈
F 0 (Ui ) mit α( fi0 ) = f |Ui für alle i ∈ I; für i, j ∈ I ist α( fi0 |Ui ∩U j − f j0 |Ui ∩U j ) = 0. Wegen ker α = 0 folgt
fi0 |Ui ∩U j = f j0 |Ui ∩U j . Mit dem Garbenaxiom folgt die Existenz eines eindeutigen f 0 ∈ F 0 (U) mit ∀i f 0 |Ui =
fi0 , also ∀i f |Ui = α( f 0 )|Ui . Wiederum mit dem Garbenaxiom folgt f = α( f 0 ), das heißt f ∈ ImαU .
S
2. Ist α ein Isomorphismus, dann ist α natürlich injektiv und surjektiv.
Ist umgekehrt α surjektiv und injektiv, dann ist die Sequenz 0 → F 0 → F → 0 exakt. Mit Teil 1 folgt,
α
dass auch 0 → F 0 (U) → F(U) → 0 exakt ist für alle offenen Mengen U ⊂ X. Daraus ergibt sich, dass
αU
αU ein Isomorphismus ist für alle offenen U ⊂ X. Setzt man β := (αU−1 )U∈T ∈ Hom(F, F 0 ), dann ist
αβ = idF und β α = idF 0 . Also ist α ein Isomorphismus.
Ist F ∈ Ab(X), so heißen die Elemente von Γ(U, F) := F(U) Schnitte von F über U.
4.1
Keime und Halme
Sei F ∈ Ab(X) und x ∈ X. Sei
Fx :=
[
F(U) × {U}/ ∼
U∈T,x∈U
mit ( f1 ,U1 ) ∼ ( f2 ,U2 ) :⇔ es gibt V ∈ T , x ∈ V ⊂ U1 ∩ U2 , f1 |V = f2 |V . Ist f ∈ F(U), x ∈ U, so heißt
[( f ,U)] =: fx ∈ Fx der Keim von f in x. Fx heißt der Halm von F in x. Fx ist eine abelsche Gruppe durch
fx + gx := ( f |U∩V + g|U∩V )x , dabei f ∈ F(U), g ∈ F(V ). Analog ist Fx eine C-Algebra, falls F eine Garbe
von C-Algebren ist.
Seien F, G ∈ Ab(X). Ist α ∈ Hom(F, G), x ∈ X, so hat man αx : Fx → Gx , [( f ,U)] 7→ [(α( f ),U)], das heißt
αx ( fx ) = α( f )x . Ist j : F 0 ,→ F eine Untergarbe, so ist jx : Fx0 → Fx injektiv, man fasst daher stets Fx0 als
Untergruppe von Fx auf.
Beispiel 4.2. Sei X eine C-Mannigfaltigkeit, x ∈ X; OX,x =: Ox ist eine C-Algebra; Ox → C, fx 7→ f (x) ist
ein definierter C-Algebra-Homomorphismus. mx := { fx ∈ Ox | f (x) = 0} ist also ein maximales Ideal in Ox .
Ox∗ = Ox \ mx , das heißt Ox ist ein lokaler Ring.
19.11.04
Ist (U, h) eine Koordinate bei x, so ist OC,0 → OX,x , f0 7→ ( f ◦h)x ein Isomorphismus von C-Algebren.
f ∈O(V )
0∈V ⊂h(U)
Sei C{z} der Ring der konvergenten Potenzreihen; OC,0 → C{z}, f0 7→ ∑
Isomorphismus von C-Algebren.
Dn f (0) n
n! z
ist dann ebenfalls ein
Regeln 4.2. Seien α : F 0 → F, β : F → F 00 in Ab(X).
1. (ker α)x = ker(α)x , (Imα)x = Im(α)x für alle x ∈ X.
2. F 0 → F → F 00 ist genau dann exakt, wenn Fx0 → Fx → Fx0 0 für alle x ∈ X exakt ist.
α
αx
β
βx
Der etale Raum p : |OX | → X, X eine C-Mannigfaltigkeit:
[
|OX | :=
OX,x ,
p : |OX | → X, OX 3 ϕ 7→ x.
x∈X
Ist f ∈ O(U), U = U ◦ ⊂ X, so sei N(U, f ) := { fx | x ∈ U} ⊂ |O| := |OX |. Es gilt:
(a) {N(U, f ) | U = U ◦ ⊂ X, f ∈ O(U)} ist Basis einer Topologie auf |O|, mit dieser wird |O| versehen.
(b) p : |O| → X ist lokaltopologisch.
22
Kapitel 4. Analytische Fortsetzung
(c) |O| ist Hausdorff.
Beweis. (a) Ist ϕ ∈ N(U1 , f1 ) ∩ N(U2 , f2 ), so gibt es ein a ∈ U1 ∩ U2 , f1,a = ϕ = f2,a , alsoSgibt es ein
U = U ◦ ⊂ U1 ∩U2 mit a ∈ U, sodass gilt f1 |U = f2 |U . Daher ist N(U1 , f1 ) ∩ N(U2 , f2 ) = {N(U, f ) |
U ⊂ U1 ∩U2 , f1 |U = f2 |U }.
(b) p ist stetig: Sei ϕ ∈ |O|, x = p(ϕ) und x ∈ V = V ◦ ⊂ X. Es gibt U ⊂ X offen, f ∈ O mit ϕ ∈ N(U, f );
also x ∈ U, ϕ = fx , p(N(U ∩V ), f |U∩V ) ⊂ V .
Ist h ∈ O(W ), W ⊂ X offen, so ist W → N(W, h), x 7→ hx stetig(!), daher ist p lokaltopologisch.
(c) Seien ϕ, ψ ∈ |O|, ϕ 6= ψ, a = p(ϕ) und b = ϕ(ψ).
1.Fall, a 6= b: Wähle disjunkte Umgebungen U von a, V von b, p−1 (U) ∩ p−1 (V ) = 0.
/
2.Fall, a = b: Es gibt eine offene zusammenhängende Umgebung U von a und f , g ∈ O(U) mit ϕ = fa ,
ψ = ga sowie N(U, f ) ∩ N(U, g) = 0/ (sonst wäre f = g nach dem Identitätssatz, Widerspruch zu fa 6=
ga ); ϕ ∈ N(U, f ), ψ ∈ N(U, g).
Man versieht |O| mit der komplexen Struktur, die p biholomorph macht (vergleiche Satz 3.1). Die Funktion F : |O| → C, ϕ 7→ ϕ(p(ϕ)) ist holomorph. (Beweis: Ist U ⊂ X offen, h ∈ O(U), so ist F| N(U,h) =
h ◦ p| N(U,h) , denn für x ∈ U ist F(hx ) = h(x) = h(p(hx )).)
Sei nun a ∈ P1 , O := OP1 , ϕ0 ∈ Oa fest. Ist u ein Weg von a nach b in P1 und ϕ ∈ Ob , so definiert man:
ϕ entsteht durch analytische Fortsetzung von ϕ0 längs u :⇔ es gibt eine Liftung û : I → |O| von u mit
û(0) = ϕ0 , û(1) = ϕ ⇔ in |O| gibt es einen Weg von ϕ0 nach ϕ über u.
Definition. Sei X ⊂ |O| die Zusammenhangskomponente, welche ϕ0 enthält, π := p|X → P1 , f := F|X → C;
(X, π) heißt die Riemannsche Fläche von ϕ0 . (X, π, f ) heißt die maximale analytische Fortsetzung von ϕ0 .
Beispiel 4.3 (Die Riemannsche Fläche des Logarithmus). Sei a = 1, ϕ0 der Keim von in 1, : C \ R− → C
der Hauptzweig des Logarithmus. Es gilt: f ist biholomorph und
X
π↓
∼
→
f
C
.
exp
P1
ist kommutativ.
Beweis. g : C → |O| wird so definiert: Ist z0 ∈ C, U eine offene Umgebung von z0 , sodass exp |U injektiv ist,
so sei log : exp(U) → U ⊂ C invers zu exp |U → exp(U), g(z0 ) sei der Keim von log in ez0 , g(z0 ) hängt nur
von z0 ab. Dann gilt:
1. g ist holomorph: Seien z0 ,U wie oben, p| N(exp(U),log) → exp(U) ist biholomorph, die inverse Abbilung
τ : exp(U) → N(exp(U), log), z 7→ Keim von log in z also holomorph und
g|U = τ ◦ exp |U .
(4.1)
2. g(0) = ϕ, also g(C) ⊂ X, sei ab jetzt g : C → X, z 7→ g(z), wegen (4.1) ist
π ◦ g = exp .
(4.2)
Es gilt f ◦ g = idC , denn sind z0 ,U wie oben, so ist f (g(z0 )) = log(ez0 ) = z0 . g ist also nicht konstant,
folglich ist g(C) offen in X. g(C) ⊂ {ϕ ∈ X | g( f (ϕ)) = ϕ} (denn ist ϕ = g(z) = logez , so ist g( f (ϕ)) =
g(log(ez )) = g(z) = ϕ), nach Identitätssatz g ◦ f = idX und mit (4.2) folgt exp ◦ f = π.
23
Kapitel 5
Algebraische Funktionen
Wir beginnen zunächst mit einer kleinen Zusammenstellung von Tatsachen aus der Algebra, die wir als bekannt voraussetzen:
Sei K → L eine Körpererweiterung 1 , L ist eine K-Vektorraum durch a · x := f (a) · x für a ∈ K und x ∈ L.
f
Der Grad [L : K] der Körpererweiterung ist die Dimension von L als Vektorraum über K, [L : K] := dimK L.
Sei nun x ∈ L fest. Betrachte den Homomorphismus ϕx : K[T ] → L, P 7→ P(x). Sei K[x] := Imϕ ⊂ L. Ein
x ist algebraisch über K, wenn ker ϕx 6= 0 ist, es gibt dann genau ein normiertes Polynom P = ∑nν=0 aν T ν ,
an = 1, n ≥ 0 mit P(x) = 0 und es ist (P) = ker ϕx . Dann ist K[x] ' K[T ]/(P) und K[x] ist ein Körper. Eine
K-Basis von K[x] ist durch 1,x, . . . , xn−1 gegeben.
Eine Körpererweiterung K → L heißt endlich (algebraisch), wenn [L : K] < ∞ gilt.
Satz vom primitiven Element. Ist K → L eine endlich algebraische Körperweiterung und (K) = 0, so gibt
es ein x ∈ L mit L = K[x].
Definition. Die elementar-symmetrischen Polynome s1 , . . . , sn ∈ Z[X1 , . . . , XN ] sind definiert durch die Identität
n
n
ν=1
ν=1
∏ (T − Xν ) = T n + ∑ (−1)ν sν · T n−ν .
(5.1)
Sei nun X eine C-Mannigfaltigkeit, π : X → P1 eine endliche holomorphe Abbildung. Nach Lemma 2.1
ist X kompakt; X hat endlich viele Zusammenhangskomponenten X1 , . . . , Xr und π|X j : X j → P1 ist endlich für
1 ≤ j ≤ r.
Man hat einen C-Algebra-Homomorphismus π ∗ : M (P1 ) → M (X), h 7→ h ◦ π.
Sei B ⊂ P1 endlich, B enthalte die kritischen Werte von π. Mit A := π −1 ist dann also π|X\A : X \A → P1 \B
eine n-blättrige Überlagerung für ein n ≥ 1.
Sei nun f ∈ M (X \ A); es sollen c1 , . . . , S
cn ∈ M (P1 \ B) zu f definiert
werden.
23.11.04
Sn
Es gibt offene Überdeckungen P1 \ B = i∈I Ui , sodass π −1 (Ui ) = ˙ ν=1Viν , π|Viν → Ui biholomorph ist,
τiν : Ui → Viν sei dazu invers.
Sei Pi := ∏nν=1 (T − f ◦ τiν ) ∈ M (Ui )[T ]. Sind i, j ∈ I, so ist Pi |Ui ∩U j = Pj |Ui ∩U j . [Beweis: Sei Ui ∩ U j 6=
S
S
0.
/ Es ist π −1 (Ui ∩ U j ) = ˙ ν (Viν ∩ π −1 (U j )) = ˙ ν V jν ∩ π −1 (Ui ). Deswegen existiert ein σ ∈ Sn mit Viν ∩
π −1 (U j ) = V j σ (ν) ∩π −1 (Ui ), also τiν |Ui ∩U j = τ j σ (ν) |Ui ∩U j und daher Pi |Ui ∩U j = ∏ν (T − f ◦τiν |Ui ∩U j ) = ∏ν (T −
f ◦ τ j σ (ν) |Ui ∩U j ) = ∏ν (T − f ◦ τ jν |Ui ∩U j ) = Pj |Ui ∩U j .]
Aufgrund des Garbenaxioms gibt es also ein P ∈ M (P1 \ B)[T ] mit P|Ui = Pi für i ∈ I, sei P =: T n +
n
∑ν=1 cν · T n−ν ; die c1 , . . . , cn ∈ M (P1 \ B) heißen die elementar-symmetrischen Funktionen von f . Es gilt:
cν |Ui = (−1)ν · sν ( f ◦ τi1 , . . . , f ◦ τin )
(5.2)
Ist f ∈ O(X \ A), so sind c1 , . . . , cn ∈ O(P1 \ B)
(5.3)
1 Wir verstehen hierbei unter einer Körpererweiterung einfach einen (automatisch injektiven) Ringhomomorphismus, wir fassen also
K nicht unbedingt als Teilmenge bzw. Unterkörper von L auf.
24
Kapitel 5. Algebraische Funktionen
Ist π ∗ : M (P1 \ B) → M (X \ A), h 7→ h ◦ π, so gilt f n +
n
∑ π ∗ (cν ) f n−ν = 0.
(5.4)
ν=1
Beweis. Zu (5.2): Wende den Homomorphismus Z[X1 , . . . , Xn ][T ] → M (Ui )[T ], Xν 7→ f ◦ τiν , T 7→ T auf
(5.1) an, also T n + ∑ν (cν |Ui )T n−ν = Pi = ∏nν=1 (T − f ◦ τiν ) = Tn + ∑nν=1 (−1)ν sν ( f ◦ τi1 , . . . , f ◦ τin ).
Zu (5.3): Folgt sofort aus (5.2).
Zu (5.4): Auf Ui ist fn + ∑ν π ∗ (cν )( f n−ν ) = fn + ∑ν (−1)ν πi∗ sν ( f ◦ τi1 , . . . , f ◦ τin ) f n−ν (wobei πi :
(2)
π −1 (Ui ) → Ui ) = f n + ∑ν (−1)ν sν (πi∗ ( f ◦ τi1 ), . . . , πi∗ ( f ◦ τin )) = f n + ∑ν (−1)ν sν ( f , . . . , f ) f n−ν . Weil die
π
Ui eine Überdeckung bilden, ist somit f n + ∑(−1)ν sν ( f , . . . , f ) f n−ν = f n ∑ π ∗ (cν ) f n−ν . Wendet man den
Homomorphismus Z[X1 , . . . , Xn ][T ] → M (X \ A), Xν → f , T → f auf (5.1) an, so erhält man f n +
∑(−1)ν sν ( f , . . . , f ) · f n−ν = ∏nν=1 ( f − f ) = 0.
Definition. Eine Funktion f heißt in einen Punkt a ∈ A holomorph (bzw. meromorph) fortsetzbar, wenn es
offene Umgebungen V von a in X und ein f˜ ∈ O(V ) (bzw. M (V )) gibt mit f˜|V \A = f |X\A .
Lemma 5.1. Sei b ∈ B, π −1 (b) = {a1 , . . . , an }. Es gilt: Eine Funktion f lässt sich genau dann holomorph
(bzw. meromorph) in a1 , . . . , an fortsetzen, wenn sich die elementar-symmetrischen Funktionen c1 , . . . , cn von
f holomorph (bzw. meromorph) in b fortsetzen lassen.
Für den Beweis benötigt man den
Hilfssatz 5.1. Ist zn0 + ∑nν=1 λν zn−ν = 0 mit λν , z0 ∈ C, so ist |z0 | ≤ 1 + ∑ν |λν | =: c.
Beweis. Angenommen, es wäre |z0 | > c. Eine Division der Gleichung durch zn0 liefert
also 1 ≤ ∑ν
|λν |
|zν0 |
≤ ∑ν
Beweis des Lemmas.
|λν |
c
λ1
z0
+ λz22 +· · ·+ λznn = −1,
0
0
und somit c ≤ ∑ |λν | im Widerspruch zur Festsetzung von c.
1. Der holomorphe Fall
(a) „⇒”: Es gibt (Lemma 2.1) eine offene Umgebung U von b in P1 und f˜ ∈ O(π −1 (U)), sodass mit
U ∗ := U \ {b} gilt: f˜| π −1 (U ∗ ) = f | π −1 (U ) , insbesondere hat f in π −1 (U ∗ ) keinen Pol. Nach Verkleinern von U ist f˜ in einer Umgebung von π −1 (U) holomorph. Daher ist f˜| π −1 (U ) beschränkt
und somit auch f | π −1 (U ∗ ) beschränkt. Aus (5.2) folgt daher, dass die c1 , . . . , cn auf U ∗ holomorph
und beschränkt sind, sich also holomorph in b fortsetzen lassen.
(b) „⇐”: Es eine offene Umgebung U von b in P1 , U ∩ B = {b}, sodass die c1 , . . . , cn auf U \
{b} =: U ∗ holomorph und beschränkt sind, also gibt es ein γ > 0 mit kcν ◦ πk π −1 (U ∗ ) ≤ γ
für 1 ≤ ν ≤ n. Sei P die Polmenge von f | π −1 (U ∗ ) . Ist x ∈ π −1 (U ∗ ) \ P, so ist nach (5.4)
0 = f (x)n + ∑ cν (π(x))) f (x)n−ν . Mit dem Hilfssatz folgt hieraus | f (x)| ≤ 1 + nγ, also P = 0/ und
f ist auf π −1 (U ∗ ) holomorph und beschränkt. Daher ist f in a1 , . . . , an holomorph fortsetzbar.
2. (
Der meromorphe Fall: Sei g ∈ M (P1 ) eine Funktion, die nur in b eine Nullstelle hat, zum Beispiel g =
z − b falls b 6= ∞
. Seien c̃1 , . . . , c̃n die elementar-symmetrischen Funktionen von π ∗ (g) ◦ f . Nach
1
falls
b
=
∞
z
(5.2) ist c̃ν |Ui = (−1)ν sν ((π ∗ (g)· f )◦ τi1 , . . . , (π ∗ (g)· f )◦ τin ) = (−1)ν sν (g ·( f ◦ τi1 ), . . . , g ·( f ◦ τin )) =
(−1)ν · gν · sν ( f ◦ τi1 , . . . , f ◦ τin ) = gν · cν |Ui ; also gilt
c̃ν = gν · cν .
(5.5)
(a) „⇒”: Für ein k ≥ 1 lässt π ∗ (gk ) · f holomorph nach a1 , . . . , an fortsetzen. Formel (5.5) zeigt dann,
dass sich gk · c1 , g2k · c2 , . . . , gnk · cn holomorph in b forsetzen lassen, also lassen sich die c1 , . . . , cn
meromorph in b fortsetzen.
5.1. Einschub: Diskriminanten
25
(b) „⇐”: Für geeignetes k ≥ 1 lassen sich gk c1 , . . . , gnk cn holomorph nach b fortsetzen, wie oben sind
das die elementar-symetrischen Funktionen von π ∗ (gk ) · f . Wie im ersten Teil gezeigt, lässt sich
π ∗ (gk ) · f holomorph, f also meromorph nach a1 , . . . , an fortsetzen.
Satz 5.1. Ist X eine kompakte Riemannsche Fläche, π : X → P1 holomorph und n-blättrig, so ist π ∗ : M (P1 ) →
M (X) eine endliche algebraische Körpererweiterung und es gilt [M (X) : C(z)] ≤ n.
Beweis. Sei B die Menge der kritischen Werte von π und A := π −1 (B). Ist f ∈ M (X), so lassen sich die
elementar-symmetrischen Funktionen von f |X\A zu c1 , . . . , cn ∈ M (P1 ) fortsetzen (Lemma 5.1). Nach (5.4)
und dem Identitätssatz ist 0 = f n + ∑nν=1 π ∗ (cν ) f n−ν = 0 + f n + ∑nν=0 cν · f n−ν . Somit ist f algebraisch über
C(z) und [C(z)[ f ] : C(z)] ≤ n. Wähle nun f ∈ M (X) so, dass [C(z)[ f ] : C(z)] = n0 maximal ist. Dann ist
M (X) = C(z)[ f ].
Beweis: Sei g ∈ M (X). Nach dem Satz vom primitiven Element gibt es h ∈ C(z)[ f , g] mit C(z)[h] =
C(z)[ f , g]. Also n0 ≥ [C(z)[h] : C(z)] = [C(z)[ f , g] : C(z)] = [C(z)[ f ] : C(z)] · [C(z)[ f , g] : C(z)[ f ]] ≥ n0 , also
C(z)[ f , g] = C(z)[ f ], das heißt g ∈ C(z)[ f ].
26.11.04
Satz 5.2. Sei B ⊂ P1 endlich, X 0 eine C-Mannigfaltigkeit, π 0 : X 0 → P1 \ B eine endliche holomorphe Überlagerung. Es gibt eine C-Mannigfaltigkeit X und eine endliche holomorphe Abbildung π : X → P1 , sodass
X 0 ⊂ X eine offene Unter-Mannigfaltigkeit und π|X 0 = π 0 ist.
Beweis. Sei B = {b1 , . . . , bm }. Wähle lokale Koordinaten (Ui ,ti ) bei bi mit ti (Ui ) = E, Ui ∩ Uk = 0/ für
i 6= k und sei Ui∗ = Ui \ {bi }. Ist V ∗ eine Zusammenhangskomponente von π −1 (Ui∗ ), so ist π 0 (V ∗ ) ⊂
Ui∗ offen und abgeschlossen, also π 0 (V ∗ ) = Ui∗ ; daher hat π 0 −1 (Ui∗ ) nur endlich viele Zusammenhangs∗ . Wähle nun paarweise verschiedene a , . . . , a
komponenten Vi1∗ , . . . ,V in(i)
/
11
1n(1) , a21 , . . . , a 2n(2) , . . . , a mn(m) ∈
0
X und setze A := {a11 , . . . , a mn(m) } sowie X := X‘ ∪ A. Weiterhin sei π : X → P1 , π(x) :=
(
π 0 (x) falls x ∈ X 0
. Sei Vi j := Vi∗j ∪ {ai j }, 1 ≤ n(i), 1 ≤ i ≤ m, also π −1 (Ui ) =
bi
falls x = a j , 1 ≤ j ≤ n(i), 1 ≤ i ≤ m
Vi1 ∪ · · · ∪V in(i) . Man definiert jetzt: V ⊂ X offen, wenn gilt
1. V ∩ X 0 ist offen in X 0 ,
2. Ist ai j ∈ V , so gibt es eine offene Umgebung U von bi in Ui mit π −1 (U) ∩Vi j ⊂ V .
Damit ist dann {V ⊂ X | V ist offen } eine separierte Topologie auf X, X 0 ⊂ X ist offen und die Abbildung
π : X → P1 ist hiermit stetig. Man prüft nach, dass π : X → P1 endlich ist.
Für 1 ≤ j ≤ n(i), 1 ≤ i ≤ m ist π 0 |Vi∗j : Vi∗j → Ui∗ eine endliche Überlagerung, sei ki j die Blätterzahl. Nach
ϕi∗j
Vi∗j →
E∗
∗
∗
∗
0
Theorem 3.2 gibt eine biholomorphe Abbildung ϕi j : Vi j → E , sodass π ↓ & ↓ zki j kommutativ ist.
Ui∗
?
E
ti
(
ϕi∗j (x) falls x 6= ai j
Sei ϕi j : Vi j → E, x 7→
Sei A die komplexe Struktur auf X 0 . Dann ist (A ∪ {(Vi j , ϕi j ) |
0
falls x = ai j
1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ j ≤ n(i)})∗ eine komplexe Struktur auf X, und π ist damit holomorph.
5.1
Einschub: Diskriminanten
Sei R ein kommutativer Ring, P ∈ R[T ] ein normiertes Polynom mit deg P = n ≥ 1 und t := T + (P) (wobei
(P) = R[T ] · P das von P erzeugte Hauptideal ist). Dann ist R[T ]/(P) = R[t] und P(t) = 0. Der Ring R[t] ist
ein freier R-Modul mit Basis 1,t, . . . ,t n−1 . Sei γP0 : R[t] → R[t], z 7→ P0 (t) · z. Diese Abbildung ist ersichtlich
R-linear. Das Element ∆ := ∆P := det γP0 ∈ R heißt die Diskriminante von P.
26
Kapitel 5. Algebraische Funktionen
Beispiel 5.1. Sei P = T 2 + c1 T + c2 mit c1 , c2 ∈ R. Dann ist P0 = 2T + c1 .
Zur Ermittlung der Diskrimante muss man eine Abbildungsmatrix von γP0 bezüglich geeigneter Basen
(zum Beispiel jeweils 1,t, . . . ,t n−1 ) betrachten, man muss also die Bilder der Basiselemente anschauen: In
0
2
unserem Fall sind das 1 und t. Es gilt P0 (t)
· 1 = 2t +
c1 und P (t) · t = 2t + c1t = −2(c1t + c2 ) + c1t =
c −2c2
−2c2 − c1t und somit erhalten wir ∆ = det 1
= −c21 + 4c2 .
2 −c1
Lemma 5.2. Ist ϕ : R → S ein Homomorphismus von Ringen, P = T n + ∑nν=1 cν T n−ν ∈ R[T ]; ϕ(P) := T n +
∑ ϕ(cν )T n−ν ∈ S[T ], so ist ∆ ϕ(p) = ϕ(∆P ).
Beweis. Übung.
Wichtig sind Diskriminanten für uns vor allem, weil man mit ihrer Hilfe erkennen kann, ob Poynome
mehrfache Nullstellen besitzen, es gilt:
Lemma 5.3. Fü ein normiertes Polynom P ∈ C[T ] mit deg P = n ≥ 1 ist genau dann ∆ p = 0, wenn P eine
mehrfache Nullstelle hat.
Beweis. Seien λ1 , . . . , λm die verschiedenen Nullstellen von P.
1. „⇐”: Sei ∆ p 6= 0. Dann ist γP0 ein Isomorphismus, also gibt es ein Q ∈ C[T ] mit P0 (t)Q(t) = 1, das
heißt P0 Q − 1 = P · R mit R ∈ C[T ]. Hieraus folgt P0 (λi ) · Q(λi ) − 1 = 0 für alle 1 ≤ 1 ≤ m. Da hierfür
P0 (λi ) 6= 0 sein muss, ist λi eine einfache Nullstelle von P für 1 ≤ i ≤ m.
2. „⇒”: Hat P eine mehrfache Nullstelle, so ist ker γP0 6= 0, also gibt es ein Polynom Q ∈ C[T ] mit deg Q ≤
n − 1, Q 6= und P|P0 · Q. Dann ist P0 (λi ) · Q(λi ) = 0 für 1 ≤ i ≤ m. Wäre m = n, so wäre P0 (λi ) 6= 0, also
Q(λi ) = 0 für alle 1 ≤ i ≤ m, im Widerspruch zu deg Q < n und Q 6= 0.
Lemma 5.4. Seien c1 , . . . , cn ∈ O(BR ), R > 0, BR = {z : |z| < R}, w0 sei eine einfache Nullstelle von T n +
∑nν=1 cν (0)T n−ν . Dann gibt es ein 0 < r < R und ein ϕ ∈ O(Br ) mit ϕ(0) = w0 und ϕ n + ∑nν=1 (cν |Br )·ϕ n−ν =
0.
Beweis. Siehe Forster, Seite 52.
Lemma 5.5. Sei x ∈ P1 , Ox := OP1 ,x , P = T n + ∑nν=1 cν · T n−ν ∈ Ox [T ], T + ∑ν cν (x)T n−ν ∈ C[T ] habe n
verschiedene Nullstellen w1 , . . . , wn . Dann gibt es ϕ1 , . . . , ϕn ∈ Ox mit ϕν (x) = wν (1 ≤ ν ≤ n) und P =
∏nν=1 (T − ϕν ).
Beweis. Nach Lemma 5.4 gibt es ϕν ∈ Ox mit P(ϕν ) = 0 und ϕν (x) = wν , 1 ≤ ν ≤ n. Das Polynom Q :=
P − ∏nν=1 (T − ϕν ) ∈ Ox [T ] hat Grad ≤ n − 1 und n verschiedene Nullstellen, also muss Q = 0 sein.
Satz 5.3. Sei P = T n + ∑nν=1 cν · T n−ν ∈ C(z)[T ] irreduzibel. Es gibt eine kompakte Riemannsche Fläche X,
eine n-blättrige holomorphe Abbildung π : X → P1 und ein F ∈ M (X) mit F n + ∑nν=1 π ∗ (cν )F n−ν = 0 und
M (X) ' C(z)[T ]/(P).
Zum Beweis benutzt man:
Jede Überlagerung mit endlichen Fasern ist eine endliche Abbildung.
(5.6)
Beweis. Hier ist R = C(z), R[t] := R[T ]/(P) ist ein Körper. Da P0 ∈
/ (P) ist, ist P0 (t) 6= 0, daher ist γP0 ein
Isomorphismus und deswegen ist ∆ := ∆P 6= 0 in C(z). Die Menge B := {x ∈ P1 | ∃ν ordx cν < 0 oder ordx ∆ 6=
0} ⊂ P1 ist endlich. Sei R0 := { f ∈ C(z) | f |P1 \B ist holomorph}, die c1 , . . . , cn sind in R0 , aus Lemma 5.2 folgt
daher, dass auch ∆ ∈ R0 ist.
Behauptung 1: Für x ∈ P1 \ B hat px := T n + ∑ν cν (x)T n−ν genau n verschiedene Nullstellen.
Beweis. Wende Lemma 5.2 auf R0 → C, h 7→ h(x) an, also 0 6= ∆(x) = ∆ px . Behauptung 1 folgt dann aus
Lemma 5.3.
5.1. Einschub: Diskriminanten
Sei nun O := OP1 , X 0 := {ϕ ∈ |O| : p(ϕ) ∈ P1 \ B, P(ϕ) = 0}, dabei sei für ϕ ∈ Ox P(ϕ) = ϕ n + ∑ν cν,x ·
ϕ n−ν .
Sei π 0 : X 0 → P1 \ B, Ox 3 ϕ 7→ x. X 0 ⊂ |O| hat die Spurtopologie. Nach Behauptung 1 und Lemma 5.3
gibt es zu jedem x ∈ P1 \ B eine offene zusammenhänge Menge U in P1 \ B und f1 , . . . , fn ∈ O(U) mit P =
∏nν=1 (T − fν ) über U (das heißt in O(U)[T ]) und ]{ f1 (x), . . . , fn (x)} = n.
S
Ist also ϕ ∈ Ox0 , x0 ∈ U, so gilt P = ϕ ⇔ ∃ν fν,x0 = ϕ. Somit ist π 0 −1 (U) = ˙ 1≤ν≤n N(U, fν ), also ist
π 0 : X 0 → P1 \ B eine Überlagerung und für alle x ∈ P1 \ B ist ]π 0 −1 ({x}) = n. Aus (5.6) folgt daher, dass π 0
endlich ist. Weiter folgt: X 0 ⊂ |O| ist offen, also eine C-Mannigfaltigkeit, π 0 ist lokal biholomorph, F 0 : X 0 →
C, Ox 3 ϕ 7→ ϕ(x) ist holomorph.
Behauptung 2: Die Funktionen c1 |P1 \B , . . . , cn |P1 \B sind die elementar-symmetrischen Funktionen von F 0 .
Beweis. Seien U, f1 , . . . , fn wie oben; τν : U → N(U, fν ), x 7→ fν,x , F 0 ◦ τν = fν , also ∏(T − F 0 ◦ fν ) =
∏(T − fν ) = P(T )|U . Damit folgt bereits Behauptung 2.
Nach Satz 5.2 gibt es eine kompakte C-Mannigfaltigkeit X, π : X → P1 holomorph und endlich, X 0 ⊂ X
offen und π|X 0 = π 0 . Nach Behauptung 2 und Lemma 5.1 lässt sich F 0 meromorph auf X fortsetzen, also hat
man F ∈ M (X) mit F|X 0 = F 0 .
Behauptung 3: X ist zusammenhängend.
Beweis. Wäre X nicht zusammenhängend, so wäre X = X1 ? X2 mit X1 , X2 offen und ungleich der leeren
Menge. Seien a1 , . . . ak bzw. b1 , . . . , bl die elementar-symmetrischen Funktionen von F|X1 bzw. F|X2 , k, l ≥ 1.
Sind U, f1 , . . . , fn wie oben, so gilt über U:
P(T ) = ∏(T − F ◦ τν ) = ∏ 1≤ν≤n (T − F ◦ τν ) ∏ ν (T − F ◦ τν ) = (T k + ∑kj=1 ai T k−i )(T l +
τν (U)⊂X1
τν (U)⊂X2
∑lj=1 b j T l− j ),
also gilt dies auch in C(z)[T ], ein Widerspruch zur Irreduzibilität von P.
Betrachte die Körpererweiterung π ∗ : C(z) → M (X). Sei α : C(z)[T ] → M (X), ∑k rk T k 7→ ∑k π ∗ (rk )F k =
∑k rk F k . Es gilt α(P)|X 0 = (F n + ∑ν π ∗ (cν )F n−ν )|X 0 = 0 nach (5.4) und Behauptung 2, also α(P) = 0,
das heißt P ∈ ker α, das heißt (P) ⊂ ker α. Da P irreduzibel ist, folgt (P) = ker α, daher induziert α einen
injektiven Homomorphismus β : C(z)[T ]/(P) → M (X). Also n = [C(z)[T ]/(P) : C(z)] ≤ [M (X) : C(z)] ≤ n
nach Satz 5.1. Somit ist β auch surjektiv, also ein Isomorphismus.
Bemerkung 5.1. Ist w die „algebraische Funktion” T + (P) ∈ C(z)[T ]/(P), also wn + ∑nν=1 cν wn−ν = 0, so
ist F eine „Realisierung” von w, daher heißt (X, π, F) die Riemannsche Fläche der algebraischen Funktion
w oder auch: die Riemannsche Fläche der durch P definierten algebraischenp
Funktion.
Ist etwa f (z) ∈ C(z), P := T n − f (z) ∈ C(z)[T ] irreduzibel, so setzt man n f (z) := w.
27
29
Kapitel 6
Differentialrechnung auf
Riemannschen Flächen
Sei X ein topologischer Raum. Ist F ∈ Ab(X) und U ⊂ X offen, so ist F|U ∈ Ab(U) durch U ⊃ V = V ◦ 7→ F(V )
definiert. Ist α ∈ Hom(F, G), so ist α|U : F|U → G|U die Familie (αV )V ⊂U offen .
Sei nun A eine Garbe von C-Algebren auf X. Ein A-Modul ist eine Garbe F ∈ Ab(X) mit zusätzlicher
Struktur: Für U = U ◦ ⊂ X ist F(U) ein A(U)-Modul, sodass gilt: Sind V ⊂ U ⊂ X offen, f ∈ A(U), m ∈ F(U),
so ist ( f · m)|V = ( f |V ) · (m|V ). Ist F ein A-Modul und U ⊂ X offen, so ist F|U ein A|U -Modul.
Für A-Moduln F, G ist HomA (F, G) := {α ∈ Hom(F, G) | ist U ⊂ X offen, so ist αU A(U)-linear } ein
A(X)-Modul durch: Für f ∈ A(X), α ∈ HomA (F, G), U = U ◦ ⊂ X, m ∈ F(U) ist ( f α)U (m) := ( f |U ) · αU (m).
Sind V ⊂ U ⊂ X offen, α ∈ HomA|U (F|U , G|U ), so ist α|V ∈ HomA|V (F|V , G|V ). Damit ist X ⊃ U =
U ◦ 7→ HomA|U (F|U , G|U ) ein A-Modul, der mit H OM A (F, G) bezeichnet wird. Für U ⊂ X offen ist also
Γ(U, H OM A (F, G)) = HomA|U (F|U , G|U ).
Man beachte: Ist F ein A-Modul, so ist
Γ(X, F) → HomA (A, F),
m 7→ (A(U) 3 f 7→ f · (m|U ))
ein Isomorphismus von A(X)-Moduln, der invers zu
HomA (A, F) → Γ(X, F),
α 7→ αX (1)
ist. Für offenes U ⊂ X hat man also einen Isomorphismus Γ(U, H OM A (A, F)) =
∼
∼
HomA|U (A|U , F|U )→F(U)
und man erhält einen Isomorphismus H OM A (A, F)→F.
Definition. Die Menge der Derivationen
Der(A) := {D ∈ Hom(A, A) | ist U ⊂ X offen, so ist DU : A(U) → A(U)C-linear und DU ( f ·g) = f ·DU (g)+g·DU ( f ) für f , g ∈ A(U
ist ein A(X)-Modul durch (h · D)U ( f ) = (h|U ) · Du ( f ) für h ∈ A(X), f ∈ A(U). Damit ist Der(A|U ein
A(U)-Modul für U = U ◦ ⊂ X und die Garbe U 7→ Der(A|U ) wird ein A-Modul, der mit De∇(A) bezeichnet
wird, das heißt Γ(U, De∇(A)) = Der(A|U ).
Ab jetzt sei X eine C-Mannigfaltigkeit, E := EX , O := OX , M := MX .
Definition. Sei (U, w) eine Karte auf X, w = u + iv, die Derivationen
definiert: Für f ∈ E (V ), V = V ◦ ⊂ U ist
•
∂f
∂u
:=
•
∂f
∂v
:=
•
∂
∂w
∂ ( f ◦w−1 )
∂x
∂ ( f ◦w−1 )
∂y
◦ w,
◦ w,
:= 12 ∂∂u − i ∂∂v ,
∂
∂
∂
∂
∂ u , ∂ v , ∂ w , ∂ w̄
∈ Γ(U, De∇E ) sind so
30
Kapitel 6. Differentialrechnung auf Riemannschen Flächen
•
(
∂
∂ w̄
∂f
∂u
:=
1
2
∂
∂u
+ i ∂∂v
∈ E (V ), usw. )
Damit gilt:
(1) Γ(U, De∇E ) ist freier E (U)-Modul mit Basen
∂
∂
∂u , ∂v
beziehungsweise
∂
∂
∂ w , ∂ w̄ .
Beweis. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit ist U = U ◦ ⊂ C, w = z.
(i) Die Derivationen ∂∂x , ∂∂y sind linear unabhängig: Ist a ∂∂x + b ∂∂y = 0 mit a, b ∈ E (U), dann folgt sofort
a = b = 0. (Man muss einfach nur die Funktionen x, y einsetzen.)
(ii) Sei D ∈ Γ(U, De∇E ), a := Dx, b := Dy. Ist f ∈ E (V ), V ⊂ U offen, so ist D f := a ∂∂ xf + b ∂∂ yf auf V :
Dies ist lokal zu zeigen. Sei also z0 ∈ V und W offene konvexe Umgebung von z0 in V . Für z ∈ W sei
R
R
f1 (z) := 01 ∂∂ xf (z0 + t(z − z0 )) dt, f2 (z) := 01 ∂∂ yf (z0 + t(z − z0 )) dt; also f1 , f2 ∈ E (W ). Für z ∈ W ist
f (z) − f (z0 ) =
∂f
∂f
z0 z ∂ x dx + ∂ y dy
R
= (x − x0 ) f1 (z) + (y − y0 ) f2 (z), das heißt f |W = f (z0 ) + (x − x0 ) f1 +
(y − y0 ) f2 . Also D f (z0 ) = a(z0 ) f1 (z0 ) + b(z0 ) f2 (z0 ) = a(z0 ) ∂∂ xf (z0 ) + b(z0 ) ∂∂ yf (z0 ). Da z0 ∈ W beliebig
ist, folgt die Behauptung.
(1)
Definition (1-Formen). Sei E (1) := EX := H omE (De∇E , E ). Ist U ⊂ X offen, so ist also E (1) (U) =
Hom fU (De∇U EU ), die Elemente von E (1) (U) heißen (differenzierbare) 1-Formen auf U.
Ist f ∈ E (U), V = V ◦ ⊂ U, D ∈ Γ(V, De∇E ), so ist hd f , Di := D( f ) := DV ( f |V ). Damit ist d f ∈ E (1) (U)
definiert und heißt das Differential von f . Ist W ⊂ U offen, so ist d( f |W ) = (d f )|W .
Aus der Definition folgt sofort
(2)
d( f · g) = f dg + gd f für f , g ∈ E (U), U ⊂ X offen.
Sei nun (U, w) eine Karte, w = u + iv. Dann gilt
(3) 0 = ∂∂ uv = hdu, ∂∂v i = hdv, ∂∂u i = ∂∂ uv = hdw, ∂∂w̄ i = hdw̄, ∂∂w i und 1 = hdu, ∂∂u i = hdv, ∂∂v i = hdw, ∂∂w i =
hdw̄, ∂∂w̄ i.
(4) E (1) (U) ist ein freier E (U)-Modul mit Basen du, dv bzw. dw, dw̄. Ist f ∈ E (U), so ist d f = ∂∂ uf du +
∂f
∂f
∂f
∂ v dv = ∂ w dw + ∂ w̄ dw̄.
Aussage (4) folgt aus (1) und (3).
(5)
Ist f ∈ O(U), so ist d f = ∂∂ wf dw mit ∂∂ wf ∈ O(U). Ist f¯ ∈ O(U), so ist d f = ∂∂ w̄f dw̄.
Definition. Die Menge der Differentialformen vom Typ 1,0 auf X ist
E (1,0) (X) := {η ∈ E (1) (X) | für jede Karte (V, z) ist η|V ∈ E (V )dz},
die Menge der 1-Formen vom Typ 0,1 ist
E (0,1) (X) := {η ∈ E (1) (X) | für jede Karte (V, z) ist η|V ∈ E (V )dz̄}
und die Menge der holomorphen 1-Formen ist
Ω(X) := {η ∈ E (1) (X) | für jede Karte (V, z) ist η|V ∈ O(V )dz}.
(1,0)
(0,1)
Die entsprechenden Garben sind: EX
ist der EX -Modul U 7→ E (1,0) (U), EX
und ΩX ist der OX -Modul U 7→ Ω(U).
E (0,1) (U)
Ist (U, w) eine Karte auf X, so gilt
(6) E (1,0) (U) ist freier E (U)-Modul mit Basis dw.
E (0,1) (U) ist freier E (U)-Modul mit Basis dw̄.
Ω(U) ist freier O(U)-Modul mit Basis dw.
ist der EX -Modul U 7→
31
Beweis. Zu zeigen ist: dw ∈ Ω(U), dw̄ ∈ E (0,1) (U).
Ist (V, z) eine Karte in U, so ist nach (5) dw|V = ∂∂wz dz,
∂w
∂z
∈ O(V ), dw̄ =
∂w
∂ z̄ dz̄
und (6) folgt.
Aus (6) folgt
L
(1,0)
(0,1)
(1)
(7) E (1) = E (1,0) E (0,1) , das heißt EX × EX
→ EX , (η 0 , η 00 ) 7→ η 0 + η 00 ist ein Isomorphismus,
das heißt jedes η ∈ E (1) (U) lässt sich eindeutig zerlegen η = η 0 + η 00 , η 0 ∈ E (1,0) (U), η 00 ∈ E (0,1) (U).
Definition. Seien π 0 : E (1) → E (1,0) , π 00 : E (1) → E (0,1) die Projektionen. Wir setzen d 0 := π 0 ◦ d : E → E (1,0)
und d 00 := π 00 ◦ d : E → E (0,1) , also d = d 0 + d 00 .
Ist (U, z) eine Karte auf X, so gilt
(8)
Ist f ∈ E (U), so ist d 0 f = ∂∂ zf dz und d 00 f = ∂∂ z̄f dz̄. Ist f ∈ O(X), dann ist d f = d 0 f .
(9)
Sind (U, z), (U, w) Karten, so gibt es ein f ∈ O(U)∗ mit dw = f dz.
(Beweis: Es gibt f , g ∈ O(U) mit dw = f dz, dz = gdw. Somit gilt dz = g · f · dz, also g · f = 1).
Definition (Meromorphe 1-Formen).
1. Sei S ⊂ X diskret und abgeschlossen, a ∈ S, (U, z) eine Karte
bei a. Wir sagen, η ∈ Ω(X \ S) hat in a einen Pol, wenn die Funktion f ∈ O(U \ S) für die η = f dz auf
U \ S gilt, in a einen Pol hat. Wegen (9) ist dies unabhängig von der Wahl der Karte.
2. M (1) (X) =
S
{η ∈ Ω(X \ S) | η hat in jedem a ∈ S einen Pol } ist ein M (X)-Modul.
S⊂X
S diskret u. abgesch.
(1)
Die Garbe V 7→ M (1) (V ) ist ein MX -Modul mit ΩX ⊂ MX .
Es folgt:
(i) Ist (U, w) eine Karte, so ist M (1) (U) = M (U)dw.
(ii) Ist f ∈ M (X), so ist d f ∈ M (1) (X).
(1)
(iii) Somit ist d : MX → MX definiert.
(Zu (ii): Sei a ein Pol von f , orda f = −n, n ≥ 1. Wähle eine Koordinate z bei a, das heißt z(a) = 0, also
n
n
ist zn f in a holomorph, ∂ (z∂ z· f ) = zn · ∂∂ zf + n · zn−1 · f . Also ist ∂∂ zf = z1n · ∂ (z∂ z· f ) − nz · f und folglich ist ∂∂ zf bei a
meromorph und somit d f =
∂f
∂ z dz
in einer Umgebung von a).
Lemma 6.1. Ist X zusammenhängend, V ⊂ X, V 6= 0,
/ so ist M (1) (X) → M (1) (V ), η 7→ η|V injektiv.
(Einfache Übung)
Definition. Sei X eine kompakte Riemannsche Fläche.
Div(X) := Z(X) := {D : X → Z | {x ∈ X | D(x) 6= 0} ist endlich}
heißt Gruppe der Divisoren auf X.
Ist etwa 0 6= f ∈ M (X), so ist div( f ) : X → Z, x 7→ ordx f ein Divisor.
Für D ∈ Div(X) heißt deg D := ∑x∈X D(x) der Grad von D. Die Abbildung deg : Div(X) → Z ist ein
Homomorphismus.
Lemma 6.2. Sei X eine kompakte Riemannsche Fläche.
a) Sind 0 6= f , g ∈ M (X), so gilt div( f · g) = div( f ) + div(g), das heißt div : M (X)∗ → Z, f 7→ div( f ) ist
ein Homomorphismus.
b) Ist 0 6= f ∈ M (X), so ist deg div( f ) = 0.
Beweis.
a) Siehe Kapitel 2, Regeln 2.
b) Corollar zu Satz 2.6.
32
Kapitel 6. Differentialrechnung auf Riemannschen Flächen
07.12.04
Sei jetzt X eine kompakte Riemannsche Fläche.
Definition. Sei 0 6= ω ∈ M (1) (X).
1. Sei a ∈ X, (U, z) eine Karte bei a, U zusammenhängend, also ω|U = hdz, h ∈ M (U), also h 6= 0 nach
Lemmma 6.1; orda w := orda h hängt wegen (9) nicht von der Wahl der Karte ab.
2. Dω : X → Z, a 7→ orda ω, heißt der Divisor von ω.
(Dω ist tatsächlich ein Divisor. Beweis: Sei (Uα , zα )α∈I eine Kartenüberdeckung von X und S := {x ∈
X | Dω 6= 0}; für α ∈ I ist ω|Uα = fα dzα mit fα ∈ M (Uα ). S ∩Uα = {x ∈ Uα | ordx fα 6= 0} ist diskret
und abgeschlossen in Uα . Daher ist S diskret und abgeschlossen in X, und da X kompakt ist, ist S
endlich.)
Es gilt:
(10)
Ist 0 6= f ∈ M (X) und 0 6= ω ∈ M (1) (X), dann ist D f ·ω = div( f ) + Dω .
Satz 6.1. Es gebe auf X eine nichtkonstante meromorphe Funktion. Dann gilt
(i) Es ist dim M (X) M (1) (X) = 1.
(ii) Es gibt ein e(X) ∈ Z mit deg Dω = e(X) für alle 0 6= ω ∈ M (1) (X).
Beispiel 6.1.
1. Sei X = P1 und dz ∈ M (1) (P1 ). Für a 6= ∞ ist z eine Karte bei a. Also ist orda dz = 0.
Die Abbildung w := 1z ist eine Koordinate bei ∞ mit z · w = 1. Bilden des Differentials ("Anwenden
des d-Operators") ergibt somit 0 = zdw + wdz, also ist dz = −z2 dw und somit ord∞ dz = −2. Also ist
e(P1 ) = −2.
Es folgt Ω(P1 ) = 0. (Gäbe es ein 0 6= ω ∈ Ω(P1 ), so wäre Dω (a) ≥ 0 für alle a ∈ P1 , daher wäre
deg Dω ≥ 0 im Widerspruch zu deg Dω = −2.)
2. Sei X := C/Λ ein Torus und π : C → X die Projektion. Die Reihe meromorpher Funktionen auf C
1
∑ω∈Λ (z+ω)
3 konvergiert normal, stellt also eine meromorphe Funktion F, das heißt eine holomorphe
Abbildung F : C → P1 dar, und es ist F(z + ω1 ) = F(z) für alle ω1 ∈ Λ, also hat man
F
C →
π↓ %
P1
f
X
Die Abbildung f ist holomorph, da π lokal biholomorph ist.
Es gilt: e(X) = 0 und ΩX ' OX , insbesondere dimC Ω(X) = 1.
Beweis. Es gibt einen Atlas {(Uα , zα ) | α ∈ I} mit π ◦ zα = idUα , α ∈ I. Daher gilt, ist x ∈ Uα ∩
Uβ =: Uαβ , so ist π(zα (x) − zβ (x)) = 0, das heißt zα (x) − zβ (x) ∈ Λ. Demnach ist zα |Uαβ − zβ |Uαβ
lokalkonstant und somit dzα |Uαβ = dzβ |Uαβ . Nach dem Garbenaxiom existiert also ein ω1 ∈ Ω(X) mit
ω1 |Uα = zα für α ∈ I. Also ist Dω1 = 0 und nach Satz 6.1 daher e(X) = 0.
Sei ϕ : OX → ΩX „durch ω1 definiert”, das heißt ϕU ( f ) := f · ω1 |U für f ∈ O(U). Dann ist ϕ ersichtlich
ein Isomorphismus.
Beweis von Satz 6.1.
(i) Sei f ∈ M (X) nicht konstant, das heißt d f 6= 0. Sei ω1 := d f ∈ M (1) (X). Zu
zeigen ist dann: Ist 0 6= ω ∈ M (1) (X), so gibt es ein h ∈ M (X) mit ω = h · ω1 .
Sei (Uα , zα )α∈I ein Atlas auf X. Also ω|Uα = fα ·dzα , ω1 |Uα = gα ·dzα , fα , gα ∈ M (Uα )∗ . Auf Uα ∩Uβ
ist daher
fα dzα = fβ dzβ und gα dzα = gβ dzβ , also folgt fα gβ dzα = fβ gβ dzβ = fβ gα dzα , wegen der Eindeutigkeit der Darstellung bezüglich einer Basis also fα gβ = fβ gα , das heißt
fα
gα
=
fβ
gβ
.
6.1. 2-Formen
Daher existiert ein h ∈ M (X)∗ mit h|Uα =
hω1 = ω.
fα
gα ,
α ∈ I. Somit gilt hω1 |Uα = ω|Uα für alle α ∈ I, also
(ii) Sei ω1 wie oben und sei e(X) := deg Dω1 . Ist 0 6= ω ∈ M (1) (X), so ist ω = h · ω1 mit h ∈ M (X)∗ ,
also folgt Dω = div(h) + Dω1 . Mit Lemma 6.2 erhält man deg div(h) = 0 und somit deg Dω = e(X).
6.1
2-Formen
Sei X wieder eine C-Mannigfaltigkeit und E = EX .
Definition.
1. Seien F, G E -Moduln. Eine alternierende bilineare Abbildung ω : F × F → G ist eine Familie (ωU )U⊂X offen , wobei ωU : F(U) × F(U) → G(U) eine alternierende E (U)-bilineare Abbildung
ist, sodass gilt: Sind V ⊂ U ⊂ X offen, f1 , f2 ∈ F(U), so ist (ωU ( f1 , f2 ))|V = ωV ( f1 |V , f2 |V ).
2. Die Elemente von E (2) (X) := {ω : De∇E × De∇E → E | ω ist bilinear und alternierend} heißen (dif(2)
ferenzierbare) 2-Formen auf X, EX ist der E -Modul U 7→ E (2) (U).
3. Sind ω1 , ω2 ∈ E (1) (X), so ist ω1 ∧ ω2 ∈ E (2) (X) definiert durch
ω1 (D1 ) ω1 (D2 )
(ω1 ∧ ω2 )U (D1 , D2 ) := det
.
ω2 (D1 ) ω2 (D2 )
(1)
(1)
(2)
Man hat also eine alternierende bilineare Abbildung EX × EX → EX , (ω1 , ω2 ) 7→ ω1 ∧ ω2 (wobei
natürlich ω1 , ω2 ∈ E (1) (U)).
(11) Ist (U, z) eine Karte, z = x+iy, so ist dz∧dz̄ = (dx+idy)∧(dx−idy) = −2idx∧dy, zu ω ∈ E (2) (U)
gibt es genau ein h ∈ E (U) mit ω = hdx ∧ dy.
Beweis. Wegen (1) muss h = ω ∂∂x , ∂∂y sein.
(12)
Seien f1 , . . . , fn , g1 , . . . , gn ∈ E (X) und ∑ni=1 fi dgi = 0. Dann ist ∑ni=1 d fi ∧ dgi = 0.
(Beweis in den Übungen)
(1)
(2)
(13) Es gibt genau einen C-linearen Morphismus d : EX → EX mit d( f dg) = d f ∧ dg für f , g ∈ E (V ),
V ⊂ X offen.
Beweis. Die Eindeutigkeit folgt aus dem Garbenaxiom, da ein ω ∈ E (1) (U) lokal von der Form f1 dg1 + f2 dg2
ist.
S
Zur Existenz: Sei U ⊂ X offen, U = i∈I Ui eine Kartenüberdeckung. Ist ω ∈ E (1) (U), so ist ω|Ui =
fi1 dgi1 + fi2 dgi2 , auf Ui ∩U j ist fi1 dgi1 + fi2 dgi2 − f j1 dg j1 − f j2 dg j2 = 0. Mit Aussage (12) für Ui ∩U j folgt
d fi1 ∧ dgi1 + d fi2 ∧ dgi2 = d f j1 ∧ dg j1 + d f j2 ∧ dg j2 .
Also gibt es ein η ∈ E (2) (U) mit ∀i η|Ui = d fi1 ∧ dgi1 + d fi2 ∧ dgi2 , daher hat dω := η die gewünschte
Eigenschaft.
Definition. Die Abbildungen d 0 und d 00 seien erklärt durch
(1)
(2)
d 0 : EX →00 E (0,1) → EX
π
und
d
(1)
(2)
d 00 : EX →0 E (1,0) → EX .
π
Lemma 6.3. Sei f ∈ E (X) und ω ∈ E (1) (X).
a) Es gilt 0 = d 0 d 0 f = d 00 d 00 f = dd f = d 00 d 0 f + d 0 d 00 f .
d
33
34
Kapitel 6. Differentialrechnung auf Riemannschen Flächen
b) Es gelten die Identitäten
d 0 ( f · ω) = d 0 f ∧ ω + f d 0 ω,
d 00 ( f · ω) = d 00 f ∧ ω + f d 00 ω,
d( f ω) = d f ∧ ω + f dω.
Beweis. Sei (U, z) eine Karte.
a) Auf U ist d 0 d 0 f = d 0 ∂∂z dz = 0, analog d 00 d 00 f = 0 und dd f = 0 (dd f = d(1 · d f ) = d1 ∧ dg = 0),
(13)
also 0 = (d 0 + d 00 )(d 0 + d 00 ) f . Damit folgt auch (d 0 d 00 + d 00 d 0 )( f ) = 0.
b) Es gibt g, h ∈ E (U) mit ω = gdz + hdz̄. Auf U ist also
d 0 ( f ω) = d 0 ( f gdz + f hdz̄) = d( f hdz̄) = d( f h) ∧ dz̄ = ( f dh + hd f ) ∧ dz̄ = f · ∂∂ hz + h ∂∂ zf dz ∧ dz̄,
(13)
daneben ist
d0 f ∧ ω + f d0ω =
∂f
∂ z dz ∧ (gdz + hdz̄) +
f dh ∧ dz̄ = h ∂∂ zf dz ∧ dz̄ + f ∂∂ hz dz ∧ dz̄.
Die anderen Identitäten folgen analog.
6.2
Liften von 1-Formen
Seien X, X 0 Riemannsche Flächen, α : X 0 → X holomorph und nicht konstant. Die Abbildung α ∗ : M (1) (X) →
M (1) (X 0 ) wird so definiert:
Sei ω ∈ M (1) (X), (Ui , zi )i∈I sei die komplexe Struktur auf X, also ω|Ui = fi dzi , fi ∈ M (Ui ). Für i, j ∈ I
zeigt man
( fi ◦ α)d(zi ◦ α) = ( f j ◦ α)d(z j ◦ α) auf α −1 (Ui ∩U j ),
(6.1)
denn dann gibt es genau ein α ∗ ω ∈ M (1) (X 0 ) mit α ∗ ω| α −1 (Ui ) = ( fi ◦ α)d(zi ◦ α).
Beweis von (6.1). Sei (U 0 , w0 ) eine Karte in α −1 (Ui ∩U j ). Für f ∈ E (Ui ∩U j ) gilt nach Übung 1, Blatt 6 mit
w := zi :
∂ ( f ◦α)
∂f
◦
α
· ∂ (z∂ wi ◦α)
=
0
0 ,
∂w
∂ zi
also ( f := z j ):
∂ (z j ◦α )
∂zj
◦
α
· ∂ (z∂ wi ◦α)
=
0
0 .
∂w
∂ zi
0
Multiplikation
mit dw
auf beiden Seiten ergibt:
∂zj
d(z j ◦ α) = ∂ zi ◦ α · d(zi ◦ α) auf U 0 . Daher gilt
d(z j ◦ α) =
∂z
∂zj
◦ α · d(zi ◦ α)
∂ zi
auf α −1 (Ui ∩U j ).
(6.2)
Mit hi j := ∂ zij ist hi j dzi = dz j , also ist f j hi j dzi = f j dz j = fi dzi in Ui ∩ U j , das heißt f j hi j = fi . Es folgt
( f j ◦ α)d(z j ◦ α) = ( f j ◦ α)(hi j ◦ α) · d(zi ◦ α) = ( fi ◦ α)d(zi ◦ α) auf α −1 (Ui ∩U j ).
Man sieht α ∗ (Ω(X)) ⊂ Ω(X 0 ).
35
Kapitel 7
Das Dolbeault-Lemma
Für eine offene Menge U ⊂ C sei
D(U) := { f ∈ E (U) | Supp( f ) ist kompakt},
wobei Supp( f ) := {x ∈ U | f (x) 6= 0}. Ist U ⊂ V = V ◦ ⊂ C, so identifiziert man f mit
(
˜f : V → C, x 7→ f (x) falls x ∈ U
,
0,
falls x ∈ V \U
also D(U) ⊂ D(V ).
(Hier Bild fehlen tut)
Für f ∈ E (U) sei ∂¯ f :=
∂f
∂ z̄ .
Lemma 7.1. Ist f ∈ D(C), so gibt es ein u ∈ E (C) mit ∂¯ u = f .
Beweis. Für ζ ∈ C sei u(ζ ) :=
Das Integral
R ∞ R 2π
f (reit
1 R f (ζ )
2πi C z−ζ
dz ∧ dz̄.
f (z)
existiert, denn C z−ζ
dz ∧ dz̄
R R R 2π
−it
ζ )e dtdr = −2i 0 0 f (reit +
R
=
R
C
−it
ζ )e
f (z+ζ )
z
dz ∧ dz̄ = −2i
R
C
f (z+ζ )
z
dx ∧ dy =
−2i 0 0
+
dtdr für ein genügend großes R (weil f
kompakten Träger hat). Also ist u ∈ E (C). Weiterhin berechnet man:
R
∂ u(ζ )
) dz∧dz̄
1 R ∂ f (z+ζ ) dz∧dz̄
1
= 2πi
· z = 2πi
limε→0 A(ε,R) ∂ f ∂(z+ζ
· z , wobei A(ε, R) = {z ∈ C : ε ≤ |z| ≤ R}.
C
ζ¯
∂ ζ¯
ζ¯
R
) 1
∂ f (z+ζ ) 1
∂ f (z+ζ )
f (z+ζ )
∂
∂u
1
∂
=
=
lim
Da ∂ f ∂(z+ζ
·
·
für
z
=
6
0,
ist
(ζ
)
=
dz ∧ dz̄.
ε→0
¯
¯
A(ε,R) ∂ z̄
z
z
z
2πi
∂ z̄
∂ z̄
ζ
∂ζ
z
f (z+z0
f
(z
+z)
0
Sei nun ζ := z0 ∈ C fest, ω = 2πiz dz ∈ E (1) (C∗ ), also dω = − ∂∂z̄
dz ∧ dz̄, also
2πiz
R
∂¯ u(z0 ) = − limε→0 A(ε,R) dω
=
Stokes
− limε→0
R
∂ A(ε,R) ω
= limε→0
R
|z|=ε
1
ω = limε→0 2πi
R
|z|=ε
f (z0 +z)
dz
z
=
1 R 2π
it
limε→0 2π
0 f (z0 + εe )dt = f (z0 ).
Theorem 7.1 (Lemma von Dolbeault). Sei Br = {z ∈ C : |z| < r} mit 0 < r ≤ ∞ sowie f ∈ E (B). Es gibt ein
u ∈ E (Br ) mit ∂¯ u = f .
(Das Lemma gilt sogar für beliebige offene Mengen, aber da wird der Beweis deutlich schwieriger und
wir brauchen nur dieses Ergebnis.)
Beweis. Sei 0 < r0 < r1 < · · · mit lim rn = r und Xn := Brn . Zu jedem n ≥ 0 gibt es ein ϕn ∈ D(Br ) mit
ϕn |Xn = 1. Man konstruiert induktiv eine Folge un ∈ E (Br ), n ≥ 1 mit
1. ∂¯ un |Xn = f |Xn ,
2. kun+1 − un kXn −1 < 2−n für n ≥ 1.
36
Kapitel 7. Das Dolbeault-Lemma
Da ϕ1 · f ∈ D(C), gibt es nach Lemma 7.1 ein u1 ∈ E (Br ) mit ∂¯ u1 = ϕ1 · f auf Br , also (∂¯ u1 )|X1 = f |X1 .
Seien u1 , . . . , un schon definiert; nach Lemma 7.1 gibt es ein ũn+1 ∈ E (Br ) mit ∂¯ ũn+1 = ϕn+1 · f auf Br , also
−n
¯∂ (ũn+1 − un )|X = 0; also ist ũn+1 − un |X holomorph. Es gibt ein pn ∈ C[z] mit kũn+1 − un − pn k
n
n
Xn−1 < 2 ;
un+1 := ũn+1 − pn erfüllt (1) und (2).
Wegen (2) ist u : Br → C, z 7→ limn→∞ un (z) definiert. Es reicht zu zeigen: Für alle n ≥ 1 ist u|Xn−1 ∈
E (Xn−1 ) und ∂¯ u|Xn−1 = f |Xn−1 .
Nun: u|Xn−1 = un |Xn−1 + ∑∞
ν=n (uν+1 − uν )|Xn−1 . Die Reihe ∑ν≥n (uν+1 − uν )|Xn−1 konvergiert wegen (2)
¯ X = ∂¯ un |X = f |X .
gleichmäßig, ist also wegen (1) holomorph; also ist u|Xn−1 ∈ E (Xn−1 ) und ∂U|
n−1
n−1
n−1
Definition. Sei X ein topologischer Raum und S : F 0 → · · · → F k eine Sequenz in Ab(X), wobei U ⊂ X offen.
Die Sequenz S heißt Γ(U, −)-exakt, wenn F 0 (U) → · · · → F k (U) exakt ist.
Aus §4, Regeln 2 folgt daher leicht der
Hilfssatz 7.1. Zu jedem U ⊂ X und jedem a ∈ U gebe es ein a ∈ V = V ◦ ⊂ U, sodass S eine Γ(V, −)-exakte
Sequenz ist. Dann ist S exakt.
Satz 7.1. Sei X eine Riemannsche Fläche.
(0,1)
1. Die Garbensequenzen 0 → OX ,→ EX →
EX
00
d
(1)
EX
→
d
(2)
EX
(1,0)
→ 0, 0 → ΩX ,→ EX
(2)
→ EX → 0, 0 → CX ,→ EX →
d
d
→ 0 sind exakt.
2. Ist X ' Br , 0 < r ≤ ∞, so sind diese Sequenzen Γ(X, −)-exakt.
Beweis.
1. Folgt aus 2) nach dem Hilfssatz.
2. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit ist X = Br =: U.
a) 0 → O(U) ,→ E (U) →
E (0,1) (U) → 0 ist exakt:
00
Für f ∈ E (U) ist
Ist f dz̄
d
00
d f = ∂∂ z̄f dz̄
∈ E (0,1) (U),
= 0 ⇔ f ∈ O(U).
so gibt es nach Theorem 7.1 ein u ∈ E (U) mit d 00 u =
∂u
∂ z̄ dz̄
= f dz̄.
b) 0 → Ω(U) ,→ E (1,0) (U) → E (2) (U) → 0 ist exakt:
d
Für η = f dz
∈ E (1,0) (U)
ist dη = d f ∧ ‡z =
E (2) (U),
∂f
∂ z̄ dz̄ ∧ dz
= 0 ⇔ f ∈ O(U) ⇔ η ∈ Ω(J).
Ist f dz ∧ dz̄ ∈
so gibt es nach Theorem 7.1 ein u ∈ E (U) mit
∂u
du ∧ dz = ∂ z̄ dz̄ ∧ dz = f dz ∧ dz̄.
∂u
∂ z̄
= − f , also d(udz) =
c) 0 ,→ C ,→ E (U) → E (1) (U) → E (2) (U) → 0 ist exakt nach dem Poincare-Lemma (vergleich
d
Forster (1999)).
d
37
Kapitel 8
Garbencohomologie
Definition. Ist α : A → B ein Homomorphismus abelscher Gruppen, so ist Co ker α := B/Imα. Die Sequenz
α
A → B → Co ker α → 0 ist exakt, wobei π(b) := b + Imα den kanonischen Epimorphismus angibt.
π
Lemma 8.1. Ist
→
A
B
α
f1 ↓
A0 →0
↓ f2
B0
C0
→
α
→0
π
0
kommutativ, wobei die untere Zeile eine exakte Sequenz sei, so gibt es genau ein f3 : Co ker → C0 , so dass
B
→
π
f2 ↓
B0 →0
Co ker α
↓ f3
C0
π
kommutativ wird. Sind f1 , f2 Isomorphismen, so ist f3 ein Isomorphismus.
Sei nun X ein topologischer Raum, α : F → G Morphismus in Ab(X). Co ker α ∈ Ab(X) ist definiert durch
(Co ker α)(U) := {(ϕ(x))x∈U ∈
∏ co ker αX | ∀x∈U ∃V =Vx∈U◦ ⊂U ∃ g∈G(V ) ∀y∈V ϕ(y) = gy + Imαy }
x∈U
Für offene U 0 ⊂ U ⊂ X sei (Co ker α)(U) → (Co ker α)(U 0 ), (ϕ(x))x∈U 7→ (ϕ(x))x∈U 0 .
Man hat π : G → co ker α, g ∈ G(U) 7→ (gx + Imαx )x∈U ∈ (Co ker α)(U).
Lemma 8.2. Die Sequenz 0 → ker α ,→ F → G → Co ker α → 0 ist exakt, für x ∈ X ist (Co ker α)x '
α
π
Co ker(αx ).
Beweis. Die erste Aussge ist klar. Nach Lemma 8.1 hat man einen Isomorphismus Co ker(αx ) → (Co ker α)x ,
sodass
Fx → Gx → Co ker(αx )
αx
id ↓
Fx →
αx
→
kommutativ wird.
0
↓ id
↓∼
Gx → (Co ker α)x
38
Kapitel 8. Garbencohomologie
Lemma 8.3. Das Diagramm
0
↓
0 →
→ 0
A0
0
↓
→
↓
0 →
→ 0
B0
A
0
↓
→
↓
→
B
A00
↓
→
B00
↓
↓
↓
0 → C0
→ 0
↓
→ C
→ C00
↓
↓
0
0
0
sei kommutativ mit exakten Spalten. Sind die oberen beiden Zeilen exakt, so auch die untere.
Beweis. diagram-chasing
Definition. Ein Komplex A• = (A• , d) von abelschen Gruppen is eine Familie (d n : An → An+1 )n∈Z mit d n+1 ◦
d n = 0 für alle n.
Ein Morphismus α : A• → B• ist eine Familie (αn )n∈Z ∈ ∏n∈Z Hom(An , Bn ) mit: Das Diagramm
An
d↓
An+1
α
→n
→
Bn
↓d
Bn+1
αn+1
ist kommutativ für alle n ∈ Z.
Sind α : A• → B• , β : B• → C• Morphismen, so ist β α := (βn ◦ αn ) ein Morphismus von A• nach C• .
K(Ab) sei die Kategorie der Komplexe abelscher Gruppen. Analog ist K(Ab(X)) definiert.
Eine Sequenz A•1 → A•2 → · · · → A•r in K(Ab) bzw. K(Ab(X)) heißt exakt, wenn für alle n ∈ Z die Sequenz
n
A1 → An2 → · · · → Anr exakt ist.
Sind A• , B• in K(Ab) bzw. K(Ab(X)), so ist Hom(A• , B• ) ⊂ ∏ Hom(An , Bn ) eine Untergruppe.
Definition. Ist A• ∈ K(Ab), n ∈ Z, so heißt
H n (A• ) := ker(d : An → An+1 )/Im(d : An−1 → An )
die n-te Cohomologie-Gruppe von A• .
Ist x ∈ An mit dx = 0, so sei [x] := x + Im(d : An−1 → An ).
Ist α ∈ Hom(A• , B• ), so ist αn (ker(d : An → An+1 )) ⊂ ker(d : Bn → Bn+1 ) und αn (Im(d : An−1 → An )) ⊂
Im(d : Bn−1 → Bn ), also ist H n (α) : H n (A• ) → H n (B• ), [x] 7→ [αn (x)], wobei x ∈ ker(An → An+1 ), definiert. Damit ist H n : K(Ab) → Ab ein additiver Funktor, das heißt H n (idA• ) = id H n (A• ) , Hom(A• , B• ) →
Hom(H n (A• ), H n (B• )), α 7→ H n (α) ist ein Homomorphismus und H n (α ◦ β ) = H n (α) ◦ H n (β ).
α
β
Sei nun 0 → A• → B• → C• → 0 eine exakte Sequenz in K(Ab), n ∈ Z. Die Abbildung δ : H n (C• ) →
39
H n+1 (A• ) ist so definiert:
0
↓
An−1
α↓
Bn−1
β↓
Cn−1
↓
0
0
↓
An
→
d
→
→
0
↓
→
0
↓
An+1
→
α↓
α↓
Bn → Bn+1
β↓
β↓
Cn → Cn+1
↓
↓
0
0
An+2
α↓
Bn+2
β↓
→ Cn+2
↓
0
→
Sei x ∈ H n (C), also x = [cn ] mit dcn = 0. Dann gibt es ein bn mit cn = β (bn ) und es folgt β dbn = dβ bn =
dcn = 0, das heißt es gibt ein an+1 mit dbn = α(an+1 ) und αd(an+1 ) = dα(an+1 ) = ddbn = 0. Da α injektiv
ist folgt d(an+1 ) = 0. Man setzt nun
δ (x) := [an+1 ] ∈ H n+1 (A• ).
Es ist zu zeigen (Übung): Ist auch x = [c0n ], c0n = β (b0n ), db0n = α(a0n+1 ), so ist [an+1 ] = [a0n+1 ].
Satz 8.1. Für alle n ∈ Z ist die Sequenz
H n (A• ) → H n (B• ) → H n (C• ) → H n+1 (A• )
H n (α)
H n (β )
δ
→
H n+1 (α)
H n+1 (B• )
exakt, das heißt
. . . H 0 (A• ) → H 0 (B• ) → H 0 (C• ) → H 1 (A• ) → H 1 (B) → H 1 (C) → H 2 (A) → . . .
Beweis. Übung.
Man definiert nun einen Funktor W • : Ab(X) → K(Ab(X)). Für n < 0, F ∈ Ab(X) sei W n (F) = 0. Weiterhin sei W 0 (F)(U) := ∏x∈U Fx (wobei U ⊂ X offen), für V ⊂ U ⊂ X offen sei W 0 (F)(U) → W 0 (F)(V ),
(ϕ(x))x∈U 7→ (ϕ(x))x∈V die Restriktion.
Ist α ∈ Hom(F, G), so hat man W 0 (α) : W 0 (F) → W 0 (G), W 0 (F)(U) 3 ϕ 7→ (αx (ϕ(x)))x∈U , W n (α) = 0
für n < 0. Also hat man für n ≤ 0 den Funktor W n : Ab(X) → Ab(X). Für F ∈ Ab(X) sei ε := εF : F → W 0 (F),
F(U) 3 f 7→ ( fx )x∈U ∈ W 0 (F)(U).
17.12.04
Ist α ∈ Hom(F, G), so ist
F → W 0 (F)α ↓↓ W 0 (α)G → W 0 (G)
εF
εG
kommutativ. Sei C(F) := Co ker εF und πF : W 0 (F) → C(F) sei der kanonische Epimorphismus. Ist α ∈
Hom(F, G), so folgt(!) aus Lemma 8.1, 8.2, dass es genau einen Morphismus C(α) : C(F) → C(G) gibt,
sodass
C(F)
F → W 0 (F) →
εF
πF
α↓
G →
↓
W 0 (G) →
εF
πG
↓ C(α)
C(G)
kommutativ ist. Damit ist C : Ab(X) → Ab(X) ein Funktor. W n : Ab(X) → Ab(X), n ≥ 1 wird induktiv
durch W n := W n−1 ◦C definiert; für F ∈ Ab(X) definiert man dFn : W n (F) → W n+1 (F) auch induktiv (n ≥ 0):
dF0 : W 0 (F) → C(F) → W 0 (C(F)) = W 1 (F), dFn := d n−1
: W n−1 (C(F)) = W n (F) → W n (C(F)) =
C(F)
πF
ε C(F)
W n+1 (F),
für n ≥ 1.
Mit Induktion folgt:
(i) dFn+1 ◦ dFn = 0, das heißt (W • (F), dF ) ∈ K(Ab(X)),
40
Kapitel 8. Garbencohomologie
(ii) Ist α ∈ Hom(F, G), so ist für n ∈ Z
W n (F)
→
W n (G)
→
↓ dG
W n+1 (G)
W n (α)
dF ↓
W n+1 (F)
W n+1 (α)
kommutativ, das heißt W • : Ab(X) → K(Ab(X)) ist ein Funktor.
Für U ⊂ X sei Γ(U, −) : K(Ab(X)) → K(Ab), C• 7→ (Γ(U,Cn ))n∈Z , sei Γ(U,W • ) : Ab(X) →•
K(Ab(X)) → K(Ab), also Γ(U,W • )(F) = (Γ(U,W n (F))n∈Z , dF• ) =: Γ(U,W • (F)).
W
Γ(U,−)
Definition. Sei U ⊂ X offen, sei für n ∈ Z
H n (U, −) : Ab(X)
→
Γ(U,W • )
K(Ab) →n Ab.
H
Ist F ∈ Ab(X), so heißt H n (U, F) die n-te Cohomologie-Gruppe von F über U, also H n (U, F) = 0 für
n < 0.
Lemma 8.4. Sei U ⊂ X offen und 0 → F 0 → F → F 00 → 0 eine exakte Garbensequenz. Für alle n ∈ Z ist
α
β
die Sequenz 0 → W n (F 0 ) → W n (F) → W n (F 00 ) → 0 Γ(U, −)-exakt, nach Satz 8.1 hat man also die „lange
exakte Cohomologie-Sequenz”: . . . → H 0 (U, F 0 ) → H 0 (U, F) → H 0 (U, F 00 ) → H 1 (U, F 0 ) → H 1 (U, F) →
δ
H 1 (U, F 00 ) → H 2 (U, F 0 ) → . . .
δ
Beweis. Induktion nach n. Die Aussage ist klar für n < 0.
n = 0: Für alle x ∈ X ist 0 → Fx0 → Fx → Fx0 0 → 0 exakt, also ist 0 → ∏x∈U Fx0 → ∏x∈U Fx → ∏x∈U Fx0 0 → 0
αx
βx
exakt.
n → n + 1: Man hat
0 →
→ 0
0
↓
F0
→
0
↓
F
→
0
↓
F 00
↓ εF 0
↓
↓
0 → W 0 (F 0 ) → W 0 (F) → W 0 (F 00 )
→ 0
↓
↓ πF
↓
0 → C(F 0 ) → C(F) → C(F 00 )
→ 0
↓
↓
↓
0
0
0
mit exakten Spalten. Die zweite Zeile ist Γ(V, −)-exakt für alle V = V ◦ ⊂ X, also exakt nach dem Hilfssatz
in §7; nach Lemma 8.3 ist also die untere Zeile exakt. Nach Induktionsvorraussetzung folgt daher
0 → W n (C(F 0 )) → W n (C(F)) → W n (C(F 00 ) → 0
=
=
=
0 → W n+1 (F 0 ) → W n+1 (F) → W n+1 (F 00 ) → 0
ist Γ(U, −)-exakt.
Lemma 8.5. Sei F ∈ Ab(X) und U ⊂ X offen.
∼ 0 (U, F).
(i) Es gibt einen natürlichen Isomorphismus Γ(U, F)→H
41
(ii) H 1 (U, F) ' Co ker Γ(U, πF ).
(iii) H n (U, F) ' H n−1 (U,C(F)) für n ≥ 2.
Beweis.
(i) εF : F → W 0 (F), also auch ε C(F) : C(F) → w0 (C(F)) = W 1 (F) ist injektiv; also ist
0→F →
W0
εF
→
d 0 (F)
W 1 (F)
&
%
πF
ε C(F)
C(F)
exakt. Nach §4, Regeln 1 ist damit auch 0 → Γ(U, F) → Γ(U,W 0 (F)) → Γ(U,W 1 (F)) exakt und es
d0
folgt Γ(U, F) ' H 0 (U, F).
(ii) Da
auch
0 → Γ(U,C(F))
→
Γ(U,ε C(F) )
Γ(U,W 0 (C(F)))
→
Γ(U,d 0C(F) )
Γ(U,W 1 (C(F)))
exakt
ist,
ist Γ(U,C(F)) → ker Γ(U, d 0C(F) ), z 7→ ε C(F) (z) ein Isomorphismus, der ImΓ(U, πF ) auf
ImΓ(U, ε C(F) ◦ πF ) = ImΓ(U, dF0 ) abbildet. Daher ist Co ker Γ(U, πF ) = Γ(U,C(F))/ImΓ(U, πF ) '
ker Γ(U, d 0C(F) )/ImΓ(U, dF0 ) = ker Γ(U, dF1 )/ImΓ(U, dF0 ) = H 1 (U, F).
(iii) Klar für n = 2 ist etwa
W 1 (F)
→
W 2 (F)
→
W 3 (F)
=
=
=
W 0 (C(F)) → W 1 (C(F)) → W 2 (C(F))
Bemerkung 8.1. Ist F ∈ Ab(X), U = U ◦ ⊂ X, so ist W 0 (F)|U = W 0 (F|U ), C(F)|U = C(F|U ), also W • (F)|U =
W • (F|U ), H n (U, F) = H n (U, F|U ).
Definition. Sei F ∈ Ab(X), ( fi )i∈I ∈ F(X)I heißt lokal endlich, wenn gilt: ∀x∈X ∃U=U ◦ ⊂X x ∈ U, {i ∈ I | fi |U 6=
0} ist endlich.
Dann ist auch ∑i∈I fi ∈ F(X) definiert. Ist X eine C∞ -Mannigfaltigkeit mit abzählbarer Basis der Topologie, U = (Ui )i∈I eine offene Überdeckung, so gibt es ein „C∞ -Teilung der Eins zu U”; das heißt
(ϕi )i∈I ∈ E (X)I mit
a) ϕi (x) ⊂ [0,1], Suppϕi ⊂ Ui ;
b) zu jedem x ∈ X gibt es eine offene Umgebung V , sodass {i ∈ I | V ∩ Suppϕi 6= 0}
/ endlich ist, insbesondere ist (ϕi ) lokalendlich,
c) ∑i∈I ϕi = 1.
(?)
Satz 8.2. Sei X eine C∞ -Mannigfaltigkeit mit abzählbarer Basis der Topologie und F ein EX -Modul. Für
p ≥ 1 ist H p (X, F) = 0.
Beweis. Induktion nach p.
0.()p = 1: Sei π := πF : W 0 (F) → C(F). Nach Lemma 8.5 ist zu zeigen, dass Γ(X, π) surjektiv ist.
W 0 (F), C(F) sind EX -Moduln, π ist EX -linear(!). Sei also h ∈ Γ(X,C(F)) gegeben. Es gibt eine offene
Überdeckung U = (Ui )i∈I und gi ∈ Γ(Ui ,W 0 (F)) mit π(gi ) = h|Ui für alle i ∈ I. Sei (ϕi ) eine C∞ -Teilung
der Eins zu U. Für i ∈ I ist X = Ui ∪ (X \ Suppϕi ), ϕi · gi := (ϕi |Ui ) · gi und 0 ∈ Γ(X \ Suppϕi ,W 0 (F))
sind auf Ui ∩ (X \ Suppϕi ) identisch, also gibt es ein g̃i ∈ W 0 (F)(X) mit g̃i |X\Suppϕi = 0, g̃ i |Ui = ϕ · gi ,
also π(g̃i )|Ui = ϕi h|Ui und π(g̃i )|X\Suppϕi = 0. Zu jedem x ∈ X gibt es eine offene Umgebung Vx , sodass
Ix := {i ∈ I | Vx ∩ Suppϕ 6= 0}
/ endlich ist. ∀i (i ∈ Ix =⇒ g̃i |Vx = 0), also {i ∈ I | g̃i |Vx 6= 0} ⊂ Ix , daher
ist g̃ := ∑i∈I g̃i ∈ Γ(X,W 0 (F)) definiert. Für i ∈ I ist π(g̃i )|Vx = ϕi h|Vx (denn Vx = (Vx \ Suppϕi ) ∪ (Vx ∩
Ui ) und π(g̃i )|Vx \Suppϕi = 0 = ϕi h|Vx \Suppϕi , π(g̃i )|Vx ∩Ui = ϕi h|Vx ∩Ui ). Also π(g̃)|Vx = ∑i∈I π(g̃i )|Vx =
∑i∈I ϕi h|Vx = h|Vx =⇒ π(g̃) = h. p → p + 1: H p+1 (X, F) = H p (X,C(F)).
Lemma 5
42
Kapitel 8. Garbencohomologie
Bemerkung 8.2. Ist (X, A) ein geringter Raum, F ein A-Modul, so ist (W • (F), d) ein Komplex von A-Moduln,
also sind alle H p (X, F) ebenfalls A(X)-Moduln.
Satz 8.3. Sei X eine Riemannsche Fläche mit abzählbarer Basis der Topologie.
1. (Dolbeault) H 1 (X, O) ' E (0,1) (X)/{d 00 f | f ∈ E (X)} und H p (X, O) = 0 für p ≥ 2.
2. (Dolbeault) H 1 (X, Ω) ' E (2) (X)/{dω | ω ∈ E (1,0) (X)} und H p (X, Ω) = 0 für p ≥ 2.
3. (de Rham) H 1 (X, C) = {ω ∈ E (1) (X) | dω = 0}/{d f | f ∈ E (X)}, H 2 (X, C) ' E (2) (X)/dE (1) (X) und
H p (X, C) = 0 für p ≥ 3.
Beweis. (Mit Satz 8.2, Lemma 8.4 und Satz 7.1).
(0,1)
1. 0 → OX → EX → EX
→ 0 liefert die exakte Sequenz E (X) →
E (0,1) (X) → H 1 (X, O) → 0 → 0 →
00
d
δ
δ
H 2 (X, O) → 0 → 0 → H 3 (X, O). . . , also H 1 (X, O) ' E (0,1) (X)/d 00 E (X) usw.
2. Folgt analog aus der Sequenz 0 → Ω → E (1,0) → E (2) → 0.
d
(1)
(2)
(1)
(2)
3. Die Sequenz 0 → CX → EX → EX → EX → 0 ist exakt, mit F := ker(EX → EX
d
CX → EX → F → 0 und 0 → F ,→
d
(1)
EX
sind also 0 →
(2)
→ EX → 0 exakt.
Wie oben folgt: H p (X, F) = 0 für p ≥ 2, H 1 (X, F) ' E (2) (X)/dE (1) (X).
Weiter ist 0 → C → E (X) → F(X) → H 1 (X, C) → 0 → H 1 (X, F) → H 2 (X, C) → 0 → 0 → H 3 (X, C) →
d
δ
δ
0 exakt, also H 1 (X, C) ' F(X)/dE (X) = ker(E (1) (X) → E (2) (X)/dE (X) sowie H 2 (X, C) ' H 1 (X, F),
d
usw.
Corollar 8.1. Ist X ' Br , 0 < r ≤ ∞, so ist H 1 (X, O) = 0, H 1 (X, C) = 0 = H 2 (X, C).
Beweis. Satz 8.3 und Satz 7.1, ??.
Definition. Sei U := (Ui )i∈I eine offene Überdeckung des topologischen Raums X, F ∈ Ab(X). Man setzt:
Ui j := Ui ∩U j , i, j ∈ I 2 , Ui jk := Ui ∩U j ∩Uk , (i, j, k) ∈ I 3 .
C0 (U, F) := ∏i∈I F(Ui ),
Z 1 (U, F) := {( fi j )(i, j)∈I 2 ∈ ∏(i, j)∈I F(Ui j ) | fi j |Ui jk + fik |Ui jk = fik |Ui jk ∀(i, j, k)}
heißt Gruppe der 1-Cozyklen von F bezüglich U. Man hat
∂ : C0 (U, F) → Z 1 (U, F), ( fi ) 7→ ( f j |Ui j − fi |Ui j )(i, j) ,
H 1 (U, F) := Co ker ∂
( fi j ) ∈ Z 1 (U, F) zerfällt :⇔ ( fi j ) ∈ Im∂
Sei η : F(X) → C0 (U, F), f 7→ ( f |Ui )i∈I .
Für V = V ◦ ⊂ X sei U ∩ V := (Ui ∩ V )i∈I ; C0 (U, F) sei die Garbe X ⊃ V = V ◦ 7→ C0 (U ∩ V, F|V ) =
∏i∈I F(Ui ∩V ), und Z 1 (U, F) sei die Garbe V 7→ Z 1 (U ∩V, F|V ).
Man erhält Morphismen η : F → C0 (U, F) und ∂ : C0 (U, F) → Z 1 (U, F).
Bemerkung 8.3. Ist ( fi j ) ∈ Z 1 (U, F), so ist fii = 0 und fi j = − f ji .
Bemerkung 8.4. Die Sequenz 0 → F → C0 (U, F) → Z 1 (U, F) → 0 ist exakt.
η
∂
Beweis.
a) Ist V ⊂ X offen, so ist nach dem Garbenaxiom die Sequenz 0 → Γ(V, F) → Γ(V,C0 (U, F)) →
Γ(V, Z 1 (U, F)) exakt.
43
b) Ist V = V ◦ ⊂ Uk für ein k ∈ I, so ist C0 (U, F)(V ) → Z 1 (U, F)(V ) surjektiv:
Sei also ( fi j ) ∈ Γ(V, Z 1 (U, F)), das heißt fi j ∈ F(Ui j ∩ V ); setze fi := fki |V ∩Ui , also ( fi ) ∈
Γ(V,C0 (U, F)); es gilt ∂ (( fi )) = ( fi j ), denn auf V ∩Ui j ist fk j − fki = fik − f jk = fi j .
Lemma 8.6. Sei F ∈ Ab(X). H 1 (X, F) = 0 ⇔ für jede offene Überdeckung U ist H 1 (U, F) = 0.
Beweis. „⇒”: Bemerkung 8.4 und ex. Coker-Sequenz =⇒ C0 (U, F) → Z 1 (U, F) → H 1 (X, F) = 0 exakt =⇒
∂
H 1 (U, F) = 0.
„⇐”: Nach Lemma 8.5 ist zu zeigen: Die Abbildung π : Γ(X,W 0 (F)) → Γ(X,C(F)) ist surjektiv.
Sei also h ∈ Γ(X,C(F)). Es gibt eine offene Überdeckung (Uα )α∈I und zu jedem α ∈ I ein
gα ∈ Γ(Uα ,W 0 (F)) mit π(gα ) = h|Uα . Für (α, β ) ∈ I 2 ist gβ |Uαβ − gα |Uαβ ∈ ker(W 0 (F)(Uαβ ) →
C(F)(Uαβ )) = Im(ε : F(Uαβ → W 0 (F)(Uαβ ), also gibt es fαβ ∈ F(Uαβ ) mit ε( fαβ ) = gβ − gα auf
§4, Reg. 1
Uαβ Da ε injektiv ist, folgt ( fαβ ) ∈ Z 1 (U, F) und da H 1 (U, F) = 0 ist, existiert ( fα )α∈I ∈ C0 (U, F) mit
fβ − fα = fαβ auf Uαβ , also: auf Uαβ ist gα − ε( fα ) = gβ − ε( fβ ) =⇒ ∃g̃ ∈ Γ(X,W 0 (F))∀α∈I g̃|Uα =
gα − ε( fα ) =⇒ π(g̃)|Uα = h|Uα ∀α∈I =⇒ π(g̃) = h.
Sei nun U wie oben, F ∈ Ab(X). Die Sequenz 0 → F → C0 (U, F) → Z 1 (U, F) → 0 liefert die exakη
te Sequenz C0 (U, F) → Z 1 (U, F) → H 1 (X, F)
∂
δ
[( fi j )] 7→ δ (( fi j )) definiert und 0 →
→
∂
H 1 (X,C0 (U, F)), also ist γ : H 1 (U, F) → H 1 (X, F),
H 1 (X,η)
1
H (U, F) → H 1 (X, F) →
γ
H 1 (X,C0 (U, F)) ist exakt.
Satz 8.4 (Leray). Wenn H 1 (Ui , F) = 0 für alle i ∈ I, so ist γ : H 1 (U, F) → H 1 (X, F) ein Isomorphismus.
Eine erste Folgerung ist
Satz 8.5. H 1 (P1 , C) = 0.
Beweis. P1 = U0 ∪ U1 , wobei U0 = C und U1 = P1 \ {0}. Also ist U01 = C∗ . Nach Satz 8.4 und Corollar zu
Satz 8.3 ist H 1 (P1 , C) ' H 1 (U, C) mit U = (U0 ,U1 ).
Sei λi j ∈ Z 1 (U, C), also λ00 = 0, λ11 = 0, λ01 ∈ C. Sei λ0 := 0 und λ1 := λ01 , also ∂ ((λi )) = (λi j ).
11.01.05
Beweis. Man hat die exakte Sequenz
0 → H 1 (U, F) → H 1 (X, F) → H 1 (X,C0 (U, F)).
γ
Nach Lemma 8.6 ist zu zeigen: Ist U = (Vα )α∈A eine offene Überdeckung von X, so ist H 1 (U,C0 (U, F)) =
0.
Sei (ϕαβ ) ∈ Z 1 (U,C0 (U, F)), also ϕαβ = ( fαβ )i∈I ∈ ∏i∈I F(Ui ∩ Vαβ ); für festes i ∈ I ist ( fαβ )(α,β ) ∈
Z 1 (U ∩ Ui , F|Ui ), zerfällt also nach Voraussetzung und Lemma 8.6, also fαβ i = fβ i − fαi in Vαβ ∩ Ui mit
fαi ∈ F(Vα ∩Ui ), fβ i ∈ F(Vβ ∩Ui ).
Sei ϕα := ( fαi )i∈I ∈ Γ(Vα ,C0 (U, F)); es ist ϕαβ = ϕβ − ϕα auf Vαβ .
Lemma 8.7. Ist
F0 →
α0 ↓
0 → G0 →
0 →
F →
α↓
G →
F 00
↓ α 00
G00
→ 0
→ 0
ein kommutatives Diagramm in Ab(X) mit exakten Zeilen, so ist
H n (X, F 00 )
→
H n+1 (X, F 0 )
δ
H n (X,α) ↓
H n (X, G00 ) →
δ
↓ H n+1 (X,α 0 )
H n+1 (X, G0 )
44
Kapitel 8. Garbencohomologie
auch ein kommutatives Diagramm.
(Zum Beweis muss man einfach den Funktor Γ(X,W • (−)) anwenden.)
Seien nun U = (Ui )i∈I , U 0 = (Ui0 )i∈I offene Überdeckungen von X mit Ui0 ⊂ Ui für alle i ∈ I, F ∈ Ab(X).
Man hat „Restriktionen” C0 (U, F) → C0 (U 0 , F), Z 1 (U, F) → Z 1 (U 0 , F), ( fi j ) 7→ ( fi j |Ui0j ), also
tUU0 : H 1 (U, F) → H 1 (U 0 , F),
[( fi j )] 7→ [( fi j |U0 i j ].
Wendet man Lemma 8.7 auf
0 →
F
0 →
↓ idF
F
C0 (U, F) → Z 1 (U, F) → 0
↓
↓
→ C0 (U 0 , F) → Z 1 (U 0 , F) → 0
→
an, so folgt aus den Definitionen (von γU , γU 0 ), dass
H 1 (U, F)
→
H 1 (X, F)
γU
U ↓
tU
0
1
H (U 0 , F)
→
↓ id
H 1 (X, F)
γU 0
kommutativ ist. Da γU 0 injektiv ist, hat man das
Corollar 8.2. Ist H 1 (Ui , F) = 0 für alle i ∈ I, so ist tUU0 ein Isomorphismus.
45
Kapitel 9
Der Satz von Riemann-Roch (1.Version)
S
∼
Sei X eine kompakte Riemannsche Fläche. Wähle eine endliche offene Überdeckung X = i∈I Ui , ϕi : Ui →E.
−1
Für 0 < r < 1 sei Ui (r) := ϕi (Br ).
S
S
S
Da X = 0<r<1 i∈I Ui (r) ist, gibt es ein r0 < 1 mit X = i∈I Ui (r0 ).
Seien jetzt r0 ≤ r < s < 1 fest; U(r) := (Ui (r)), C0 (r) := C0 (U(r), OX ) und Z 1 (r) := Z 1 (U(r), O(X))
sowie Cb0 (r) := ∏i∈I Ob (Ui (r)) mit Norm k( fi )kr = maxi∈I k fi k Ui (r) , Cb1 (r) := ∏(i, j)∈I 2 Ob (Ui j (r)) mit Norm
( fi j ) := max(i, j) fi j und Zb1 (r) := Z 1 (r) ∩Cb1 (r) ⊂ Cb1 (r) mit der induzierten Norm.
Ui j (r)
r
Damit sind Cb0 (r), Cb1 (r), Zb1 (r) Banach-Räume. Analog sind die Banach-Räume Cb0 (s), usw. definiert.
Da Ui j (r) b Ui j (s), ist die Restriktion Cb1 (s) → Cb1 (r) nach Satz 1.4 kompakt, also ist auch Zb1 (s) → Zb1 (r)
kompakt(!)
Hilfssatz 9.1. Sei ( fi ) ∈ C0 (r). Es gilt: Es ist ( fi ) ∈ Cb0 (r) genau dann, wenn ∂ (( fi )) ∈ Zb1 (r) ist.
Beweis. „⇒”: Klar.
„⇐”: Sei i ∈ I fest. Da Ui (r) ⊂ Ui kompakt ist, ist k fi k Ui (r) < ∞, falls zu jedem a ∈ Ui (r) eine offene
Umgebung V ⊂ Ui existiert, sodass sup x∈V ∩Ui (r) | fi (x)| < ∞ ist.
Wähle ein j ∈ I mit a ∈ U j (r), wähle V = V ◦ b Ui ∩U j (r) mit a ∈ V . Für x ∈ V ∩Ui (r) ist
fi (x) = ( fi (x) − f j (x)) + f j (x), also
sup x∈V ∩Ui (r) | fi (x)| ≤ sup x∈Ui j (r) | fi (x) − f j (x)| + supx∈V | f j (x)| < ∞.
Satz 9.1. Es gilt dimC H 1 (X, O) < ∞.
Beweis. Nach §8, Corollar zu Satz 8.3 ist H 1 (Ui (r), O) = 0, H 1 (Ui (s), O) = 0. Man kann also Satz 8.4 mit
Corollar anwenden.
Sei u : Zb1 (s) × Cb0 (r) → Zb1 (r), (( fi j ), (gi )) 7→ ( fi j |Ui j (r)) + ∂ ((gi )) und v : Zb1 (s) × Cb0 (r) → Zb1 (r),
(( fi j ), (gi )) 7→ −( fi j | Ui j (r) ). Ersichtlich ist u stetig und v ist kompakt. Weiter gilt
u ist surjektiv.
(9.1)
U
Beweis. Sei (hi j ) ∈ Zb1 (r) gegeben, da tU(r)
: Z 1 (U, O)/∂C0 (U, O) → Z 1 (r)/∂C0 (r) nach §8, Corollar zu
Satz 8.4 surjektiv ist, gibt es ein ( f˜i j ) ∈ Z 1 (U, O) mit [( f˜i j | Ui j (r) )] = [(hi j )]; daher gibt es ein (gi ) ∈ C0 (r)
mit (hi j ) = ( f˜i j | Ui j (r) ) + ∂ ((gi )). Nach Hilfssatz 9.1 ist (gi ) ∈ Cb0 (r), setze ( fi j ) := ( f˜i j | Ui j (s) ) ∈ Zb1 (s); also
u(( fi j ), (gi )) = (hi j ).
Da Im(u + v) = ∂ (Cb0 (r)), folgt
dimC Zb1 (r)/∂Cb0 (r) < ∞
nach Satz 1.9.
(9.2)
46
Kapitel 9. Der Satz von Riemann-Roch (1.Version)
Man hat die „Restriktionen” α : Z 1 (s)/∂Cb0 (s) → Zb1 (r)/∂Cb0 (r) und β : Zb1 (r)/∂Cb0 (r) → Z 1 (r)/∂C0 (r),
U(s)
( fi j ) + ∂Cb0 (r) 7→ ( fi j ) + ∂C0 (r). Außerdem ist β ◦ α = tU(s) ein Isomorphismus, also ist β surjektiv. Daher
ist dimC Z 1 (r)/∂C0 (r) < ∞, und somit folgt nach Leray dim H 1 (X, O) < ∞.
Definition. Sei X eine Riemannsche Fläche. Die nach Satz 9.1 endliche Zahl
g := g(X) := dimC H 1 (X, O)
heißt das Geschlecht von X.
Satz 9.2. Es ist g(P1 ) = 0.
Beweis. Sei U = (U0 ,U1 ), wobei U0 = C und U1 = P1 \ {0}. Es gilt H 1 (P1 , O) ' H 1 (U, O) nach Leray.
Sei ( fi j ) ∈ Z 1 (U, O), also f00 = 0, f11 = 0 und f10 ∈ O(C∗ ), das heißt f10 = ∑n∈Z an zn . Für f0 :=
∑n≥0 an zn ∈ O(U0 ) und f1 := − ∑n<0 an zn ∈ O(U1 ) (denn limz→∞ f1 (z) = 0) ist dann f10 = f0 − f1 .
Definition.
1. Seien D1 , D2 ∈ Div(X). Wir sagen D1 ≤ D2 , wenn D1 (P) ≤ D2 (P) für alle P ∈ X ist, außerdem bedeutet D1 < D2 , dass D1 ≤ D2 und D1 6= D2 ist.
2. Sei D ∈ Div(X). Mit OD ⊂ MX sei die durch U 7→ { f ∈ M (U) | ∀ p∈U ord p ( f ) ≥ −D(p)} definierte
Garbe bezeichnet, desweiteren ist OD die durch die Zuweisung U 7→ {ω ∈ M (1) (U) | ∀ p∈U ord p ω ≥
−D(P)} festgelegte Garbe.
Also ist Γ(X, OD ) = {0} ∪ { f ∈ M (X)∗ | div f ≥ −D} und Γ(X, ΩD ) = {0} ∪ {ω ∈ M (1) (X) \ {0} | Dω ≥
(1)
−D}. Ersichtlich ist OD (bzw. ΩD ) ein OX -Untermodul von MX (bzw. MX ); ist D = 0, so ist OD = O und
ΩD = ΩX .
Lemma 9.1. Ist deg D < 0, so ist H 0 (X, OD ) = 0.
Beweis. Angenommen, es gibt ein 0 6= f ∈ H 0 (X, OD ). Dann wäre div( f ) ≥ −D, hieraus würde aber 0 =
deg div f ≥ − deg D > 0 folgen, ein Widerspruch.
(
1, falls P = Q,
Schreibweise: Ist P ∈ X, so bezeichnet man meist den Divisor Q 7→
auch wieder mit
0, falls P 6= Q,
P; ist D ∈ Div(X), so ist also D = ∑P∈X D(P) · P.
Definition. Ist D ∈ Div(X), dann setzt man hi (D) := dimC H i (X, OD ) für i ≥ 0.
Satz 9.3 (Riemann-Roch, 1.Version). Für D ∈ Div(X) gilt:
(a) Es ist h0 (D), h1 (D) < ∞ und hi (D) = 0 für i ≥ 2.
(b) Es gilt h0 (D) − h1 (D) = deg D + 1 − g.
Zum Beweis braucht man den
Hilfssatz 9.2. Ist D ∈ Div(X), P ∈ X, so hat man eine exakte Sequenz
0 → OD ,→ OD+P → C(P) → 0;
(
C, falls P ∈ U,
dabei ist C(P) die Garbe U →
7
0, falls P ∈
/ U.
47
◦
Beweis. Zunächst ist OD ⊂ OD+P , da −D ≥ −(D + P). Für U = U ⊂ X ist πU : Γ(U, OD+P ) → Γ(U, C(P))
so definiert: Ist P ∈
/ U, so setze πU := 0; sei nun P ∈ U, sei (V, z) eine lokale Koordinate bei P (also z(P) = 0),
f ∈ Γ(U, OD+P ) und k := D(P). Dann ist ordP f ≥ −k − 1, das heißt ordP zk+1 · f ≥ 0 und man setzt πU ( f ) :=
(zk+1 · f )(P) ∈ C.
◦
Für alle U = U ⊂ X ist 0 → Γ(U, OD ) ,→ Γ(U, OD+P ) → Γ(U, C(P)) exakt.
Außerdem ist OD+P (U) → C(P)(U) surjektiv, falls entweder P ∈
/ U oder U 3 P so klein ist, dass D(P0 ) = 0
0
für P ∈ U \ {P}. Die Behauptung folgt.
Beweis von Satz 9.3. Sei D ∈ Div(X) und P ∈ X. Da C(P) ein EX -Modul ist (oder nach Übung 4, Blatt 7), ist
H i (X, C(P)) = 0 für i ≥ 1 und H 0 (X, C(P)) ∼
= C.
Aus dem Hilfssatz 9.2 folgt (exakte Cohomologie-Sequenz) die exakte Sequenz
0 → H 0 (X, OD ) → H 0 (X, OD+P ) → H 0 (X, C(P) → H 1 (X, OD ) → H 1 (X, OD+P ) → H 1 (X, C(P))
δ
π
=0
sowie
H i−1 (X, C(P)) → H i (X, OD ) → H i (X, OD+P ) → H i (X, C(P)
=0
=0
für i ≥ 2. Mit B0 := Imπ, B1 := Imδ und
D0
:= D + P erhält man die exakten Sequenzen
0 → H 0 (X, OD ) → H 0 (X, OD0 ) → B0 → 0,
0 → B1 ,→ H 1 (X, OD ) → H 1 (X, OD0 ) → 0,
0 → B0 ,→ H 0 (X, C(P)) → B1 → 0,
also gilt 1
h0 (D0 ) = h0 (D) + dim B0 ,
1
1
(9.3)
0
h (D) = h (D ) + dim B1 ,
dim B0 + dim B1 = 1.
Nun gilt 2
Ist M ⊂ Div(X), 0 ∈ M und ∀D∈Div(X),P∈X D ∈ M ⇔ D + P ∈ M, so ist bereits M = Div(X)
(9.4)
(denn ist D ∈ Div(X), so ist D = P1 + · · · + Pm − Pm+1 − · · · − Pm+n ).
Aussage (a) folgt jetzt aus (9.3) und (9.4) mit M := {D | D erfüllt (a)}.
Beweis von Aussage (b): Sei M := {D ∈ Div(X) | D erfüllt (b)}. Ersichtlich ist 0 ∈ M. Ist D ∈ Div(X),
P ∈ X, D0 := D + P, so ist wegen (9.3):
h0 (D0 ) − h1 (D0 ) = dim B0 + dim B1 + h0 (D) − h1 (D) = 1 + h0 (D) − h1 (D),
also
h0 (D0 ) − h1 (D0 ) − deg D0 = h0 (D) − h1 (D) − deg D
somit ∀ D∈Div(X) ∀P∈X D ∈ M ⇔ D + P ∈ M. Mit (9.4) folgt somit Satz 9.3.
Satz 9.4. Sei P ∈ X. Es gibt eine nichtkonstante Funktion f ∈ M (X), die auf X \ {P} holomorph ist und in P
einen höchstens (g + 1)-fachen Pol hat.
1
2
das folgt sofort mit Hilfe der Dimensionsformel aus der Linearen Algebra
Man stelle sich diese Aussage einfach als Analogon zur induktiven Definition von Z bzw. N nach Peano vor
48
Kapitel 9. Der Satz von Riemann-Roch (1.Version)
Beweis. Sei D := (g + 1)P. Es gilt h0 (D) = h1 (D) + g + 1 + deg D = h1 (D) + g + 1 + 1 − g ≥ 2. Somit muss
ein nichtkonstantes f ∈ Γ(X, OD ) existieren und die Behauptung folgt.
Corollar 9.1. Ist g(X) = 0, dann ist X ' P1 .
Beweis. Es gibt eine nicht konstante holomorphe Abbildung f : X → P1 , die nur einen Pol hat. Dieser Pol ist
einfach. Für alle c ∈ C hat also die Funktion f − c genau eine Nullstelle (§2, Corollar zu Satz 2.6). Hieraus
folgt schon, dass f : X → P1 bijektiv ist und damit die Behauptung.
Corollar 9.2. Es seien a1 , . . . , an ∈ X paarweise verschieden, c = (c1 , . . . , cn ) ∈ C. Es gibt ein f ∈ M (X) mit
f (ai ) = ci für 1 ≤ i ≤ n.
Beweis. Sei n ≥ 2. Zu jedem 1 ≤ i ≤ n gibt es ein fi ∈ M (X) mit fi (ai ) = ∞, fi | X\{ai } ist holomorph. Für
1 ≤ i, j ≤ n, i 6= j, sei gi j := ( fi − fi (a j ))/( fi − fi (a j ) + λ ) ∈ M (X), λ 0, für k 6= i ist gi j (ak ) ∈ C und es
gilt gi j (a j ) = 0.
Ist zi eine lokale Koordinate bei ai (das heißt zi (ai ) = 0), so ist fi = hnii in einer Umgebung von ai , hi (ai ) 6=
zi
n
0, hi holomorph. Also ist gi j =
hi −zi i fi (a j )
n
hi −zi i ( fi (a j )−λ )
in einer Umgebung von ai , somit ist gi j (ai ) = 1.
Sei gi := ∏ j6=i gi j , also gi (ak ) = δik . Die Funktion f := ∑ni=1 ci gi leistet dann das Gewünschte.
Bemerkung 9.1. Ist π : X → P1 eine n-nblättrige holomorphe Abbildung, so folgt aus Corollar 9.2 und Übung
4, Blatt 5, dass [M (X) : C(z)] = n ist.
Definition. Ein Divisor K ∈ Div(X) heißt ein kanonischer Divisor, wenn ein 0 6= ω1 ∈ M (1) (X) existiert mit
K = Dω1 .
Bemerkung 9.2. Es gibt einen solchen kanonischen Divisor: Wähle f ∈ M (X) wie in Satz 9.4 und setze
ω1 := d f .
Ist K kanonisch, so ist deg K = e(X).
Lemma 9.2. Ist 0 6= ω1 ∈ M (1) (X), 0/ 6= U = U ◦ ⊂ X, ω ∈ M (1) (U), so gibt es genau ein f ∈ M (U) mit
ω = f · ω1 |U .
Beweis. Für U = X ist dies Satz 6.1(i); sonst analoger Beweis.
Lemma 9.3. Ist D ∈ Div(X), K ein kanonischer Divisor, so ist ΩD ' OK+D .
Beweis. Sei K = Dω1 , und α : OK+D → ΩD , OK+D (U) 3 f 7→ f · ω1 |U . Wegen ordx f ≥ −D(x) − ordx ω1 ⇔
ordx f · ω1 ≥ −D(x) und wegen Lemma 9.2 ist α ein Isomorphismus.
Lemma 9.4. Seien D, D0 ∈ Div(X) mit D ≤ D0 . Die Inklusion OD ,→ OD0 induziert eine Surjektion
H 1 (X, OD ) → H 1 (X, OD0 ).
Beweis. Ist D0 = D + P, so ist nach Hilfssatz 9.2 die Sequenz
H 1 (X, OD ) → H 1 (X, OD0 ) → H 1 (X, C(P))
=0
exakt.
Der allgemeine Fall folgt durch Induktion nach deg(D0 − D).
9.1. Algebraische Beschreibung von H 1 (X, OD )
9.1
Algebraische Beschreibung von H 1 (X, OD )
Sei D ∈ Div(X), j : OD ,→ M := MX die Inklusion und M /OD := Co ker j. Nach Definition ist
(
Γ (U, M /OD ) =
ϕ = (ϕ(x))x∈U ∈
∏ Mx /OD,x | ∀x∈U ∃V =V ◦ ⊂U,x∈U ∃ f ∈M (V ) ∀y∈V ϕ(y) = fy + OD,y
)
x∈U
(Ist
(Vi )i∈I
eine
Familie
von
{(vi )i∈I ∈ ∏i∈I Vi | {i ∈ I | vi 6= 0} ist endlich}.)
C-Vektorräumen,
so
ist
L
i∈I
:=
Lemma 9.5.
(i) Ist a ∈ U = U ◦ ⊂ X, ϕ ∈ Γ(U, M /OD ), so gibt es ein V = V ◦ ⊂ U mit a ∈ V und
ϕ| V \{a} = 0.
(ii) Es gilt Γ(X, M /OD ) =
L
x∈X
Mx /OD,x .
(iii) Es ist H 1 (X, M /OD ) = 0.
Beweis.
(i) Es gibt a ∈ V = V ◦ ⊂ U und f ∈ M (V ) mit ∀x∈V ϕ(x) = fx + OD,x . Mache nun V so klein,
dass D| V \{a} = 0 und dass f | V \{a} holomorph ist.
(ii) „⊃”: Sei ϕ ∈ x∈X Mx /OD,x . Es gibt also x1 , . . . , xn ∈ X mit ϕ| X\{x1 ,. . . ,xn } = 0. Man wählt Repräsentanten von ϕ(xν ) und erhält disjunkte offene Umgebungen Vν0 von xν , fν ∈ M (Vν0 ) mit fν,xν + OD,xν =
ϕ(xν ) für 1 ≤ ν ≤ n.
L
Wähle Vν = Vν◦ ⊂ Vν0 mit xν ∈ Vν , sodass fν | Vν \{xν } holomorph wird für 1 ≤ ν ≤ n und D| Vν \{xν } = 0,
dann folgt ∀x∈Vν ϕ(x) = fν,x + OD,x für 1 ≤ ν ≤ n.
Da ϕ| X\{x1 ,. . . ,xn } = 0, folgt ϕ ∈ Γ(X, M /OD ).
„⊂”: Sei ϕ ∈ Γ(X, M /OD ). Annahme: M := {x ∈ X | ϕ(x) 6= 0} ist unendlich.
Dann gibt es einen Häufungspunkt a von M, im Widerspruch zur Aussage (i).
(iii) Man zeigt, dass M /OD ein EX -Modul ist. Für h ∈ E (U), ϕ ∈ Γ(U, M /OD ) sei h·ϕ := (h(x)ϕ(x))x∈U ∈
∏x∈U Mx /OD,x , zu zeigen ist: hϕ ∈ Γ(U, M /OD ):
Zu jedem a ∈ U gibt es eine offene Umgebung V in U und ein f ∈ M (V ) mit ∀x∈V ϕ(x) = fx + OD,x ;
nach Aussage (i) kann man V so wählen, dass ϕ| V \{a} = 0 ist. Also ist (hϕ)(x) = (h(a) f )x + OD,x für
alle x ∈ V (klar für x = a, ist x 6= a, so ist fx ∈ OD,x , also h(a) fx ∈ OD,x und deshalb h(a) fx + Ox = 0 =
h(x) · ϕ(x).)
Die Behauptung (iii) folgt nun aus Satz 8.2.
Wie in Lemma 9.5 beweist man auch:
(1)
Γ(X, MX /ΩX ) =
M
(1)
Mx /Ωx
x∈X
Satz 9.5. Es gilt H 1 (X, M ) = 0 = H 1 (X, M (1) ).
(1)
Beweis. Es gibt ein 0 6= ω1 ∈ M (1) (X). Die Abbildung MX → MX , f 7→ f · ω1 ist nach Lemma 9.2 ein
Isomomorphismus, also H 1 (X, M (1) ) ' H 1 (M , X).
Die exakte Cohomologie-Sequenz zu
0 → OX ,→ MX → MX /OX → 0
und Lemma 9.5(iii) liefert, dass H 1 (X, O) → H 1 (X, M ) surjektiv ist. Mit Satz 9.1 folgt daher, dass
dimC H 1 (X, M ) < ∞ ist.
Die Gruppe H 1 (X, M ) ist nach Bemerkung 8.2 ein M (X)-Modul. Da dimC M (X) = ∞ ist, muss
1
H (X, M ) = 0 sein.
49
50
Kapitel 9. Der Satz von Riemann-Roch (1.Version)
Die exakte Sequenz
0 → OD ,→ M → M /OD → 0
liefert also nach Satz 9.5 und Lemma 9.5(ii) die exakte Sequenz
M (X) →
π
Dabei ist π( f ) = ( fx + OD,x )x∈X .
Die Sequenz
M
Mx /OD,x → H 1 (X, OD ) → 0.
x∈X
0 → Ω → M (1) → M (1) /Ω → 0
liefert jetzt die Sequenz
M (1) (X) →
M
π
(1)
Mx /Ωx → H 1 (X, Ω) → 0,
x∈X
wobei π(η) = (ηx + Ωxx∈X .
Definition. Für D ∈ Div(X) sei I(D) := (
L
x∈X
Mx /OD,x ) /Imπ.
Damit hat man den
Satz 9.6. Für D ∈ Div(X) ist H 1 (X, OD ) ' I(D) und H 1 (X, ΩX ) '
L
x∈X
(1)
Mx /Ωx /Imπ.
51
Kapitel 10
Der Dualitätssatz von Serre
Lemma und Definition 10.1. Sei X eine Riemannsche Fläche, a ∈ X. Es gibt genau eine C-lineare Abbildung
(1)
res : Ma → C mit
df
res
= ord( f ) für alle f ∈ Ma∗ und res(d f ) = 0 für alle f ∈ Ma∗ ,
(10.1)
a
f
Es gilt ΩX,a ⊂ ker(res). Ist ω ∈ M (1) (U), a ∈ U = U ◦ ⊂ X, so heißt resa (ω) := res(ωa ) das Residuum
von ω im Punkt a.
(1)
Beweis. Sei t ∈ Oa der Keim einer lokalen Koordinate
be a, also t(a) = 0. Ist ω ∈ Ma , so ist ω =
(1)
cn t n+1
dt
n
(∑n∈Z cn · t ) · dt, und ω − c−1 t = d ∑n6=1 n+1 . Hat also ϕ ∈ HomC (Ma , C) die Eigenschaft (10.1),
so ist ϕ(ω) = c−1
Daher definiert man res(ω) = c−1 und muss nun (10.1) überprüfen.
21.01.05
n−1 , also res(d f ) = 0. Es ist f = t n · g, n = ord f ,
Ist f ∈ MU∗ , so ist f = ∑n∈Z bnt n , also d f = ∑
nb
t
a
n6=0 n
g ∈ Oa∗ , also
df
f
=
ndt
t
+ dg
g , da
dg
g
∈ Ωa , folgt res
df
f
= nres dtt = n = orda f .
Bemerkung 10.1. Ist X eine Riemannsche Fläche, Σ die komplexe Struktur auf X, (U1 , ϕ1 ), (U2 , ϕ2 ) ∈
Σ, U1 ∩ U2 6= 0,
/ u = Re(ϕ2 ◦ ϕ1−1 ), v = Im(ϕ2 ◦ ϕ1−1 ) und a ∈ ϕ1 (U1 ∩ U2 ), so ist det Jϕ ◦ϕ −1 (a) =
2 1
ux (a) uy (a)
2
2
det
= ux (a) + uy (a) > 0, also definiert Σ eine Orientierung auf X, mit der X versehen
vx (a) vy (a)
R
wird. Hat η ∈ E (2) (X) kompakten Träger, so ist also X η definiert.
R
Ist X kompakt, ω ∈ E (1) (X), so ist X dω = 0 (nach Stokes) (siehe Warner (1971, Seite 148)).
Ab jetzt sei X eine kompakte Riemannsche Fläche.
Satz 10.1 (Residuenformel). Ist ω ∈ M (1) (X), so ist ∑x∈X resx ω = 0.
∼ x ∈ U , ϕ (x ) = 0, U ∩ U = 0/ für i 6= j. Sei
Beweis. Seien x1 , . . . , xn die Pole von ω. Wähle ϕ j : U j →E,
j
j
j j
i
j
∼
ψ j := ϕ −1
j : E→U j , wähle 0 < r < s < 1, wähle f j ∈ E (X) mit f j | ψ j (B̄r ) = 1, Supp f j ⊂ ψ(Bs ) für 1 ≤ j ≤ n.
Nach Lemma 6.3(b) gilt
d( f ω) = d f ∧ ω + f dω auf X 0 für alle f ∈ E (X 0 ).
Somit ist d( f j ω)| X 0 ∩ψ(Br ) = 0 und
Z
X0
Z
Z
d( f j ω) =
?
ψ j (B̄s \Br )
d( f j ω) =
B̄s \Br
(10.2)
( f j ω)| X 0 \ψ j (B̄s ) = 0, also
ψ j ∗ d( f j ω) =
Z
B̄s \Br
d(ψ ∗j ( f j ω)) =
Stokes
Z
|z|=s
ψ ∗j ( f )ψ ∗j (ω) −
Z
|z|=r
ψ ∗j ( f )ψ ∗j (ω) = −
(10.3)
Z
|z|=
52
Kapitel 10. Der Dualitätssatz von Serre
In einer Umgebung von x j ist ω = ∑n∈Z cn ϕ nj dϕ j , also ψ ∗j ω = ∑n∈Z cn (ϕ j ◦ ψ j )n d(ϕ j ◦ ψ j ) = ∑n∈Z cn zn dz,
also resx j ω = c−1 = res0 (ψ ∗j ω). Mit (10.3) folgt:
Z
X0
d( f j ω) = −2πiresx j ω.
(10.4)
Sei nun g := 1 − ∑nj=1 f j . In einer Umgebung von x j ist g = 0, die Differentialform gω lässt sich also
differenzierbar durch 0 auf X fortsetzen. Somit ist d(gω) = − ∑ j d( f j ω) auf X 0 , da dω|X 0 = 0. Also ist
n
−∑
Z
0
j=1 X
Z
d( f j ω) =
Z
X0
d(gω) =
d(gω) = 0
X
nach dem Satz von Stokes. Aus (10.4) folgt Satz 10.1.
(1)
Definition. Für x ∈ X ist res : Mx /Ωx → C, ω + Ωx 7→ resx ω definiert. Wir erklären außerdem :
L
(1)
x∈X Mx /Ωx → C, (η(x))x∈X 7→ ∑x∈X resη(x).
Sei nun D ∈ Div(X).
(1)
Definition.
1. Die bilineare Abbildung Mx /OD,x × H 0 (X, ΩD ) → Mx /Ωx , (ϕ, ω) 7→ ϕ · ω ist so
definiert: Für festes x ist ϕ(x) = g + OD,x mit g ∈ Mx , und ϕ(x) · ωx := g · ωx + Ωx ist wohldefiniert,
L (1)
denn: Aus h ∈ OD,x folgt h · ωx ∈ Ωx . Man setzt ϕ · ω := (ϕ(x)ωx )x∈X ∈ Mx /Ωx .
L
L
2. Ist W ein C-Vektorraum, so ist W ∨ := HomC (W,
V ein Untervektorraum, so ist (W /V )∨ ' {α ∈
C), ist
L
∨
∨
W | α|V = 0}. Der Raum I(D) wird mit α ∈ ( Mx /OD,x )∨ | ∀ f ∈M (X) α(( fx + OD,x )x∈X ) = 0
identifiziert (erlaubt nach der Definition von I(D)).
3. Für festes ω ∈ H 0 (X, Ω−D ) ist die Linearform Mx /OD,x → C, ϕ 7→ (ϕω) ein Element von I(D)∨ ,
denn für f ∈ M (X) ist (( fx + OD,x )x∈X · ω) = ∑x∈X res( fx · ωx + Ωx ) = ∑x∈X res( fx · ωx ) = ∑x∈X resx ( f ·
ω) = 0.
L
Damit ist
i : H 0 (X, Ω−D ) → I(D)∨ , ω 7→ ( Mx /OD,x 3 ϕ 7→ (ϕω)) definiert.
LD
Ist ϕ ∈ Mx /OD,x und [ϕ] ∈ I(D) das Bild in I(D), so ist daher iD (ω)[ϕ] = ϕω.
L
Lemma 10.2. Die Abbildung iD ist injektiv.
Beweis. Sei 0 6= ω ∈ H 0 (X, Ω−D ); zu zeigen ist iD (ω) 6= 0.
L
Wähle
( ein a ∈ X mit ωa 6= 0, wähle g ∈ Ma , sodass orda (g · ωa ) = −1; definiere ϕ ∈ Mx /OD,x durch
g + OD,x , falls x = a
ϕ(x) :=
Dann ist iD (ω)[ϕ] = (ϕω) = res(g · ωa ) 6= 0.
0,
falls x 6= a
Sei nun auch B ∈ Div(X) und ψ ∈ H 0 (X, OB ). ψ induziert die C-linearen Abbildungen ψ· : H 0 (X, Ω−D ) →
B−D ), ω 7→ ψ · ω und (für x ∈ X) Mx /OD−B,x → Mx /OD,x , g + OD−B,x 7→ ψx · g + OD,x . Man erhält
das kommutative Diagramm
H 0 (X, Ω
M (X) → M (X) ↓↓
ψ·
M
Mx /OD−B,x →
ψ·
M
Mx /OD,x kan. ↓↓ I(D − B) → I(D) ↓↓ 00
ψ∗
mit exakten Spalten. Damit ist ψ∗∨ : I(D)∨ → I(D − B)∨ definiert. Es gilt
Sind ω ∈ H 0 (X, Ω−D ), ϕ ∈
M
Mx /OD−B,x , so ist (ψϕ)ω = ϕ(ψω).
(1)
(10.5)
(Nach den Definitionen ist ψϕ ∈ Mx /OD,x , (ψϕ)ω ∈ Mx /Ωx , ψω ∈ H 0 (X, ΩB−D ), also ist via
L
L (1)
L (1)
Mx /OB−D,x × H 0 (X, ΩB−D ) → Mx /Ωx auch ϕ(ψω) ∈ Mx /Ωx .
L
Lemma 10.3. Sei 0 6= ψ ∈ H 0 (X, OB ).
L
53
(i) Das Diagramm
I(D)∨
↑
H 0 (X, Ω−D )
→
I(D − B)
→
↑ iD−B
H 0 (X, ΩB−D
Ψ∨
∗
Ψ
ist kommutativ.
(ii) Die Abbildung Ψ∨∗ ist injektiv.
(iii) Ist λ ∈ I(D)∨ , Ψ∨∗ (λ ) ∈ ImiD−B , so folgt λ ∈ ImiD
Beweis. Später
Es folgt
Theorem 10.1. Die Abbildung iD : H 0 (X, Ω−D ) → I(D)∨ ist ein Isomorphismus.
Beweis. Nach Lemma 10.2 ist iD injektiv, sei 0 6= λ ∈ I(D)∨ . Wähle P ∈ X. Für n ∈ Z ist (mit B := nP):
αn : H 0 (X, OnP ) → I(D − nP)∨ , ψ 7→ ψ∗∨ (λ ) nach Lemma 10.3(ii) injektiv.
Idee: Man sucht ein n ∈ Z mit Imαn ∩ ImiD−nP 6= 0. Dann gibt es ein 0 6= ψ ∈ H 0 (X, OnP ) mit ψ∗∨ (λ ) ∈
ImiD−nP und nach Lemma 10.3(iii) ist λ ∈ ImiD .
Durchführung: Es ist dim Imαn = h0 (nP) = h1 (nP) + n + 1 − g ≥ n + 1 − g und dim ImiD−nP =
dim H 0 (X, ΩnP−D
=
h0 (K + nP − D) ≥ deg K + n − deg D + 1 − g. Es gibt also eine Zahl c ∈ Z
§9,Lemma 3
mit dim Imαn + dim ImiD−nP ≥ 2n + c für alle n ∈ Z. Daneben ist dim I(D − nP)∨
=
§9, Satz 6
h1 (D − nP) =
R-R
h0 (D − nP) + g − 1 − deg(D − nP.
Für n > deg D ist h0 (D − nP) = 0 nach Lemma 9.2, also h1 (D − nP) = g − 1 + n − deg D.
Für n 0 ist 2n + c > g − 1 + n − deg D, somit dim Imαn + dim ImiD−nP > dim I(D − nP)∨ . Mit der
Dimensionsformel folgt Imαn ∩ ImiD−nP 6= 0 für n 0.
Beweis von Lemma 10.3.
(i) Sei ω ∈ H 0 (X, Ω−D ), ϕ ∈
Mx /OD−B,x . Dann ist ψ∗∨ (iD (ω))[ϕ] =
iD (ω)(ψ∗ [ϕ]) = iD (ω)[ψϕ] = ((ψϕ)ω) = (ϕ(ψω)) = iD−B (ψω)[ϕ]. Also ist ψ∗∨ (iD ω) = iD−B (ψω).
L
(ii) Man hat das kommutative Diagramm
L
Mx /OD−B,x
→
kan. ↓
I(D − B)
→
ψ•
L
Mx /OD,x
↓ kan.
I(D)
ψ∗
Wegen ψ 6= 0 ist ψ∗ : Mx → Mx für alle x ∈ X injektiv und surjektiv. Mit dem kommutativen Diagramm
folgt also, dass ψ∗ : I(D − B) → I(D) surjektiv ist, somit ist ψ∗∨ injektiv.
(iii) Sei λ 6= 0. Es gibt ein ω ∈ H 0 (X, ΩB−D ) mit iD−B (ω) = ψ∗∨ (λ ). Wegen (ii) ist ω 6= 0. Für alle [ϕ] ∈
I(D − B) ist also
(10.6)
ψ∗∨ (λ )[ϕ] = iD−B (ω)[ϕ] = ϕω.
Sei ω 0 :=
ω
ψ
∈ Γ(X, M () ).
Behauptung: Es ist ω 0 ∈ H 0 (X, Ω−D ).
Beweis der Behauptung: Angenommen, dies sei falsch. Es gibt ein a ∈ X mit orda ω − orda ψ < D(a).
Wähle ein g ∈ Ma mit orda g = −1 − orda ω; dann hat g · ωa in a einen einfachen Pol und orda ψ · g =
orda ψ + orda (g · ωa ) − orda ω = orda ψ − 1 − orda ω > −1 − D(a) ≥ −D(a). Also ψa · g ∈ OD,a .
(
L
g + OD−B,a , falls x = a
Definiere nun ϕ ∈ Mx /OD−B,x durch ϕ(x) :=
Dann ist ϕψ = resg · ωa 6=
0,
falls x 6= 0
L
0. Daneben ist ψa · g ∈ OD,a , daher ist ψϕ = 0 in Mx /OD,x und somit 0 = [ψϕ] = ψ∗ [ϕ]. Es folgt
∨
(ϕω) = ψ∗ (λ )[ϕ] = λ (ψ∗ [ϕ]) = 0, ein Widerspruch.
54
Kapitel 10. Der Dualitätssatz von Serre
Somit ω 0 ∈ H 0 (X, Ω−D ), also ψ∗∨ (λ ) = iD−B (ω)
=
ω=ψω 0
iD−B (ψω 0 ) = ψ∗∨ (iD (ω 0 )). Mit (ii) folgt also
(i)
λ = iD (ω 0 ) und (iii) ist bewiesen.
Mit Satz 9.6 folgt
Satz 10.2 (Dualitätssatz von Serre). Es gilt
∼ 0 (X, Ω )
H 1 (X, OD )∨ →H
−D
für alle D ∈ Div(X).
Mit D = 0 erhält man g = dim H 0 (X, Ω).
Ist K ein kanonischer Divisor, so ist Ω−D ' OK−D nach Lemma 9.3 und aus der ersten Version von
Riemann-Roch folgt
Satz 10.3 (Satz von Riemann-Roch). Es gilt
h0 (D) − h0 (K − D) = deg D + 1 − g.
Satz 10.4. Es ist deg K = 2g − 2.
Beweis. Der Satz von Riemann-Roch liefert für D := K: h0 (K) − 1 = deg K + 1 − g und h0 (K) =
dim H 0 (X, OK ) = dim H 0 (X, Ω) = g. Damit folgt bereits die Behauptung.
Ist X = C/Λ ein Torus, so ist e(X) = deg K = 0 nach Beispiel ??, also g(X) = 1.
Sei nun X eine kompakte Riemannsche Fläche mit g(X) = 1.
Da dim H 0 (X, Ω) = 1, gibt es ein 0 6= ω ∈ H 0 (X, Ω), Dω ≥ 0, deg Dω = 2g − 2 = 0. Daher ist Dω = 0,
das heißt 0 ist ein kanonischer Divisor.
(
deg D, falls deg D > 0
Für D ∈ Div(X) folgt h0 (D) = h0 (−D) = deg D, mit Lemma 9.1 folgt h0 =
. Für
0,
falls deg D < 0
deg D = 0 liefert dies keine Aussage.
Sei nun P ∈ X fest, also h0 (nP) = n für n ≥ 1, h0 (0 − P) = 1; wegen H 0 (X, OP ) ⊂ H 0 (X, O2P ) ⊂
0
H (X, O3P ) ⊂ · · · gibt es eine Folge f1 , f2 , . . . in M (X), f1 = 1, so dass f1 , . . . , fn eine Basis von H 0 (X, OnP )
ist.
Für n ≥ 2 ist also fn | X\{P} holomorph und ordP f = −n (denn ordP fn ≥ −n und −(n − 1)).
Die Abbildung f2 : X → P1 ist also 2-blättrig, somit ist dim M (X) = 2 nach Bemerkung 9.1. Es folgt: Ist
f ∈ M (X) \ C( f2 ), so ist M (X) = C( f2 ) + C( f2 ) · f (denn 1, f ∈ M (X) sind C( f2 )-linear unabhängig, also
1 )···( f 2 −αm )
eine C( f2 )-Basis von M (X)). Nun ist f3 ∈
/ C( f2 ), sonst wäre f3 = λ ((ff2 −α
mit λ ∈ C∗ , αi , β j ∈ C,
2 −β1 )···( f 2 −βn )
also ordP f3 = −2m + 2n im Widerspruch zu ordP f3 = −3). Also ist M (X) = C( f2 ) + C( f2 ) · f3 .
Satz 10.5. Ist X eine kompakte Riemannsche Fläche, so ist dim H 1 (X, C) = 2g und dim H 2 (X, C) = 1, das
Geschlecht g ist also eine topologische Invariante von X.
Beweis. Die Sequenz
0 → CX ,→ OX → ΩX → 0
d
ist exakt. Also ist auch
0 → C → C → Ω(X) → H 1 (X, C) → H 1 (X, O) → H 1 (X, Ω) → H 2 (X, C) → H 2 (X, O) = 0
δ
d1
(10.7)
(d1 = H 1 (X, d)) exakt. Nach Satz 10.2 (für D := K) folgt H 2 (X, Ω)∨ = H 0 (X, O) = C, das heißt
dim H 1 (X, Ω) = 1.
Es gibt eine Volumenform η ∈ E (2) (X),
für die also gilt: Ist (U, z) eine Karte auf X, z = x + iy, η|U =
R
f dx ∧ dy, für alle P ∈ U ist f (P) > 0. Also X η > 0, also η ∈
/ dE (1) (X) (nach Stokes), das heißt H 2 (X, C) =
55
E (2) (X)/dE (1) (X) 6= 0. Wegen dim H 2 (X, C) ≤ 1 ist daher dim H 2 (X, C) = 1. Mit (10.7) folgt d1 = 0, man
erhält somit die exakte Sequenz
0 → Ω(X) → H 1 (X, C) → H 1 (X, O) → 0
Hieraus folgt dim H 1 (X, C) = 2g.
Satz 10.6. Ist X ein 1-zusammenhängender Hausdorff-Raum, so ist H 1 (X, H) = 0 für jede abelsche Gruppe
H.
Beweis. Man zeigt: Ist
0 → HX → F → F 1 → 0
π
F 1 (X)
eine exakte Sequenz in Ab(X), so ist π : F(X) →
surjektiv. Satz 10.6 folgt dann mit F := W 0 (HX )
1
und F := C(HX ) aus Lemma 8.5.
S
Sei also f 0 ∈ F 1 (X) gegeben. Sei Y := x∈X { fx ∈ Fx | π( fx ) = fx0 }, p : Y → X, fx 7→ x. Ist U ⊂ X offen,
f ∈ F(U), π( f ) = f 0 |U , so sei N(U, f ) := { fx | x ∈ U} ⊂ Y . Dann gilt:
a) Die Menge {N(U, f ) | U ⊂ X offen , f ∈ F(U), π( f ) = f 0 |U } ist Basis einer Topologie, mit der Y versehen wird.
Beweis. Ist α ∈ N(U1 , f1 ) ∩ N(U2 , f2 ), so gibt es ein x ∈ U1 ∩ U2 mit α = f1,x = f2,x und es gilt W =
W ◦ ⊂ U1 ∩U2 , x ∈ W , f1 |W = f2 |W , also α ∈ N(W, f1 |W ) ⊂ N(U1 , f1 ) ∩ N(U2 , f2 ). Damit ist p : Y → X
surjektiv, stetig und offen.
b) Die Abbildung p ist eine Überlagerung, insbesondere ist Y Hausdorff.
Beweis. Sei a ∈ X. Es gibt eine zusammenhängende offene Umgebung U von a und ein f ∈ F(U) mit
S
π( f ) = f 0 |U . Es ist p−1 (U) = c∈H N(U, f + c):
„⊃”: Ist Klar.
„⊂”: Ist α ∈ p−1 (U), so ist α ∈ Fx , π(α) = fx0 für ein x ∈ U, somit α − fx ∈ Hx = H, also α ∈ N(U, f +c)
und (b) ist gezeigt.
Wende nun das Corollar zu Theorem 3.1 auf das kommutative Diagramm
Y
% ↓
→ X
σ
X
Id
an. Man erhält σ : X → Y stetig und p ◦ σ = idX .
Zu jedem a ∈ X gibt es offene Umgebungen U,V und ein f ∈ F(V ) mit π( f ) = f 0 |V , σ (U) ⊂ N(V, f ),
also U = p(σ (U)) ⊂ p(N(V, f )) = V , es folgt(!) σ (U) ⊂ N(U, f (U)).
S
Daher gibt es eine offene Überdeckung X = i∈I Ui und ( fi ) ∈ ∏i∈I F(Ui ) mit π( fi ) = f 0 |Ui , σ (Ui ) ⊂
N(Ui , fi ); für x ∈ Ui ∩U j ist σ (x) = fi,x = f j,x , also fi |Ui ∩U j = f j |Ui ∩U j , also existiert ein f ∈ F(x) mit f |Ui = fi
für alle i; folglich ist π( f )|Ui = f 0 |Ui für alle i ∈ I und es folgt π( f ) = f 0 .
Corollar 10.1. Ist X eine kompakte Riemannsche Fläche mit π1 (X) = 0, so ist X ' P1 .
Beweis. Nach Satz 10.6 ist H 1 (X, C) = 0, nach Satz 10.5 also g = 0 und die Behauptung folgt aus Corollar
zu Satz 9.4.
Satz 10.7. Ist U ⊂ C ein Gebiet, π1 (U) = 0, so ist H 1 (U, O ∗ ) = 0, H 2 (U, Z) = 0.
56
Kapitel 10. Der Dualitätssatz von Serre
Beweis. Es ist U ' E oder U ' C (nach dem Riemannschen Abbildungssatz), also gilt H 2 (U, C) = 0 nach
Corollar zu Satz 8.3.
Die Sequenz
0 → Z → C → C/Z → 0
liefert die exakte Sequenz
H 1 (U, C/Z) → H 2 (U, Z) → H 2 (U, C) = 0
und aus Satz 10.6 folgt H 2 (U, Z) = 0.
Die Sequenz
0 → Z → OU → OU∗ → 0
e
(mit
e( f ) = e2πi f )
liefert die exakte Sequenz
0 = H 1 (U, O) → H 1 (U, O ∗ ) → H 2 (U, Z) = 0
und hieraus folgt die Behauptung.
Satz 10.8.
(a) H 1 (C∗ , O) = 0
(b) H 1 (P1 , O ∗ ) ' H 2 (P1 , Z) ' Z
Beweis. Es ist P1 = U0 ∪U1 , wobei U0 = C und U1 = P1 \ {0}. Dann ist U01 = C∗ . Sei U = (U0 ,U1 ).
a) Es ist H 1 (P1 , E (0,1) ) = 0. Mit Lemma 8.6 folgt hieraus H 1 (U, E (0,1) ) = 0, H 1 (C∗ , O) '
E (0,1) (C∗ )/d 00 E (C∗ ), also ist zu zeigen: Aus η ∈ E (0,1) (C∗ ) folgt η ∈ d 00 E (C∗ ).
Da H 1 (U, E (0,1) ) = 0, gibt es η0 ∈ E (0,1) (U0 ), η1 ∈ E (0,1) (U1 ) mit η = η1 |C∗ − η0 |C∗ .
Da H 1 (Ui , O) = 0, gibt es f0 ∈ E (U0 ), f1 ∈ E (U1 ) mit d 00 f0 = η0 , d 00 f1 = η1 , also η = d 00 ( f1 |C∗ −
f0 |C∗ ).
b) Die Exponential-Sequenz
0 → Z → OP1 → OP∗1 → 0
e
liefert die exakte Sequenz
H 1 (P1 , O) → H 1 (P1 , O ∗ ) → H 2 (P1 , Z) → H 2 (P1 , O),
=0
=0
also H 1 (P1 , O ∗ ) ' H 2 (P1 , Z). Nach Satz 10.7 und Leray folgt H 1 (P1 , O ∗ ) ' H 1 (U, O ∗ ). Nach Übung 2,
Blatt 8 ist H 1 (C∗ , Z) ' Z, daher reicht es, einen Isomorphismus γ : H 1 (U, O ∗ ) → H 1 (C∗ , Z) anzugeben.
Beachte: Z 1 (U, O ∗ ) ' O(C∗ )∗ .
Die Exponential-Sequenz liefert
O(U01 ) → O ∗ (U01 ) → H 1 (U01 , Z) → H 1 (U01 , O)
δ
e
surj.
=0 nach a)
Sei γ : H 1 (U, O ∗ ) → H 1 (U01 , Z), [ fi j ] 7→ δ ( f10 ).
• γ ist wohldefiniert: Ist f10 = f0 / f1 auf C∗ , f0 ∈ O(U0 )∗ , f1 ∈ O(U1 )∗ , so gibt es gi ∈ O(Ui ) mit
e(gi ) = fi , i = 0,1, also f10 = e(g0 |C∗ − g1 |C∗ ), das heißt δ ( f10 ) = 0.
• γ ist surjektiv: Nach a) ist δ surjektiv.
• γ ist injektiv: Ist δ ( f10 ) = 0, dann gibt es ein g10 ∈ O(C∗ ) mit e(g10 ) = f10 . Da H 1 (U, O) = 0,
f |
ist g10 = g0 |C∗ − g1 |C∗ mit gi ∈ O(Ui ), i = 0,1. fi := e(gi ) ∈ O ∗ (Ui ), also f10 = f0 |C∗∗ , das heißt
1 C
[ fi j ] = 0.
57
Kapitel 11
Die Riemann-Hurwitz-Formel,
Weißerstraß-Punkte
11.1
Seien X,Y kompakte Riemannsche Flächen, f : X → Y holomorph und nicht konstant; für x ∈ X heißt
b( f , x) := v( f , x) − 1 ≥ 0 die Verzweigungsordnung von f in x; die Menge {x ∈ X | b( f , x) 6= 0} ist endlich, daher ist
b := b( f ) := ∑ b( f , x)
(11.1)
x∈X
wohldefiniert und wird als Gesamtverzweigungsordnung von f bezeichnet.
Es gilt: Ist f 2-blättrig, so ist b( f ) die Anzahl der kritischen Werte von f .
Sei nun 0 6= η ∈ M (1) (Y ) fest. Ist x ∈ X, so gibt es nach Satz 2.5 ein kommutatives Quadrat
U
↓t
E
f
→
V
↓w
E
→
zk
mit U ⊂ X offen, V ⊂ Y offen, f (U) ⊂ V , x ∈ U, t(x) = 0 und k = v( f , x).
Es ist (w−1 )∗ (η|V ) ∈ M (1) (E), also gibt es ein ϕ(z) ∈ M (E) mit (w−1 )∗ (η|V ) = ϕ(z)dz, nach Definition
ist
ord η = ord ϕ(z),
f (x)
also η|V = w∗ (ϕ(z)dz);
k−1
(kz ϕ(zk )dz). Also ordx f ∗ η
(11.2)
0
f ∗ (η|V ) = f ∗ (w∗ (ϕ(z)dz)) = t ∗ ((zk )∗ ϕ(z)dz) = t ∗ (ϕ(zk )d(zk )) =
= ord0 (kϕ(zk ) · zk−1 dz) = k − 1 + k · ord0 (ϕ) = k − 1 + k · ord f (x) ·η;
(1)
das heißt
ord f ∗ η = b( f , x) + v( f , x) ord η
x
(11.3)
f (x)
Also e(X) = ∑x∈X ordx f ∗ (η) = b + ∑x∈X v( f , x) ord f (x) η = b + ∑y∈Y ∑x∈X, f (x)=Y v( f , x) ordy η = b +
∑y∈Y ordy η ∑x∈X, f (x)=y v( f , x). Sei nun n die Blätterzahl von f . Dann ist e(X) = b + n · ∑y∈Y ordy η =
b + n · e(Y ). Mit Satz 10.4 folgt
Satz 11.1 (Formel von Riemann-Hurwitz). Ist f : X → Y eine n-blättrige Abbildung, so ist
2g(X) − 2 = b + n · (2g(Y ) − 2).
Corollar 11.1. Ist X eine kompakte Riemannsche Fläche, π : X → P1 holomorph und n-blättrig, b := b(π),
so ist g(X) = b2 − n + 1.
58
Kapitel 11. Die Riemann-Hurwitz-Formel, Weißerstraß-Punkte
2
Sein nun Q(z) = (z − a1 ) · · · (z −
pak ), a1 , . . . , ak ∈ C paarweise verschieden. Das Polynom P := T −
Q(z) ∈ C(z)[T ] ist irreduzibel(!)
p Sei Q(z) := T + (P) ∈ C(z)[T ]/(P) und (X, π, F) die Riemannsche Fläche
der algebraischen Funktion Q(z), also F 2 = (π − a1 ) · · · (π − ak ); hier ist ∆ p = −4Q(z), also ist π über
P1 \ {a1 , a2 , . . . , ak , ∞} unverzweigt, und π : X → P1 ist 2-blättrig.
Behauptung: Die Punkte a1 , . . . , ak sind kritische Werte von π.
Beweis. Sonst gäbe es zu einem i ∈ {1,. . . , k} eine offene Umgebung U von ai in C und eine holomorphe
Abbildung σ : U → X mit π ◦σ = idU , g := F ◦σ . Also z ∈ U =⇒ g(z)2 = F(σ z)2 = (π(σ z)−a1 ) · · · (π(σ z)−
ak ) = Q(z), also ordai Q(z) = 2 ordai g, ein Widerspruch.
Da b = b(π) gerade ist und die Anzahl der
( kritischen Werte von π ist, folgt: ∞ ist genau dann kritischer
k,
falls k gerade
Wert, wenn k ungerade ist, folglich gilt b =
k + 1, falls k ungerade
(
k/2 − 1, falls k gerade
Aus dem Korollar folgt: g = g(X) = k+1
2 − 1, falls k ungerade
Es ergibt sich die folgende Tabelle für den Zusammenhang von k und g:
k 1
g 0
2
0
3
1
4
1
5
2
6
2
7
3
8
3
...
...
Satz 11.2. Sei Y eine kompakte Riemannsche Fläche mit g = g(Y ) = 1.p
Es gibt paarweise verschiedene
a1 , a2 , a3 ∈ C, sodass Y ' X, wobei (X, π, F) die Riemannsche Fläche von (z − a1 )(z − a2 )(z − a3 ) ist.
Beweis.
1. Sei P ∈ Y . Nach § 10 gibt es f2 , f3 ∈ M (Y ), sodass 1, f2 Basis von H 0 (Y, O2P ) und
1, f2 , f3 Basis von H 0 (Y, O3P ) sind mit ordP f2 = −2 und ordP f3 = −3. Da h0 (6P) = 6 ist, sind
1, f2 , f3 , f22 , f23 , f32 , f2 · f3 ∈ H 0 (Y, O6P ) linear abhängig.
Es gibt also c0 , c1 , . . . , c6 ∈ C, nicht alle 0 mit 0 = c0 + c1 f2 + c2 f3 + c3 f22 + c4 f23 + c6 f32 + c5 f2 · f3 .
Behauptung: Es ist c6 6= 0 und c4 6= 0.
Beweis hierfür: Wäre c6 = 0, so wäre f3 · (c2 + c5 f2 ) = −(c0 + c1 f2 + c3 f22 + c4 f23 ); also (da f3 ∈
/ C( f2 ))
c2 + c5 f2 = 0, also c2 = c5 = 0; also auch c0 = c1 = c3 = c4 = 0 (da f2 nicht algebraisch über C ist),
im Widerspruch zur Voraussetzung nicht alle ci = 0.
Angenommen, c4 = 0. Also c6 f32 ∈ H 0 (Y, O5P ). Da c6 6= 0 ist, folgt dann −6 = 2 ordP f3 = ordP f32 ≥
−5, ein Widerspruch.
2
Ohne Einschränkung der Allgemeinheit ist also c4 = −1 und c6 = 1. Es folgt: f3 + c2 +c2 5 f2
=
2
2
(c2 +c5 f2 )
(c +c f )
+ c2 f3 + c5 f2 f3 + f32 = 2 45 2 − c6 − c1 f2 − c3 f22 + f23 = Q( f2 ), wobei Q(T ) = T 3 −
4
2
(c +c T )
c0 − c1 T − c3 T 2 + 2 45
∈ C[T ].
Sei h := f3 + c2 +c2 5 f2 , also h2 = Q( f2 ). Es gibt a1 , a2 , a3 ∈ C mit Q(T ) = (T − a1 )(Ta2 )(T − a3 ).
Behauptung: a1 , a2 , a3 sind paarweise verschieden.
2
h
= f2 − a3 ; f2 − a3 ist in Y \ {P} holomorph, und
( f2 −a)2
h
ordP ( f2 − a3 ) = −2. Also ist f2 −a in Y \ {P} holomorph und ordP f2h−a = −1, daher folgt: f2h−a : Y → P1
ist biholomorph, im Widerspruch zu g(Y ) = 1.
Beweis: Sonst ist o.E.d.A. a1 = a2 =: a, also
∼
2. Es gibt Y → X mit π ◦ ϕ = f2 , das heißt das Diagramm
ϕ
Y
→
X
ϕ
&
.
f2
π
P1
kommutiert.
11.2. Weierstraß-Punkte
59
Da f2 eine 2-blättrige Abbildung ist, ist b( f2 ) die Anzahl der kritischen Werte von f2 . Da h2 = Q( f2 ) ist,
folgt wie oben (mit f2 statt π, h statt F), dass a1 , a2 , a3 kritische Werte von f2 sind; ordP ( f2 ) = −2, also
ist auch ∞ ein kritischer Wert von f2 . Nach Corollar zu Satz 11.1 ist b( f2 ) = 4, daher sind a1 , a2 , a3 , a4
mit a4 := ∞ die kritischen Werte von f2 .
04.02.05
Es gibt x1 , . . . , x4 ∈ X und y1 , . . . , y4 ∈ Y mit f2−1 ({ai }) = {yi }, π −1 ({ai }) = {xi }. Sei X 0 := X \
{x1 , . . . , x4 }, Y 0 := Y \ {y1 , . . . , y4 }. Die Abbildung ϕ 0 : Y 0 → X 0 ist so definiert: Ist y ∈ Y 0 , so gibt
es offene Umgebung U von y in Y 0 , so dass f2 |U2 → f2 (U) biholomorph ist, sei τ : f2 (U) → U dazu invers und ϕ 0 (y) := (h ◦ τ) f2 (y) ∈ O P1 , f2 (y) . Nach dem Beweis von Satz 5.3 ist X 0 = {α ∈ |OP1 | :
π(α) ∈ P1 \ {a1 , . . . , a4 }, P(α) = 0}; P = T 2 − Q(z), P(h ◦ τ) = (h ◦ τ)2 − Q(z) = h2 · τ − Q(z) =
Q( f2 ) ◦ τ − Q(z) = Q( f2 ◦ τ) − Q(z) = Q(z) − Q(z) = 0, daher ist ϕ 0 (y) ∈ X 0 und π(ϕ 0 (y)) = f2 (y);
somit ist π ◦ ϕ 0 = f2 .
ϕ’ ist stetig(!), π|X 0 ist lokal biholomorph, daher ist ϕ 0 holomorph. Sei jetzt ϕ : Y → X, ϕ(y) :=
(
ϕ 0 (y), falls y ∈ Y 0
.
xi ,
falls y = yi , 1 ≤ i ≤ 4
(a) ϕ ist stetig: Sei 1 ≤ i ≤ 4 und y(n) eine Folge in Y 0 , die gegen yi konvergiert; ist x̃ ein Häufungspunkt 1 von ϕ(y(n) ), so gibt es eine Teilfolge y(rn ) , sodass limn→∞ ϕ(y(rn ) ) = x̃, lim y(rn ) = yi . Also
π(x̃) = limn→∞ π(ϕ 0 (y(rn ) )) = limn→∞ f2 (y(rn ) ) = f2 (yi ) = ai . Daher ist x̃ = xi = ϕ(yi ). Also ist xi
der einzige Häufungspunkt von ϕ(y(n) ), somit ist lim ϕ(y(n) ) = ϕ(yi ).
(b) ϕ ist holomorph: Wegen 2.1 und dem Riemannschen Hebbarkeitssatz.
(c) ϕ ist biholomorph: Nach Satz 11.1 ist 0 = 2g(Y ) − 2 = b(ϕ) + n(2g(X) − 2), das heißt b(ϕ) =
0 =⇒ ϕ ist unverzweigt. Da ϕ({x1 }) = {y1 } ist, ist ϕ bijektiv. Hieraus folgt die Biholomorphie.
Sei wieder (X, π, F) die Riemannsche Fläche von
a1 )(π − a2 )(π − a3 ).
Behauptung: ω := dπ
F ∈ Ω(X).
p
(z − a1 )(z − a2 )(z − a3 ); wie in Satz 11.2; F 2 = (π −
Beweis. Man zeigt Dω = 0. Sei x ∈ X, ist π(x) ∈ C \ {a1 , a2 , a3 }, so ist ordx dπ = 0 = ordx F, also Dω (x) = 0.
Ist π(x) = ai , i = 1,2,3, so ist ordx dπ = 1 und ordx F 2 = ordx (π − ai ) + 0 = 2, also ordx F = 1, das heißt
Dω (x) = 0.
Also 0 = 2g − 2 = deg Dω = ∑x∈X,π(x)=∞ Dω (x). Da π −1 (∞) = 1 ist, folgt Dω = 0.
Man schreibt z := π, F =:
dz
.
(z−a1 )(z−a2 )(z−a3 )
p
(z − a1 )(z − a2 )(z − a3 ), somit ω = √
Für einen Weg α in X ist α ω ∈ C definiert. Sei nun x0 ∈ X fest; Γ := {
α ist ein Weg von x0 nach x0 } ⊂ C ist eine Untergruppe.
Abel bewies: Γ ⊂ C ist sogar ein Gitter.
R
Jacobi bewies: x → C/Γ, x 7→ xx0 ω + Γ ∈ C/Γ ist biholomorph.
Mit Satz 11.2 folgt somit: Y ' Torus.
R
11.2
R
α
ω |
Weierstraß-Punkte
Sei U ⊂ C ein Gebiet.
Lemma 11.1. Seien a0 , . . . , an ∈ O(U), n ≥ 1 und L := {w ∈ O(U) | a0 w(n) + a1 w(n−1) + · · · + an w = 0}. Ist
a0 (z0 ) 6= 0 für ein z0 ∈ U, so ist L → Cn , w 7→ (w(z0 ), w0 (z0 ), . . . , w(n−1) (z0 )) injektiv.
1
Ein Häufungspunkt existiert, da X kompakt ist.
60
Kapitel 11. Die Riemann-Hurwitz-Formel, Weißerstraß-Punkte
Beweis. Sei w ∈ L, 0 = w(z0 ) = · · · = w(n−1) (z0 ). Man zeigt: ∀k≥0 w(n+k) (z0 ) = 0 durch Induktion nach k:
k = 0: a0 (z0 )w(n) (z0 ) = 0 =⇒ w(n) (z0 ) = 0.
Sei die Behauptung für 0,1, . . . , k schon bewiesen. k + 1-faches Differenzieren der Differentialgleichung
liefert (da o.E.d.A a0 = 1ist) k + 1 (k+1− j)
w(n+k+1) (z0 ) + ∑k+1
a1
(z0 ) · w(n−1+ j) (z0 ) + · · · = 0,
j=0
j
{z
}
|
=0 nach Ind.-V.
das heißt w(n+k+1) (z0 ) = 0. Nach Identitätssatz folgt daher w = 0.
Definition. Sind f1 , . . . , fn ∈ O(U), n ≥ 1, so heißt



W ( f1 , . . . , fn ) := det 

f1
f10
..
.
···
···
(n−1)
···
f1

fn
fn0
..
.
(n−1)


 ∈ O(U)

fn
die Wronski-Determinante von f1 , . . . , fn .
Lemma 11.2. Sind f1 , . . . , fn ∈ O(U) C-linear unabhängig, so ist W ( f1 , . . . , fn ) 6≡ 0.
Beweis. Induktion nach n. Es sei schon gezeigt, dass W ( f1 , . . . , fn ) 6≡ 0 ist für n ≥ 2. Sei L :=


f1
· · · fn−1
w






..
..




0
f1
.
.
w ∈ O(U) : |
. Entwicklung nach der n-ten Spalte liefert L = {w ∈
|
=
0
.
.
.


..
..
..








(n−1)
f1 (n − 1) · · · fn−1
w(n−1)
O(U) | a0 w(n−1) + a1 w(n−2) + · · · + an−1 w = 0}, a0 , . . . , an−1 ∈ O(U), a0 = W ( f1 , . . . , fn−1 ), f1 , . . . , fn−1 ∈ L.
Wäre W ( f1 , . . . , fn ) = 0, so wäre auch fn ∈ L, also wäre dim L ≥ n. Aber es gibt ein z0 ∈ U mit a0 (z0 ) 6= 0,
also dim L ≤ n − 1 nach Lemma 11.1. Somit ist W ( f1 , . . . , fn ) 6= 0.
Sei nun (U, z) eine Karte auf einer Riemannschen Fläche und f ∈ O(U). Nach (5), § ?? ist d f =
d
d
dn f
df
∂f
d0 f
−1
0
daher setzt man dz := ∂ z = ( f ◦ z ) ◦ z, d0 z := f , dz :=
◦···◦
( f ) . Durch Induktion folgt
dz
dz
{z
}
|
∂f
∂ z dz,
n-mal
dn
= ( f ◦ z−1 )(n) ◦ z.
dzn
(11.4)
Sei nun X eine kompakte Riemannsche Fläche mit g := g(X) ≥ 1; ω1 , . . . , ωg sei eine Basis von Ω(X) und
(U, z) sei eine Karte auf X, U sei zusammenhängend.
Man hat f1 , . . . , fn ∈ O(U) mit ω1 |U = f1 dz, . . . , ωg |U = fg dz. Man defininert Wz (ω1 , . . . , ωg ) := W ( f1 ◦
z−1 , . . . , fg ◦ z−1 ) ◦ z ∈ O(U). Aus (11.4) folgt
Wz (ω1 , . . . , ωg ) = |
Satz 11.3. Sind (U, z), (Ũ, z̃) Karten auf X, also
dz̃
dz
mit N =
g(g+1)
.
2
···
···
dg−1 f1
dzg−1
···
..
.
fg
d fg
dz
..
.
|
dg−1 fg
dzg−1
∈ O ∗ (U ∩ Ũ), so gilt auf U ∩ Ũ:
Wz (ω1 , . . . , ωg ) =
f1
d f1
dz
dz̃
dz
N
Wz̃ (ω1 , . . . , ωg ),
(11.5)
11.2. Weierstraß-Punkte
˜
Beweis. Auf U ist ωk = fk dz, auf Ũ ist ωk = f˜k dz̃, also fk = dz̃
dz · f k für 1 ≤ k ≤ g.
dz̃
d
d
Sei h := dz , D := dz , D̃ := dz̃ , also D = h · D̃.
Behauptung: Für 0 ≤ m ≤ g − 1 gibt es ϕm,0 , . . . , ϕm,m−1 ∈ O(U ∩ Ũ) mit
Dm fk = hm+1 D̃m ( f˜k ) +
m−1
∑ ϕm,µ D̃µ f˜k ,
1≤k≤g
µ=0
Beweis. Durch Induktion. Für m = 0 ist die die Aussage trivial.
µ ˜
m → m + 1: Nach Induktionsvoraussetzung gilt Dm+1 ( fk ) = D(hm+1 D̃m f˜k + ∑m−1
µ=0 ϕm,µ D̃ f k ) =
µ ˜
µ+1 ( f˜ ).
hm+2 D̃m+1 f˜k + (m + 1)hm+1 D̃(h)D̃m ( f˜k ) + h · ∑m−1
k
µ=0 D̃(ϕm,µ )D̃ ( f k ) + ϕm,µ D̃


 
a1
a1


a2 + λ21 a1
 


Nun gilt: Sind a1 , . . . , ag ∈ Cg Zeilenvektoren, so ist det  ...  = det 
.
..


.
ag
ag + λg1 a1 + · · · + λg,g−1 ag−1
h f˜1
···
h f˜g
2
2
˜
h D̃ f1
···
h D̃ f˜g
Also ist für z0 ∈ U ∩ Ũ: Wz (ω1 , . . . , ωg )(z0 ) = |
| = h·h2 · · · hgWz̃ (ω1 , . . . , ωg )(z0 ).
..
..
..
.
.
.
hg D̃g−1 f˜1 · · · hg D̃g−1 f˜g
Wegen Satz 11.3 ist ∆ : X → N ∪ {∞}, x 7→ Wz (ω1 , . . . , ωg ) für x ∈ U, (U, z) Karte, wohldefiniert. Es gilt
∀x∈X ∆(x) < ∞
(11.6)
(Wäre ∆(x0 ) = ∞, so gäbe es eine Karte (U, z), x0 ∈ U mit Wz (ω1 , . . . , ωg ) = 0. Mit Lemma 11.2 würde
daraus folgen, dass ω1 |U , . . . , ωg |U linear abhängig sind, das würde aber bedeuten, dass ω1 , . . . , ωg linear
abhängig sind, ein Widerspruch.)
∆ ∈ Div(X)
(11.7)
(Wäre {x ∈ X | ∆(x) 6= 0} unendlich, so gäbe es einen Häufungspunkt x0 , also ordx0 Wz = ∞ im Widerspruch zu (11.6)).
Definition. ∆ heißt der Weierstraß-Divisor von X. Ein p ∈ X heißt Weierstraß-Punkt, wenn ∆(p) ≥ 1; ∆(p)
heißt dann das Gewicht von p. Sei W := {p ∈ X | ∆(p) > 0}.
Satz 11.4. Sei p ∈ X. Es sind äquivalent.
(i) p ∈ W
(ii) es gibt eine nichtkonstante Funktion f ∈ M (X) mit f | X\{p} holomorph, ord p f ≥ −g.
Beweis.
1. Wähle lokale Koordinate (U, z) bei p, insbesondere z(p) = 0. Man hat nach § ?? eine exakte
Sequenz
L
M (X) →
x∈X Mx /Ox → I(0) → 0
π
7→
ϕ
[ϕ]
wobei π( f ) := ( fx + Ox )x∈X , I(0) = Co ker π.
Sei z der Keim von z in p. Für c = (c1 , . . . , cg ) ∈ Cg sei ϕc := (ϕc (x))x∈X ∈
(c p
cg
1
z p + · · · + zg + O p falls x = p
L
Mx /Ox mit ϕc (x) =
p
0
otherwise
Für f ∈ M (X) gilt: π( f ) = ϕc ⇔ f | X\{p} ist holomorph, f p −
M (X):
c1
zp
c
+ · · · + zgg
p
∈ O p . Daher gilt: f ∈
f | X\{p} holomorph, nicht konstant, ord( f ) ≥ −g ⇔ ∃0 6= c ∈ Cg , π( f ) = ϕc .
p
(11.8)
61
62
Kapitel 11. Die Riemann-Hurwitz-Formel, Weißerstraß-Punkte
Also
(ii) ⇔ ∃0 6= c ∈ Cg , [ϕc ] = 0.
(11.9)
Ist c ∈ Cg , so gilt: [ϕc ] = 0 ⇔ ∀λ ∈ I(0)∨ , λ [ϕc ] = 0 ⇔ ∀ ω∈Ω(X) (ϕc ω) = 0 nach Theorem 10.1.
c Dn fk (p) n
z dz, also ist res p cz1 + · · · + zgg fk dz = c1 fk (p) +
2. In einer Umgebung von p ist fk ·dz = ∑∞
n=0
n!
cg
c2
1! D( f k )(p) + · · · + (g−1)!

Dg−1 fk (p).
f1 (p)
..
.
···
fg (p)
..
.



Sei nun A(p) := 
. Dann ist für c ∈ Cg : (ϕc ω1 , . . . , ϕc ωg ) =
Dg−1 f1 (p) · · · Dg−1 fg (p)
cg
c1
0! , . . . , (g−1)!
A(p).
Also: (ii) ⇔ ∃0 6= c ∈ Cg ,
cg
c1
0! , . . . , (g−1)!
A(p) = 0 ⇔ det A(p) = 0, das heißt p ∈ W .
Satz 11.5. Es gibt ein f ∈ M (X)∗ und einen kanonischen Divisor K mit ∆ = div( f ) + N · K, wobei N =
deg ∆ = g3 − g; das heißt es gibt mit Gewichten gerechnet g3 − g Weierstraß-Punkte.
g2 +g
2 ;
Beweis. Wähle Atlas {(Ui , zi ) | i ∈ I}, Ui zusammenhängend. Sei ωk |Ui = fki dzi , 1 ≤ k ≤ g, Wi :=
N
N
dz
dz
W
i
·Wi = W j und f1iN · dzij
= f1Nj . Daher ist W
= f Nj ,
Wzi (ω1 , . . . , ωg ). Nach Satz 11.3 ist auf Ui ∩U j : dzij
fN
1i
also gibt es 0 6= f ∈ M (X)∗ mit f |Ui =
Wi
N,
f1i
1j
i ∈ I.
Für x ∈ X (z.B. x ∈ Ui ) folgt ∆(x) = ordx Wi = ordx f + N ord f1i = (div( f ) + NDω1 )(x).
x
| {z }
ordx ωi
deg K = 2g − 2 =⇒ deg ∆ =
g(g+1)
(2g − 2) = g3 − g.
2
Bemerkung 11.1. Ist g = 2, so ist W = 6.
Beweis. Nach Satz 11.5 gibt es ein x1 ∈ W und ein f ∈ M (X) nichtkonstant, f |X\{x1 holomorph, ordx1 f ≥ −2.
Daher ist ordx1 f = −2, also ist f : X → P1 eine 2-blättrige Abbildung. Nach Hurwitz ist 2 = g = b(2f ) + 1 − n
mit n = 2, das heißt b( f ) = 6. Somit hat f genau 6 Verzweigungspunkte x1 , . . . , x6 ; f (x2 ), . . . , f (x6 ) ∈ C, x1 ∈
W ; für 2 ≤ j ≤ 6 ist ordx j f − f1(x = −2 und f − f1(x | X\{x j } ist holomorph. Deswegen ist {x1 , . . . , x6 } ∈ W ,
j)
j)
nach Satz 11.5 ist W ≤ 23 − 2 = 6, also W = 6.
Es folgt: (X) < ∞, falls g(X) ≥ 2 (siehe Behnke und Sommer (1955, Seite 579)).
63
Anhang A
(Zufällig) Ausgewähle Übungsaufgaben
1. Sei Σ die komplexe Struktur auf C. Geben Sie komplexe Strukturen Σ1 , Σ2 auf C an, sodass (C, Σ) '
(C, Σ1 ), (C, Σ) 6' (C, Σ2 ), Σ 6= Σ1 .
0
0
0
2. Seien Λ = Zω1 + Zω2 und Λ0 =
Zω
1 + Zω
2 Gitter
in C. Zeigen Sie: Genau dann ist Λ = Λ , wenn es
0
ω1
ω1
eine Matrix A ∈ (2,Z) gibt mit
=A
, det A = ±1.
ω20
ω2
3. Seien Λ, Λ0 ⊂ C Gitter und α ∈ C∗ mit αΛ ⊂ Λ0 . Zeigen Sie, dass die Abbildung C → C, z 7→ αz, eine
holomorphe Abbildung C/Λ → C/Λ induziert, die biholomorph ist, falls αΛ = Λ0 .
4. Zeigen Sie, dass zu jedem Torus T = C/Λ ein τ ∈ H = {z ∈ C | Imz > 0} existiert mit T ' C/(Z + Zτ).
5. Sei T ein Torus, n ≥ 1 und y ∈ T . Wie viele Elemente hat die Menge {x ∈ T | nx = y}?
65
Anhang B
A bisserl Algebra
Zur Zeit relativ nutzlose Sammlung von Sachen aus der Algebra, die nicht im Skript ausgeführt wurden und
auch nicht zum Standard-Kanon einer Algebra-Vorlesung zählen.
Definition. Es sei R = (R, +, ·) ein Ring und M = (M, +) eine abelsche Gruppe. M zusammen mit einer äußeren Verknüpfung (Skalarmultiplikation) R × M → M, (α, x) 7→ α · x heißt ein R-Linksmodul (oder Linksmodul
über R), wenn gilt:
• (M1): (α + β ) · x = α · x + β · x
• (M2): α · (x + y) = α · x + α · y
• (M3): (αβ ) · x = α · (β · x)
(Distributivgesetze)
(Assoziativgesetz)
für alle α, β ∈ R, x, y ∈ M.
Hat R ein Einselement 1, dann heißt der Modul unitär, wenn zusätzlich für alle x ∈ M gilt 1 · x = x.
67
Anhang C
(Reichlich unvollständiger)
Notationsindex
• E, F: Normierte bzw. Banach-Räume
• BE : Abgeschlossene Einheitskugel in E
• Ur (a): Offene Kugel um a mit Radius r.
• L (E, F) = {u ∈ HomK (E, F) | u ist stetig }: Menge der stetig linearen Abbildungen zwischen den
(Banach-)Räumen E und F.
• E ∗ = L (E, K)
• π: Kanonische Projektion
• A b X: A relativ kompakt in X
◦
• V ◦ oder V : Das Innere von V .
• C (T, X): Raum der stetigen Funktionen von T nach X.
• C (U): Menge der stetigen Funktionen auf dem Gebiet U.
• Cb (U): Menge der beschränkten stetigen Funktionen auf dem Gebiet U.
• O(U): Menge der holomorphen Funktionen auf dem Gebiet U.
• Ob (U): Menge der beschränkten holomorphen Funktionen auf dem Gebiet U.
• A : Meist Bezeichnung für einen (komplexen) Atlas.
• A ∗ : Der aus A hervorgehende maximale Atlas.
• C̄ = C ∪ {∞}: Ein-Punkt-Kompaktifizierung von C.
• E: Offene Einheitskreisscheibe in C.
• S2 : Riemannsche Sphäre
• P1 : Komplexer projektiver Raum.
• Λ: Meist Bezeichnung für ein Gitter
• S1 = {z ∈ C∗ : |z| = 1}: Einheitskreislinie
• Y 0 ,→ Y : Inklusionsabbildung von Y 0 ⊂ Y nach Y , meist mit j bezeichnet.
68
Anhang C. (Reichlich unvollständiger) Notationsindex
• Xy = f −1 ({y}): Faser von y.
• O(X): Menge der holomorphen Funktionen auf der C-Mannigfaltigkeit X.
• C (X): ??
• M (X): Menge der meromorphen Funktionen auf der C-Mannigfaltigkeit X.
• P: Meist die Menge der Pole einer meromorphen Funktion.
• ord p f = ord0 ( f ◦ h−1 ) für eine Koordinate h bei p: (Nullstellen-) Ordnung von f in p.
• v( f , a) = orda (h ◦ f | f −1 (V )) für eine Koordinate (V, h) bei f (a): Vielfachheit von f bei a.
• u ∼ v: Die Wege u und v sind homotop.
• û: Liftung des Weges u.
• [u]: Homotopieklase des Wegs u, allgemeiner: Äquivalenzklasse des Objekts u bezüglich einer gegebenen Äquivalenzrelation.
• Deck(Y /X): Menge der Decktransformationen auf Y über X.
• T : Meist Bezeichnung für Topologie auf einer Menge X.
• OX : Garbe (von C-Algebren) der holomorphen Funktionen auf der C-Mannigfaltigkeit X.
• MX : Garbe (von C-Algebren) der meromorphen Funktionen auf der C-Mannigfaltigkeit X.
• OX∗ : Garbe (abelscher Gruppen) der umkehrbaren(?) holomorphen Funktionen auf der CMannigfaltigkeit X.
• EX : Garbe (von C-Algebren) der "C∞ -Funktionen" auf der C-Mannigfaltigkeit X.
• Ab(X): Kategorie der Garben abelscher Gruppen auf X.
• Hom(F, G): Menge der Morphismen von F nach G.
• Γ(F,U) = F(U): Schnitte der Garbe F über der offenen Menge U.
• Fx =
S
U∈T ,x∈U
F(U) × {U}/ ∼: Halm von F in x.
• fx = [( f ,U)] ∈ Fx : Keim von f in x.
• Ox = OX,x : Halm von OX im Punkt x.
• mx = { fx ∈ Ox | f (x) = 0}
• |OX | =
S
x∈X
OX,x : etaler Raum
• N(U, f ) = { fx | x ∈ U} ⊂ |O| = |OX |.
• [L : K]: Grad der Körpererweiterung L über K.
• (K): Charakteristik des Körpers K.
• ∆ = ∆P : Diskriminante des Polynoms P.
• BR = {z : |z| < R}
• HomA (F, G) = {α ∈ Hom(F, G) | ist U ⊂ X offen, so ist αu A(U)-linear}
• H omA (F, G): Garbe, definiert durch X ⊃ U 7→ HomA|U (F|U , G|U ).
• Der(A): Menge der Derivationen.
69
• Der(A): Garbe, definiert durch U 7→ Der(A|U ).
(1)
• EX = H omE (Der E , E ): 1-Differentialformen
• E (1,0) (X)
• E (0,1) (X)
• Ω(X) = {η ∈ E (1) (X) | für jede Karte (V, z) ist η|V ∈ O(V ) dz}
• M (1) (X): Meromorphe 1-Formen
• Div(X) = ZX : Gruppe der Divisoren auf X.
• div( f ) : X → Z, x 7→ ordx f
• Dω : X → Z, a 7→ orda ω: Divisor von ω ∈ M (1) (X).
• e(X) = deg Dω
• E (2) (X): Menge der differenzierbaren 2-Formen
• Co ker α = B/Imα für einen Homomorphismus α : A → B
• A• : Komplex
• K(Ab): Kategorie der Komplexe abelscher Gruppen.
• H n (A• ) = ker(d : An → An+1 )/Im(d : An−1 → An ): n-te Cohomologie-Gruppe von A• .
• Ui j : Meist Ui ∩U j .
• Ui jk : Meist Ui ∩U j ∩Uk .
• C0 (U, F) = ∏i∈I F(Ui ) für F ∈ Ab(X) und U = (Ui )i∈I offene Überdeckung von X.
• Z 1 (U, F) = {( fi j )(i, j)∈I 2 ∈ ∏(i, j)∈I 2 F(Ui j ) | fi j |Ui jk + f jk |Ui jk = fik |Ui jk ∀(i, j, k)}: Gruppe der 1Cozyklen von F bezüglich U.
• ∂ : C0 (U, F) → Z 1 (U, F), ( fi ) 7→ ( f j |Ui j − fi |Ui j )(i, j) .
• H 1 (U, F) = Co ker ∂ .
• η : F(X) → C0 (U, F), f 7→ ( f |Ui )i∈I
• C 0 (U, F): Garbe, definiert durch V 7→ C0 (U ∩V, F|V ) = ∏i∈I F(Ui ∩V ).
• Z 1 (U, F): Garbe, definiert durch V 7→ Z 1 (U ∩V, F|V ).
• tUU0 : H 1 (U, F) → H 1 (U0 , F), [( fi j )] 7→ [( fi j |Ui0j ]
• g(X): Geschlecht von X.
• OD für D ∈ Div(X): Garbe, definiert durch U 7→ { f ∈ M (U) | ∀ p∈U ord p ( f ) ≥ −D(p)}.
• ΩD für D ∈ Div(X): Garbe, definiert durch U 7→ {ω ∈ M (1) (U) | ∀ p∈U ord p ω ≥ −D(p)}.
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Literaturverzeichnis
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Veränderlichen. Springer. 62
F ORSTER, : Lectures on Riemann Surfaces. 13, 26
F ORSTER, Otto, 1999: Analysis/3. Dritte Aufl. 36
H IRZEBRUCH, Friedrich und Winfried S CHARLAU, 1991: Einführung in die Funktionalanalysis. 1, 2, 3
ROSEHR, Prof. Dr. Nils, 2004: Vorlesungsskript Topologie. http://wmax04.mathematik.uni-wuerzburg.de/ rosehr/preprints/index.html. 9
S CHUSTER, : Vorlesung Funktionentheorie. 11
S CHUSTER, Marcel, 2003: Professor K�hler: Funktionentheorie 1 (Vorlesungsskript WS02/03).
www.lohnt-nicht.de.
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WARNER, Frank W., 1971: Foundations of Differentiable Manifolds and Lie Groups. Sott, Foresman and
Company, Glenview, London. 51
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