Lösungen zum Aufgabenblatt 6 Logik und modelltheoretische Semantik Universität München, CIS, SoSe 2016 Hans Leiß Abgabe: Di, 2.6.2016, in der Übungsstunde Aufgabe 6.1 Geben Sie für die folgende Formel ϕ eine äquivalente Formel ϕPNF in pränexer Normalform an (x,y, und z seien paarweise verschiedene Variable): ϕ := (∀x∃y P (x, y, z) → ∀y∃z R(x, y, z)). Dazu haben wir ein Verfahren in der Vorlesung besprochen, siehe Folie 70. (Welche gebundenen Variablen muß man umbenennen, wenn man die Quantoren vorzieht“, und warum?) ” Können Sie eine pränexe Normalform mit dem Quantorenpräfix der Form ∃∀∀∃ und eine mit einem Quantorenpräfix der Form ∀∃∃∀ (mit passenden Variablen) finden? (Das Quantorenpräfix Q1 x1 Q2 x2 . . . Qn xn hat die Form“ Q1 Q2 . . . Qn .) ” Lösung von Aufgabe 6.1 Zuerst ersetzen wir →, da das Verfahren nur für Formeln mit den Junktoren ¬, ∨, ∧ definiert war: ϕPNF = (∀x∃y P (x, y, z) → ∀y∃z R(x, y, z))PNF = (¬∀x∃y P (x, y, z) ∨ ∀y∃z R(x, y, z))PNF Für (ϕ1 ∨ ϕ2 )PNF braucht man erst einmal die pränexen Normalformen der Disjunktionsglieder. ϕPNF = (¬∀x∃y P (x, y, z))PNF = ∃x∀y ¬P (x, y, z) 1 ϕPNF = ϕ2 = ∀y∃z R(x, y, z) 2 In (ϕPNF ∨ ϕPNF ) können wir den Quantor ∃x des ersten Disjunktionsglieds nicht vorziehen, da 1 2 x im zweiten Disjunktionsglied frei vorkommt; daher benennen wir die gebundene Variable x in ϕPNF in x̃ um und ziehen den Quantor dann vor: 1 (ϕPNF ∨ ϕPNF ) = (∃x∀y ¬P (x, y, z) ∨ ∀y∃z R(x, y, z)) 1 2 ≡ (∃x̃∀y ¬P (x̃, y, z) ∨ ∀y∃z R(x, y, z)), daher (ϕ1 ∨ ϕ2 )PNF ≡ ∃x̃(∀y ¬P (x̃, y, z) ∨ ∀y∃z R(x, y, z)) ≡ ∃x̃∀y (∀y ¬P (x̃, y, z) ∨ ∃z R(x, y, z))PNF , da y ∈ / frei (∀y¬P (x̃, y, z)). In der Teilformen können wir die Quantoren jetzt wieder erst nach Umbenennung der gebundenen Variablen y, z vor die Disjunktion ziehen, weil sie im jeweils anderen Disjunktionsglied frei vorkommen. ∃x̃∀y (∀y ¬P (x̃, y, z) ∨ ∃z R(x, y, z))PNF ≡ ∃x̃∀y(∀ỹ ¬P (x̃, ỹ, z) ∨ ∃z̃ R(x, y, z̃)), ≡ ∃x̃∀y∀ỹ∃z̃( ¬P (x̃, ỹ, z) ∨ R(x, y, z̃)). Mit anderen Umbenennungen können wie die Quantoren in anderer Reihenfolge aus den Disjunktionsgliedern vor die Disjunktion ziehen, um ein Präfix der Form ∀∃∃∀ zu bekommen: ϕPNF ≡ (ϕPNF ∨ ϕPNF ) 1 2 ≡ (∃x∀y ¬P (x, y, z) ∨ ∀y∃z R(x, y, z)) ≡ ∀y(∃x∀y ¬P (x, y, z) ∨ ∃z R(x, y, z)) ≡ ∀y(∃x̃∀y ¬P (x̃, y, z) ∨ ∃z R(x, y, z)) ≡ ∀y∃x̃(∀y ¬P (x̃, y, z) ∨ ∃z R(x, y, z)) ≡ ∀y∃x̃(∀ỹ ¬P (x̃, ỹ, z) ∨ ∃z̃ R(x, y, z̃)) ≡ ∀y∃x̃∃z̃(∀ỹ ¬P (x̃, ỹ, z) ∨ R(x, y, z̃)) ≡ ∀y∃x̃∃z̃∀ỹ( ¬P (x̃, ỹ, z) ∨ R(x, y, z̃)). Aufgabe 6.2 Wir haben (Folie 66 und 67) ein Ersetzungslemma für die Prädikatenlogik formuliert und teilweise bewiesen. Die Behauptung war: Für jede L-Formel ϕ, jeden L-Term t, jede Variable y, jede L-Struktur A und jede A Belegung h : Var → A ist [[ϕ(y/t)]]A h = [[ϕ]]h[y/[[t]] ] . h Vom Beweis durch Induktion über den Aufbau von ϕ haben wir auf den Folien nur den Fall der ∃-Formeln behandelt. (a) Behandeln Sie die Fälle ϕ = ¬ϕ1 und ϕ = (ϕ1 ∧ ϕ2 ). . (b) Für den Fall der atomaren Formeln, also ϕ = R(t1 , . . . , tn ) und ϕ = t1 = t2 braucht man A A eine Hilfsbehauptung über die [[ti (y/t)]]h und [[ti ]]h[y/[[t]]A ] . Wie lautet sie? Wie beweist man h sie durch Induktion über den Termaufbau? (Zwei Fälle davon sind auf den Folien, machen Sie den dritten Fall!) Lösung von Aufgabe 6.3 Das haben wir in der Übungsstunde ausführlich an der Tafel gerechnet. Die Hilfsbehauptung ist natürlich, daß für i = 1, . . . , n A [[ti (y/t)]]A h = [[ti ]]h[y/[[t]]A ] . h Aufgabe 6.3 Sei L = Fun ∪ Rel die prädikatenlogische Sprache mit den Funktionszeichen Fun = {+, ·, 0, 1} (mit 2-stelligen + und · und 0-stelligen 0 und 1) und den Relationszeichen Rel = {≤} (2-stellig). 2 (a) Drücke jede der folgenden Aussagen durch eine L-Aussage aus: (i) + ist idempotent und kommutativ. (ii) · ist idempotent, und 1 ist neutral bezüglich ·. (iii) Die Anwendung von · auf 0 und ein weiteres Objekt ergibt 0. (b) Sei T die Menge der L-Aussagen, die (i)-(iii) aus dem ersten Aufgabenteil lösen, und ϕ die . L-Aussage ∀x∀y(x · y = y · x). Zeigen Sie, daß weder ϕ noch ¬ϕ aus T folgt. Hinweis: Sie müssen eine L-Struktur A angeben, in der alle Aussagen aus T wahr sind, aber ϕ falsch ist, und eine andere L-Struktur B, in der alle Aussagen aus T wahr sind, aber ¬ϕ falsch ist. Geben Sie den Individuenbereich von A und von B und die Bedeutungen der Funktions- und Relationssymbole in A und B an. Lösung von Aufgabe 6.3 (a) Die entsprechenden Formeln treten z.B. bei den Axiomen der Boole’schen Algebra oder den Halbringaxiomen bei den formalen Sprachen auf. . . (i) ∀x(x + x = x) ∧ ∀x∀y(x + y = y + x) . . (ii) ∀x(x · x = x) ∧ ∀x(1 · x = x ∧ x · 1 = x) (iii) ∀x(0 · x = 0 ∧ x · 0 = 0) (b) Die Aussage ϕ besagt, daß · durch eine kommutative Operation interpretiert wird. Sei B = (B, max, min, 0, 1, ≤B ), wo B = {0, 1} und ≤B = {(0, 0), (0, 1), (1, 1)} ist. Da die Operationen in B die in T ausgedrückten Eigenschaften haben, ist B |= T . Da max kommutativ ist, ist B |= ϕ, also ist B 6|= ¬ϕ. Zeigt B, daß ¬ϕ nicht aus T folgt, T 6|= ¬ϕ. Sei A = (|A|, +A , ·A , 0A , 1A , ≤A ) mit Individuenbereich |A| = P({a, b}), +A = ∪, 0A = ∅, 1A = {a, b} und ≤A =⊆. Dann ist +A schon mal idempotent und kommutativ, also gilt der in (i) verlangte Teil von T . Definiere ·A durch ( Y, falls Y = 0A oder X = 1A X ·A Y := X, sonst. Dafür ist der in (iii) verlangte Teil von T erfüllt: 0A ist ein vernichtendes Element. 0 · Y = 0 = X · 0. Für (ii) ist 1 · Y = Y und X · 1 = X. Aus der Definition folgt sofort, daß X ·A X = X, also die Idempotenz von ·A . Damit ist gezeigt, daß A |= T . Da {a} ·A {b} = {a} = 6 {b} = {b} ·A {a} ist, ist ·A nicht kommutativ, also gilt ϕ nicht in A. Das zeigt T 6|= ϕ. 3