Stiftung Colon Forschung zur Molekularbiologischen Prävention von Darmkrebs WWW.Stiftungcolon.ch 01 ForschungsFeld 01.1 Zusammenfassung Darmkrebs ist der zweithäufigste bösartige Tumor in der Schweiz, wird aber im heilbaren Stadium oft verpasst, da Patienten keine Beschwerden haben. Die heutigen Methoden der Früherkennung sind ungenügend. Bei der Entstehung von Darmkrebs spielen genetische und epigenetische Mechanismen eine entscheidende Rolle. Die Genetik beschäftigt sich mit Abweichungen der Struktur des Erbgutes (DNS), die Epigenetik mit der Aktivität der DNS. Kaspar Truninger, Primo Schär und eine Gruppe von internationalen Wissenschaftern erforschen biologische und physiologische Aspekte genetischer und epigenetischer Stabilität. Das Ziel der Forschung von Truninger und Schär ist, epigenetische Veränderungen des normalen Alterungsprozess von Darmschleimhaut und bei der Entstehung von DK zu verstehen. Die Identifikation früher Darmkrebs-spezifischer epigenetischer Veränderungen und ihrer Ursachen ermöglicht, epigenetische diagnostische Methoden für die Früherkennung und Prävention der verschiedenen Varianten von Darmkrebs zu entwickeln. Grundlagen 2 01.2 StiftungsraT – Prof. Dr. med. Christoph Beglinger / Chefarzt Gastroenterologie, Universitätsklinik Basel – Atlant Bieri / Wissenschaftsjournalist – René Künzli / Präsident terzStiftung, Gründer der Tertianum Gruppe – Prof. Dr. med. Dieter Conen / Präsident Stiftung für Patientensicherheit – PD Dr. med. Kaspar Truninger / Facharzt Gastroenterologie, Spital Langenthal und Molekulare Genetik, Universität Basel – Regula Zweifel / Kulturhistorikerin, cultureimpulse AG (Geschäftsstelle) 01.3 Forschungsleiter – Prof. Dr. Primo Schär / Departement Biomedizin, Molekulare Genetik, Universität Basel – PD Dr. med. Kaspar Truninger / Facharzt Gastroenterologie, Spital Langenthal und Molekulare Genetik, Universität Basel. 01.4 Zweck der Stiftung Forschung mit dem Ziel der Prävention von Darmkrebs durch Kenntnis der molekularbiologischen Mechanismen (Struktur, Synthese, Funktion und Regulation des Erbgutes), die zu Darmkrebs führen. Förderung und/oder Finanzierung von Projekten, welche frühe pathophysiologische Veränderungen bei der Entstehung von Darmkrebs untersuchen und identifizieren. In diesem Zusammenhang auch Erforschung der molekularbiologischen Altersprozesse (Aging) der Darmschleimhaut. Entwicklung von molekulargenetischen Methoden zum Nachweis früher Krebs-spezifischer Veränderungen als Mittel zur Früherkennung und Prävention von Darmkrebs. In ausgewählten Situationen Erforschung ähnlicher Aspekte bei anderen Tumoren des Magen-Darm Traktes. Die Stiftung hat gemeinnützigen Charakter und verfolgt keinerlei Erwerbszweck. Grundlagen 3 02 Darmkrebs 02.1 Verbreitung Darmkrebs (DK) ist nach Brustkrebs und Prostatakrebs der dritthäufigste Tumor in industrialisierten Ländern. In der Schweiz erkranken jährlich ca. 4000 Personen und rund 1900 sterben an DK. Die hohe Sterblichkeitsrate von über 40% widerspiegelt die späte Diagnosestellung, da in einem frühen, noch heilbaren Stadium viele Patienten keine Beschwerden haben und der Krebs unerkannt bleibt. In 15% – 20% der an DK erkrankten Patienten liegen bekannte Risikofaktoren vor, beispielsweise chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa), familiäre Häufung von DK oder vererbte Syndrome (HNPCC, FAP) [> Abb 01]. Bei der Mehrheit der Patienten entwickelt sich jedoch ein sporadischer DK, das heisst ohne daß einer dieser bekannten prädisponierenden Risikofaktoren erkennbar ist. Risikofaktoren: 75% Sporadisch 20% Familiäre Häufung 5% Vererbte Syndrome Abb 01 Darmkrebs / Die grosse Mehrheit der 02.2 Entstehung Dickdarmkarzinome (75%) entwickelt sich bei Personen ohne bekannte Risikofaktoren, sog. Sporadischer Darmkrebs. DK entsteht aus den sogenannten Polypen (Adenomen), gutartigen, in den Hohlraum des Darmes hineinwachsenden Gebilden der Darmschleimhaut. Rund die Hälfte der Bevölkerung entwickelt bis ins Alter von 50+ Darmpolypen, von denen ein kleiner Teil über einen Zeitraum von rund 10 Jahren zu einem DK fortschreiten kann. Zurzeit gibt es keine Möglichkeit abzuschätzen, welche Polypen weiter wachsen und sich bösartig entwickeln. Grundlagen 4 Abb 02 Gesunder Darm / Endoskopisches Bild von normaler Schleimhaut des Dickdarmes. Polyp / Endoskopisches Bild eines gutartigen Darmpolypen, der bei der Darmspiegelung entfernt werden kann. Darmkrebs / Endoskopisches Bild eines fortgeschrittenen Darmkrebses, der eine Operation erfordert. Grundlagen 5 Abb 03 Desoxyribonukleinsäure (DNS) / Jede Adenin Guanin Cytosin Thymin Körperzelle enthält im Zellkern die gesamte Erbinformation in Form der DNS. Diese ist aus vier Grundbausteinen aufgebaut: Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin. Die Bausteine sind in zwei gegenläufigen Strängen angeordnet, welche umeinandergewunden die sogenannte Doppelhelix bilden. Die DNS enthält mehr als 20 000 Gene, welche die Information für die Produktion der Eiweisse enthalten, die zum Aufbau des gesamten Organismus benötigt werden. Es ist heute anerkannt, dass DK keine homogene Krankheit ist, sondern in Varianten vorkommt, die sich über unterschiedliche molekulare Wege entwickeln. Dabei spielen genetische und epigenetische Mechanismen eine entscheidende Rolle. Genetik / Die Genetik beschäftigt sich mit der Struktur des Erbguts. Die genetische Information ist in jeder Körperzelle gleich und in der DNS in Form einer definierten Abfolge von vier Bausteinen gespeichert [> Abb 03]. Ein einzelnes Gen enthält die Information zur Herstellung eines Eiweisses (Protein) [> Abb 06a]. Das menschliche Genom umfasst mehr als 20 000 Gene, die den Bauplan für den ganzen Organismus enthalten. Vor jeder Zellteilung wird die DNS verdoppelt, sodass die Erbinformation von der Mutter- auf die Tochterzelle weitergegeben werden kann. Die Struktur der DNS kann dauerhaft geschädigt werden (Mutation), was Genfunktionen und Zelleigenschaften derart beeinträchtigen kann, dass ein Krebs entstehen kann. Genetische Mutationen sind als Veränderungen der DNS Sequenz erkennbar. Genetische Veränderungen, welche die schrittweise Entstehung von DK vorantreiben, sind gut charakterisiert [> Abb 04 ]. Grundlagen 6 100% Abb 04 Akkumulation von genetischen Mutationen bei der Entstehung von Darmkrebs / In einem Zeitraum von rund 10 Heilungschancen DCC p53 Symptome K-ras APC Genetische Mutationen 50% Grosser Polyp Kleiner Polyp Fortgeschrittener Darmkrebs Lokalisierter Darmkrebs Schleimhaut Darmwand Jahren kann sich aus normaler Schleimhaut über Polypen ein Darmkrebs entwickeln. Dieser Prozess geht mit der Akkumulation von DNS-Veränderungen (Mutation) in zahlreichen Genen einher (z. B APC, K-ras, DCC, p53), wodurch deren Funktion verändert wird. Die genetischen Aberrationen, im Gegensatz zu den epigenetischen, bei der Entstehung von Darmkrebs sind gut charakterisiert. 0% 5 Jahre 10 Jahre Zeitablauf Epigenetik / Die Epigenetik beschäftigt sich mit der Regulation der Gene, d. h. welche Gene aktiv. bzw inaktiv sind. Durch biochemische Veränderungen der DNS können Gene ein- und ausgeschaltet werden. In jeder Körperzelle werden andere Gene aktiviert bzw. inaktiviert, wodurch verschiedene Zelltypen (z. B. Nerven-, Haar-, Muskelzellen etc.) entstehen können, obwohl die DNS Struktur jede Zelle gleich ist. Bildlich dargestellt, ein Klavier besitzt immer die gleichen Tasten, welche für verschiedene Akkorde unterschiedlich benutzt werden können. DNS Methylierung ist der wichtigste epigenetische Prozess und bezeichnet den Transfer einer Methylgruppe (CH3) an den Baustein Cytosin [> Abb 05 ]. Jedes Gen besitzt einen Steuerbereich (Promoter), CH3 CH3 Abb 05 DNS Methylierung / Bei der DNS Methylierung wird der Baustein Cytosin durch Übertragung einer Methylgruppe (=CH3) biochemisch modifiziert, die DNS-Sequenz bleibt unverändert. Diese biochemische Modifikation bestimmt die funktionelle Festlegung eines Gens, d. h. das Ausmass der Methylierung im Regulator (Promoter) eines Gens beeinflusst dessen Aktivität. CH3 Grundlagen 7 a) Normale Genfunktion und Expression: Promoter Gen Gen-Expression Protein Gen-Mutation Gen-Expression Verändertes Protein Gen Keine Gen-Expression Kein Protein b) Genetische Mutation: Promoter c) Epigenetische Inaktivierung: Methylierter Promoter welcher bestimmt, ob ein Gen ein- oder ausgeschaltet ist. Durch zunehmende Methylierung eines Promoters kann ein Gen inaktiviert werden und als Folge wird das entsprechende Protein nicht mehr synthetisiert [> Abb 6c] ähnlich einem stufenlosen Lichtstärkeregler, bei dem der zunehmende elektrische Widerstand die Lampe immer stärker dimmt, bis sie letztlich ganz erloschen ist. Das differenzierte Ein- und Ausschalten von Genen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ist für die normale menschliche Entwicklung unerlässlich. Auch beim Alterungsprozess spielt die Epigenetik eine entscheidende Rolle. Epigenetik und Krebs / Eine fehlerhafte Aktivierung und Inaktivierung kann Gene und damit Zelleigenschaften derart verändern, dass die Entstehung verschiedener Krankheiten, insbesondere auch Krebs, begünstigt wird. Wiederum bildlich dargestellt, das Drücken von Klaviertasten zum falschen Zeitpunkt führt zu einem falschen Akkord. Epigenetische Veränderungen, d. h. die fehlerhafte Aktivierung und Inaktivierung von Genen, sind bei der Entstehung von Darmkrebs kaum bekannt. Grundlagen Abb 06 Normale und pathologische Genfunktion / a) Die in einem Gen mit intakter DNS Sequenz enthaltene Information dient der Herstellung eines normalen Proteins ( = Gen-Expression). Bei einem aktiven Gen, das exprimiert wird, ist dessen Regulator ( = Promoter) unmethyliert. b) Bei einer genetischen Mutation ist die DNS Sequenz eines Gens dauerhaft verändert. Dies kann Auswirkungen auf die Eiweisssynthese haben und zur Produktion eines Proteins mit veränderter Funktion führen. c) Ist der Promoter eines Genes hypermethyliert, kommt es zu einem Verlust der Gen-Expression und das entsprechende Protein wird nicht synthetisiert. Die DNS Sequenz bleibt bei der epigenetischen Inaktivierung eines Gens unverändert. Epigenetische und genetische Veränderungen können die Funktion von Genen beeinflussen, welche die Entwicklung von Tumoren verhindern ( = Tumor Suppressor Gen) oder begünstigen ( = Oncogen). 8 02.3 Früherkennung Eine effiziente Früherkennung muss beschwerdefreie Patienten mit Polypen oder DK in einem heilbaren Tumorstadium identifizieren. Als wichtigste Methoden stehen derzeit der Nachweis von unsichtbarem Blut im Stuhl (Hämoccult-Test) sowie die Darmspiegelung zur Verfügung. Beide Methoden haben relevante Nachteile, der Hämoccult-Test die ungenügende Sensitivität für Polypen ( ≤ 20%) und DK ( ≤ 50%), die Darmspiegelung potentielle Komplikationen (Blutung, Perforation). Zudem gehen beide Methoden gehen mit erheblichen Kosten einher, da jeder positive Hämoccult-Test eine Darmspiegelung erfordert und diese üblicherweise zum Arbeitsausfall am Untersuchungstag führt. 02.4 ÖKONOMISCHER NUTZEN FÜR DIE GESELLSCHAFT Die Prävention von DK hat ihren Preis. Ein durch eine Darmspiegelung gerettetes Lebensjahr kostet etwa 12 500.– CHF. Dies ist günstig im Vergleich zur Mammographie, einem Röntgen-Verfahren zur Früherkennung von Brustkrebs, welches die Gesundheitskosten pro gerettetes Lebensjahr mit 80 000.– CHF belastet. Neue Medikamente können das Überleben verbessern, steigern jedoch die Kosten enorm. So sind die Behandlungskosten im ersten halben Jahr nach Diagnosestellung von wenigen Tausend auf über 50 000.– CHF angestiegen. Dabei sind die Kosten für den Überlebensgewinn am höchsten in einem fortgeschrittenen Tumorstadium. Unsere Forschung hat demnach auch zum Ziel, die enormen Therapiekosten von DK zu senken. Wenn wir mit der Entwicklung eines epigenetischen Verfahrens zur Identifikation von Personen mit DK Risiko erfolgreich sind, dann kann dieses flächendeckend in der ganzen Schweiz angewendet werden, um gefährdete Personen gezielt zu überwachen bzw. nicht gefährdete davon zu entlasten. Die effiziente molekulargenetische Risikobeurteilung und Früherkennung hat demnach nicht nur das Potential, die Prognose bei DK zu verbessern, sondern auch massive Einsparungen im Gesundheitswesen zu erzielen und ist damit von grosser ökonomischer Bedeutung für unsere Gesellschaft. Grundlagen 9 02.5 Fazit Trotz Fortschritten in der medizinischen Behandlung ist die Sterblichkeitsrate von Patienten mit DK hoch. Die derzeit verfügbaren Methoden der Risikobeurteilung und der Früherkennung sind ungenügend und mit relevanten Nachteilen verbunden. Durch die Identifikation der genetischen und epigenetischen Mechanismen und deren Ursachen bei der Entstehung von DK besteht die Möglichkeit, molekulargenetische Methoden für eine effiziente Risikobeurteilung und Früherkennung zu entwickeln, um betroffene Personen frühzeitig erfassen und so die Sterblichkeitsrate von DK senken bzw. die Prognose verbessern zu können. Darüber hinaus können so die enorm ansteigenden Therapiekosten gesenkt werden, was für die Gesellschaft ökonomisch von grosser Bedeutung ist. Grundlagen 10 03 Unsere Forschung o3.1 HINTERGRUND In Gewebe von DK werden zahlreiche Gene ausgeschaltet infolge Hypermethylierung des Steuerbereiches. Die diesem Prozess zugrunde liegenden Ursachen und Mechanismen sowie deren kausaler Zusammenhang bei der Entstehung von Polypen und DK sind weitgehend unbekannt. Im Gegensatz zu den relativ statischen Genen können sich äussere Einflüsse auf epigenetische Muster auswirken. Die Epigenetik stellt somit ein variables Bindeglied zwischen der Umwelt und der DNS-Sequenz dar. Umwelteinflüsse können sich demnach auf epigenetische Muster auswirken und die Entstehung von Krebs begünstigen. Auch im normalen Alterungsprozess verändern sich epigenetische Muster, beispielsweise wurde in einigen Genen eine altersabhängige Zunahme der Promoter Methylierung beschrieben. Ein Zusammenhang zwischen der Zunahme der DNS Methylierung und der Häufung von DK im Alter wird postuliert, konnte bisher aber nicht gezeigt werden. Die mit dem physiologischen Alterungsprozess einhergehenden Veränderungen der DNS Methylierung sind kaum erforscht. Deren Kenntnis bildet die Voraussetzung, um zwischen epigenetischen Veränderungen im Rahmen des normalen Alterns und und solchen, die zu Krebs führen, differenzieren zu können. Das Ziel unserer Forschung ist, die mit dem Alterungsprozess einhergehenden epigenetischen Veränderungen der Darmschleimhaut zu erkennen und von frühen Krebs-spezifischen Veränderungen zu differenzieren. Die Identifikation Krebs-spezifischer Veränderungen der Methylierung und deren Ursachen ermöglicht, molekularbiologische Methoden für eine effiziente Risikobeurteilung, Früherkennung und Prävention zu entwickeln. Forschung 11 DNS Methylierung in Darmschleimhaut wurde bisher nur bei Patienten mit DK, aber nicht bei Gesunden untersucht. Wir haben deshalb von 100 gesunden Personen im Alter von 50–80 Jahren normale Darmschleimhaut untersucht mit dem Ziel den Ursprung krebs-relevanter Veränderungen zu identifizieren. Dazu entwickelten wir eine neue Analysetechnik und untersuchten zwei Gene (MLH1, MGMT), welche fehlerhafte DNS-Sequenzen korrigieren können und in Darmkrebs häufig methyliert sind. Unsere Untersuchungen ergaben, dass in bis zu 70% der gesunden Probanden Methylierung in diesen Genen nachweisbar ist, jedoch eine altersabhängige Zunahme der Methylierung von MLH1 nur im rechten Dickdarm von Frauen besteht [> Abb 07 ]; Dies bedeutet, dass die altersabhängige Zunahme der DNS Methylierung kein genereller, sondern ein spezifischer Prozess ist, der vom Gen, dem Geschlecht und der Lokalisation im Darm beeinflusst wird. Diese Erkenntnis ist von grosser Bedeutung, weil es eine Variante von DK gibt, welche sich überwiegend im rechten Dickdarm von älteren Frauen manifestiert. Bei diesem DK-Subtyp wird das Gen MLH1 durch Hypermethylierung nicht exprimiert. Unsere Daten zeigen also, dass sich das Methylierungsmuster dieser Variante von DK bereits in normaler Darmschleimhaut von Gesunden widerspiegelt. Die von uns nachgewiesenen Veränderungen von MLH1 entsprechen demnach den frühesten epigenetischen Veränderungen dieser Variante von DK. Die Analyse dieses Markers bei Gesunden hat somit das Potential, Frauen zu identifizieren, welche für diese Variante von DK ein erhöhtes Risiko haben und gezielt überwacht werden müssen. 03.3 Neue Projekte Es ist unbekannt, weshalb die altersbedingte Zunahme der DNS Methylierung von MLH1 vom Geschlecht und der Lokalisation im Darm abhängig ist. Es ist aber wahrscheinlich, dass hierbei neben genetischen Faktoren Umwelteinflüsse eine bedeutende Rolle spielen. MLH1 könnte also ein Modell für Gene darstellen, die in DK ausgeschaltet sind und bei denen frühe Veränderungen, die zur Genaktivierung führen, bereits bei Gesunden nachweisbar sind und damit Indikatoren für die Entwicklung von DK sein könnten. Forschung Männer 4% 3% 2% Methylierungsgrad Bisherige Projekte 1% 0% 50 55 60 65 70 75 80 Alter 55 60 65 70 75 80 Alter Frauen 4% 3% 2% Methylierungsgrad 03.2 1% 0% 50 rechter Dickdarm linker Dickdarm Abb 07 Methylierung des MLH1 Promoters in normaler Darmschleimhaut von Gesunden / MLH1 ist ein Gen, das die Entstehung von Tumoren unterdrückt (Tumor-Suppressor). Die Darmkrebsvariante mit epigenetisch inaktiviertem MLH1 durch Methylierung dessen Promoters manifestiert sich überwiegend im rechten Dickdarm von Frauen. In unserer Studie an normaler Darmschleimhaut von Gesunden zeigte sich eine altersabhängige Zunahme der MLH1 Methylierung bei Frauen (unten), und zwar besonders im rechten Dickdarm. Das Methylierungsmuster der Darmkrebsvariante mit epigenetisch inaktiviertem MLH1 ist also bereits in normaler Schleimhaut Gesunder nachweisbar. (publiziert in Oncogene 2009 Meningatti / Truninger et al.) 12 03.4 Ziele Aufgrund der Ergebnisse und Erkenntnisse unserer bisherigen Studie und den genannten Überlegungen ergeben sich die Ziele für neue Projekte: – Identifikation von Faktoren, welche Krebs-relevante epigenetische Veränderungen verursachen – Identifikation von epigenetischen Fingerprints, welche Varianten von DK charakterisieren und erfassen – Durchführung einer Studie zur Evaluation des Vorhersagewertes der epigenetischen Fingerprint und deren Eignung in der Prävention von DK – Entwicklung von epigenetischen diagnostischen Methoden zur Früherkennung von Personen mit erhöhtem Risiko für DK. Die Forscher Kaspar Truninger, Primo Schär und ihr Team befassen sich schon seit längerem mit der beschriebenen Thematik und leiten hierzu verschiedene Projekte. 03.5 laufende Projekte Identifikation von Faktoren, welche die Methylierung von MLH1 beeinflussen / Verschiedene Faktoren wie Ernährung, Rauchen, Alkohol, Gewicht, körperliche Aktivität, Medikamenteneinnahme etc. beeinflussen das Risiko für DK. Beispielsweise reduzieren Aspirin und eine postmenopausale Hormon-Substitution das DK-Risiko um 30% – 40%. Die zugrunde liegenden Mechanismen dieses protektiven Effektes sind unbekannt. Bei Rauchern ist die DNS Methylierung einiger Gene in normal erscheinender Mundschleimhaut höher als bei Nichtrauchern. Auch die Ernährung kann das Muster der DNS Methylierung beeinflussen. Unser Ziel ist es, Faktoren zu identifizieren, welche die Promoter Methylierung von MLH1 beeinflussen. In einer internationalen Kooperation haben wir normale Darmschleimhaut und Blutproben von 500 gesunden Frauen gesammelt und zahlreiche Faktoren des Lebensstils mit einem Fragebogen erfasst. Die Methylierung von MLH1 wird in den entnommenen Proben gemessen und mit verschiedenen Parametern korreliert. Forschung 13 Die Identifikation von Parametern, welche die DNS Methylierung von MLH1 beeinflussen, ist entscheidend, um präventive Strategien für diese Variante von DK zu entwickeln. Identifikation von Genen mit Krebs-spezifisch veränderter Methylierung und Analyse derselben in normaler Schleimhaut von Gesunden / Bei über 100 Patienten mit DK haben wir in verschiedenen Genen die Promoter-Methylierung in Tumorgewebe, normaler Schleimhaut und Blut gemessen. Dabei konnten wir sieben Gene mit Krebs-spezifisch veränderter DNS Methylierung identifizieren (Spezifität 99%) [> Abb 08]. Bei fünf dieser Gene beschreiben wir als erste, dass diese bei DK abnorm methyliert sind. MGMT CA4 NPY1R IFITM1 GREM1 Abb 08 Identifikation neuer Gene mit Krebs-spezifisch veränderter Methylierung / Durch Vergleich der DNS Me- MLH1 100 10 1 0.1 Tumor Schleimhaut Blut Tumor Schleimhaut Blut Tumor Schleimhaut Blut Tumor Schleimhaut Blut Tumor Schleimhaut Blut Tumor Schleimhaut Blut 0.01 Tumor Schleimhaut Blut Methylierungsgrad (%) FOXF1 thylierung zahlreicher Gene in Tumorgewebe, normaler Darmschleimhaut und in Blut haben wir sieben Gene identifiziert, bei denen sich ein Grenzwert der Methylierung bestimmen lässt, der mit einer Spezifität von 99% Tumorgewebe von normaler Schleimhaut unterscheidet. Gewebe normaler Schleimhaut Seit einiger Zeit besteht die Möglichkeit, die DNS Methylierung nicht nur in einzelnen Genen, sondern im gesamten Erbgut zu analysieren. Eine sog. DNS-Chip Analyse haben wir bei verschiedenen Proben durchgeführt und eine Vielzahl neuer Gene mit Krebs-spezifisch veränderter DNS Methylierung identifiziert [> Abb 09]. Abb 09 Genomweite Analyse der DNSMethylierung mittels Chip / Gewebe von Darmkrebs Mit dieser modernen Technik kann gleichzeitig die Methylierung mehrerer Tausend Gen-Promotoren analysiert werden. In der Abbildung stellt jeder Balken ein Gen dar und die Farbintensität entspricht dem Methylierungsgrad. Der Vergleich von normaler Darmschleimhaut und Darmkrebs-Gewebe zeigt mehrere Gene mit Krebs-spezifischer Hypermethylierung. 100% hypermethyliert Forschung 50% 0% unmethyliert 14 In einem weiteren Schritt werden wir diese neuen Gene mit Krebsrelevanter DNS Methylierung in normaler Schleimhaut von Gesunden analysieren um zu prüfen, ob analog zu MLH1, sich die in DK vorhandenen Muster bereits bei Gesunden zeigen. Wenn dies der Fall ist, dann haben Methylierungsanalysen bei Gesunden das Potential, Personen mit Risiko für die Entwicklung von DK zu identifizieren um gezielt zu überwachen. Charakterisierung einer Gruppe Krebs-spezifisch methylierte ­Gene (Marker Panel), welche alle Formen von Darmkrebs erfasst / Unser Ziel ist es, Gene mit DK-spezifisch veränderter DNS Methylierung zu identifizieren, welche alle Varianten von DK erfassen. Die Sensitivität unseres sieben Gene umfassenden Marker Panels für DK liegt bei 83% bei einer Spezifität von 99%. Im rechten Darm beträgt die Sensitivität gar 94% bei gleichbleibend hoher Spezifität. Durch die Genom-weite DNS-Chip Analyse haben wir weitere Gene mit Krebs-spezifisch veränderter DNS Methylierung identifiziert. Dies soll uns ermöglichen, ein Panel an epigenetischen Markern zu entwickeln, welches alle Formen von DK (Sensitivität 100%) mit einer Spezifität von 99% erfasst. Forschung 15 03.6 Labor Molekulare Genetik, Universität Basel Abb 10 DNS Isolierung Aus Gewebeproben (Tumor, Schleimhaut, Blut) wird genomische DNS (Gesamtheit der DNS) isoliert und verarbeitet, um definierte DNS-Sequenzen analysieren zu können. Abb 11 DNS Vervielfältigung Abb 12 Gen-Expression Mit der Polymerase Chain Reaction (PCR) lassen sich kleine Mengen spezifischer DNS-Sequenzen vervielfältigen, um diese anschliessend mit verschiedenen Labormethoden für genetische und epigenetische Veränderungen analysieren zu können. Bei der Immunhistochemie kann mit Hilfe von Antikörpern untersucht werden, ob ein Protein in einem Gewebe vorhanden ist oder nicht, d. h. ob ein Gen exprimiert wird oder nicht. Forschung 16 04 Bedeutung der Neuen Projekte 04.1 Epigenetik in der Prävention und Früh­ erkennung von Darmkrebs Die Resultate unserer Studien, in welcher erstmalig systematisch normale Darmschleimhaut von Gesunden untersucht wurde, zeigen, dass die altersabhängige Zunahme der DNS Methylierung in MLH1 kein genereller, sondern ein spezifischer, von verschiedenen Faktoren (Gen, Geschlecht, Lokalisation im Dickdarm) abhängiger Prozess ist. Das gegenwärtige Projekt an einer grossen Kohorte gesunder Frauen ermöglicht, Risikofaktoren für die durch epigenetische Inaktivierung von MLH1 bedingte Variante von DK zu identifizieren und Subtypspezifische präventive Strategien zu entwickeln. Die Identifikation zahlreicher Gene mit DK-spezifisch veränderter DNS Methylierung ermöglicht uns zu untersuchen, ob epigenetische Veränderungen dieser Marker, analog zu MLH1, bereits in normaler Schleimhaut von Gesunden nachweisbar sind. Die Differenzierung von DNS Methylierungsmustern des normalen Alterns von solchen, die zu DK führen, bildet die Voraussetzung um mit epigeneticshen Analysen Gesunde mit Risiko für die Entwicklung von DK zu identifizieren. Die systematische Analyse der DNS Methylierung zahlreicher Gene bei DK Patienten und Gesunden ermöglicht die Identifikation früher epigenetischer Veränderungen und ihrer Ursachen sowie der molekularen Wege in der Entstehung unterschiedlicher DK Formen. Dies ermöglicht die Entwicklung von Subtyp-spezifischen präventiven Strategien. Eine verbesserte Risikobeurteilung und Früherkennung mit molekulargenetischen Methoden wird die enorm ansteigenden Therapiekosten senken und ist damit für die Gesellschaft von grosser ökonomischer Bedeutung. Relevanz 17