Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte HG. VON DER KOMMISSION FÜR BAYERISCHE LANDESGESCHICHTE Josef Johannes Schmid, Sacrum Monarchiae Speculum. Der Sacre Ludwigs XV. 1722: Monarchische Tradition, Zeremoniell, Liturgie, Münster 2007, Aschendorff, XLIII, 647 Seiten, 72 Abbildungen. Rezensiert von Manfred Heim (München) Die Krönung war und ist in verschiedenen Kulturen Teil der feierlichen Einsetzung des Herrschers. Sie erfolgte im alten Orient üblicherweise durch den Priester, im byzantinischen Reich durch den Patriarchen, wodurch wie bei der Salbung zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß der Herrscher von Gott auserwählt war und besondere Gaben besaß. Für das westliche Krönungszeremoniell, das spätantik-byzantinischen Vorbildern folgte, blieben die Schilderungen in den Königsbüchern des Alten Testaments (z.B. 1 Kön 1,38-53) grundlegend. Salbung und Krönung bildeten den wichtigsten Bestandteil der Königsweihe (französisch: le Sacre) zur Sichtbarmachung und Verstärkung des Heils des Herrschers. Begründeten die Taufe und Weihe des Merowingerkönigs Chlodwig/Clovis am Weihnachtstag des Jahres 496 oder 498 nach der Tradition die fränkisch-französische Monarchie, wurde für die Entfaltung des christlichen Königsgedankens zum Gottesgnadentum im Abendland die Königsweihe Pippins im Jahr 751 von entscheidender Bedeutung, denn seither war die Stellung des Herrschers im Frankenreich sakral begründet; und als Karl der Große zusammen mit seinen Söhnen Pippin und Ludwig dem Frommen 781 von Papst Hadrian II. das "königliche Diadem" empfing, war der Weg für die Wiedererrichtung des westlichen Kaisertums (renovatio imperii) mit der Krönung Karls in Rom am Weihnachtstag des Jahres 800 durch Papst Leo III. bereitet. Die Kaiserkrönung Ludwigs des Frommen 816 durch Papst Stephan IV. in Reims schließlich war grundlegend für die feierliche Handlung als einheitlich kirchlich-liturgischer Akt, bei dem fränkische Königssalbung und byzantinische Krönung miteinander verbunden waren. (Die Weihe und Krönung des Sachsen Otto I. zum König der Deutschen am alten karolingischen Zentrum in Aachen im Jahr 936 durch die Erzbischöfe von Mainz und Köln erfolgte ebenso wie seine Salbung und Krönung zum Kaiser der Römer in Rom durch den Papst am Lichtmeßtag des Jahres 962 zur sakralen Legitimierung seines Königtums. Er begründete damit den 844 Jahre währenden, bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches, als der Habsburger Franz II. in Wien am 6. August 1806 die Kaiserwürde niederlegte, gültigen gewohnheitlichen Rechtsanspruch des deutschen Königs auf die römische Kaiserwürde. Krönung und Weihe des deutschen Königs zum Römischen Kaiser erfolgten trotz mancher Abweichungen, vor allem im Spätmittelalter, in Rom durch den Papst, zuletzt im Jahr 1452. 1530 wurde mit Karl V. in Bologna zum letzten Mal ein Kaiser vom Papst gekrönt.) Nach dem alttestamentlichen Vorbild des Priesterkönigs Melchisedek wurde dem Herrscher eine einzigartige Zwischenstellung zwischen Laie und Presbyter eingeräumt: Copyright © 2008 by Kommission für bayerische Landesgeschichte 1/2 Durch die den entscheidenden Akt im Krönungszeremoniell bildende kirchliche Salbung an Haupt, Schultern, Brust und Armen nimmt der König eine neue Gestalt an, wie auch der Christ durch die Taufe zu einem neuen Menschen wird; er verändert sich zum "typus Christi" und wird gleichsam "deifiziert", das heißt unsterblich (Ernst Kantorowicz hat diese zweifache, sterbliche und unsterbliche Natur des gesalbten Königs mit der Formel von den "zwei Körpern des Königs" umschrieben). Er ist (in Klammern die lateinischen Titel) Stellvertreter Christi auf Erden (vicarius Christi in terris), Gesalbter des Herrn (Christus Domini), Abbild Gottes (imago Dei), Heiland der Welt (salvator mundi), Beschützer der Kirche (defensor ecclesiae). Seines Amtes ist es, Lenker des christlichen Namens zu sein und den Glauben zu steuern (fidem gubernare). Er ist ein Gesalbter des Herrn, ein Christus Domini, so wie auch der Bischof ein Gesalbter des Herrn ist. Genau darin liegt auch die (kultur-)historische Dimension der Mittelalter und Neuzeit verbindenden Weihe der fränkisch-französischen Könige, deren Bedeutung für die europäische Ideen- und Mentalitätsgeschichte die vorliegende voluminöse, beeindruckend akribisch gearbeitete (das Verzeichnis der Quellen und Literatur umfaßt 41 eng beschriebene Seiten), von Peter Claus Hartmann betreute Mainzer Habilitationsschrift Josef Johannes Schmids am Sacre Ludwigs XV. vom Jahr 1722 analysiert und aufzeigt, welche zentrale Bedeutung dem "Heiligen Spiegel der Monarchie", so der Titel, also der Sakralität des Herrschers - Phänomen nicht nur der französischen Geschichte - für die politische Geschichte Frankreichs zukommt. Wir können auf eine detaillierte Inhaltsangabe dieser notwendigerweise interdisziplinär angelegten und souverän gemeisterten, in 19 Kapitel gegliederten, mit sehr hilfreichen Abbildungen sowie Personen- und Ortsregister versehenen vorzüglichen Studie verzichten - das mit stupendem Wissen und Fleiß geschriebene Buch wird sich als das Standardwerk zum Thema überhaupt erweisen, und es ist Pflichtlektüre für jeden, der sich mit der jahrhundertelang funktionierenden Institution des sakralen Herrschertums beschäftigt. Erschienen am 16.05.2008 http://www.kbl.badw.de/zblg-online/rezension_1190.pdf Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Schriftleitung: Prof. Dr. Alois Schmid Geschäftsführung: Dr. Stephan Deutinger Alfons-Goppel-Str. 11 D-80539 München Tel. 089/23031-1171/1172 Fax 089/23031-1333 Email: [email protected] URL: http://www.kbl.badw.de/zblg-online Copyright © 2008 by Kommission für bayerische Landesgeschichte 2/2