1 2 Prof. Dr. Bernhard Manger Universität Erlangen-NürnbergMed. Klinik III mit Poliklinik Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen [email protected] Tel.: +49 9131 85-33717 Fax: +49 9131 85-34770 Freitag, 29. Februar 2008 17.50 – 18.40 Uhr Seltene Erkrankungen 3 4 5 6 7 • Metabolische Arthritiden • Periodisches Fieber und Amyloidose • M. Behçet • Sarkoidose • Weitere seltene rheumatische Erkrankungen 8 Seltene Erkrankungen, B. Manger 8 SELTENE ERKRANKUNGEN 8.1 8.1.1 8.1.1.1 8.1.1.2 8.1.2 8.1.3 Metabolische und endokrine Arthritiden Gicht Epidemiologie, Klinik und Diagnostik Therapie Chondrocalcinose Rheumatische Manifestationen bei Niereninsuffizienz 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 Periodische Fiebersyndrome und Amyloidose Adulter M. Still Familiäres Mittelmeerfieber Amyloidose Andere autoinflammatorische Syndrome 8.3 8.3.1 8.3.2 M. Behçet Klinik und Diagnostik Therapie 8.4 8.3.1 8.3.2 Sarkoidose Klinik und Diagnostik Pathogenese 8.5 8.5.1 8.5.2 Rheumatische Manifestationen bei Malignomen Paraneoplastische rheumatologische Erkrankungen Direkte Tumormanifestationen am Bewegungsapparat 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 Andere seltene rheumatische Erkrankungen Hypermobilitätssyndrome Palindromer Rheumatismus Hämochromatose 8.7 Literatur Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 1 Seite 2 Seltene Erkrankungen, B. Manger 8.1 Metabolische und endokrine Arthritiden 8.1.1 Gicht (1-39) 8.1.1.1 Epidemiologie, Klinik und Diagnostik (1-25) Eine Reihe epidemiologischer Studien in verschiedenen Ländern zeigte, dass die Prävalenz der Gicht ansteigende Tendenz zeigt. Hierfür ist insbesondere die Altersgruppe der über 75-jährigen verantwortlich, in der die Prävalenz von 2,1 auf 4,1% in den USA anstieg. Die Gesamtprävalenz in Europa über alle Altersgruppen liegt bei 1,4%, das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Patienten bei 3,6:1 (1). Kommentar: Als Ursachen für diesen Trend kommen neben der generellen Altersstruktur der Bevölkerung auch Veränderungen im Hinblick auf Alkoholgenuss, Übergewicht, Häufigkeit des metabolischen Syndroms und die vermehrte Verschreibung von Diuretika sowie erfolgreiche Nierentransplantationsprogramme in Frage (2). Die enge Assoziation zwischen Gicht und metabolischem Syndrom wurde in einer epidemiologischen Studie mit über 8800 Befragten bestätigt. Bei 63 % aller Patienten mit einer Arthritis urica findet sich auch ein metabolisches Syndrom, etwa 3x so häufig wie bei einem Kontrollkollektiv ohne Gicht. Im Einzelnen fand sich eine Adipositas bei 63%, eine Hypertriglyceridämie bei 54%, ein niedriges HDL-Cholesterin bei 47%, eine arterielle Hypertonie bei 69%, und ein latenter bzw. manifester Diabetes mellitus bei 48% aller Gichtpatienten (3). Kommentar: In Anbetracht dieser sehr hohen Prävalenz sollte das Management von Gichtpatienten immer auch die Abklärung und Therapie von assoziierten Erkrankungen und kardiovaskulären Risikofaktoren beinhalten (3). In einer großen Erhebung bei 22500 Gichtpatienten aus Taiwan fanden sich bei 1,7% im EKG Zeichen für einen durchgemachten Myokardinfarkt (QZacken). Insbesondere die Höhe der Harnsäurespiegel stellt einen Risikofaktor für eine Myokardischämie dar; neben der Höhe der Serumharnsäure sind die Anwesenheit von Tophi und eine Arthritis von mehr als einem Gelenk weitere unabhängige Risikofaktoren. In der Subgruppe weiblicher Gichtpatienten fanden sich diese Assoziationen nicht (4). Kommentar: Es bestätigen sich die Ergebnisse früherer Studien, dass Hyperurikämie und klinisch manifeste chronische Gicht tatsächlich Risikofaktoren für akute koronare Ereignisse sind, die unabhängig von den Begleiterkrankungen im Rahmen des metabolischen Syndroms zu sehen sind (5). Eine weitere interessante epidemiologische Studie untersuchte den Kaffeekonsum von über 45.000 gesunden Männern, bei denen über einen Beobachtungszeitraum von 12 Jahren 757 Fälle von Gicht auftraten. Es zeigte sich, dass die Gruppe mit dem höchsten Kaffeekonsum von ≥ 6 Tassen/Tag ein um 59% geringeres Risiko hatte, eine Gicht zu entwickeln als die NichtKaffeetrinker (6). Auch die Mittelwerte der Serumharnsäurespiegel lagen in der Gruppe mit hohem Kaffeekonsum um 0,43 mg/dl niedriger (7). Jedoch auch koffeinfreier Kaffee war bei einem Konsum von ≥ 4 Tassen/Tag mit einem 30% Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger niedrigerem Gichtrisiko protektiven Effekt. assoziiert, Seite 3 dagegen hatte Teekonsum keinen Kommentar: Offensichtlich sind andere Inhaltstoffe des Kaffees als das Koffein für die harnsäuresenkende und gichtprotektive Wirkung verantwortlich. Auch in diesem Jahr gibt es wieder zahlreiche Fallbeschreibungen von ungewöhnlichen Manifestationen einer tophösen Gicht, wie etwa in Form von uratgefüllten Blasen an den Fußsohlen (8), eines Pseudotumors an der Patella (9), einer Osteolyse mit pathologischer Fraktur des Schenkelhalses (10) oder einer Sakroiliitis (11). Auch drei Fälle von Carpaltunnel-Syndrom durch Uratablagerungen wurden beschrieben (12). Kommentar: Es gibt wohl keine Region des Bewegungsapparates wo es nicht zu Ausbildungen von Tophi kommen kann, daher sollte man bei jeder unklaren Schwellung oder Entzündung an eine Punktion und die relativ einfache Untersuchung von Aspirationsmaterial auf Uratkristalle denken (12a). Durch die Verfügbarkeit neuer Antiphlogistika (z.B. Etoricoxib) für die Behandlung der Gicht, wie auch neuer harnsäuresenkender Substanzen, besteht seit kurzem ein verstärktes Interesse diagnostische Kriterien und Outcome-Parameter für die Arthritis urica zu validieren und zu standardisieren. Es gibt internationale Bestrebungen einen „Core Set“ von Outcome-Kriterien für die chronische Gicht zu definieren. Diese beinhalten neben dem Harnsäurespiegel auch Schubhäufigkeit, Tophusgröße, Gelenkdestruktionen sowie patientenbezogene Parameter, wie Gelenkfunktion Lebensqualität und Therapieverträglichkeit (13,14). Insbesondere auf dem Gebiet der bildgebenden Verfahren gab es eine Reihe ausgezeichneter Veröffentlichungen in Hinblick auf diagnostische Kriterien und auf die Verlaufsbeurteilung bei Patienten mit Arthritis urica (15). Thiele und Schlesinger untersuchten Finger- und Zehengrundgelenke von je 23 Gichtpatienten und Kontrollen mit anderen Gelenkerkrankungen mit hoch auflösendem Ultraschall. Tophöses Material konnte bei allen Gichtpatienten aber bei keiner Kontrollperson nachgewiesen werden. Als spezifisches, diagnostisches Kriterium bestätigte sich das „Doppelkonturzeichen“, d. h. eine Calciumurat-Ablagerung in Form eines echoreichen irregulären Bandes entlang der Oberfläche des hyalinen Gelenkknorpels. Dieses zeigte sich bei 92% aller Gichtpatienten und bei keinem Kontrollpatienten (16). Diese Befunde wurden bestätigt durch Wright et al., die zudem zeigen konnten, dass der hoch auflösende Ultraschall dem konventionellen Röntgen insbesondere in Hinblick auf die Sensitivität des Nachweises von Erosionen und Tophi am Großzehengrundgelenk deutlich überlegen ist (17). Kommentar: Das sonographische Erscheinungsbild von periartikulären Tophi und das Doppelkonturzeichen sollten alle kennen, die in der Praxis gelenksonographische Untersuchungen durchführen. Die Einschätzung eines Therapieerfolges bei der tophösen Gicht in klinischen Studien und im medizinischen Alltag macht eine möglichst exakte Größenbeurteilung von Tophi im zeitlichen Verlauf erforderlich. Die Ansätze zur exakten Quantifizierung von Tophi reichen von äußerlichen Messungen (18) über sonographische Quantifizierung (19) bis zum Einsatz von Magnetresonanztomographie (MRT)(20) und Computertomographie (CT)(21). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 4 Seltene Erkrankungen, B. Manger Kommentar: Interessante Möglichkeiten bietet die CT durch dreidimensionale Rekonstruktion von Tophi (22) und durch den Einsatz von dualen Strahlenenergien zur Differenzierung von Uratablagerungen und resultierender Entzündungsreaktion (23). Zur weiteren Verbesserung der Outcome-Diagnostik bei der chronischen Arthritis urica wurde ein modifizierter radiologischer Index validiert, der in Anlehnung an den Sharp/van der Heide-Score Erosionen und Gelenkspaltverschmälerungen beurteilt. Die Intra- und Inter-Untersucher-Reproduzierbarkeit war hoch, und der Score war in der Lage, zwischen frühen und fortgeschrittenen Krankheitsstadien zu diskriminieren (24). Bei der Erfassung der Lebensqualität als patientenbezogenem OutcomeParameter konnte eine deutliche Einschränkung für Patienten mit chronischer Gicht nachgewiesen werden, die zu einem erhebliche Teil auf assoziierte CoMorbiditäten zurückzuführen ist. Jedoch auch nach Kontrolle für diese CoMorbiditäten zeigt sich eine Verminderung der Lebensqualität durch körperliche Einschränkungen aufgrund der Arthritis urica selbst (25). Kommentar: Wie in den letzten 10 Jahren bei der rheumatoiden Arthritis gibt es jetzt auch für die chronische Arthritis urica eine Vielzahl von Aktivitäten, um den Outcome der Erkrankung besser zu erfassen und um neue therapeutische Interventionen in klinischen Studien besser auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu können. 8.1.1.2 Therapie (26-39) Zur Behandlung des akuten Gichtanfalles hat die British Society for Rheumatology folgende Richtlinien herausgegeben (26): a) Die betroffenen Gelenke sollten geschont und eine antiphlogistische Therapie unmittelbar begonnen und für 1-2 Wochen durchgeführt werden. b) Schnell wirkende orale nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) in maximaler Dosis sind Mittel der Wahl falls keine Kontraindikationen bestehen. c) Bei Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem Risiko sollten zusätzlich Gastroprotektiva verschrieben werden. d) Colchicin ist eine Alternative, wirkt jedoch langsamer als NSAR, es sollte in Dosen von 2 bis 4 x täglich 500 µg eingesetzt werden. e) Allopurinol sollte nicht während eines akuten Anfalles begonnen werden; bei Patienten die bereits mit Allopurinol behandelt werden, sollte die Behandlung fortgesetzt werden. f) Opiatanalgetika können unterstützend eingesetzt werden. g) Intraartikuläre Kortikosteroide sind hoch effektiv bei akuter Monarthritis; Kortikosteroide sind generell auch systemisch wirksam bei Patienten die NSAR nicht vertragen oder therapierefraktär sind. Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger h) Eine Diuretikatherapie zur Behandlung einer arteriellen Hypertonie sollte auf alternative Antihypertensiva umgesetzt werden, eine diuretische Therapie zur Behandlung einer Herzinsuffizienz sollte nicht abgesetzt werden. Aufgrund der Komorbiditäten und des kardiovaskulären Risikoprofils von Gichtpatienten ist der Einsatz von NSAR nicht unproblematisch. Aus diesem Grund sind sowohl Colchicin als auch Kortikosteroide eine wichtige Alternative. Wie die Realität in der Behandlung der akuten Gicht bei hospitalisierten Patienten aussieht, zeigt eine Erhebung in amerikanischen Krankenhäusern. Dort erhielten 22% aller Patienten mit akuter Gicht eine Monotherapie mit NSAR, 14% eine Monotherapie mit Colchicin, 16% eine Kombination NSAR/Colchicin, 23% eine Kombination Colchicin/Steroide und 13% eine Kombination NSAR/Steroide (27). Kommentar: Dies zeigt, dass Colchicin weiterhin eine wichtige Rolle in der Therapie der akuten Gicht spielt. Neben der akuten gastrointestinalen Unverträglichkeit sei daher hier nochmals auf die potentiell knochenmarks- und muskeltoxischen Effekte des Colchicins hingewiesen, besonders bei Patienten mit Niereninsuffizienz. Ein Fall einer schweren Colchicin-induzierten Rhabdomyolyse wurde aktuell berichtet (28). In einer offenen Pilotstudie wurden 10 Patienten mit akuter Gicht mit dem Interleukin (IL) 1-Inhibitor Anakinra für 3 Tage in einer Dosis von 100 mg/Tag behandelt. Es zeigte sich eine gute Verträglichkeit und bei allen Patienten kam es zum raschen Rückgang der Arthritis innerhalb von 24 - 48 Stunden (29). Kommentar: Aufgrund des häufig selbstlimitierenden Charakters von Gichtanfällen ist hier sicherlich ein randomisierter Studienansatz erforderlich, dennoch handelt es sich möglicherweise um eine interessante therapeutische Alternative. Ein weiteres Beispiel einer erfolgreichen Behandlung der Arthritis bei einem Patienten mit chronischer Gicht durch Infliximab wurde ebenfalls vor kurzem beschrieben (30). In der Behandlung der chronischen Gicht ist eine langfristige Senkung der Serumharnsäure die vorrangige Aufgabe. Ziel ist es, Werte unter 6 mg/dl zu erreichen, um die Auskristallisierung von Harnsäure zu vermeiden. Patienten, die diese Zielwerte nicht erreichen, haben ein um 59% höheres Risiko erneute Gichtanfälle zu erleiden (31). Jedoch nicht nur zur Vermeidung von arthritischen Schüben ist eine Harnsäuresenkung anzustreben, auch auf die Erhaltung der Nierenfunktion wirkt sich dies positiv aus. In einer Studie bei asymptomatischer Hyperurikämie mit milder bis mäßiger Niereninsuffizienz (Kreatinin >1,35 mg/dl) erhielten randomisiert eine dosisadaptierte AllopurinolTherapie oder keine Harnsäuresenkung. In der behandelten Gruppe blieb über ein Jahr bei 84% aller Patienten die Nierenfunktion stabil, in der unbehandelten Gruppe war dies nur bei 54% der Patienten der Fall (32). Kommentar: Diese Studie ist ein gewichtiges Argument für die Behandlung einer asymptomatischen Hyperurikämie, zumindest bei eingeschränkter Nierenfunktion. Allerdings sollten die Ergebnisse zunächst an größeren Kollektiven bestätigt werden, da diese Studie mit insgesamt 54 Patienten doch recht klein war. Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 5 Seite 6 Seltene Erkrankungen, B. Manger Die Richtlinien der British Society for Rheumatology zur harnsäuresenkenden Therapie lauten (26): a) Die Serumharnsäure sollte unter 5 mg/dl gehalten werden. b) Bei unkomplizierter Gicht sollte eine harnsäuresenkende Therapie begonnen werden, wenn zwei oder mehr Anfälle innerhalb eines Jahres auftreten. c) Eine harnsäuresenkende Therapie sollte auch Patienten mit Tophi, Niereninsuffizienz, Harnsäuresteinen und bei kontinuierlich erforderlicher Diuretikatherapie eingesetzt werden. d) Eine harnsäuresenkende Therapie sollte erst 1-2 Wochen nach Abklingen einer akuten Arthritis begonnen werden. e) Die Therapie der ersten Wahl ist Allopurinol, beginnend mit einer Dosis von 50-100 mg/d und Steigerung in 50-100 mg Schritten alle paar Wochen, angepasst an die Nierenfunktion, bis die Zielserumharnsäure erreicht ist (Maximaldosis 900 mg/Tag). f) Urikosurika können als Medikamente 2. Wahl eingesetzt werden, bei Patienten, die vermindert Harnsäure ausscheiden, die Allopurinol nicht vertragen oder hierauf nicht ausreichend ansprechen. g) Colchicin 2 x 0,5 mg/d sollte mit Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie parallel für 6 Monate verschrieben werden. Als Alternative kommt ein NSAR oder Coxib in Frage, die Behandlungsdauer sollte hier jedoch 6 Wochen nicht überschreiten. h) Niedrig dosiertes Aspirin hat keinen nennenswerten Effekt auf die Serumharnsäure und sollte, soweit erforderlich, zur kardiovaskulären Prophylaxe eingesetzt werden. Aspirin in analgetischen Dosen interferiert mit der Harnsäureausscheidung und sollte vermieden werden. Allopurinol ist weiterhin der Goldstandard der harnsäuresenkenden Therapie und wird bei über 80% aller Patienten mit Gicht eingesetzt (33). Die beiden Hauptprobleme bei der Allopurinol-Therapie sind zum einen das Auftreten von Hypersensitivitätsreaktionen, die in Einzelfällen auch fatal verlaufen können (34). Zum anderen ist häufig das Ausmaß der erzielten Harnsäuresenkung mit einer Allopurinol-Therapie alleine nicht ausreichend. Aus diesem Grunde ist die Entwicklung neuer therapeutischer Alternativen zur Harnsäuresenkung eine lohnende Aufgabe. Ein neuer nicht-purinanaloger, selektiver Inhibitor der Xantinoxidase, das Febuxostat hat bereits in einer Phase III-Studie eine effiziente harnsäuresenkende Wirkung gezeigt und steht vor der Zulassung (35,36). Die zweite Neuentwicklung ist eine rekombinante pegylierte Uricase, die in einer Phase I-Studie bei 24 Patienten mit symptomatischer Gicht und Hyperurikämie eingesetzt wurde. Die PEG-Uricase wurde in verschiedenen Dosen als einmalige Infusion verabreicht. Bei Dosen zwischen 4 und 12 mg zeigte sich ein rascher bis zu 21 Tage post infusionem anhaltender harnsäuresenkender Effekt. Neun Patienten entwickelten Antikörper gegen die PEG-Uricase, allergische Reaktionen wurden allerdings nicht beobachtet. Die Autoren folgern, dass Bioverfügbarkeit, Effektivität und Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger Verträglichkeit der i.v.-verabreichten PEG-Uricase besser sind als in einer früheren Studie mit s.c.-Injektionen (37). Kommentar: Vor allem bei Patienten mit Uratablagerungen in Form von größeren Tophi könnte dies eine interessante therapeutische Alternative sein, wobei sicherlich die Immunogenität des Wirkstoffs bei wiederholter Anwendung das größte noch zu überwindende Problem sein wird. In einer interessanten Studie mit ¼-jährlichen Punktionen asymptomatischer Gelenke wurde untersucht, wie lange es nach Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie dauerte, bis die Synovialflüssigkeit frei von Uratkristallen war. Es zeigte sich, dass dies bei den meisten Patienten nach 6 Monaten der Fall war, in Einzelfällen jedoch Kristalle bis zu 33 Monate nach Therapiebeginn nachweisbar waren. Die Dauer bis zum Verschwinden der Kristalle im Gelenkpunktat korrelierte mit der Krankheitsdauer bis zum Beginn der Studie (38). Kommentar: Diese Beobachtungen bestätigen das Konzept eines Harnsäurereservoirs des Körpers, das sich erst nach mehrmonatiger Therapie reduziert. Erst dann nimmt daher die Schubhäufigkeit ab. Das macht eine Anfallsprophylaxe mittels Colchicin oder NSAR in den ersten Monaten einer harnsäuresenkenden Therapie erforderlich. Insgesamt sind Studien selten, die untersuchen, was nach dem Absetzen von Medikamenten bei chronischen Erkrankungen in der Rheumatologie passiert. Umso bemerkenswerter ist eine Untersuchung von Perez-Ruiz et al., die das Intervall vom Absetzen einer harnsäuresenkenden Therapie bis zum Wiederauftreten von Gichtsymptomen untersuchten. Es zeigte sich, dass die mittleren Serumharnsäurespiegel vor dem Absetzen der Therapie gut mit dem symptomfreien Intervall nach Absetzen korrelierten. Bei Patienten, die unter Therapie Harnsäurewerte von < 5,05 mg/dl hatten, blieben im Mittel mehr als vier Jahre ohne Behandlung beschwerdefrei. Die Autoren argumentieren, dass Patienten mit einer guten Kontrolle der Serumharnsäurewerte eine intermittierende Behandlung mit mehrjährigen therapiefreien Intervallen anstelle einer lebenslangen Behandlung angeboten werden kann (39). Kommentar: Dies spricht erneut für das Konzept eines Harnsäurereservoirs, das nach erfolgreicher Depletion wiederum Jahre zum Füllen benötigt, bevor es zum Auftreten neuer Symptome kommt. Es bleibt die Frage, wie gut sich Patienten mit chronischer Gicht aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur auf diese Weise führen lassen. 8.1.2 Chondrocalcinose (40-43) Die allgemein verwendeten Kriterien nach Ryan und McCarthy von 1997 für eine durch Calciumpyrophosphat-Dihydrat (CPPD)-induzierte Arthritis beinhalten den Nachweis von CPPD-Kristallen im Punktat und den radiologischen Nachweis einer typischen Chondrocalcinose für eine definitive Diagnosestellung (40). Filippou et al. konnten zeigen, dass auch die Gelenksonographie in der Hand eines erfahrenen Untersuchers eine Spezifität von 96,4% und eine Sensitivität von 86,7% für den Nachweis von CPPDAblagerungen aufweist. Gute charakteristische Bildbeispiele von CPPDAblagerungen in der Synovialmembran, im hyalinen Knorpel und in Menisci, sowie an Sehnenansätzen sind in dieser Arbeit dargestellt (41). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 7 Seite 8 Seltene Erkrankungen, B. Manger Kommentar: Aufgrund der Häufigkeit einer Chondrocalcinose sollten die sonographischen Charakteristika dieser Erkrankung auch in Abgrenzung zur Gicht jedem vertraut sein, der Gelenkultraschall in der Praxis durchführt (42). CPPD-Kristallablagerungen sind häufig asymptomatisch, können jedoch sowohl akute Arthritiden im Sinne einer Pseudogicht, wie auch chronische, sehr therapieresistente, destruierende Arthritiden verursachen. Außer nichtsteroidalen Antiphlogistika und in manchen Fällen Colchicin ist das Behandlungsrepertoire äußerst limitiert. In einer offenen Pilotstudie aus der Schweiz wurden fünf Patienten mit einer solchen chronischen Arthritis mit niedrig dosiertem Methotrexat (MTX, 5 - 20 mg/Woche) über im Mittel 50 Monate behandelt. Alle hatten einen Nachweis von CPPD-Kristallen in der Synovialflüssigkeit und wiesen radiologisch eine charakteristische Chondrocalcinose auf. Alle Patienten zeigten eine deutliche, teils dramatische Besserung ihrer Synovitis und ihrer Entzündungsparameter. Bei drei Patienten wurde aufgrund einer Remission der Beschwerden das MTX abgesetzt, worauf wieder Arthritiden auftraten, die dann auf eine erneute MTX-Gabe wieder nachließen (43). Kommentar: Dieser Effekt wird auf die möglichen anti-inflammatorischen Wirkungen des MTX zurückgeführt und stellt eine interessante therapeutische Option für eine schwer zu behandelnde Arthritisform dar. Eine Bestätigung dieser Beobachtung durch eine kontrollierte Studie wäre wünschenswert. Auch ein Einsatz von Methotrexat bei einer Hämochromatosearthropathie oder gar bei einer erosiv verlaufenden Fingergelenkspolyarthrose ist in Anbetracht dieser Ergebnisse zu diskutieren. 8.1.3 Rheumatische Manifestationen bei Niereninsuffizienz (44-60) Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz unter Dialysetherapie leiden in erheblichem Maße unter muskuloskelettalen Problemen. Ein Übersichtsartikel von Ramaswamy et al. benennt zwei vorrangige therapeutische Problembereiche, in denen es in den letzten Jahren therapeutische Fortschritte gegeben hat. Der erste ist das Management des sekundären Hyperparathyreoidismus (HPT). Zur Vermeidung einer auslösenden Hyperphosphatämie stehen heute calcium- und aluminiumfreie Ionenaustauscher (Sevelamer) zur Verfügung, sowie neue Vitamin D-Analoga, die den Parathormonspiegel effizient unterdrücken können, ohne selbst eine Hypercalcämie oder Hyperphosphatämie zu induzieren. Auch die calcimimetische Substanz Zincalet senkte das Parathormon und das Calcium/Phosphat-Produkt in einer kontrollierten Studie (44). Das zweite therapeutische Problem bei Dialysepatienten ist das Risiko der Entwicklung einer ß2-Amyloidose, das durch die Verwendung biokompatibler Dialysemembranen, spezieller Dialysatflüssigkeiten und eine in Serie geschaltete Adsorptionssäule drastisch verringert werden kann. Kommentar: Es bleibt abzuwarten welche dieser therapeutischen Innovationen von unseren nephrologischen Kollegen für das Routinemanagement bei Dialysepatienten umgesetzt werden (45). Mehrere Fallberichte in der rheumatologischen Literatur weisen auf die Bedeutung der Calciphylaxie in der Differentialdiagnose vaskulitischer Syndrome hin (46,47). Es handelt sich um schmerzhafte, noduläre, manchmal Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger livedo-artig erscheinende Hautläsionen, meist an den unteren Extremitäten, die schnell ulzerieren und häufig zu Superinfektion, Sepsis und Amputation führen. Die Letalität wird mit 80% angegeben. Meist, jedoch nicht immer sind Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, Diabetes, erhöhtem Calcium/PhosphatProdukt und/oder HPT betroffen. Aber auch bei Protein S- und Protein CErniedrigung, Malignomen, M. Crohn und Lebercirrhose wurden Calciphylaxien bereits beschrieben. Histologisch findet sich eine Kleingefäßvaskulopathie mit Mediakalzifizierung, Intimaproliferation und Mikrothrombosen mit nur geringer Infiltration von Entzündungszellen. Therapeutische Ansätze beinhalten die Gabe von Natriumthiosulfat, hyperbarem Sauerstoff oder von Bisphosphonaten die jeweils in einigen Fällen zu deutlichen Besserungen führten (48). Kommentar: Auch bei zwei Patienten gesicherter Riesenzellarteriitis kam es fünf bzw. sieben Monate nach Induktion einer Remission durch Steroidtherapie zu einer letal verlaufenden Calciphylaxie (49). Beide Patienten hatten normale Calcium- und Phosphatspiegel sowie eine intakte Nierenfunktion und erhielten neben Prednisolon eine Vitamin D- und Calciumsubstitution und eine Therapie mir Cumarinen. Mögliche pathologische Beziehungen zwischen Riesenzellarteriitis und Calciphylaxie werden in dieser Arbeit diskutiert (Riesenzellen als pathologische Fremdkörperreaktion auf „normalen Gefäßkalk“ im höheren Lebensalter). Hamada et al. beschreiben ein weiteres Problem das sich bei 1,9% (8 von 423) ihrer Hämodialyse-Patienten beobachten konnten, die urämische tumoröse Calcinose (50). Hierbei handelt es sich um solitäre oder multifokale Weichteilkalzifizierungen die Schwellungen, Schmerzen, Juckreiz und Exulzerationen verursachen können. Alle Patienten wiesen ein erhöhtes Phosphat oder ein erhöhtes Calciumphosphatprodukt auf, nur einer hatte aber einen sekundären HPT. Die chemische Analyse der Ablagerungen ergab, dass diese überwiegend aus Calcium-Carbonat-Apatit bestehen, welches im Gegensatz zum praktisch unlöslichen Calcium-Hydroxyapatit um ein Vielfaches leichter löslich ist (50a). Die Autoren halten daher neben chirurgischen Maßnahmen durchaus auch bei großen Ablagerungen einen Auflösungsversuch mit konservativen Maßnahmen (Phosphatbinder, Phosphatrestriktion, Dialysate mit niedrigen Calciumgehalten oder Natriumthiosulfat) für sinnvoll. Kommentar: Die tumoröse Calcinose kann selten auch bei Nierengesunden entweder genetisch bedingt oder auch idiopathisch auftreten (M. Teutschländer). Histologisch zeigen sich um das noduläre kalzifizierende Material herum Histiozyten und mehrkernige Riesenzellen (51). Die nephrogene systemische Fibrose (NSF) ist ein erstmals im Jahr 2000 beschriebenes Krankheitsbild bei niereninsuffizienten Patienten unter DialyseTherapie. Cowper et al. beobachteten 15 Patienten, die eine ausgeprägte subkutane Fibrose vorwiegend an den Extremitäten (Oberarm bis Handgelenk und Oberschenkel bis Sprunggelenk), seltener auch am Stamm entwickelten (52). Klinisch imponierte dies als irreguläre Verhärtungen und subkutane Knotenbildungen mit rötlich-brauner Verfärbung und Einziehungen der Haut (53). Die histologischen Veränderungen zeigen eine Vermehrung von spindelförmigen Fibroblasten-artigen Zellen in der Dermis, verdickte und gewundene Kollagen-Bündel und Mucinablagerungen. In der Folge wurde schnell klar, dass es sich um eine prognostisch ungünstige Erkrankung mit hoher Mortalität handelt, was auf einer häufigen viszeralen Beteiligung beruht. So betrifft der Fibroseprozess nicht nur die Haut, sondern auch Faszien, Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 9 Seite 10 Seltene Erkrankungen, B. Manger Muskulatur (Diaphragma und Psoas), Herz und Lunge (54). Da das Krankheitsbild früher auch an großen nephrologischen Zentren noch nicht beobachtet worden war, lag es nahe, dass ein relativ neues exogenes Agens hier verantwortlich zu machen war. 2006 gelang schließlich der entscheidende Durchbruch für die Entschlüsselung der Pathogenese. In einer kleinen Fallserie aus Wien berichtet Grobner über 9 Dialysepatienten bei denen eine Magnetresonanz-Angiographie mit dem Kontrastmittel Gd(Gadolinium)-DTPA durchgeführt worden war, von denen fünf innerhalb von 2 bis 4 Wochen die NSF-typischen Hautveränderungen entwickelten (55). Diese Beobachtung wurde danach durch eine Reihe anderer Zentren bestätigt (56,57). In Hautbiopsien aus betroffenen Arealen konnte die Ablagerung von Gd nicht nur nachgewiesen sondern auch quantifiziert werden (58). Erstmals lässt sich nun in retrospektiven Analysen großer Patientenkohorten das tatsächliche Risiko für die Entwicklung einer NSF abschätzen. Die Inzidenz und unabhängige Risikofaktoren wurden an einem Zentrum ermittelt, an dem über 4000 Patienten innerhalb eines Jahres Gd-Kontrastmittel erhalten hatten. Es wurden in diesem Zeitraum 6 Fälle von NSF registriert, diese traten nur bei stationären Patienten mit einer errechneten glomerulären Filtrationsrate < 60ml/min/1,73m2 auf, bei denen es zusätzlich zu einer Gewebsazidose durch thromboembolische Komplikationen, chirurgische Eingriffe mit Gefäßrekonstruktionen oder systemische Infektionen kam. Dieser Risikogruppe gehörten insgesamt 131 Patienten an, so dass für diese von einer Inzidenz von 4,6% auszugehen ist (59). Kommentar: Auch im 21. Jahrhundert treten noch „neue seltene Krankheitsbilder“ auf. Im Falle der NSF konnten Ätiologie und Pathogenese durch medizinische Detektivarbeit innerhalb von nur 6 Jahren entschlüsselt werden (60). 8.2 Periodische Fiebersyndrome und Amyloidose 8.2.1 Adulter M. Still (61-78) Die Prognose von Patienten mit adultem M. Still (adult onset Still´s syndrome, AOSD) stellt sich in zwei aktuell publizierten Arbeiten besser dar als früher in der Literatur berichtet (61, 62). In zwei Beobachtungsstudien mit insgesamt 42 Patienten, die in den letzten 10 Jahren betreut wurden, kam es nur noch in 16,6% zu einem chronischen Verlauf mit progredienter Arthritis, was deutlich niedriger war als die in Studien bis 1995 veröffentlichten 33 bis 71% chronischer Verläufe. Die Autoren führen dies darauf zurück, dass das Krankheitsbild heute bekannter ist und die diagnostischen Möglichkeiten besser sind als noch vor 10 Jahren, so dass die Patienten rascher eine effektive immunsuppressive Therapie erhalten. Kommentar: Trotz des insgesamt besseren Outcomes soll nicht übersehen werden, dass bei AOSD jederzeit ein akut lebensbedrohlicher Verlauf durch den Übergang in ein Hämophagozytose-Syndrom (Makrophagen-AktivierungsSyndrom) auftreten kann (62, 63). Die aktuellen pathogenetischen Vorstellungen und die daraus resultierenden diagnostischen Möglichkeiten sind in einem aktuellen Übersichtsartikel Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger dargestellt (64). Neben den proinflammatorischen Zytokinen IL-1ß, IL-6 und TNFα wurden beim AOSD auch sehr hohe Werte für IL-18 und das Adhäsionsmolekül ICAM-1 im Serum gemessen, was auch diagnostisch einsetzbar ist. Stark erhöhte Ferritinwerte (> 5-fach oberer Normwert) finden sich bei etwa der Hälfte aller Patienten mit aktivem AOSD (61,65). Im Zweifelsfalle empfiehlt sich die Bestimmung des glykosylierten Ferritins, was eine noch höhere Spezifität aufweist. Bei AOSD liegt der glykosylierte Anteil bei < 20% des Gesamtferritins, bei anderen systemisch entzündlichen Erkrankungen um 20-50%, und bei Gesunden um 50-80% (66,67). Ein neuer Serummarker bei AOSD könnte auch die induzierbare Hämoxigenase I sein, deren Serumspiegel in Korrelation zur jeweiligen Krankheitsaktivität erhöht sind (68). Kommentar: In Einzelfällen können extrem hohe Ferritinwerte und ein stark erhöhtes IL-18 diagnoseweisend sein, wie bei einer 83(!)-jährigen Patientin mit Fieber unklarer Genese aus Japan (69). In mehreren Fallberichten werden ungewöhnliche klinische Manifestationen bei AOSD beschrieben wie eine crico-thyreoidale Perichondritis (70), eine Myokarditis (71), eine pulmonale Hypertonie (72) oder eine Purtscher-ähnliche Retinopathie mit retinalen Blutungen und Cotton-Wool-Herden (73,74). Bezüglich der Therapie des AOSD setzten sich in der Literatur die positiven Berichte über den IL-1 Antagonisten Anakinra in kleinen Pilotstudien auch im Jahr 2007 fort. Bei weiteren acht Patienten wurde ein rasches Ansprechen aller Symptome innerhalb von Stunden bis Tagen nach der ersten Injektion von Anakinra beschrieben (75,76). Parallel zum klinischen Ansprechen konnte ein deutlicher Rückgang der proinflammatorischen Zytokine IL-1ß und IL-18 nachgewiesen werden. Somit sind weltweit bislang 38 AOSD-Patienten in der Literatur beschrieben, die erfolgreich mit Anakinra behandelt wurden. Kommentar: Beachtenswert sind jedoch auch zwei Berichte über Komplikationen bei AOSD unter Anakinra-Therapie. Bei einem Patienten trat nach 3-monatiger, primär erfolgreicher Therapie mit Anakinra eine rasch letal verlaufende dilatative Kardiomyopathie auf. Allerdings bestanden auch schon vor der Gabe von Anakinra Zeichen einer kardialen Dysfunktion, die sich möglicherweise trotz des initialen Ansprechens der Symptome weiter verschlechterte (77). Bei einem weiteren Patienten wurde eine Anakinrainduzierte, nach Absetzen reversible Thrombozytopenie berichtet (78). 8.2.2 Familiäres Mittelmeerfieber (79-87) Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist eine autosomal-rezessive Erkrankung mit Mutationen im MEFV-Gen, das für das Protein Pyrin kodiert. Sie tritt vorwiegend im östlichen Mittelmeerraum bei Türken, Armenien, Arabern und sephardischen Juden auf. Klinisch ist sie gekennzeichnet durch selbstlimitierende, febrile Attacken mit Polyserositis und Arthritis von einigen Tagen in unregelmäßigen Intervallen. In etwa der Hälfte der Patienten kündigen konstitutionelle Prodromalsymptome (Angst, Reizbarkeit, Müdigkeit, Übelkeit, generalisierte oder lokale muskuloskelettale Schmerzen) etwa 24 Stunden im Voraus einen kommenden Schub an (79). Selten werden auch kontinuierliche über mehrere Wochen anhaltende heftige abdominelle Schmerzen mit hohen serologischen Entzündungszeichen berichtet (80,81). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 11 Seite 12 Seltene Erkrankungen, B. Manger Die extrem hohen Werte von Akut-Phase-Proteinen während eines Schubes beim FMF sind häufig beschrieben, jedoch auch in den symptomfreien Intervallen finden sich bei der Mehrzahl der Patienten über dem Referenzbereich liegende Werte für Serum-Amyloid A (SAA) und auch öfters für CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit oder Fibrinogen (82,83). Kommentar: Ein Schub beim FMF repräsentiert sozusagen die „Spitze des Eisberges“ der Entzündung. Eine subklinische Entzündungsaktivität zwischen Schüben findet sich häufig bei diesen Patienten und ist wohl entscheidend verantwortlich für die Entwicklung einer AA-Amyloidose. Die AA-Amyloidose stellt die schwerwiegendste Komplikation des FMF dar. In einer großen multinationalen Studie mit fast 2500 Fällen fand sich eine renale Amyloidose bei 11,4%. Interessanterweise ist neben dem Typ der MEFVMutation insbesondere das Herkunftsland für das Amyloidoserisiko entscheidend. Am höchsten ist dies in der Türkei, Armenien und arabischen Ländern, nur sehr gering in Israel oder bei FMF-Patienten, die in den USA oder Europa aufgewachsen waren (84). Kommentar: Neben der individuellen Genetik scheinen Umgebungsfaktoren, wie etwa eine frühe und wiederholte Exposition gegenüber Pathogenen, für den permanenten inflammatorischen Status und damit für den Übergang in eine Amyloidose eine wichtige Rolle zu spielen. Colchicin ist der Goldstandard in der Therapie bei FMF. Bei 60% aller Patienten reduziert es die Schubhäufigkeit oder verhindert Schübe komplett und kann die Progression zur Amyloidose oft wirkungsvoll verhindern. In therapierefraktären Fällen wurde in den letzten Jahren wiederholt über den erfolgreichen Einsatz Infliximab berichtet. Es zeigte sich nicht nur ein Ansprechen von Fieber und Arthritis (85), sondern auch bei zwei Patienten mit renaler Amyloidose ein signifikanter Rückgang der Proteinurie nach 1-2jähriger Infliximabtherapie (86,87). Kommentar: Die Blockade von Tumornekrosefaktor scheint nicht nur durch den anti-inflammatorischen Effekt die Neubildung von Amyloidablagerungen verhindern zu können. Es ist sogar in Einzelfällen eine Rückbildungstendenz bei bereits manifester renaler Amyloidose zu beobachten. 8.2.3 Amyloidose (88-94) Neben den periodischen Fiebersyndromen sind heute die rheumatoide Arthritis (RA), die juvenile idiopathische Arthritis und Spondylarthritiden die häufigsten Ursachen für eine AA-Amyloidose. Bei indischen Patienten mit einer Spondylitis ankylosans mit Krankheitsdauer von über 5 Jahren konnte in Aspiraten aus dem Bauchfettgewebe eine Amyloidose in 7% der Fälle nachgewiesen werden, was früher berichteten Häufigkeiten in Spanien entspricht (88). Kommentar: Die Bedeutung dieser asymptomatischen Amyloidablagerungen ist noch nicht wirklich geklärt. Es scheint sich bei etwa der Hälfte dieser Patienten im Laufe der nächsten 5-10 Jahre eine klinisch manifeste Amyloidose zu entwickeln. Diese Studie zeigt auch, dass die Fettgewebsaspiration als wenig invasive Screeningmethode gut geeignet ist (89,90). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger Bei 524 Patienten mit RA und einer Krankheitsdauer von mehr als 5 Jahren wurden Duodenalbiopsien als Suchtest durchgeführt und in 53 Fällen Amyloidablagerungen gefunden. Bei 38 dieser Patienten konnte auch eine renale Amyloidose bioptisch bestätigt werden. Jedoch nur bei 27 Patienten waren speziell glomeruläre Amyloiddepots nachweisbar. Nur bei diesen war die Prognose bezüglich Nierenfunktion und 5-Jahres Überlebensrate (41%) deutlich schlechter, verglichen mit den übrigen 11 Patienten mit rein vaskulären Amyloidablagerungen (5-Jahres Überlebensrate 91%) (91). Kommentar: Die mikroskopische Lokalisation des Amyloids hängt von Unterschieden in der enzymatischen Spaltung des SAA und damit der Größe der entstehenden Amyloid-Fragmente ab. Insbesondere die glomerulären Amyloidablagerungen sind mit einem ungünstigen klinischen Verlauf und einer deutlich erhöhten Mortalität assoziiert (92). Eine ausgezeichnete englische Veröffentlichung aus dem Jahre 2007 untersucht die klinischen Manifestationen und den Verlauf einer AAAmyloidse bei 374 Patienten (davon 224 mit chronischen Arthritiden und 32 mit periodischen Fiebersyndromen) über einen Beobachtungszeitraum von 15 Jahren (93). Bei diesen Patienten wurde jährlich die Gesamtmenge von Amyloidablagerungen und deren Verteilung mittels einer Ganzkörperszintigraphie gemessen (123J-Serumamyloid P). Interessanterweise waren im Verlauf bei 39% aller Patienten die nachgewiesenen Amyloidablagerungen rückläufig (durch erfolgreiche Therapie der Grunderkrankung), bei 30% zeigte sich sogar eine Besserung der renalen Funktion. Es bestand eine klare Korrelation der Zu- oder Abnahme der Gesamt-Amyloidablagerungen im Körper zur Höhe des SAA-Spiegels im Verlauf. Die 25% der Patienten mit den höchsten SAA-Werten (> 87 mg/l) hatten eine um mehr als 17-fach höhere Mortalitätsrate verglichen mit Patienten mit SAA < 4 mg/l. Kommentar: Die Ablagerung von AA-Amyloid ist kein irreversibler Prozess. Wenn es gelingt, die zugrunde liegende Entzündungsreaktion zu unterdrücken, und damit nachhaltig die SAA-Werte zu normalisieren, ist eine Wiederauflösung von Amyloid-Depots und eine Verbesserung der Organfunktion möglich. In einer placebo-kontrollierten Studie mit 183 AA-Amyloidosepatienten wurde der Effekt einer Therapie mit Eprodisat über 2 Jahre untersucht. Dies ist ein neuer Wirkstoff mit strukturellen Ähnlichkeiten zu Heparansulfat, der in experimentellen Modellen die Ablagerungen von AA-Amyloid verhindern konnte. Es zeigte sich, dass die Abnahme der Nierenfunktionen der behandelten Gruppe verlangsamt werden konnte, die Überlebensrate und die Rate an terminalen Niereninsuffizienzen war jedoch nicht signifikant unterschiedlich (94). Kommentar: Obwohl eindeutig positive Trends in der Gruppe der Eprodisatbehandelten Patienten zu sehen sind, wurden die primären Outcome-Kriterien in dieser Studie nicht erreicht. 8.2.4 Andere autoinflammatorische Syndrome (95-98) Weitere genetische autoinflammatorische Syndrome manifestieren sich meist im Kindesalter und werden daher im Kapitel „Kinderrheumatologie“ abgehandelt. Ein (erworbenes?) autoinflammatorisches Syndrom des Erwachsenen ist Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 13 Seite 14 Seltene Erkrankungen, B. Manger das Schnitzler-Syndrom mit einem mittleren Erstmanifestationsalter von 51 Jahren. De Koening et al. fassen in einem ungewöhnlichen Artikel alle (!) in den vergangenen 40 Jahren veröffentlichten 94 Fälle mit ihren klinischen Charakteristika und ihrem Verlauf zusammen (95). Für die Diagnose dieser Erkrankung sind als Hauptkriterien ein chronisches urtikarielles Exanthem und der Nachweis eines IgM-Paraproteins unbedingt gefordert. An weiteren Symptomen finden sich häufig ein periodisches Fieber, Arthralgien und Knochenschmerzen, Hepatosplenomegalie und Lymphadenopathie. Die Langzeitüberlebensrate unterscheidet sich nicht von der Normalbevölkerung, aber ein Übergang in ein Non-Hodgkin-Lymphom (meist Makroglobulinämie Waldenström) nach 10 Jahren wird bei 15% der Patienten beschrieben. Die Therapie war lange Jahre unbefriedigend, Spontanremissionen wurden nicht beschrieben. Heute steht mit dem IL-1-Antagonisten Anakinra ein Wirkstoff zur Verfügung, der bei allen 11 Patienten, bisher damit behandelt und veröffentlicht wurden, zu einer rasch anhaltende Remission führte (95, 96, 97, 98). Kommentar: TNF-Antagonisten und Rituximab scheinen bei diesem seltenen Krankheitsbild dem Anakinra unterlegen zu sein (97, 98). 8.3 M. Behçet 8.3.1 Klinik und Diagnostik (99-104) Zentralnervöse Manifestationen beim M. Behçet sind vielfach beschrieben und weithin bekannt. Zwei aktuelle Publikationen befassen sich nun mit der Beteiligung des peripheren Nervensystems bei dieser Erkrankung (99,100). Untersuchungen der Nervenleitgeschwindigkeit wurden an motorischen und sensorischen Nerven der oberen (N. medianus und ulnaris) und unteren (N. peroneus, tibialis und suralis) Extremität durchgeführt. Es ließen sich in 18,8 bzw. 14,3% aller Patienten Hinweise für eine subklinische axonale Polyneuropathie vorwiegend der sensorischen Nerven der unteren Extremitäten finden. Kommentar: Die prognostische Bedeutung dieser subklinischen, nur elektrophysiologisch nachgewiesenen Neuropathie ist unklar. Es besteht keine Assoziation zur Krankheitsaktivität oder anderen Organmanifestationen. Erneut finden sich auch im vergangenen Jahr in der Literatur zahlreiche Beschreibungen von arteriellen Aneurysmen in unterschiedlichen Gefäßarealen, wie an der Aortenwurzel (101), der A. subclavia (102) oder der A. carotis interna (103). Mittels hochauflösender CT konnten bei 9 von 16 Patienten zum Teil sehr kleine und peripher gelegene aneurysmatische Veränderungen der Pulmonalarterien nachgewiesen werden (104). Kommentar: Hämoptysen bei Patienten mit M. Behçet sollten durch CT abgeklärt werden, da differentialdiagnostisch neben einer Thromboembolie auch Pulmonalarterienaneurysmen in Frage kommen (cave: Antikoagulation!). 8.3.2 Therapie (105-112) In einer retrospektiven Studie wurde die Komplikationsrate abdomineller oder thorakaler Operationen bei Patienten mit M. Behçet untersucht. Gehäuft Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger Seite 15 fanden sich postoperative Probleme bei gefäßchirurgischen Eingriffen und bei Patienten mit positivem Pathergie-Test. Signifikant weniger Komplikationen traten bei den Patienten auf, die postoperativ Immunsuppressiva und Steroide erhalten hatten, verglichen mit denen, die keine Therapie oder nur Steroide bekamen (105). Kommentar: Nach chirurgischen Eingriffen sollten Patienten mit M. Behçet eine Therapie mit Immunsuppressiva und Steroiden erhalten. Wie auch schon in den Vorjahren belegen erneut mehrere Pilotstudien und Fallberichte die Wirksamkeit einer TNF-Inhibition bei M. Behçet in therapierefraktären oder gar lebensbedrohlichen Situationen (106-109). Dies hat dazu geführt, dass im Jahr 2007 von einer internationalen Expertengruppe die Evidenz für eine solche Therapie bewertet und darauf beruhend Empfehlungen zum Einsatz von TNF-Blockern bei dieser Erkrankung veröffentlicht wurden (110): Organmanifestation Voraussetzung für TNF-Blocker Therapie Empfehlung Uveitis posterior Unilateral mit Visus < 0,2 oder bilateral oder ≥ 2 Schübe/Jahr unter Therapie mit Aza, CsA oder Interferon α + Predn. - INX ZNS Beteiligung Ineffektivität von Puls-Cyclophosphamid + Predn. oder Schub unter Therapie mit Aza + Predn. INX Intestinale Beteiligung Ineffektivität von 2 Immunsuppressiva + Predn. INX Uveitis anterior Beteiligung großer Gefäße - Nicht empfohlen Daten nicht ausreichend Mukokutane Symptome Reduzierte Lebensqualität trotz Therapie mit Aza, Colchicin oder Thalidomid + Predn. ETC oder INX Arthritis Ineffektivität von 2 Immunsuppressiva (eines davon MTX) + Predn. ETC oder INX INX = Infliximab 5mg/kg; ETC = Etanercept 25mg 2x/Woche; Aza = Azathioprin 2,5mg/kg; CsA = Ciclosporin A 3-5mg/kg; Predn. = Prednisolon 7,5mg/d. Kommentar: Zum Zeitpunkt, als diese Empfehlungen erstellt wurden, waren die Erfahrungen mit Adalimumab noch sehr begrenzt. Nachdem in der Zwischenzeit auch für diesen TNF-Blocker gute Therapieerfolge bei M. Behçet beschrieben wurden (111, 112), sollten diese Empfehlungen wohl in absehbarer Zeit aktualisiert werden. Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 16 Seltene Erkrankungen, B. Manger 8.4 Sarkoidose 8.4.1 Klinik und Diagnostik (113-120) In einer türkischen Arbeit wurden retrospektiv 100 Fälle von Erythema nodosum aus den vergangenen 12 Jahren in Hinblick auf Grunderkrankung und klinischen Verlauf analysiert. Bei 47 Patienten konnte eine Genese identifiziert werden (11 x Poststreptokokkeninfekt, 10 x Tuberkulose, 10 x Sarkoidose, 6 x M. Behçet, 5 x medikamenten-induziert, 3 x entzündliche Darmerkrankung, 2 x Schwangerschaft), der Rest blieb idiopathisch. Interessanterweise rezidivierten die idiopathischen E. nodosa bei 62% der Patienten etwa einmal jährlich, bei denen mit bekannter Genese nur bei einem Patienten mit M. Behçet (113). Kommentar: In Deutschland ist die Sarkoidose häufigster Auslöser für ein E. nodosum, die infektiologischen Ursachen sind deutlich seltener. In Australien wurde bei 4 Patienten die „Sprunggelenks-Arthritis“ bei LöfgrenSyndrom kernspintomographisch untersucht. Es zeigte sich entzündliche Veränderungen ganz überwiegend im subkutanen Gewebe perimalleolär, Knochen, Knorpel, Bänder und Sehnen waren völlig unbeteiligt. Vereinzelt bestanden minimale Flüssigkeitsansammlungen in Sehnenscheiden oder im Gelenk, jedoch ohne Synovialverdickung oder Synovitis (114). Kommentar: Die Sprunggelenksschwellung bei Löfgren-Syndrom ist keine Arthritis und auch keine Entzündung anderer gelenkassoziierter Strukturen, sondern ein konfluierendes, perimalleoläres (kontusiformes) E. nodosum. Dies bestätigt frühere sonographische Untersuchungen aus Deutschland (115). Das Auftreten einer pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) im Rahmen einer Sarkoidose war Gegenstand mehrerer aktueller Veröffentlichungen. Diese potentiell lebensbedrohliche Komplikation findet sich bei etwa 5% aller Sarkoidose-Patienten, in fortgeschrittenen Krankheitsstadien deutlich häufiger. Interessanterweise lässt sich bei bis zu 40% der Patienten mit PAH keine Lungenfibrose nachweisen, so dass hier wohl auch noch andere Pathomechanismen, wie vasoaktive Faktoren eine Rolle spielen (116,117). In Einzelfällen wurden auch bereits Erfolge einer Behandlung der sekundären PAH bei Sarkoidose mir i.v. Epoprostenol (118) oder Bosentan beschrieben (119,120). Kommentar: Bei chronischer Sarkoidose scheint wohl, ähnlich wie bei der Sklerodermie, auch bei asymptomatischen Patienten eine echokardiographisches Screening zur Früherkennung einer (behandelbaren) PAH sinnvoll zu sein. 8.4.2 Pathogenese (121-124) Auch 2007 wurden wieder insgesamt 5 Patienten (mit RA oder Spondyloarthritis) publiziert die unter einer Therapie mit TNF-Blockern (1 INX, 4 ETC) eine Sarkoidose-ähnliche Erkrankung der Lunge mit granulomatösen Infiltraten und Lymphadenopathie entwickelten. Nach Absetzen des TNFBlocker und teils zusätzlicher Steroidtherapie bildeten sich diese Veränderungen wieder komplett zurück (121-124). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger Kommentar: Dies ist eine sehr interessante, immunpathologisch jedoch völlig ungeklärte Beobachtung, da TNF-Blocker sonst eher eine „granulomauflösende“ Wirkung (therapeutischer Effekt bei Sarkoidose, Reaktivierung von granulomatös abgekapselten Mykobakterien) besitzen. 8.5 Rheumatische Manifestationen bei Malignomen 8.5.1 Paraneoplastische rheumatische Erkrankungen (125-130) Paraneoplastische Syndrome in der Rheumatologie können sich mit einer großen Vielfalt von klinischen Erscheinungsbildern manifestieren (125): Autoimmune und vaskulitische Syndrome: Dermatomyositis/Polymyositis, Lupus-ähnliche Syndrome, Sklerodermie-ähnliche Syndrome, vaskulitische Syndrome Osteoarthropathien: Hypertrophe Osteoarthropathie, Carcinom-Polyarthritis, RS3PE-Syndrom, rezidivierende Polychondritis, sekundäre Gicht, palmare Fasziitis und Polyarthritis, Tumor-induzierte Osteomalazie, nicht-metastatische Hypercalcämie, Sonstige: Algodystrophie, Eosinophile Fasciitis, Pannikulitis, Erythromelalgie, late onset Raynaud-Syndrom Die Assoziation von inflammatorischen Muskelerkrankungen und Malignomen ist seit langem gut bekannt. Die „Standard incidence ratio“ für das Risiko des Vorliegens eines bösartigen Tumors im Vergleich mit der Normalbevölkerung beträgt 3,0 für die Dermatomyositis, 1,4 für die Polymyositis (126). In einer Studie mit 102 Patienten mit bioptisch gesicherter Myositis wurde die Wertigkeit von Tumormarker-Bestimmungen (CEA, CA15-3, CA19-9, CA125) untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass ein erhöhtes CA125 zu Beginn und im Verlauf hochsignifikant mit der Entwicklung eines Malignoms innerhalb von 5 Jahren assoziiert war, für CA19-9 zeigte sich ebenfalls ein deutlicher Trend. Bei insgesamt 10 Patienten trat im Beobachtungszeitraum ein solider Tumor auf (127). Kommentar: Die Bestimmung von CA19-9 und CA125 zum Zeitpunkt der Diagnosestellung einer Myositis und im weiteren Verlauf ist geeignet, um Risikopatienten zu identifizieren. Der Nachweis von Myositis-Autoantikörpern (Jo-1, Mi-2, PM-Scl, u. a.) ist hingegen mit einem reduzierten Malignomrisiko assoziiert (128). Zur paraneoplastischen Arthritis beschreibt eine aktuelle Arbeit die Charakteristika von 26 Patienten, die maximal zwei Jahre vor bis zu zeitgleich mit dem Auftreten eines Malignoms eine „undifferenzierte“ Oligo- oder Polyarthritis entwickelt hatten. Zwanzig Patienten hatten einen soliden Tumor, sechs eine hämatolymphatische Neoplasie. Die häufigste Lokalisation war die Lunge (bei 13 Patienten), der häufigste histologische Typ ein Adeno-Ca (bei 12 Patienten). 14 Patienten hatten einen akuten Beginn ihrer Arthritis, nahezu alle wiesen hohe Entzündungsparameter auf. Bei 20 Patienten kam es zu einer Remission der Arthritis nach Tumortherapie, jedoch nur bei einem Viertel war Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 17 Seite 18 Seltene Erkrankungen, B. Manger ein Tumorrezidiv von einem Arthritisrezidiv begleitet. Insgesamt wiesen die Mehrzahl der Patienten mit Paraneoplasie bei Diagnosestellung keine Fernmetastasen (meist T2N2M0) und eine günstige Langzeitüberlebensrate auf (129). Kommentar: Paraneoplastische rheumatische Symptome können zur Erkennung von Malignomen in einem früheren, prognostisch günstigen Stadium beitragen; sie sind jedoch kein zuverlässiger Indikator für das Auftreten eines Rezidivs. Als mögliche Folge der Behandlung eines Malignoms beschreiben Kim et al. 18 Patienten (17 mit soliden Tumoren, 1 mit Lymphom) mit Chemotherapieassoziierter Arthritis. Die meisten erhielten Kombinationstherapien mit 5Fluorouracil, Cyclophosphamid und Cisplatin und entwickelten innerhalb der ersten Monate der Behandlung Arthritiden überwiegend der kleinen Gelenke und Morgensteifigkeit. Ein gutes Ansprechen der Gelenksymptomatik auf orale Steroide, Hydroxychloroquin und Sulfasalazin wird beschrieben (130). Kommentar: Diese Arbeit ist sehr vage was die Genese und die Beschreibung der Symptomatik angeht, der Hinweis auf die gute Therapierbarkeit ist jedoch im Einzelfall vielleicht von klinischem Nutzen. 8.5.2. Direkte Tumormanifestationen am Bewegungsapparat (131-136) Knochenschmerzen und Arthralgien/Arthritiden durch LymphoblastenInfiltration von Gelenkstrukturen ist ein häufiges Symptom der akuten lymphatischen Leukämie im Kindesalter oder jungen Erwachsenen (12-65%) (131). Jedoch auch bei Patienten über 65 Jahre wurden Knie- und Sprunggelenksarthritiden bei myelomonozytären Leukämien im Rahmen eines myelodysplastischen Syndroms beschrieben (132,133). Eine Metastasierung solider Tumoren ins Gelenk ist selten und bislang wurden erst 37 solcher Fälle in der Literatur berichtet (134). Hinzu kommen nun ein Fall einer Schultergelenksmetastase bei Rektum-Ca (134), ein Fall von beidseitigen carpalen Filiae bei Magen-Ca (135) und zwei Fälle einer sternalen Metastasierung bei Lungentumoren (136). Kommentar: The oncologist will always feel the rumor is tumor, for the rheumatologist, there may only be the rumor of the tumor´s humor. (K. Hardy). 8.6 Andere seltene rheumatische Erkrankungen 8.6.1 Hypermobilitätssyndrome (137-145) Hypermobilitätssyndrome sind nicht selten, werden aber selten diagnostiziert. Die Literatur beschreibt ein weites Spektrum von genetisch bedingten schweren Bindegewebserkrankungen, wie Marfan-Syndrom, Osteogenesis imperfecta und Ehlers-Danlos-Syndrom (verschiedene Subtypen) bis zum benignen Gelenk-Hypermobilitätssyndrom („benign joint hypermobility syndrome“, BJHS) ohne viscerale Beteiligung (137). Die genaue Prävalenz ist unklar, da große Unterschiede bezüglich Alter, Geschlecht und Herkunft bestehen, und da unterschiedliche Klassifikations- und Diagnosekriterien Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger Seite 19 angewandt wurden. Allgemein akzeptiert sind heute zur Diagnose des BJHS die Brighton-Kriterien mit den Major-Kriterien 1) Überstreckbarkeit in Finger-, Hand-, Ellbogen-, Kniegelenken und Wirbelsäule eingehen (Beighton-Score), und 2) Polyarthralgien in ≥ 4 Gelenken für > 3 Monate (138,139). In Kollektiven von BJHS-Patienten, die diese validierten und gut reproduzierbaren Kriterien erfüllen, findet sich nicht nur eine erhöhte Häufigkeit von Asthmabeschwerden und spontanem Pneumothorax (140,141). Es wird auch ein gestörtes neuromuskuläres Reflexverhalten und ein signifikant häufigeres Auftreten einer Fibromyalgie beschrieben (142,143). Die Assoziation von Hypermobilität und späterer Entwicklung einer Osteoarthrose ist jedoch noch umstritten (144). Kommentar: Doch hypermobil zu sein, hat nicht nur Nachteile. Die familiäre Hypermobiltität kann auch zu ganz besondere Fingerfertigkeit befähigen, so dass hierfür auch die Bezeichnung „Paganini-Syndrom“ vorgeschlagen wurde (145). 8.6.2 Palindromer Rheumatismus (146-148) Der palindrome Rheumatismus ist definiert als plötzlich auftretende, rezidivierende, afebrile Attacken akuter Arthritis, die einige Stunden bis maximal 1 Woche anhalten und wieder komplett abklingen, ohne Destruktionen an den betroffenen Gelenken zu hinterlassen. Es handelt sich typischerweise um sehr schmerzhafte Monarthritiden von Hand-, Finger- oder Kniegelenken, seltener auch von Schultern- oder Sprunggelenken. Ein simultanes Auftreten in mehreren Gelenken ist möglich, und in 30% werden die Arthritiden von deutlichen periartikulären Rötungen begleitet. Drei unterschiedliche Verlaufsformen des palindromen Rheumatismus sind möglich: a) komplette Remission der Attacken b) intermittierender Verlauf mit beschwerdefreien Intervallen c) in einem Drittel bis der Hälfte aller Fälle ein Übergang in eine chronisch entzündliche Erkrankung, meist eine RA. Für eine Basistherapie mit Chloroquin werden positive Effekte auf Häufigkeit und Intensität der Attacken sowie eine Verminderung des Risikos für den Übergang in eine RA beschrieben (146). In einer aktuellen Publikation wurden 61 Patienten mit palindromem Rheumatismus beschrieben, von denen 29 in eine RA übergingen, je einer einen SLE, eine PSA bzw. eine M. Behçet entwickelten. 29 Patienten hatten auch nach in Mittel 8,9 Jahren keine eindeutig zuordenbare rheumatologische Krankheit entwickelt. Den höchsten prädiktiven Wert für die Entwicklung einer RA hatte in diesem Kollektiv der Nachweis von Antikörpern gegen cyclische citrullinierte Peptide (CCPAk)(147). Kommentar: „Palindromer Rheumatismus“ ist vielmehr eine Beschreibung von Symptomen, Zeitpunkt nicht einer Krankheitsentität zuordnen des Risikos eines Überganges in eine RA ist hilfreich (147,148). weniger eine Diagnose als die sich zum betreffenden lassen. Für die Abschätzung der Nachweis von CCP-Ak Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 20 Seltene Erkrankungen, B. Manger 8.6.2 Hämochromatose (149-151) Bei einer initialen Arthritis der Fingergrundgelenke stellt sich grundsätzlich die Differentialdiagnose zwischen rheumatoider Arthritis und Hämochromatose-Arthropathie. Auch für diese Differenzierung kann die Bestimmung von CCP-Ak hilfreich sein. Bei 87 Patienten mit hereditärer Hämochromatose wurden nur in einem Fall CCP-Ak nachgewiesen (1,1%). Dagegen fanden sich Rheumafaktoren in signifikantem Titer bei 11,5% dieser Patienten (149). Aufgrund der Häufigkeiten von RA und Hämochromatose kann es auch nicht überraschen, dass es gelegentlich zu einer Koinzidenz beider Erkrankungen bei einem Patienten kommen kann, was dann erhebliche differentialdiagnostische Probleme bereiten kann (150). Kommentar: Bei atypischen oder therapierefraktären RA-Verläufen sollte man auch einmal an ein zusätzliches Hämochromatose–Screening denken. Interessant ist das resultierende radiologische Mischbild, beim dem die hakenförmigen Osteoproliferationen der Hämochromatosearthropathie durch RA-Erosionen wieder abgebaut werden können – „Rheumatologic Irony“ (151). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seltene Erkrankungen, B. Manger 8.7 Literatur 1. Mikuls TR, Saag KG. New insights into gout epidemiology. Curr Opin Rheumatol 2006; 18: 199-203. 2. Roddy E, Zhang W, Doherty M. The changing epidemiology of gout. Nat Clin Pract Rheumatol 2007; 3: 443-9. 3. Choi HK, Ford ES, Li C, Gurhan G. 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